26. März 2004 – RWO-MSV 0:3 – Seid stolz auf dieses Spiel

In der Saison 2003/2004 verbrachte ich meine Zeit auf den Fußballplätzen des Ruhrgebiets, um über Amateurspiele zu berichten. Und wenn ich dann einmal ein bisschen freie Zeit genießen konnte, dan verbrachte ich die – natürlich – auf den Fußballplätzen des Ruhrgebiets. So weilte ich am Freitag, 26. März 2004, beim ganz, ganz kleine Revierderby zwischen Rot-Weiß Oberhausen und dem MSV Duisburg in der 2. Bundesliga.

Und so geht der Blog-Eintrag, den ich „Seid stolz auf dieses Spiel“ nannte:

Wahnsinn wieviel Fußball ich in dieser Saison gesehen habe. Es wird allein mein 29. Profifußball-Live-im-Stadion-Spiel sein. Es? Wochenende der Revierderbys. Morgen das „große“ Bochum gegen Schalke. Und heute das „kleine“. Oberhausen gegen Duisburg. Kanalkurve im Niederrheinstadion. Im Stadion, das ich auch mit dem Fahrrad prima erreichen könnte. Fahre mit Kumpel Helmut. Mit dem Auto.

Es gibt nicht nur einen MSV-Fan in meinem Bekanntenkreis, der mich immer zu den Spielen mitnehmen möchte. Nein, auch mein Onkel Dietmar, wohnhaft in… genau: Duisburg, besucht regelmäßig das Wedaustadion, und beide haben sich beschwert. Meine Texte hier auf der Homepage seien zu negativ. Warum ich überhaupt mitginge, wenn ich es sowieso nur runterputze? Okay, Kritik angekommen; aber ein paar von den Spielen, die ich gesehen habe, waren wirklich sehr schlecht. Das ist nicht das Thema.

Ausnahmsweise haben die MSV-Fans mal wieder den Taschenrechner rausgeholt, ausnahmsweise fängt jeder Satz mit „Hätten wir mal“ an (sieh nach beim Aachen-Spiel), und als wir am 18.20 Uhr am Stadion eintreffen, fragen wir uns, warum die Infrastruktur rund um RWO erstligareif sein sollte. Sie ist’s nicht. Für ein paar Tausend Gäste-Anhänger stehen gerade einmal zwei Aufgänge mit insgesamt sechs (!) Kartenabreißern zur Verfügung. Es ist alles so verflucht eng, als ob niemand vorbereitet gewesen wäre. Kommen dennoch rein, an polternden Security-Bierbäuchen vorbei und platzieren uns mittig hinter dem Tor. Es wird enger und enger, und – ich gebe zu – voller als beim damaligen VfL-Gastspiel hier. Die Stimmung ist völlig anders. Wir Bochumer haben das nicht als „echtes“ Revierderby empfunden. Oberhausen und Duisburg – das ist Niederrhein… aber wir? Wir sind Westfalen, eher in Richtung Dortmund, Gelsenkirchen, Bielefeld orientiert. Nebensache.

Helmut ist euphorisch. Seine gute Laune fing beim guten Parkplatz, in Turbinenhallen-Nähe, an. Er hat glatt vergessen, dass er mit seinem neuen Polo morgens eine Laterne geküsst hat. „Bestimmt 15.000“, schätzen wir die Zuschauerzahl, als sich die Lederjacken-Fraktion in unsere Richtung bewegt. Das sind diejenigen, die sich mit modischen (Ganz-)kurzhaarfrisuren fortbewegen, die vermutlich gerade „Freigang“ haben (um mal Vorurteile auszupacken). Irgendeiner beschimpft den Schiedsrichter bei jeder Entscheidung contra MSV als „Jude“. Peinlich und unendlich traurig zugleich. Oberhausen beginnt stark. Caio köpft an die Latte und köpft kurze Zeit später nochmal – ein MSV-Spieler klärt. Auf oder hinter der Linie? Auf, meint der Schiri… Helmut schnauft durch, ich freue mich. Will nur ein gutes Fußballspiel sehen, und das scheine ich zu bekommen.

