Inside-Report: Wie ein Trainingslager für Reporter aussieht

Mittendrin.

Mittendrin.

Es gibt ganz viele von Euch, die sich für meine Arbeit interessieren. Also nicht nur konkret für Schalke oder Fußball, Taktik, NFL, Seattle, die Seahawks, den VfL Bochum oder Journalismus-Theorie in der digitalen Gegenwart – sondern einfach: Wie funktioniert deine Arbeit in der Praxis? Vor allem rund um das Trainingslager des FC Schalke 04 im Ötztal (20. bis 29. August) kamen viele dieser Fragen. Meine Homepage kann ich nun perfekt dazu nutzen, Euch näherzubringen, wie das Trainingslager für mich ablief, ohne zu viele Interna zu verraten. Und in den Herbstferien habe ich die nötige Zeit, das alles aufzuschreiben.

Sonnenuntergang nach dem Training am späten Nachmittag.

Sonnenuntergang nach dem Training am späten Nachmittag.

Also: Ein Trainingslager beginnt für einen Reporter nie erst mit dem Tag der Hinfahrt – es ist viel Planung (wie funktioniert die Hin- und Rückfahrt, wo soll die Unterkunft liegen, wie ist die Entfernung zu den Trainings- und Testspiel-Orten etc.; darauf gehe ich aber nicht ein – nur so viel: Das macht ein Reporter selbst, nur in Ausnahmefällen gibt es Angebote eines Reisebüros), Absprache (mit den beteiligten Redaktionen; ob Kontaktpersonen/Quellen zufällig auch in der Nähe sind für ein Pläuschchen – kann in Österreich im Sommer mal vorkommen) und Grips (Ideen-Entwicklung) vorher notwendig.

So war es auch diesmal.

Für jeden Tag existiert in jedem Trainingslager eine grobe Planung, um nicht in Themen-Not zu geraten. Zahlreiche dieser Texte müssen dann noch in Deutschland wenigstens anrecherchiert werden. Diese Planung aber, so habe ich das jedenfalls bisher immer erlebt, wird nie komplett umgesetzt werden können – diesmal war sie sogar aus verschiedenen Gründen bis auf wenige Ausnahmen nahezu komplett hinfällig; ich sage nur: Corona-Fall im Spielerkreis.

Corona-Abstand eingehalten: Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider.

Corona-Abstand eingehalten: Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider.

Das Trainingslager in Längenfeld begann am 21. August. Gegen 14 oder 15 Uhr, so hieß es vorher, würde Schalkes Mannschaft am Hotel ankommen. Mit dieser Ankunft beginnt für Reporter die Arbeit, und „21. August / 14 Uhr“ war meine Richtzeit. Aus Corona-Gründen reiste ich mit dem Mietwagen an und verzichtete auf Zug oder Flug. Um nicht morgens um vier Uhr im Pott losfahren zu müssen (Fahrtzeit inklusive Pausen neun bis zehn Stunden), begann meine Fahrt bereits am 20. August. Gegen 20 Uhr verließ ich Mülheim, übernachtete irgendwo in einem Autobahnhotel an der A8 und erreichte Längenfeld ausgeruht gegen 11 Uhr.

Mehrere Faktoren beeinflussen in einem Trainingslager den Tagesablauf – natürlich ist die eigene Fitness ganz entscheidend, bei zehn Tagen nonstop Aufmerksamkeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit unruhigem Schlaf kann die schon mal leiden. Ich hatte keine Probleme, toi toi toi. Aber zwei Faktoren sind ganz besonders wichtig: a) die Termine des Vereins für den aktuellen Tag, die diesmal in den meisten Fällen aber erst am Abend zuvor zwischen 21 und 23 Uhr kamen und b) die Wünsche der Redaktionen in Deutschland.

Die Fischbachbrücke in Längenfeld passierte ich täglich sehr häufig.

Die Fischbachbrücke in Längenfeld passierte ich täglich sehr häufig.

Was sind diese Termine unter a) ? Diesmal: Immer eine Trainingseinheit am Vormittag (ab 10 Uhr, Dauer etwa zwei Stunden), an drei Tagen sogar zwei (10 und 17 Uhr), dazu Testspiele (drei waren geplant, eins wurde es), feste Interviewtermine nach dem Abendessen der Profis (zwei sollten es sein, einer wurde es) und dazu ein (bei allen Profiklubs traditionellen) Medienabend mit Vertretern des Vereins und allen mitgereisten Reportern. Wann die Interviewtermine angesetzt werden, hat sich in den vergangenen Jahren verändert – früher waren diese Gespräche stets in der Mittagspause zwischen zwei Einheiten. Hat beides Vor- und Nachteile.

