14. Dezember 2002 – VfL-1860 1:1 – „Fröhliche Weihnachten“

Im letzten Spiel im Kalenderjahr 2002 traf der VfL Bochum auf 1860 München und legte ein langweiliges 1:1 auf den holprigen Winterrasen. Vergessen werde ich das Spiel trotzdem nicht, weil´s in der Pause in der Ostkurve heftige Diskussionen über den erstmaligen Auftritt der VfL-Cheerleader „Stationettes“ gab.

Und so geht der Text, den ich Fröhliche Weihnachten“ nannte – mit der Unterzeile „Cheerleader wofür? Die Stimmung machen wir!“

Liebe Leute; es ist an der Zeit, melancholisch zu werden; mal wieder, mal wieder an dieser Stelle; mal wieder und überhaupt. Zum letzten Mal im Jahr 2002 betrat ich heute das Ruhrstadion; und von Sekunde zu Sekunde, von Minute zu Minute kristallisierte sich heraus, dass das Jahr 2002 nach 1997 das zweitgeilste in meinem VfL-Leben war. Aufstieg, sehr viele Tore, sehr viele Siege, sehr viele Auswärtsfahrten; glücklicherweise gibt es mein VfL-Tagebuch; das eignet sich zweifellos prima zur Selbstreflektion; Eigen-Psychoanalyse – oh ja, war das spitze. Unvergessen die Momente beim Heimspiel Ende April gegen Union Berlin, als Fränkie Fahrenhorst in der Nachspielzeit das 2:1 köpfte; unvergessen das Aufstiegsspiel im trüben Aachener Regen; ja, und nicht zuletzt die Traumwochen als Tabellenführer nach den Spielen gegen Cottbus und in Leverkusen… viel erlebt 2002; und alles fing doch in Oberhausen so bitter an…..

weiter im Text siiiiiiiehe…

… UNTEN … und das ist genau hier! Wo war ich stehen geblieben? Ach so, beim Jahresrückblick! Hätte nur noch ein Knaller-Heimspiel zum Abschluss gefehlt, gegen Bayern, Dortmund oder Schalke; und wer kommt dann? Der TSV München 1860, einer von den Vereinen, bei denen Du Dich Woche für Woche fragst, was die eigentlich genau in der Bundesliga zu suchen haben. Oh ja, zu früheren Zeiten, im Stadion Grünwalder Straße, da hatte der Verein noch einen gewissen unverwechselbaren Charme. Aber seit dem Umzug ins Olympiastadion? Wer ist schon achtzehnhundertsechzig? Unser Gegner heute; aber die erstmaligen „Berlin, Berlin – WIR FAHREN NACH BERLIN“-Rufe und das von den Spielern hochgehaltene Transparent „Danke für die Unterstützung 2002 – FROHES FEST!“ sorgen trotz 1860 für eine vorweihnachtliche Atmosphäre. Jeder Fan, wirklich jeder, ist dankbar für das, was er mit dem VfL in diesen zwölf Monaten erlebte.

Denn mal rein ins Geschehen, denn heute gab´s noch ein Erlebnis drauf…

… fängt an mit der Deutschen Bahn AG, die irgendwie auch zu diesem Fußball-Jahr dazugehört; so allmählich mache ich diesem Unternehmen keinen Vorwurf mehr für Fehler in der Führungsetage; denn warum sollen diese Personen für solch dumme Kunden schlaue Entscheidungen treffen? Da setzt die Bahn EXTRA in der Vorweihnachtszeit Sonderzüge ein, die meinem geliebten Regionalexpress zur Entlastung vorgeschaltet werden (und folglich auch schneller sind), und keiner merkt´s. Der Schaffner lacht sich scheckig, und ich hab einen Wagen für mich allein… Aber über die Bahn wollt Ihr ja eigentlich gar nichts hören, gell? Weiter im Text, damit Ihr ungefähr wisst, wie ich grad aussehe bei gefühlten plusminusnull Grad… Meine blaue Fußball-Jeans an, dazu einen vergammelten Pullover (keine Jacke, es steht ja kein Minuszeichen vor der Temperatur), ein blau-weißer VfL-Schal und (Heimpremiere!) meine VfL-Pudelmütze… sieht bestimmt ganz schön schäbig aus; aber is ja nur Fuppes!

Denn mal rein ins Geschehen; und ach, alle meine lieben Schäfchen sind gekommen! Der Mirko-Typ! Für heute habe ich mir ganz fest vorgenommen, ihn nach seinem Vornamen zu fragen, und als er seine Dauerkarte ins Portmonee steckt, kann ich fast lünkern, aber… yes, ich schaff es, mir auf die Zunge zu beißen – er bleibt „nur“ mein namenloser Stadionkumpel. So allmählich würd ich die Leute, die um mich rum stehen, auch bei Edeka um die Ecke grüßen. Keine Ahnung, wie ich das machen soll, wenn ich gegen Bayern mit 50 Freunden im Stadion auflaufe; jeder hat doch seinen angestammten Platz!?! Eine Nikolausmütze hier, eine Pudelmütze dort; die Spieler halten – siehe oben – das Transparent hoch, und ab die Post!

