14. Februar 2009 – VfL-Schalke 2:1 – „Feel Good“

Nach sieben Jahren neigten sich meine Aktivitäten als VfL-Blogger im Frühjahr 2009 dem Ende entgegen. Einer meiner letzten Einträge beschäftigte sich mit dem Revierderby zwischen Bochum und Schalke, das am 14. Februar 2009 2:1 für den VfL endete. Da ahnte ich noch nicht, dass ich nur ein Jahr später Schalke-Reporter werden würde.

Hier geht es zum Blog-Eintrag, den ich „Feel Good“ nannte und mich für die Dachzeile „Warum Derbysiege immer das Größte sind. Oder: Wie verflucht lang zwei Sekunden sein können“ entschied:

Versenk die Kugel. Versenk sie! Man Dabro, du hast nur einen halben Meter zu überwinden! Einen HALBEN METER! Ja, Jaa, JA, JAA, Jaaa, JAAA, man, mach’s doch, da steht doch nur noch ein Schalker auf der Linie. Du und der Ball, der Schalker Torwart geschlagen, MACH’S DOCH, MACH’S DOCH! JAAAAA! Das dauert und daauert und daaauert. Erinnere mich an den 2:1-Sieg vor drei Jahren, man, da hat doch auch der Kuranyi das einsnull für die anderen gemacht, und jetzt, DABRO HAU IHN REIN. Und man DABRO, taumel nicht so rum mit der Kugel, stolper nicht so rum…

Erinnere mich an das Vorgeplänkel.

Ein Derby beginnt nicht erst am Samstag um 15.30 Uhr. Es ist Mittwoch, Donnerstag, Freitag, wann auch immer. Weiß gar nicht, ob die Songs irgendwo auf Festplatte oder CD in meinen Archiven lagern. Aber im Kaufrausch ziehe ich für jeweils 99 Cent „Killing in the name of“ von Rage against the machine, „Sabotage“ von den Beastie Boys, „Paranoid“ in der Live-Version von Black Sabbath und „Down with the sickness“ von Disturbed bei iTunes ausm Netz. Nicht so’n Gute-Laune-Punk a la „Chelsea Dagger“. Einfach so druff, ohne Hintergedanken. Eigentlich. Um kurz vor halbzwei am Samstag, als ich das Haus verlasse, mir meinen Schal zurechtzupfe, die Digitalkamera in der rechten Tasche meiner grünen Jacke verstaue, fällt mir auf, dass ich mir auf dem ipod eine neue „On-the-Go“-Playlist zusammenstellen könnte. Eine mit so richtig krassen Reinschädlern. Metallicas frühe Werke, AC/DC. Und eben Rage, Black Sabbath.

Versenk die Kugel. Versenk sie! Man Dabro, du hast nur einen halben Meter zu überwinden! Einen HALBEN METER! Ja, Jaa, JA, JAA, Jaaa, JAAA, man, mach’s doch, da steht doch nur noch ein Schalker auf der Linie. Du und der Ball, der Schalker Torwart geschlagen, MACH’S DOCH, MACH’S DOCH! JAAAAA! Das dauert und daauert und daaauert.

Erinnere mich an das Vorgeplänkel vor dem Anpfiff.

Alles ist anders als vor dem KSC-Spiel vor zwei Wochen. Ich bin fast schon geneigt, die Zeitspanne seitdem mit dem Wort „damals“ zu überschreiben. Damals jedenfalls: alle auf Krawall aus. Alle auf eine Niederlage vorbereitet. Alle mit den Zdebel-A2-Plakaten in der Hand. Alle mit „Koller raus“ auf den Lippen. Heute reden wir von einem Derby. Einem Revierderby. Hier wird nichts gefordert, was gegen die eigene Mannschaft, den eigenen Trainer geht (jedenfalls so lange wir nicht zurückliegen). Hier ist Ausnahmezustand. Wir reden uns vorher in Rage, regen uns nur ein wenig darüber auf, dass Zdebel bei Leverkusens 4:1 in Hoffenheim gestern volle 90 Minuten mitwirken durfte, von unserem Trainer aber als „regionalligatauglich“ eingestuft wurde. Große Hoffnungen machen wir uns (sportlich) nicht.

