Super Bowl 52 in Minneapolis – 1. Tag – 28. Januar

So richtig geglaubt habe ich nicht einmal daran, als ich am Düsseldorfer Flughafen am Sonntag um 8.25 Uhr mein Gepäck am KLM-Schalter aufgab. Ich, der kleine Andi Ernst aus Mülheim-Broich, der zwar alle Fußballregeln rauf und runter beten kann, der über mehr als 1100 Fußballspiele berichtet hat, aber sich erst seit drei, vier Jahren für American Football begeistert; der Andi Ernst, für den jede NFL-Sendung, jedes NFL-Buch, jeder NFL-Bericht noch immer Vokabeltraining ist – angenehmer als früher im Lateinunterricht bei Herrn Voß in der achten Klasse freilich – fliegt nach Minneapolis zum Super Bowl. Berichtet und postet für Zeitungen und Online-Portale aus NRW, Thüringen, Hamburg, Berlin und Braunschweig. Kann doch nicht sein.

Nach knapp neun Stunden Flug ab Amsterdam: Ankunft in Minneapolis.

Nach knapp neun Stunden Flug: Ankunft in Minneapolis.

Und dann kam natürlich um 11.15 Uhr die passende Durchsage. Der Flug nach Amsterdam würde sich wegen technischer Probleme auf unbestimmte Zeit verzögern, flötete die junge Dame im roten Kostüm unangenehm fröhlich. Meine Umsteigezeit dort sollte nur 55 Minuten betragen, also stiefelte ich zum Schalter und erfuhr dort nur: Tja, wird wohl nichts, die Buchungszeiten waren wohl zu viel Risiko. Pech. Ab 17 Uhr vielleicht, wieder ab Amsterdam, dann aber mit Umstieg in Atlanta und Ankunft in Minneapolis weit nach Mitternacht, würde es klappen. Vielleicht. Halleluja. Ich schaute mir auf dem iPhone das Video von Bright Eyes‘ „At the bottom of everything“ an, vor Flügen mache ich das so, und dachte nur: Der kleine Andi und der Super Bowl – irgendwelche Knüppel gibt‘s da immer.

Mit 35 Minuten Verspätung hob der Flieger ab. Es musste nachgetankt werden, verkündete der Pilot – aber es sei gerade kein Tanklaster verfügbar gewesen. Alter! Ich stieg in den Flieger, dort hatte die nächste, diesmal klmfarben gekleidete Dame weitere „bad news for Mister Öööörnst“. Der Flieger in Amsterdam könne wirklich nicht warten, ich solle mich an Transferdesk 4 um eine Umbuchung kümmern. Ich blieb ruhig, irgendwie würde ich schon ankommen, packte das Buch „Believe the hype“ von Coach Esume aus (den ich kennenlernen werde) und sortierte meine Unterlagen. Meine Themenvorschläge. Die Termine für die kommenden Tage.

Schon am Flughafen im Zentrum: Der Super Bowl LII - 52.

Am Flughafen im Zentrum: SB LII.

Nach 40 Minuten Flug erreichten wir den Flughafen Schiphol in Amsterdam um 12.50 Uhr. Im Landeanflug verkündete der Pilot: „One information for the passengers who travel to Minneapolis: The gate is D43 – run and perhaps…“ Abflug 13.25 Uhr, sollte doch klappen! Und liebe Freunde: Obwohl ich inzwischen über 100 Kilo wiege und meine Körperstatur immer mehr irgendeinem Offensive Lineman ähnelt, ich rannte wie Usain Bolt, von Terminal B quer durch die Niederlande zu Terminal D. Und als wirklich allerletzter Passagier durfte ich doch noch in den Flieger. Der kleine Andi Ernst aus Mülheim-Broich reist zum Super Bowl.