– Mein Gott, sehen die Trikots von denen scheiße aus

ruft einer von den Typen neben mir, der geschätzte zweimal pro Spiel einen Schreikampf bekommt und ganz im Alleingang ein lautes „V-f-L“-Stakkato anstimmt und fügt hinzu:

– Ich dachte, solche Scheiß-Trikots ziehen nur Torhüter an. Haben die elf Torhüter auf dem Platz?

Orange „Sweater“… wenigstens eine 1860-Eigenheit!

Kein Thema, dass wir zweimal hintereinander zu Hause „zu Null“ verloren haben; kein Thema, dass Wosz, van Duijnhoven, Buckley und Tapalovic fehlen; alles kein Thema; das ist doch nur Sechzig. Kein Thema, auch nach dem 0:1 durch Benjamin Lauth in der 15. Minute. Niederlage kein Thema, auch nachdem Kalla zweimal ganz böse patzt („Hilfe!“, schallt es aus allen Seiten der Kurve; „für den is datt wohl zu kalt“; help me, diese Vorurteile; „Gib dem Kalla mal ne lange Hose!“ – bitter…). Geht schon irgendwie gut. Naja, je länger die erste Halbzeit dauert, desto trister wird´s, kaum Stimmung. Wird das geile Jahr 2002 so enden?

Nein, natürlich nicht, denn es gilt doch noch eine Idee von Werner Altegoer und Chefetagenrest zu bewundern; die „Stationettes“. Also eine 45-köpfige (!!!) VfL-Cheerleader-Gruppe. Solltet Ihr alle meine Texte gelesen haben, dann müsstet Ihr wissen, wie ich zu sowas stehe: ablehnend! Über Maskottchen und Cheerleader kann ich eigentlich nur lachen, alles reiner Merchandising-Scheiß, der die nicht stimmungsgewaltige Fankurve übertünchen soll. Hui, und jetzt geht´s ab. Das ist die mit Abstand stimmungsvollste Halbzeitpause meiner VfL-Karriere! Denn es scheint auch kluge Köpfe bei den „Ultras“ zu geben. Gegen Ende von Halbzeit eins verteilen sie schrille Pfeifen, am Anfang der Pause rollen sie ein großes Transparent aus („CHEERLEADER WOFÜR? DIE STIMMUNG MACHEN WIR!“). Zuerst wollen es die Security-Typen einrollen lassen, aber nein, sie lassen es hängen… Die armen Mädels laufen schließlich bei der Schweinekälte ein, tanzen in Richtung Haupttribüne – und siehe da… Die Stimmung ist total geteilt. Die eine Hälfte klatscht, so auch der Schreihals neben mir, was ihm ein schräges „Ey hör auf zu klatschen… Du willst doch nur wackelnde Möpse sehen!“ einbringt.

Die andere Hälfte pfeift den ganzen Auftritt sowas von in Grund und Boden, dass mein Trommelfell jetzt noch schmerzt. Bin mir sehr sicher, dass davon nichts in der Presse stehen wird, aber als die Ultras „FUSSBALL! FUSSBALL!“ anstimmen, befürchte ich kurzzeitig eine Massen-Schlägerei in der eigenen Kurve… Ruck, zuck ist der Auftritt dann aber vorbei und sind die Mädels verschwunden; und der „Steuersong“-Satz „Das ist ja das Geile an der Demokratie!“ fällt mir ein; denn die ach so geteilte Stimmung schlägt um in Versöhnung und in gnadenlose Unterstützung für die eigene Mannschaft. Seit dem Aachen-Spiel bin ich nicht mehr so heiser; und „Mirko“ und ich stellen schon früh fest: „Also wenn die das verlieren, sind wir nicht schuld!“ Klasse-Stimmung, und menschdumeinegüte, zu einem Tor reicht es noch. Thomas Christiansen köpft das 1:1 in der 76. Minute, aber mehr will nicht fallen. 23 Punkte nach dem Ende der Hinrunde; nennt mir einen VfL-Fan (außer mir… *hüstel*), der vor der Saison ernsthaft daran geglaubt hätte!?!

Denn mal raus…

aus dem Geschehen…

ein kurzes „Frohe Weihnachten Jungs“ in die Runde, letztmals 2002 die geliebte Phosphatstange-Pommes-Schranke im City-Grill – letztmals für fünf Wochen über verpatzte Tipps bei betandwin.de ärgern. Man sollte meinen, nach 213 Spielen würde es leicht fallen, eine fünfwöchige Pause zu beginnen; aber ich fange schon jetzt, keine drei Stunden nach dem Abpfiff, an, die ganze Scheiße zu vermissen.

Darf ich mir noch was für 2003 wünschen? Bitte, bitte den Klassenerhalt so schnell wie möglich; bitte, bitte das DFB-Pokalfinale in Berlin, da würd ich jeden Preis für zahlen; und dann bitte die Teilnahme am Uefa-Cup! Oh ja, das wär´s! Dazu noch ein paar Auswärtsfahrten, viele Tore und warme Gedanken, wenn „Bochum“ kurz vor dem Anpfiff über die Lautsprecher ertönt!

Wünsche Euch allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!

Auf ein gutes neues Jahr!

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