Versenk die Kugel. Versenk sie! Man Dabro, du hast nur einen halben Meter zu überwinden! Einen HALBEN METER! Ja, Jaa, JA, JAA, Jaaa, JAAA, man, mach’s doch, da steht doch nur noch ein Schalker auf der Linie. Du und der Ball, der Schalker Torwart geschlagen, MACH’S DOCH, MACH’S DOCH! JAAAAA! Das dauert und daauert und daaauert.

Erinnere mich ans Einlaufen.

Stufe für Stufe für Stufe betreten die Spieler den Rasen. „Hast im Schrebergarten Deine Laube!“ Das Schiri-Trio geht vorneweg, die Kapitäne Krstajic und Dabrowski direkt dahinter. „Machst mit nem Doppelpass: JEEEEEEEEEEDEN Gegner nass!“ Die Spieler stellen sich an der Mittellinie auf, in einer Reihe. „Du und Dein V-F-L!“

Versenk die Kugel. Versenk sie! Man Dabro, du hast nur einen halben Meter zu überwinden! Einen HALBEN METER! Ja, Jaa, JA, JAA, Jaaa, JAAA, man, mach’s doch, da steht doch nur noch ein Schalker auf der Linie. Du und der Ball, der Schalker Torwart geschlagen, MACH’S DOCH, MACH’S DOCH! JAAAAA! Das dauert und daauert und daaauert.

Erinnere mich an das Spiel.

Ich bin nicht für Koller, werde das auch nicht mehr sein, und ich glaube nach wie vor, dass eine Trennung das Beste wäre, als Medikament gegen die vergiftete Stimmung (hey, ein Spiel gegen Schalke, NICHT ausverkauft, NUR Plätze in der Ostkurve noch da) – aber so wie’s hier läuft… Kompliment! Seine taktische Abweichung macht’s aus, seine Notaufstellung zieht, ist genau richtig. Gut, der Torwart ist ’ne Pfeife, wussten wir schon, warum Heerwagen nicht spielt, keinen Schimmer. Die Abwehr stellte sich ohnehin mit Schröder, Mavraj, Pfertzel und Fuchs selbst auf. Aber davor? Die Doppel-Sechs mit Dabrowski und Imhof – und davor eine Art Neururer-Revival-Tour. 4-2-1-3. Oder besser: 4-2-3-1. Vor der Doppel-Sechs ist Epalle als Spielmacher gesetzt. Im Dreier-Sturm kämpfen Sestak (rechts), Klimowicz (Mitte) und Azaouagh (links). Naja, oder eher Stürmchen. In Wirklichkeit bleibt Klimowicz vorn stehen – und die beiden Außen helfen auch sehr oft in der eigenen Hälfte aus.

Versenk die Kugel. Versenk sie! Man Dabro, du hast nur einen halben Meter zu überwinden! Einen HALBEN METER! Ja, Jaa, JA, JAA, Jaaa, JAAA, man, mach’s doch, da steht doch nur noch ein Schalker auf der Linie. Du und der Ball, der Schalker Torwart geschlagen, MACH’S DOCH, MACH’S DOCH! JAAAAA! Das dauert und daauert und daaauert.

Erinnere mich an den Spielverlauf.

Mein Arbeitskollege rechts neben mir lacht noch über Kevin Kuranyi („Man ist der unbeweglich. Man ist der schlecht. Hahahahaha“ usw.), als in Minute 17 unser Pfeifentorwart einen harmlosen Farfan-Schuss nur nach vorn abklatschen kann und Kuranyi zum 0:1 abstaubt. Bis dahin ist Schalke die bessere Mannschaft und die Führung nicht unverdient. Aber mit dem 0:1 kommen wir. Die Spieler. Die Fans. Der Abstiegskampf-Geist. Wir machen das, was die Schalker nicht können. Zweikämpfe bestreiten. Und gewinnen. Und foulen, direkt danach zum gefoulten Schalker laufen und ihn beschimpfen, er solle nicht simulieren (egal, wie hart das Foul war). Das sind Derby-Gänsehautmomente. Sestak steht völlig frei vor Neuer, schießt den jedoch an. Das ist rund um die 35. Minute. Kurz vor der Halbzeit schnappt sich Azaouagh den Ball, und löffelt ihn mit einer Mordsdrehkurve auf die Kiste. Neuer eiert durch sein Tor, weiß nicht, wo die Kugel einschlägt, und: DRIN! Einseins!!! Bis zur 52. Minute erarbeiten wir uns ein Eckballverhältnis von 13:0. Absolut rekordverdächtig! Unsere Aushilfs-Innenverteidiger Pfertzel und Mavraj ziehen ihr Ding sensationell durch. Fehlt nur noch das zweieins und das wäre jetzt auch VERDIENT.