Auf einmal kippt jemand aus der Lederjacken-Richtung um. Wird auf die Laufbahn getragen. Polizisten kommen angestürmt, die auf solche Situationen vorbereitet sein müssten. Müssten. Denn eine junge grün uniformierte Frau fleht: „Was soll ich machen?“ Die Lederjacken drehen durch. Es kommt zu leichteren Tumulten, als nach zwei Minuten immer noch kein Sanitäter eingetroffen ist. „Das sieht nicht gut aus“, ferndiagnostizieren wir. Nach drei Minuten kommt endlich ein Sani, nach zehn Minuten dann drei Krankenwagen. Der Kerl scheint noch zu leben, aber die Krankenversorgung ist ein Skandal. Und das bei einer Großveranstaltung mit offiziell 14 117 Menschen!! Vom Spiel haben wir noch nicht viel mitbekommen. Nach 15 Minuten hat sich der MSV bekrabbelt und nun das Spiel scheinbar im Griff. Nach einer halben Stunde flankt Keidel, und Ahanfouf nickt zum 1:0 ein. Große Freude im Block, die Lederjacken zünden eine Rauchbombe, und wir haben genug. Wir wechseln unseren Standort. Sehen Ouedraogos RWO-Chance. Er ist frei durch, doch vergibt. Halbzeit 1:0, es ist viel drin; nicht nur im Spiel, sondern auch außerhalb. Es gibt diesmal viel zu erzählen, und – Hallo Dietmar, Hallo Helmut – noch nichts Negatives.

Seitenwechsel der Mannschaften. Solche Spiele eignen sich immer prächtig, Fankurven von anderen Klubs zu analysieren. Wer den „Ultras“ zuhört, der kann die eigenen „Ultras“ besser bewerten. Der „2010 – ihr werdet es schon sehen“-Sprechchor ist wohl ultra-übergreifend, genauso „Ihr seid nur Auswechselspieler“ zu den gegnerischen Ersatzleuten, sofern sie sich vor der eigenen Kurve warmlaufen. Auch die kurvenwechselseitigen Rufe (die eine Seite ruft „MSV“, die andere antwortet „MSV“ – beim VfL geht das so: „Wen lieben wir?“; „V F L !“), das „Humba-humba-Tätärä“-Gebrülle sowie die „Steht auf für den … „-Gesänge sind gleich. Schade, dass sich die Ultras jeweils so ähnlich sind. Lediglich in Choreographien und Größe der Gruppe heben sie sich voneinander ab. Ich habe den MSV schon genug kritisiert, siehe oben. Dann muss das diesmal nicht sein. Aber es wäre auch unangebracht.

In Halbzeit zwei spielt der MSV stark. Wir fragen uns einerseits, warum der MSV erst seit drei Spielen so überzeugt, und andererseits, wie Oberhausen an 42 Punkte gekommen ist. Kaum zu fassen: Vor vier Spielen war Oberhausen Erster, und der MSV auf Platz 14. Jetzt trennen beide Teams wohl nur noch vier Punkte. Kurth erzielt das 2:0 in der 58., wenn auch aus abseitsverdächtiger Position, und sogar noch das 3:0, kurz vor Schluss. Dann fliegt Oberhausens Cipi nach einer Beingrätsche vom Platz – also auch in Halbzeit zwei wieder alles drin im Spiel der Ruhrpott-Zweitliga-Rivalen. Ich überlege mir, wie ich das Spiel wohl aus RWO-Sicht bewertet hätte? Wahrscheinlich so: sehr gut angefangen, zwei gute Chancen gehabt, ein vermeintliches Tor nicht gegeben. Beim Stand von 0:1 eine weitere sehr dicke Chance nicht genutzt – und durch ein klares Abseitstor auf die Verliererstraße geraten und unnötig hoch verloren. Dass das Resultat am Ende in Ordnung geht, dürfte wohl niemand bestreiten.

Mit einem guten Fußballspiel im Magen geht es zum guten Parkplatz. Helmuts Euphorie ist nicht enttäuscht worden. Und ich kann endlich auch einmal den MSV Duisburg loben – mit Ausnahme der Lederjacken-Fraktion.

Aber sonst? Spiel gut, Stimmung gut: Ihr könnt stolz auf dieses Spiel sein.

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