26. November 2004 – MSV-Frankfurt 1:1 – „Remember Braunschweig und Litti“

In der Saison 2004/2005 war ich ganz besonders fußballverrückt und besuchte fast jedes Heimspiel von drei Vereinen – Duisburg, Bochum und Speldorf. Auch das 1:1 zwischen dem MSV und Eintracht Frankfurt am 26. November 2004 sah ich mir live im Stadion an.

Und so geht der Blog-Eintrag, den ich „Remember Braunschweig und Litti“ nannte:

Langsam betreten wir die Stehstufen der „König-Pilsener-Tribüne.“ Mal wieder haben wir nur einen Parkplatz am Arsch der Welt bekommen. Nix hier mit ner Möglichkeit direkt vor der Haupttribüne. Nix hier mit nem Parkplatz an der Regattabahn. Nein, noch zehn Fuß-Minuten weiter außerhalb fast schon beim VfL Wedau stehen wir. Wir? Helmut, André – zwei MSV-Fans – und ich; das ist fast schon eine feste Besuchergruppe geworden. Oh je, hört mir zu, hört mich an – ich bin tatsächlich in letzter Zeit sehr regelmäßig an der Wedau gewesen – warum spielen die auch nur ständig am Freitagabend? Und warum bin ich nur so verdammt fußballverrückt?

Langsam betreten wir die Stehstufen der „König-Pilsener-Tribüne“. Doch, das neue Stadion gefällt mir, das muss ich noch einmal betonen. Es ist nichts im Vergleich zu unserem Ruhrstadion, das ich heute zum ersten Mal „gutes altes Retro-Stadion“ getauft habe, aber ganz nett, vor allem im Vergleich zu der alten, schäbigen, zugigen Wedau-Hütte. Wenn das noch stehen würde, dann hätte ich Helmut ganz gewiss einen Vogel gezeigt und laut „Näääääää“ gebrüllt. Bei dem Fisselregen hätte der sich bestimmt selbst nicht auf die unüberdachte alte Nordgerade gestellt. 15 000 sind da. Früher wäre es nur die Hälfte gewesen. Lasst mich noch einmal die Situation zusammenfassen: In den letzten Jahren konnte ich täglich, bei jedem Telefonat mit Helmut spötteln. Wir waren obenauf, und der MSV eben nicht. Stets im Mittelfeld der zweiten Liga herumkrebsend, verlor Helmut die Lust, und ich kann mich noch gut an meinen Dauer-Lachkick erinnern, am 28. Oktober 2002. Vor zwei Jahren und einem Monat. Das MSV-Spiel gegen Braunschweig war so etwas wie der Tiefpunkt in der jüngsten Vereinsgeschichte. 4 400 Zuschauer, Litti letztmals als Zebra-Trainer, Dreizehnter gegen Achtzehnter, Überschrift „Meine Fresse war das schlecht“. Jetzt hat der MSV ein neues Stadion, einen ganz anderen Trainer, eine völlig ausgewechselte Mannschaft, alle sieben Heimspiele gewonnen, und – ja, ich geb’s zu – der Aufstieg in die Bundesliga ist kaum noch zu verhindern. Nun gut, 30 Punkte fehlen noch, bis der feststeht, aber in dieser zweiten Liga sollte das kein allzu großes Problem darstellen. Da bleiben mir im Moment alle ironischen Kommentare im Halse stecken, und im Gegenteil, ich kriege sie selbst ab und alles zurück. Die Stichworte „Tabellennachbar“ und „Absteiger“ fallen desöfteren, der Satz „Dann gibt’s wohl nächstes Jahr wieder kein Revierderby“ fliegt mir auch regelmäßig entgegen. Morgen spielen wir gegen Nürnberg, da fällt wohl schon eine kleine Vorentscheidung, wo es in der nächsten Saison hingeht. Für den VfL – und damit für mich.

