19. Dezember 2006 – VfL-Stuttgart 1:4, DFB-Pokal – „Warten können“

Am Ende des aufregenden Fußballjahres 2006 stand das DFB-Pokal-Achtelfinalspiel zwischen dem VfL und dem späteren Meister VfB Stuttgart. Fünf Tage vor Weihnachten gewann der VfB mit 4:1.

Hier geht es zum Blog-Eintrag, den ich „Warten können“ nannte und mit der Unterzeile „Eine hochhochhochhochverdiente Pokal-Heimniederlage beendet das VfL-Jahr 2006 mit all seinen Aufs und Abs und Hochs und Tiefs“ versah:

So viele tolle neue CDs liegen auf der Ablage meines Autos. Ich könnte stundenlang rumfahren und einfach nur den Klängen lauschen. Der Matrix-Soundtrack, am Freitag beim glorreichen Gladbach-Sieg noch ganz in, ist jetzt schon wieder komplett out. Ich wechsle zwischen Mando Diaos „Ode to Ochrasy“ (ganz groß: „Long before Rock’n’Roll“ und „TV and me“), The Killers‘ „Sams Town“ (natürlich: „When you were young“) und Albert Hammonds „Yours to keep“ (überragend: „Blue Skies“ und „101“) – und wäre ich doch heute auch zwischen 19.30 Uhr und 21.30 Uhr durch die Gegend gefahren. Ohne Zwischenergebnisse. Ohne alles. Nur die Musik und ich.

Wieder mal ein Pokalspiel versaut. Wieder mal ausgeschieden. Wieder mal sang- und klanglos. Rückkehr in längst vergangene, konfus-chaotische-Koller-raus-Zeiten. Darüber noch ein paar Worte zu verlieren, schon gar nach dem positiven Hinrundenrückblick vor ein paar Tagen, wäre vergebene Lebenszeit. Es lief zu eindeutig, zu klar. Dann doch lieber über Albert Hammond schreiben – der Strokes-Gitarrist hat ein wirklich richtig gutes Soloalbum vorgelegt, das ich getrost als „Geheimtipp“ bezeichnen möchte. Okayokay, Ihr wollt doch etwas über das Spiel lesen… aber nur kurz!

Unser aktuell in Mülheim weilender WAZ-Volontär Daniel kommt aus Schwäbisch Gmünd und ist Stuttgart-Fan seit langer Zeit. Meine Bestimmung der letzten Arbeitstage bestand darin, Daniel mit diversen Sprechchören („Ihr habt bezahlt, Ihr könnt jetzt gehn“, „Gegen Bochum kann man mal verliern“, „Über Stuttgart fahrn wir nach Berlin“) zu nerven – er antwortete stets mit „Sei doch ruhig. Wir gewinnen sowieso“ (stellt Euch das noch im schwäbischen Dialekt vor, uuähh) … am heutigen Dienstag trieb ich das auf die Spitze, und bin deshalb natürlich in aggressivster DFB-Pokal-3:1-nach-Verlängerung-Laune, als ich die Kurve um 19 Uhr betrete. Ein letztes Mal in diesem Jahr die ganzen Köppe sehen, ein letztes Mal aufregen, freuen, Euphorie, der ganze Fußballfan-Wahnsinn. Mit Gerd wollte ich mich um 17.45 Uhr auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt auf einen Kinderpunsch treffen – inzwischen so etwas wie eine Tradition. Tja, aber Akten und Reportage-Termine verhinderten das. Treffpunkt Kurve. Auch mit all den anderen.

„Eigentlich“, sagt Lupo, „sind wir doch erst 2008 wieder dran.“ Jaja, das Gesetz der Serie, das höre ich, seitdem ich das erste Mal das Ruhrstadion mit meinen Füßchen berührte. 1968: Pokalfinale, verloren. 1988: Pokalfinale, verloren. 2007? Einfach viel zu früh! Wahrscheinlich denken das unsere Spieler auch. In regelmäßigen Abständen schrauben Gomez, Hitzlsperger, nochmal Hitzlsperger und Cacau das Ergebnis hochhochhochhochverdient auf 4:1, alle Stuttgarter sind mindestens einen, meistens sogar zwei Schritte schneller, ein Durchkommen für uns gibt es gegen Delpierre und Meira nicht. Kompliment für den VfB, ein Kübel voll Beschimpfungen für unsere Jungs. So hatte ich mir das Ende des Jahres nicht vorgestellt. Die spielen einen unglaublichen Scheiß zusammen.

Was bleibt? Erstens: Tommy Bechmann schießt noch Tore, und zwar WAS FÜR WELCHE! Das schönste des Spiels zum 1:3 sechs Minuten vor Schluss, aus 25 Metern in den Winkel. Zweitens: Nach dem 20. Pflichtspiel der Saison ist Torwart Skov-Jensen endgültig und laut hörbar für das komplette Stadion der Buhmann. „Rein van Duijnhoven“ schalalaaate ab der 52. Minute als einziger Sprechchor durchs Stadion. Sonst blieb es angesichts der deutlichen Unterlegenheit verflucht still. Nicht einmal für „Wir haben die Schnauze voll“ oder „Wir wolln Euch kämpfen sehen“ reichts. Ist eben doch nur Pokal. Bundesliga ist wichtiger. Wenigstens sind wir in der Lage, das noch sagen zu können und nicht so abgeschlagen wie Mainz. Hoffen wir – pokaltechnisch – auf 2008. Drittens: Epalle kommt definitiv, ein Griecho-Kameruner für rechts offensiv. Okay, ich hätte eher andere Baustellen gesehen. Ich formuliere meine Wunschelf für die Rückrunde: ein neuer Torwart im Kasten (mein Favorit: Fromlowitz) – Lense, ein neuer Innenverteidiger, Maltritz, Bönig – Dabrowski, Zdebel – Epalle, Bechmann – Misimovic, Gekas. Geht doch.

„Frohe Weihnachten und guten Rutsch“ ertönt um 21.17 Uhr aus den Kehlen wahrscheinlich aller 18.650 Zuschauer. Sehen uns jetzt alle vier Wochen lang nicht. Vier Wochen ohne VfL. Vier Wochen lang ausruhen. Von all den Aufs und Abs. Von all den Hochs und Tiefs. Winterpause. Das härteste Wort für alle Fußballfans. Samstag, 15.30 Uhr. Leere.

Ein mehr als verschenkter Abend geht zu Ende. Bis Weihnachten kriege ich von Daniel jetzt die Sprüche. Naja, große Schnauze, wie so oft beim VfL nix dahinter – die Konsequenzen sind wie immer enorm, egal. In Rekordzeit erreiche ich meine Wohnung, keine halbe Stunde nach dem Abpfiff. Auf dem Weg noch einmal himmlische Musik. Nein, nicht „Stille Nacht“. Killers. Mando Diao und Albert Hammond.

Das sind die wahren Retter des Augenblicks.

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