21. März 2002 – BVB-Liberec 4:0 – „Brötchen für viel Geld“

Als Fußballfan im Ruhrgebiet gibt es viele Dinge, die auf der „To-do“-Liste stehen. Zum Beispiel: einmal ein BVB-Spiel auf der Südtribüne verfolgen. Am 21. März 2002 konnte ich auf meiner „To-do“-Liste hinter diesem Punkt ein „Check“ vermerken. Denn mit ein paar sehr guten Freunden besuchte ich das Uefa-Cup-Viertelfinal-Rückspiel zwischen dem BVB und Slovan Liberec. 4:0 ging das aus und wir beendeten den Abend im T-Club in der Turbinenhalle Oberhausen. Song 2. Wuhuuu!

Hier geht es zum Blog-Eintrag, den ich „Brötchen für viel Geld“ nannte:

Wie soll ich meine Gefühle beschreiben, die ich verspürte, als mein Kumpel Björn mir mitteilte, dass ich die Chance hätte, mit zum UEFA-Cup-Spiel BVB gegen Liberec zu kommen? Toll, dachte ich. Ist ja mal was anderes als dieses Zweitliga-Einerlei, das ich mir Woche für Woche zumute. Und außerdem ist das Westfalenstadion (bei aller Konkurrenz zum VfL muss ich das ja mal sagen) nicht das schlechteste in der Bundesliga. Als Björn mir noch verklickerte, dass unser beider Kumpel Marc (MSV-Fan) auch noch mitkommen würde – gebongt, wird ein toller Abend!

Und so trafen wir uns um 18.05 Uhr am Mülheimer Hauptbahnhof, Gleis eins – und schon beim Betreten des Bahnsteigs wusste ich: Dieser Abend findet für Marc kein würdiges Ende. Ich weiß, wie er guckt, wenn er dabei ist, sich einen zu tanken – und er war dabei.

– Hab vorhin zwei Bullka (Wodka/Redbull, Anmerkung von mir) getrunken. Super!

Ach du liebe Zeit. Björn hat auch schon die Dose Pils in der Hand – und die Dortmund-Kleidung an. Meine Laune steigt. Und das alles für einen Ausflug nach Europa. Ach, was waren das noch für Zeiten; FC Brügge, Ajax Amsterdam, Trabzonspor. Und in Dortmund? Da ist Viertelfinale (!), soweit wird Bochum niemals (!!!) kommen – und die Prognosen prophezeien ein maximal halbvolles Stadion. Soviel zum Thema „die besten Fans Deutschlands“.

Essen Hauptbahnhof; Stocki steigt zu – ein Medizin-Kollege von Björn. Weiter geht´s; Wattenscheid, Dortmund Hauptbahnhof, in die U45 Richtung Westfalenstadion. Aussteigen, pissen gehen, Hunger. „Westfälischer Grillschinken mit Krautsalat“ für 4 Euro. Klingt gut, ich bestell mir gleich zwei. So ist das mit der neuen Währung. Du hörst die Zahl „4“ und denkst: Hoppla, wie billig. Am Ende stellst Du fest: 8 Euro für zwei Brötchen, macht 16 (!) Mark… Homer Simpson würde spätestens an dieser Stelle ein lautes „NEIN“ (bzw. auf Englisch „D’oh!“) auswerfen. Ich bemerke es erst im Stadion – und ärgere mich. Aber lecker war´s!

Marc schießt sich systematisch ab. Ein Bierchen hier, ein Bierchen da; und viiiiel Scheiße labern. Fünf Minuten vor dem Anpfiff nehmen wir unsere Plätze ein. Wow, ganz schön fett, dieses Westfalenstadion. Aber tatsächlich nur 36 000 Leute hier. Es wird ein netter Abend, aber nicht mehr. Mein privater Höhepunkt war der Geruch eines Joints, der mir in der Halbzeitpause in die Nase stieg. Ansonsten: ein ganz ansehnliches Spiel mit vier BVB-Toren (Amoroso, Ricken, Ewerthon und der von mir sehr geschätzte Jan Koller trafen) und einigen lässigen Sprüchen. Bei einigen Sprechchören konnte ich sogar mitgröhlen, z.B. wenn die Dortmunder anfingen, vom U-U-EFA-Cup zu trällern (sieh nach beim Spielbericht VfL gegen Reutlingen…). Es fiel nicht weiter auf, dass ich gewisse Verse tauschte.

