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Musik:
In meinem Israel-Tagebuch
vom September 1999 vermerkte ich es erstmals: „Ich habe nach vier noten-,
rhythmus- und bass-freien Tagen erst einmal gemerkt, wie sehr ich die Musik
brauche.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. 350 (selbst gekaufte! Ja, ich
bin trotz Brenner so bescheuert) CD´s im Schrank können nicht
lügen. Ich bin MUSIKSÜCHTIG! Irgendwas dudelt immer im Hintergrund,
ob CD, Radio, Kassette oder VIVA (eigentlich VIVA 2, aber das wurde abgeschafft.
DIE SCHWEINE!)
Meine Vorlieben erstrecken
auf sich auf alle Formen der „alternativen“ Musik, vom guten alten Rock
über Punk bis Independent-Zeug.
Was aktuell bei mir angesagt
ist, könnt ihr meinen „Top Five“ unter „Aktuelles“
entnehmen.
Meine CD des Jahres 2001
war eindeutig „JJ 72“ von der gleichnamigen Band. Ansonsten verfolge ich
den Weg von „World Party“ und „K´s Choice“ ganz besonders. Aber das
hat eigentlich nichts zu sagen – ich bin kein „Fan“ von irgendeiner Band.
Ich mag Bands mit hinter- und tiefgründigen Texten, die mehr zu bieten
haben als nur bass-lastige Scheiße oder „Komm hol Dein Lasso raus“-Gekreische.
Ich mag Gitarren-Songs, die von guten Stimmen untermalt sind. Techno-Stücke
krame ich nur in ausgewählten Momenten hervor, wenn sowieso schon
alles zu spät ist und mein Gehirn schon weich genug ist... Also ich
würd zum Beispiel nie auf die Love Parade gehen. Wenn Ihr Wiglaf
Droste und Co. gut zugehört habt und 1 und 1 zusammenzählen
könnt, dann wisst Ihr warum!
Meine letzten Konzerte (ab 1997) waren folgende:
1997:
Wolfgang Petry -
Januar 1997, Grugahalle Essen (ja, wirklich! Direkt in der 1. Reihe! Kultig!)
Element of Crime
- März 1997, Zeche Bochum
Fury in the Slaughterhouse
– Mai 1997, Arena Oberhausen
Herbert Grönemeyer
– Juni 1997, Ruhrstadion Bochum
1998:
Fury in the Slaughterhouse
– November 1998, T-Club Turbinenhalle Oberhausen
1999:
Element of Crime
- Mai 1999, Kulturfabrik Krefeld
2000:
The Smashing Pumpkins
– September 2000, Arena Oberhausen
Britney Spears –
Oktober 2000, Westfalenhalle Dortmund
K´s Choice (Vorband:
Novastar) – Oktober 2000, Live Music Hall Köln
The Corrs, David Gray
– 9. November 2000, Philipshalle Düsseldorf
Olaf
Henning ich
lege Wert auf die Ergänzung: FÜR DIE WAZ!!! - 15. Dezember
2000, Ruhr-Sporthalle Mülheim
Fury in the Slaughterhouse
– 17. Dezember 2000, Turbinenhalle Oberhausen
2001:
Seeed - Mai 2001,
Sommerfest, Universität Essen
ROCK
AM RING – Pfingsten (Juni) 2001 (u.a. mit Limp
Bizkit,
JJ 72,
K´s Choice, HIM, Manic
Street Preachers,
A-ha,
Alanis Morissette, Die Söhne
Mannheims,
Reamonn,
Kid Rock u.v.a.)
