Ne Wahnsinns-Show am Heiligen Abend

Zu meiner Biografie gehört eindeutig die „Wilde Weihnacht“ im Mülheimer Ringlokschuppen. Alljährlich bat der Schuppen am 24. Dezember zu einer bei der jungen Mülheimer Generation beliebten Party im Disco-Style. 1995 oder 1996 ging’s für mich los, ich weiß es gar nicht mehr so genau. Ausschlafen, zur Familienfeier und um 23 Uhr ab in den Schuppen, bis fünf Uhr morgens, mindestens. Jahr für Jahr wuchsen aber Generationen nach – weshalb ich 2006 zum letzten Mal im Schuppen Weihnachten feierte. Bis heute. Ich weiß gar nicht mehr, ob es die Party überhaupt noch gibt…

Auch für die Mülheimer WAZ berichtete ich über diese Disco – zum Beispiel in der Ausgabe vom 27. Dezember 2005:

„An Tagen wie diesen“ drängeln sich Jugendliche und Junge Erwachsene im Schuppen zur „Time of my life“ bis „Westerland“
Kurz nach halb vier. Der Heilige Abend ist vorbei, Mensch, erstaunlich warm für eine Winternacht. Der Ringlokschuppen liegt zurück, vereinzelt taumeln und spazieren Leute nach Hause. Vorbei geht es an drei Polizeiwagen, auf dem Parkplatz stehen Taxis, hübsch aufgereiht, eins hinter dem anderen. „Nabend“, sagt ein Fahrer. Im Radio läuft „An Tagen wie diesen“ von Fettes Brot. „Absolute Wahnsinnsshow, die Sonne lacht so schadenfroh, an Tagen wie diesen“, näselt der Sänger. Und der Fahrer fragt: „Wie war es?“
Ja, wie war es eigentlich? Eine schwere Frage, kurz nach halb vier. Gedanken sortieren.

Rückblick, die Uhr schlägt zwölf. Wie jedes Jahr Heilig Abend ist der Ringlokschuppen angesagt. „Die wilde Weihnacht“ heißt das Spektakel, das Jahr für Jahr dieselbe Klientel anlockt. Jugendliche. Junge Erwachsene. Hunderte. Hui, Schlange bis zur Drehscheibe. In der Kälte. Inken, 27, steht drin. Zum ersten Mal. „Bin gespannt“, sagt sie und wartet auf ein Vorankommen.

Zehn Minuten später, endlich drin. Jacke abgeben, durchquetschen und rein ins Getümmel. Halt, erst noch ein paar Getränke ordern. „Ein Pils, eine Cola bitte.“ Kostet sieben Euro. Sieben!! Warum das? „Inklusive Pfand.“ Ein großes Hallo. „Ach, du auch hier!? Du auch? Hey! Hallo! Alles klar!?“ Herzliche Wiedersehen. Und weniger herzliche. „Und sonst?“ „Muss!“ Sieben Euro für ein Pils und eine Cola, manoman.

Björn, 28, seit Jahren Stammgast, kommt vorbei. Geht kurz vor ein Richtung Jacke. „Ey, das Durchschnittsalter ist 18,875 Jahre. Ich verschwinde in die Kneipe nebenan.“ Tschüss dann. Den neuen Diskoraum sehen viele zum ersten Mal – hat sich eben einiges geändert in 2005. Inken lehnt an der Wand. Wie findet sie’s? „Geht so.“ Am DJ-Pult steht wie in den letzten Jahren das K&K-Projekt mit den Brüdern Christian und Michael Knöpfel. Schwierige Aufgabe, viele Musikgeschmäcker zu vereinen. Von „La Casima Negra“, „Time of my life“ bis zu „Westerland“ – was für eine Mischung. „An Tagen wie diesen“ läuft auch, den kritischen Taxt vernimmt hier keiner. Bei Westernhagens „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ drehen die Knöpfels den Knopf runter. „Und jetzt ALLE!“ Und alle trällern: „Mit Pfeffermiiiiinz bin ich dein Priiiiinz.“

Genug gesehen. 1.45 Uhr, mal die Kneipe ausprobieren. „Ein Weizen, eine Cola bitte“. 4,80 Euro kostet der Spaß. Hä? Billiger? In der Kneipe ist’s leiser und das Publikum etwas älter. Björn steht dort. „Fast so, als ob man sich mit dem Alter für die Kneipe qualifiziert.“ Um kurz vor drei brüllt jemand: „Geeeeeil, guckt mal raus: ’ne Wemmserei.“ Draußen prügeln sich zwei Jungs. Die Security geht dazwischen, drei Polizeiwagen kommen angedüst.

Fünf nach halb vier. „Und? Wie war es jetzt?“, fragt der Taxifahrer wieder, dreht sein Lenkrad und braust durch die Innenstadt. Im Radio ist wieder der Refrain dran: „Absolute Wahnsinnsshow.“ Die Sonne lacht in dieser Nacht nicht schadenfroh. „Wie es war? Wie immer!“

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