In der voll besetzten Boeing schaute ich Chris Nolans „Dunkirk“, las Coach Esumes Werk weiter, vor allem den Absatz über die Super-Bowl-Woche vor einem Jahr. „Die ganzen Vibes, wie es den Teams und den Spielern geht, das kriegt man in Deutschland eben nur stark gefiltert mit“, steht dort auf Seite 158. Ich fühlte mich wie zu Studentenzeiten als Rucksackreisender: Nur das Gepäck am Körper, auf mich allein gestellt, ohne irgendeine Ahnung, was passieren wird. Beruflich allein zu verreisen, ist schrecklich und doch fantastisch. Schrecklich, weil es so viele tolle Kollegen gibt, mit denen ich dieses Erlebnis gern teilen würde – aus Kostengründen geht das aber nicht. Fantastisch, weil sich so die Gelegenheit ergibt, viele Leute kennenzulernen, neue Netzwerke zu knüpfen.

Um 15.25 Uhr Ortszeit erreichte ich den Flughafen Minneapolis-St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota, Kürzel MSP, mein Körper hatte 22.25 Uhr. Check-in-Kioske baten mich um Fingerabdrücke, Reisepass und Bilder, ein deutsch sprechender Grenzbeamter fragte mich, ob ich Schweinshaxe im Handgepäck hätte (nein!) und überraschend schnell war ich drin im Trump-Land. Zum ersten Mal seit siebeneinhalb Jahren, als ich mit meinem Trauzeugen Felix (der Beste!) Las Vegas unsicher machte.

Mein Ausblick für zehn Tage.

Mein Ausblick für neun Tage.

Der Unterschied zu Las Vegas oder zu egal welchem Urlaub: In Minnesota ist es im Winter arschkalt. Nicht einfach nur ichbrauchehandschuhekalt, sondern disneysfrozenkalt. Ich hatte mir fest vorgenommen, am Flughafen draußen auf den Hotel-Shuttlebus zu warten, um nach neun Stunden ranziger Flugzeug-Luft frischen Sauerstoff zu atmen, doch bei minus zehn Grad überlegte ich es mir nach einer Sekunde noch einmal und wartete drinnen.

Die Busfahrt ging schnell, im „Marriott Minneapolis Airport“, das jetzt für neun Tage meine Heimat sein wird, checkte ich ruck, zuck um 16.45 Uhr ein, und auf dem Zimmer schaltete ich das TV ein. Der Pro Bowl, das ist das NFL-Allstar-Game, lief gerade. Für neun Tage bin ich jetzt im Football-Modus. Wie Schalke spielt, was der VfL wieder anstellt: Dafür bin ich erst ab dem 6. Februar wieder zu haben.

Im hoteleigenen Bistro verdrückte ich für wenig Geld ab 18.30 Uhr einen echt guten Burger und plante den nächsten Tag. Ab Montag geht es in der Super-Bowl-Woche in die Vollen. Morgens muss ich meine Akkreditierung holen, die Örtlichkeiten im Media-Center und die verschiedenen Orte für die Shuttlebus-Abfahren checken, abends ist die weltberühmte „Opening Night“, die ein ganz besonderes Erlebnis sein soll.

Zum Glück habe ich für die Dienstag-Ausgabe der Funke-Zeitungen und für die Online-Auftritte bereits aus Deutschland ein Interview mit Christoph Metzelder vorbereitet (dazu morgen mehr!). Dann muss ich am Montagmorgen nicht schon bis 11 Uhr US-Zeit (18 Uhr deutscher Zeit) einen Text schreiben, obwohl am Sonntag noch nicht viel passiert ist.

Mit dieser Erkenntnis ging ich zurück aufs Zimmer und schrieb noch eine Weile mit meiner Frau. Zum ersten Mal bin ich länger als zwei Nächte von meiner Familie entfernt. Das ist ganz, ganz furchtbar. Um 20.45 Uhr, deutscher Zeit 3.45 Uhr, fiel ich trotzdem in den unendlichen Schlaf. Gute Nacht Welt! Guten Tag Super Bowl!

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