AC/DC, Die Toten Hosen
– August 2001, Müngersdorfer Stadion Köln
Travis (Vorband:
Turin
Brakes) – November 2001, Philipshalle Düsseldorf
2002:
Element
of Crime (Vorband: Tomte) - 19. März 2002, Zeche Bochum
Die
Toten Hosen (Vorband: Dover) - 26. April 2002, Westfalenhalle
Dortmund
Fury
in the Slaughterhouse (Vorband: Sonnit) - 5. Mai 2002, Westfalenhalle
2, Dortmund
Heather
Nova - 4. Juni 2002, Amphitheater Gelsenkirchen
Heather
Nova, Joy Denalane, Donots - 14. Juni 2002, MTV-Campus-Invasion,
Universität Essen
Liquido,
Overproof Soundsystem - 21. Juni 2002, Uni-Sommerfest, Universität
Essen
Fury
in the Slaughterhouse (Vorband: Gallop) - 22. November 2002,
Grugahalle Essen
Die
Toten Hosen (Vorband:
The Briefs) - 22. Dezember 2002, Arena
Oberhausen
2003:
Kettcar
(Vorband: Sometree) - 13. Januar 2003, Zakk Düsseldorf
Die
Ärzte - 4. März 2003, Kulturfabrik Krefeld
Tom
Liwa - 13. März 2003, Ringlokschuppen Mülheim
Coldplay
(Vorband: Feeder) - 3. April 2003, Philipshalle Düsseldorf
Herbert
Grönemeyer - 10. Mai 2003, Ruhrstadion Bochum
Rock
am Ring - Pfingsten (8./9.6.) 2003 (mit Metallica,
Marilyn Manson, Moby, Deftones, Queens of the Stone Age, Disturbed)
Wiglaf
Droste und das Spardosenterzett - 17. Juni 2003, Bar jeder Vernunft,
Berlin
Mia,
Kettcar, Blackmail, Mambo Kurt - 20. Juni 2003, Uni-Sommerfest,
Universität Essen
Die
Happy, Sincere - 11. Juli 2003, Essen.Original, Kennedyplatz Essen
Castle
Rock 4 -
12. Juli 2003, Schloss Broich, Mülheim (mit Subway
to Sally, The Crüxshadows, Secret Discovery)
Red
Hot
Chili Peppers (Vorband: The Distillers) - 21. August 2003,
Landschaftspark Nord, Duisburg
Die
Ärzte (Vorband:
Fettes
Brot) - 14. Dezember 2003, Arena Oberhausen
Helge
Schneider - 20. Dezember 2003, Stadthalle Mülheim
2004:
Wir
sind Helden (Vorband: Franz Ferdinand) - 11. März 2004,
Philipshalle Düsseldorf
Virginia
Jetzt! (Vorband: Subterfuge) - 19. Oktober 2004, KKC, Uni
Essen
Die
Fantastischen Vier (Vorband: Clueso) - 8. Dezember 2004,
Arena Oberhausen
Helge
Schneider - 18. Dezember 2004, Stadthalle Mülheim
Sportfreunde
Stiller (Vorband: Ash) - 21. Dezember 2004, Philipshalle
Düsseldorf
2005:
Jimmy
Eat World - 28. Februar 2005, Soundgarden Dortmund
The
Dresden Dolls (Vorband: The Surreal Funfair) - 5. März
2005, Gebäude 9 Köln
Kettcar
(Vorband: Miss Antarctica) - 30. März 2005, JZE Essen
Tocotronic
(Vorband: La Grand Illusion) - 2. April 2005, Zakk Düsseldorf
Farin
Urlaub Racing Team - 21. Mai 2005, Philipshalle Düsseldorf
Rock
am Ring - 3. bis 5. Juni 2005, Nürburgring
--- mit REM,
Green Day, Adam Green, Kettcar, Tomte, Tocotronic, Mando Diao, Die Toten
Hosen, The Hives, Wir sind Helden, Iron Maiden, Velvet Revolver, Maroon
5, Billy Idol, Incubus, Madsen, Feeder, Mardo, World Leader Pretend
---
New Model Army -
1. Oktober 2005, Mercury Lounge (New York)
Mambo
Kurt - 29. Oktober 2005, Schifferhaus Mülheim
Helge
Schneider - 17. Dezember 2005, Stadthalle Mülheim
2006:
Element
of Crime (Vorband: Home of the Lame) - 19. März 2006,
Palladium Köln
Rock
am Ring - 2. bis 4. Juni 2006, Nürburgring
--- mit Metallica,
Guns N'Roses, Depeche Mode, Placebo, Kaiser Chiefs, Franz Ferdinand, Sportfreunde
Stiller, Reamonn, The Darkness, The Dresden Dolls, Kaizers Orchestra, Corinne
Bailey Rae, Tomte, Paul Weller, David Gray, Morrissey, Nelly Furtado, Jamiroquai,
Bela B. ---
The
Strokes (Vorband: Eagles of Death Metal) - 26. Juni 2006,
Palladium Köln
Die
Ärzte - 31. Dezember 2006, Rhein-Energie-Stadion Köln
2007:
Jan
Plewka - 27. Januar 2007, Ringlokschuppen Mülheim
Foo
Fighters (Vorband:
Sportfreunde