Nein, der BVB ist nicht meine Welt. „Das sollte sie auch nicht werden“, konstatiert Björn. Alles ein bisschen zu groß, zu krass, zu pompös, zu viele Pseudo-Fans, zu viele Neureiche, die sich mit diesem vom Kapitalismus durchtränkten schwarz-gelben Bankkonto schmücken. Eine zusammengekaufte Mannschaft (gut, mit der Ausnahme Ricken), eine kritische Südtribüne, die nach einer Viertelstunde (es hieß noch 0:0) erstaunlich ruhig wurde. Bei „Anstoß3“ würde unter der Rubrik „Fans“ ein einziges Wort stehen: „Verwöhnt“ und nicht etwa „laut“. Das ist nicht mein Ding. Dann lieber ständig verlieren, immer schimpfen und als Kleiner gegen die Großen wie Borussia Dortmund ankämpfen. Ich glaube, wenn Bochum mal so im Konzert der Reichen mitspielen würde – der Gang ins Ruhrstadion würde mir keinen Spaß mehr machen.

Diese Erkenntnisse nehme ich nach 90 Minuten um 22.30 Uhr mit und Marc an die Hand. Stehen und sprechen kann er noch. Das ist gut, denn wir wollen noch in den T-Club in der Turbinenhalle Oberhausen. Das Ganze geschieht mit dem fantastischen „Rhein-Emscher-Express“ der Deutschen Bahn, der doch tatsächlich an den genialsten Hauptbahnhöfen des Ruhrgebiets hält (kein Scherz), und zwar hintereinander in Castrop-Rauxel Hauptbahnhof, Herne, Wanne-Eickel Hauptbahnhof, Gelsenkirchen Hauptbahnhof, Essen-Altenessen und Oberhausen Hauptbahnhof. Na wenn das keine Strecke ist! Ich bin leider mehr damit beschäftigt, Marc wach zu halten als raus zu schauen. Kurz noch zu Mäkkes – der „Grilled Chicken“ schmeckt einigermaßen – und unseren Mit-Abiturienten Zander in der Bahn treffen. Klappt alles wunderbar, auf www.vrr.de ist doch Verlass.

Es wird auch im T-Club nett. Wir treffen aus purem Zufall einen Studienkollegen von Marc und Zander samt Freundin, den wir aus gewissen Gründen nur den „Schalker“ nennen. Lang, lang nicht gesehen und doch wieder erkannt. Ebenso einen Badmintonspieler, ein Tischtennis-As. Viel geredet und viel getrunken – ich schon standesgemäß mein Gatorade, Marc und Zander Bier und Wodka-Lemon. Zander erlebt seinen größten Abend der letzten Jahre – mit auf dem Stuhl tanzen und so. Marc und ich lachen uns mehrfach scheckig. Alle Klassiker kommen: „Bayern“ (Hosen), „Zu spät“ (Ärzte), „Like the way I do“ (Melissa Etheridge), „Song2“ (Blur), „Time to wonder“ (Fury in the Slaughterhouse), „Jein“ (Fettes Brot), „It´s my life“ (Bon Jovi), die Robbie-Williams-Version von „Back for Good“, Oldies („Yesterday man“), aktuelle Charts-Mucke („Whatever, whenever“/Shakira, „The whole world“/Outkast, „How you remind me“/Nickelback…) undundund… Es wird spät, 3.45 Uhr wirft mich der Taxifahrer vor meiner Haustür raus.

16 Mark für zwei Brötchen.

Manmanman.

Ein hoher Preis für ein bisschen Europa…

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