Und dann setzt sich Fuchs über die linke Seite durch. Marschiert am ausrutschenden Rakitic vorbei, spielt die Kugel in den Rücken der Abwehr. Klimowicz erhält den Ball, spitzelt ihn an Neuer vorbei, doch nicht rein, Kobiashvili stoppt ihn vor der Linie, doch da ist Dabrowski. Muss ihn nur noch über die Linie bugsieren. Irgendwie. Egal wie. Egal mit welchem Körperteil.

Versenk die Kugel. Versenk sie! Man Dabro, du hast nur einen halben Meter zu überwinden! Einen HALBEN METER! Ja, Jaa, JA, JAA, Jaaa, JAAA, man, mach’s doch, da steht doch nur noch ein Schalker auf der Linie. Du und der Ball, der Schalker Torwart geschlagen, MACH’S DOCH, MACH’S DOCH! JAAAAA! Das dauert und daauert und daaauert – ja, jaa, hüpf, hüpf, da isser, da isser, da isser,

TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOORRRRRRRRRRR!!!!

TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOORRRRRRRRRRR!!!!

Wuhuuuu, tatataaaaa, Wuhuuuuu, Blur, gib mir den „Song 2“ auf die Zwölf! JAAAAA!!! Dabros zwei Sekunden zwischen Ballannahme und Kullertorschuss, gefühlt zwei Stunden, und jetzt endlich DER TOR-POGO, auf den wir seit langer, langer Zeit warten. Gigantisches Abklatschen, prickelndes Bier in meinen Locken, streichelt mir über den Kopf, scheißegal, macht nix, macht nix, HÜPFEN, TOOOOOORRRRRRRRR!!!! „TOOOR FÜR DEN VFL BOCHUM! Und der TORSCHÜTZE MIT DER NUMMER FÜNF: Christoph…“ „DABROWSKI!“ „Christoph“ „D A B R O W S K I!“

Da steht’s auf der Anzeigetafel: VfL Bochum 2, FC Schalke 04 1.

33 Minuten noch. 33 Minuten zu allem, nur nicht zum Analysieren. 33 Minuten, um zu reden über…

… die „Stationettes“, die in der Halbzeitpause eine ausgearbeitete Valentinstags-Choreographie präsentierten – und das zum Song „Love is in the air“. Nicht schlecht bei einem Revierderby.

… einen alten Fußballkumpel, der das Azaouagh-Tor verpasste. Zwei Gründe werden für sowas akzeptiert: a) Getränke holen, b) auf Toilette gehen. Er hatte eine Mischung aus a) und b) zu bieten. Auf der Toilette suchte er in seinem Portmonee nach Kleingeld, als Azaouaghs Flatterschuss das Netz ausbeulte.

… über den Derbycharakter in der Schlussphase. Nicht nur wegen Rafinha. Rudelbildung alle 30 Sekunden, ja, so lieben wir’s. „Wir wolln Euch kämpfen sehn“, brüllen die Fans von Gegenüber – und das ist einer der größten Triumphe. Yeah. „IHR KÖNNT NACH HAUSE FAHRN!“ entgegen wir nur. Und: „Ihr habt bezahlt Ihr könnt jetzt GEHN!“

… über die Nachspielzeit. Schalkes Pander trifft noch den Außenpfosten.

Schlusspfiff. So gehn die Bochumer, die Bochumer gehn so, so gehn die Bochumer, die Bochumer gehn so. *duck* so gehn die schalker, die schalker, die gehn so, so gehn die schalker, die schalker die gehn so. HINSETZEN! HINSETZEN! Wiiiiirrr singen HUMBA HUMBA HUMBA TÄTERÄÄ!!!

Hab in meinem iTunes-Kaufrausch noch einen Song runtergeladen. Von den Gorillaz.

Feel Good.

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