Stiller) - 28. Oktober 2007, Arena Oberhausen
Die
Ärzte - 16. November 2007, Westfalenhalle Dortmund
Sarah
Bettens - 8. Dezember 2007, Pulp Duisburg
2008:
Jan
Plewka - 28. Februar 2008, Grillo-Theater Essen
Bruce
Springsteen -
16. Juni 2008, LTU-Arena Düsseldorf
Farin
Urlaub - 20. November 2008. Philipshalle Düsseldorf
Die
Toten Hosen (Vorband: Madsen) - 8. Dezember 2008, Westfalenhalle
Dortmund
2009:
Franz
Ferdinand - 4. Februar 2009, Kulturkirche Köln
Bloc
Party - 17. Februar 2009, Palladium Köln
The
Killers (Vorband: Louis XIV.) - 13. März 2009, Philipshalle
Düsseldorf
Der erste Kuss einer neuen Beziehung
- Der Bericht
- Der Abend
- Die
Playlist
Genau vier Wochen ist es
her, dass ich durch Washington D.C. marschierte. Marschierte, marschierte
und marschierte. Die Sohlen meiner Chucks lief ich fast vollständig
durch, aber es lohnte sich. Im strahlenden Sonnenschein spazierte ich am
Weißen Haus vorbei, am Kapitol, durch Museen, legte mich auf Wiesen,
sonnte mich, hatte Respekt vor Abraham Lincolns Monument. Und vor Kennedys
Grab. Immer im Ohr: Die Kopfhörer meines Discmans. Und immer dabei:
Die Melodien von Virginia Jetzt! !
Es gibt interessantere Themen
als den "Spracherwerb". Doch genau darum geht es in einem Linguistik-Seminar,
das ich in diesem Sommersemester besuchen muss und werde, dienstags von
16 bis 18 Uhr, bei einem Dozenten namens Heydrich. "Putzig", nennen Kommilitone
Simon und ich die Gestik und Mimik des Mannes; die Scheinanforderungen
sind okay. Aber es werden harte Zeiten, im dicksten Winter, vermutlich
bei Schneefall und in der kalten Dämmerung über die "kognitivistische
Spracherwerbstheorie" zu diskutieren. Der Seminarraum hat Fenster, das
ist bei uns in Essen durchaus nicht üblich, und die Heizung funktioniert.
Im Wintersemester ist auch das ein Kriterium "pro" oder "contra" Seminar.
Naja, nicht wirklich. Solch ein Uni-Leben besteht nicht nur aus Seminaren,
Bibliothek, Cafeteria, Lernen. Zuweilen kommen auch Veranstaltungen außerhalb
der Reihe dazu; wie zum Beispiel Fachschafts-Partys - oder Lesungen und
Konzerte. Heute ist im KKC, unserer stadtbekannten Kneipe an der Uni, "Virginia
Jetzt!" zu Gast, und tagelang lief ich an den Plakaten vorbei und ärgerte
mich grübelnd, zu spät beschlossen zu haben, ein Ticket zu besorgen.
"Ist bestimmt ausverkauft", schwirrte durch meine Gedankenwelt. Zum Glück,
ja zum Glück, surfte ich am Freitag im Internet, und stellte fest,
dass sehr wohl noch Karten zu erhalten sind. Zusätzlich orderte ich
noch welche für die Konzerte der Fanta 4, der Toten Hosen und der
Sportfreunde Stiller, und in nullkommanix wurde aus einem normalen Winter
ein deutscher Konzert-Popkultur-Winter.
Zwischen 18 und 20 Uhr schlage
ich in Essen die Zeit tot. Es ist ein ganz normaler Dienstagabend, die
Bahnen sind voll; Studenten, Arbeiter, Familien fahren entweder in die
Stadt zum Einkaufen oder nach Hause. Ich schiebe mir bei Pizza Hut eine
Lasagne rein, das habe ich lang nicht mehr getan, nämlich seitdem
es in Mülheim keine "Pizza Hut"-Filliale mehr gibt, und die schloss
bestimmt schon vor zwei Jahren. Ich schlendere durch Saturn, durch den
Hauptbahnhof - und wieder zurück ins KKC. Einlass im noch abgetrennten
Veranstaltungsteil ist um 20 Uhr; noch ne halbe Stunde Zeit. An der Theke
leere ich zwei Gläser Sinalco-Cola und beobachte das Publikum. Es
ist überwiegend jung, möchte ich denken. Die Jahrgangsstufen
11 bis 13 der Essener Gymnasien sind ziemlich gut vertreten. Mir bekannte
Studenten sehe ich nicht und erst kurz vor 20 Uhr begegnen mir einige ältere
Menschen. Zufall?
