Spitze statt Scherbenhaufen

Im Rahmen des Volontariats berichtete ich für die WAZ-Stadtteilausgabe Essen-Nord am 8. Oktober 2007 über den Essener Fußballklub SV Schonnebeck und traf dabei die Ruhrgebiets-Legende Michael Tönnies.

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Vor vier Jahren war der SV Schonnebeck ganz unten. Nun steht die Mannschaft vom Schetters Busch auf dem ersten Platz in der Landesliga. Alle Spieler kommen aus Essen.

Noch wenige Sekunden. Trainer Harry Kügler vom Fußball-Landesligisten SV Schonnebeck reckt beide Arme in die Höhe, fordert den Abpfiff. Dann ist Schluss. 2:0 gewonnen im Derby am Sonntag gegen den FC Kray, 700 Zuschauer applaudieren. Der SV bleibt Spitzenreiter.

Rückblick. Zwei Tage vorher. Auf dem Ascheplatz am Schetters Busch spielen ein paar Kinder, kein Zuschauer steht am Rand. Die „Macher“ des SV Schonnebeck sind im Klubhaus versammelt, reden über den bisherigen Erfolg und das bevorstehende Derby. „Da ist bestimmt Emotion drin“, sagt der Abteilungsleiter Jürgen Lohkamp. Jahrelang bewegte sich der SV im Niemandsland des Amateurfußballs. Oft Bezirksliga, zwischendurch Kreisliga A. Weit entfernt vom großen Fußball.

Nun sind die Kreisliga-A-Zeiten vorbei und der SV ist Tabellenführer der Landesliga. Rund um den Tisch sitzen die verantwortlichen Personen, die nacheinander zum Schetters Busch kamen. Jürgen Lohkamp und Stellvertreter Dieter Herche erlebten auch die bittere Zeit der jüngeren Vereinsgeschichte mit. Dann traf Herche, vor Jahrzehnten bei Rot-Weiß Essen tätig, seinen Ex-RWE-Schützling Michael Tönnies wieder. Genau der Tönnies, der beim MSV Duisburg zur Legende wurde. Der Tönnies, dem der schnellste Hattrick der Bundesligageschichte gelang.

Der sitzt jetzt mit am Tisch der „Macher“. Den Abstieg in die Kreisliga A konnte Trainer Tönnies nicht verhindern. Der ganze Verein war zu dieser Zeit ein Scherbenhaufen. Die Lösung: Tönnies wurde Sportlicher Leiter, holte Uwe Poßberg zum Schetters Busch. Beide setzten auf den eigenen Nachwuchs. Der SV blieb 59 Spiele ohne Niederlage, schaffte den Durchmarsch bis in die Landesliga.

Jetzt ist der Trainer ein anderer. Seit Beginn der Saison hat Harry Kügler an der Seitenlinie das Sagen. Tönnies und Kügler spielten zusammen bei RWE, Kügler nennt seinen ehemaligen Teamkollegen „Charly“: „Ein Spitzname, der von damals übriggeblieben ist. Den kennt kaum jemand.“ Michaels Bruder Dirk Tönnies ist nach vielen Jahren bei verschiedenen Oberliga-Klubs ebenfalls zu einem Heimatklub heimgekehrt – als Kapitän und Co-Trainer.

Das Ziel vor der Saison: sehr bescheiden „eine gute Saison“ spielen. Aus einer guten Saison wurde der erste Platz nach acht Spieltagen. Sechs Siege, ein Unentschieden, eine Niederlage. „Alle Spieler kommen aus Essen, zwölf davon aus Schonnebeck“, sagt Dieter Herche. Mit 300 Zuschauern im Schnitt liegt der SV laut Jürgen Lohkamp „ganz gut“. 15 Jugendmannschaften teilen sich den Platz am Schetters Busch. „Die Mannschaft ist bei uns der Star“, sagt Kügler. Millionär wird hier keiner. „Wir haben“, sagt Tönnies, „alles in den Trainer gesteckt.“ Alle am Tisch blicken auf Kügler und lachen danach laut. Spaß beim Spitzenreiter!

Zwei Tage später: Das Klubhaus ist rappelvoll. Die Schonnebecker bejubeln den Sieg durch zwei Dirk-Tönnies-Tore. Der Vorstand und Trainer Kügler klopfen sich auf die Schulter. Weiter ganz oben!

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