Unverwechselbar

Im Rahmen meines Volontariats durfte ich den Redakteur der WAZ-Stadtteilausgabe Essen-Nord (u. a. mit den bundesweit bekannten Stadtteilen Altenessen, Katernberg, Stoppenberg, Karnap, Vogelheim) vertreten. Ich nahm auch härtere Themen ins Visier – und schrieb zum Beispiel ein Porträt über den Jugendkontaktbeamten Katernbergs.

Zum Text im Archiv von DerWesten geht es hier.

Ruhig blickt Herbert Czarnyan auf den Förderturm der Zeche Zollverein. Eine Menge Papier trägt er unter seinem rechten Arm. Ein markanter Schnäuzer macht ihn unverwechselbar. Herbert Czarnyan schaut auf Katernberg. Hier ist er Jugendkontaktbeamter der Polizei, hier arbeitet er überwiegend mit der libanesischen Gemeinde zusammen und versucht er das Zusammenleben durch ein Netzwerk zu verbessern.

„Mitte der 90er“, erzählt Czarnyan, „hat es angefangen.“ Da stieg die Kriminalitätsrate. Viele Jugendliche – laut Czarnyan perspektivlos und überwiegend libanesischer Herkunft – bildeten Jugendbanden und gingen regelmäßig auf Diebstahltour. Die Polizei im Essener Norden stand dieser Statistik machtlos gegenüber. Zunächst.

Dann kam Czarnyan gemeinsam mit dem Katernberger Imam (Vorbeter) der libanesischen Gemeinde auf die Idee, ein Netzwerk zu bilden. Geschäftsleute, Jugendamt, Polizei und die Väter der Kinder saßen in einem Cafe an einem Tisch und redeten über die Probleme. Aus dem Kreis der libanesischen Gemeinde moderierte Rabih Badr – heute ist Badr Sozialarbeiter im Kon-Takt in Katernberg und wichtiger Ansprechpartner.

„Viele Väter“, erzählt Czarnyan, „haben auf diesem Weg erstmals erfahren, was ihre Kinder treiben. Daraufhin hat der Imam gesagt, dass ein solches Verhalten der Gemeinde schadet.“ Das Resultat: Die Kriminalitätsrate – wenigstens in Katernberg – ging nach unten. „Ein absoluter Rückgang“, sagt Czarnyan sogar und schaut sehr bestimmt.

Seitdem arbeiten die Gemeinde und Czarnyan Hand in Hand. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Treffen der Netzwerkgruppe – auch in Schulen. Für diese Arbeit gab es 2005 den Landespräventionspreis von NRW. Czarnyan: „Wir haben noch einige Ziele: bessere Bildung, bessere Sprachfähigkeit, bessere Startchancen.“ Dazu gibt es zum Beispiel einen Deutschkurs für 25 libanesische Frauen in den Schulen ihrer Kinder. „Damit steigern wir die Sprachkompetenz der Eltern. Und die Kinder merken, dass sich ihre Eltern bemühen“, erläutert Czarnyan.

Die Kriminalität ist nicht komplett aus Katernberg verschwunden. „Früher war dieser Stadtteil einsame Spitze in Essen, heute steht er im Mittelfeld. Unsere Netzwerkarbeit kann sich aber nur an die integrationswilligen Familien richten.“ Das Zusammenleben zwischen deutschen und libanesischen Familien ist nach Beobachtungen von Czarnyan und Badr bei weitem nicht optimal. Deshalb sind sie mit ihrer Arbeit noch nicht am Ende. Sondern noch mittendrin.

Dieser Beitrag wurde unter ... journalistisch!, Allgemein, Essen, Ruhrgebiet, Weitere Texte abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.