Corona-Test: negativ.

Corona-Test: negativ.

Um b) zu präzisieren: Ich schrieb in Längenfeld, als einziger Funke-Mann vor Ort, für mehrere Redaktionen. Die neuesten, aktuellsten Nachrichten veröffentlichte ich in Echtzeit auf den sogenannten Markenportalen von Funke in NRW (waz.de, NRZ.de & Co), mein iPad trug ich deshalb immer bei mir. Und ich schrieb unterwegs deshalb im Café, auf der Tribüne, im Restaurant, im Auto, auf dem Schoß, im Gehen, einfach überall. Auch Social Media zählte selbstverständlich zu dieser Arbeit (Twitter: AndiErnst, FunkeSport, Facebook: Funke Sport, WAZ auf Schalke, Instagram: AndiErnst). Online und Social Media bedeutet natürlich: Es gibt keinen Ruhetag mehr, in alten 80er/90er-Zeiten konnten Trainingslager-Reporter an jedem Samstag chillen.

Print-Produkte belieferte ich mehrere: Den Hauptsportteil der NRW-Titel von Funke (WAZ, NRZ, WR, WP); erster Redaktionsschluss 19 Uhr. Da wir auch ein wundervolles ePaper-Produkt am Sonntag veröffentlichen, gibt es auch hier keinen Ruhetag mehr. Zweiter wichtiger Partner: Die WAZ-Lokalredaktion Gelsenkirchen, die täglich von Montag bis Samstag eine Seite „WAZ auf Schalke“ publiziert. Geplant in dieser Woche: Andi Ernst pur. Auch für die Funke-Kollegen in Berlin, Hamburg, Braunschweig und Erfurt stand ich jederzeit für Textwünsche bereit – und angerufen wurde ich. Die RevierSport-Produktionstage waren Mittwoch und Sonntag (für die Hefte am Montag und Donnerstag). Zudem musste ich in der Zeit in Längenfeld Texte für das RevierSport-Sonderheft und die WAZ-Sonderbeilage zum Bundesliga-Start schreiben. Damit Ihr eine Richtgröße habt (auch wenn Euch das wenig sagt): Im Schnitt entstanden zwischen 15.000 und 18.000 Zeichen am Tag; ein großer Text in der WAZ hat in der Regel 3800 bis 4200 Zeichen.

Ort des Medienabends: Die Gampe-Alm über Sölden.

Ort des Medienabends: Die Gampe-Alm über Sölden.

Mein Wecker klingelte früh, mein Arbeitstag begann stets um 8.30 Uhr als Einzelkämpfer in meinem kleinen Mini-Appartement. Um 9.45 Uhr spazierte ich zum einen Kilometer entfernten Trainingsplatz. In der Zwischenzeit telefonierte ich mit den jeweiligen Redaktionen (Online, Hauptsport, Lokalsport, ab und an RevierSport), wir diskutierten über die ursprüngliche Tages- und Themenplanung, glichen sie ab, korrigierten sie (oft). Ab und an entstand die erste, aktuelle Online-Meldung.

Das erste Training dauerte meist von 10 bis etwa 12 Uhr, danach standen uns (wenn auch nicht immer) Gesprächspartner zur Verfügung (Alessandro Schöpf, Michael Langer, Jochen Schneider). Während des Trainings verfasste ich eine Online-Meldung, gegen 12.30, 12.45 Uhr kehrte ich ins Appartement zurück. An drei Tagen stand noch eine zweite Einheit gegen 17 Uhr an, die Arbeit für die Print-Redaktionen musste deshalb zwischen 12.45 und 16.45 Uhr erledigt sein – inklusive Recherche, vieler Telefonate etc. Nach dem Ende des zweiten Trainings (gegen 18.45 Uhr, wieder inklusive Online-Meldung, aber ohne weiteren Gesprächspartner) waren dann häufig noch Modifikationen nötig. Zum Abschluss des Tages gab es noch eine kurze Absprache für den folgenden Tag. Um die Sonderbeilagen kümmerte ich mich stets nach Ablauf der Tagesproduktion, wenn keine Abendtermine anstanden. Zwei hatte ich – ein Interview mit Nassim Boujellab (22. August, 21 Uhr im Mannschaftshotel) und eben den Medienabend (endete für uns Reporter, so viel kann ich verraten, nicht schon um Mitternacht – fand auf einer Alm bei Sölden statt). An den übrigen Tagen klappte ich meinen Laptop gegen 21 Uhr zu, um mit den mitgereisten Kollegen noch etwas zu essen, einen Absacker zu trinken. Zwischen Frühstück und eben diesem Abendessen blieb meist nur Zeit für Finger oder Fast Food. Und da Euch auch das interessiert: Das Verhältnis der Schalke-Reporter aller Titel untereinander ist außerordentlich gut, bei anderen Vereinen wären solche gemeinsamen Abende im großen Kreis nicht selbstverständlich. 