Langsam betreten wir die Stehstufen der „König-Pilsener-Tribüne“. Direkt vor uns steht der Premiere-Pavillon. Seit unserem letzten Abstieg hat sich einiges geändert. Mittlerweile gibt es auch in der 2. Bundesliga die „Premiere-Konferenz“, und sowohl am Freitag als auch am Sonntag ein „Spiel des Tages“. Und das DSF-Montagmatch darf natürlich auch nicht fehlen. Über mediale Präsenz dürfte ich mich auch in Liga zwo also nicht beschweren. Andi, jetzt HÖR ABER AUF mit diesen Gedanken, ist gut jetzt, wir sind noch nicht abgestiegen, sind noch nicht. Eine Kamera steht dort, mehrere Bildschirme, Helfer, Moderator Christian Sprenger – und zwei Trainer. Norbert „Nasenmann“ Meier und Friedhelm Funkel. Zwei Trainer, die ich schon erlebt habe, nicht nur auf den Bänken Deutschlands. Der eine, Meier, trainierte einst, als ich noch spielte, eine meiner gegnerischen Mannschaften. Es war die A-Jugend von Borussia Mönchengladbach, mit Marcel Ketelaer (Nürnberg, der war mein Gegenspieler!) und Sven Lintjens (heute RWE). Wir hielten in diesem Niederrheinpokal-Spiel über eine halbe Stunde lang das 0:0, Nasenmann war richtig sauer. Am Ende stand es 0:8, aber nur wir haben gefeiert. Und Funkel? Der war gerade frisch bei Hansa Rostock rausgeflogen, und trat in einem Promi-Spiel in Mülheim gegen eine Betriebssportmannschaft an. Und ich musste darüber berichten. Das Spiel endete 15:irgendwie für die Promis, Funkel schoss mehrere Tore, irgendwas zwischen vier und acht. Heute sind beide hauptverantwortlich für Zweitligateams.

Eintracht Frankfurt also spielt heute an der Wedau. Zweite Bundesliga, irgendwo in der Bedeutungslosigkeit. Im letzten Jahr, im Abstiegsjahr, hätte Eintracht uns fast die Saison versaut. Vorletzter Spieltag, Sam war gerade frisch verheiratet, mehrere Tausend Bochumer am Main, der Sieg nur eine Frage der Höhe. Und dann dieses verdammte 2:3. Aber der „Vadder Abraham“-Sprechchor in der Straßenbahn vom Bahnhof bis zum Stadion bleibt unvergesslich. „Zebrastreifen weiß und blau“ trällern diesmal die einen. „Du schöne SGE“ schallt’s von der anderen Seite. Der Spielverlauf ist eigentlich klar. Zwei Mannschaften spielen 90 Minuten Fußball, und am Ende gewinnt der MSV – so ist das im Moment in Liga zwei (wobei mir diese Anlehnung ans Gary-Lineker-Zitat schon wieder literarische Schmerzen zufügt, das fällt mittlerweile schon in den Phrasenbereich). Wenn der MSV fünf Eigentore schießen würde, der Gegner hätte garantiert sechs zu bieten. Und wie läuft das Spiel? Die Frankfurter sind in einem zunächst ziemlich ereignis- und trostlosen Kick bei usseligem Wetter einen klitzekleinen Tick feldüberlegen, schaffen es aber nicht, sich gegen die MSV-Mauer (die Abwehr steht wirklich 1 A) eine Chance zu erarbeiten. Eintracht besser, und der MSV? Trifft. Flanke von links, van Houdt hält seinen linken Stab hin, 1:0. Eben der normale Verlauf. In der Viertelstunde vor und in der Viertelstunde nach der Pause drückt der MSV, vergibt einen Großteil seiner insgesamt zwölf Ecken und dazu noch drei/vier weitere „Schöngschen“ – und ja, doch, er verdient sich die Führung. Dann aber besinnt sich Trainer Meier seiner italienischen Fußball-Auffassung, und lässt seine Mannschaft getreu dem Motto „da brennt schon nichts an“ den knappen Vorsprung nach Juventus-Manier verteidigen. Das geht gut. Frankfurt drückt und drückt, aber Baelum und Drsek kriegen ihre Flossen immer wieder dazwischen. „500 Minuten ohne Gegentor“ leuchtet’s zwischendurch auf der Videowand auf, doch – oh Wunder – viel mehr werden es nicht. Irgendwie nickt van Lent die Kugel (ja richtig, der gute alte van Lent) über die Linie, 1:1, vier Minuten vor Schluss. Völlig unerwartet, aber bei weitem nicht unverdient. Der Schiri pfeift ab, und – noch ein Wunder – keiner pfeift. Ein Unentschieden zu Hause! Und KEIN sonst so wahnsinnig kritischer Duisburger pfeift! Sieben Heimsiege in Folge beschwichtigen. Der Vorsprung ist immer noch beachtlich. „Ich sag’s ja, jetzt geht das wieder los“, schimpft nur ein Ordner, der den Ausgang überwacht. Kein berauschendes Fußballfest, aber auch kein verschenkter Abend.

Wieder ein 1:1. Wie vor genau zwei Jahren. Und doch hat sich so viel geändert.

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