Innbrücke in Innsbruck - ein durch den Corona-Test ungeplanter Halbtagestrip.

Innbrücke in Innsbruck – ein durch den Corona-Test ungeplanter Halbtagestrip.

Das alles klingt in seiner Gesamtheit eher nüchtern, sachlich, öde. Ist aber natürlich genau das Gegenteil – und es gibt natürlich kein Trainingslager ohne besondere Geschichten oder heiße Diskussionen. Viele will/darf ich Euch nicht erzählen. Ein Beispiel natürlich schon: Diesmal musste ich zum Beispiel ein Vormittagstraining sausen lassen, da ich mit zwei Kollegen zu einem Corona-Test nach Innsbruck fahren musste (negativ, zum Glück).

Eins möchte ich abschließend aber noch loswerden! Was viele von Euch denken: Die machen da den ganzen Tag Urlaub und abends Party – dieses Klischee muss ich Euch wirklich nehmen. Mir ist natürlich bewusst, dass dies ein Traumjob ist, und das hier soll kein Jammern sein, bloß nicht. Ich mache das so gern, Freizeit war mir in der Woche total egal. Zwei Beispiele trotzdem:

Die Hängebrücke über Längenfeld mit traumhaftem Blick ins Ötztal.

Die Hängebrücke über Längenfeld mit traumhaftem Blick ins Ötztal.

1) In meiner Unterkunft gab es ein Schwimmbad und eine Sauna, extra so ausgesucht, damit ich zwischendurch ein wenig was für meinen Fitnesszustand tun bzw. meinen Kopf durchpusten  kann. Die Sauna habe ich gar nicht benutzt, schwimmen war ich nur einmal, und das auch nur zehn Minuten. Dann kam der Anruf, dass es einen Corona-Fall im Mannschaftskreis gibt..

2) Das Ötztal ist gigantisch schön, das Wetter war weitgehend hochsommerlich. Direkt am Anfang nahm ich mir deshalb vor, wenn irgend möglich, die Gegend per Wanderung zu erkunden oder mal einen Nachmittag freizunehmen, um z. B. das ice Q in Sölden mit dem James-Bond-Drehort zu besuchen. Doch ich hatte im Laufe der Woche nur einmal etwa zwei Stunden Freizeit – ab zur Hängebrücke Längenfeld und zurück. Es war einer der trainingsfreien Nachmittage der Profis. Immerhin hat ein Besuch Innsbrucks geklappt – aber das ungeplant.

Da war David Wagner noch Trainer - Interview nach dem Testspiel in Kematen in Tirol gegen Saloniki.

Da war David Wagner noch Trainer – Interview nach dem Testspiel in Kematen in Tirol gegen Saloniki.

Einmal konnte ich aber auch ausschlafen. Es war der vorletzte Tag (28. August), als Schalke im 40 Kilometer entfernten Kematen in Tirol im einzigen Testspiel auf Aris Saloniki traf. Die Berichterstattung an diesem Tag konzentrierte sich komplett auf dieses Spiel, deshalb entfielen Absprachen am Vormittag. Erst gegen 11 Uhr ging’s mit dem Auto los. Da die Schalker direkt nach diesem Test abreisten, wurde auch der Rückreisetag (29. August) weniger anstrengend. Ich musste nicht noch das Abschlusstraining abwarten; deshalb entfiel der aktuelle Online-Text.

Ist jetzt ein langer Text geworden, aber ich hoffe, dass alle von Euch jetzt einen kurzen Einblick in meine Arbeit bekommen haben. Wenn’s noch Fragen gibt oder Anregungen – gern.

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