Gerade einmal zwei Alben
haben Virginia Jetzt! gebraucht, um sich in der Liga der Vorurteile ganz
nach oben zu spielen. "Eine schlimme Band", urteilte mein Kumpel Marc,
ein Metal-Hörer, den ich vor kurzem nach langer Zeit mal wieder traf,
als er von meinem Vorhaben erfuhr, ein Konzert von VJ! zu besuchen. Meine
Arbeitskollegin Silke (bekannt vom Ärzte-Konzert)
fragte nur schnippisch, seit wann ich "auf Kuschelrock" stehen würde.
Und das Klischee der "Mädchen-Musik" ist auch nicht neu. Aber falsch.
Ich möchte wetten, dass das Verhältnis der Konzertbesucher bei
60:40 pro männlich ist. Aber nach 50 Personen höre ich auf zu
zählen. Es ist mir zu blöd. Und die Abtrennung wird genau in
diesem Moment weggeschoben.
20.30 Uhr, "Subterfuge"
aus Düsseldorf betreten die Bühne. Nix Wildes, nix schlechtes.
Sie dürfen aufgrund des höflichen Beifalls sogar eine Zugabe
spielen, und bedanken sich für das "geduldige Publikum". In anderen
Städten seien die Leute "nicht so gut erzogen wie in Essen". Seit
mittlerweile anderthalb Stunden stehe ich im KKC herum, hab einen anstrengenden
Uni-Tag hinter mir, und ich frag mich, warum dieses Konzert gar nicht ausverkauft
ist. VJ! gehören nun wirklich zu den bekannteren neuen deutschen Bands,
die sich im Schatten von den Sportfreunden Stiller und Wir sind Helden
aufhalten. Diese beiden Bands füllen mittlerweile die Philipshalle
- und VJ! schaffen nicht einmal das KKC. Hat das Gründe?
Das Licht geht endlich aus,
problemlos finde ich einen guten Platz in Bühnen-Sichtweite. Nur ein
Stützpfeiler ganz in der Mitte stört ein wenig. Geschenkt. Die
ersten Töne... "Diese Zeit hat keinen Namen / Und keine echten Ideale
/ Doch wir irren durch unser Leben / Auf der Suche nach Erinnerungen /
Um festzuhalten was schön ist - obwohl hier gar nix geschehen ist"...
"Das ganz normale Leben", momentan meine Nummer eins in den internen Andi-Charts,
Überschriftengeber eines USA-Tagebuch-Eintrags. Einfach himmlisch,
in einer absolut zu überschwänglichen Amazon-Rezension sogar
als "bester deutscher Rocksong aller Zeiten" gewürdigt. "Doch der
Alltag macht uns platt", singt Nino, "mit jedem neuen Tag. Denn manchmal
frag ich mich: Wer bin ich hier? Was mach ich hier? Und wofür?" Und:
"Man kann sicher nicht behaupten / dass es besser wird, wenn es anders
wird / aber anders muss es werden / wenn es gut werden soll." Vier Jungs
stehen auf der Bühne, und sie haben in diesem Moment nicht nur einen,
sondern direkt drei Pluspunkte gewonnen.
Und im Laufe der Zeit kommen
weitere dazu. Sie spielen eine richtig gute Rock-Show, und ja, das Wort
"Rock" ist in diesem Zusammenhang wirklich mit Bedacht gewählt. Die
Ausgewogenheit zwischen flotten Nummern und Balladen stimmt zweifelsohne,
der Hüpffaktor ist (wenn auch zu oft auf Aufforderung) enorm, den
Jungs den Spaß abzunehmen, den sie an diesem Abend haben, ist nicht
schwer. Stets lachen sie, freuen sich, bedanken sich artig. Der Redeanteil
zwischen den Songs ist absolut nicht zu lang, sondern scheint mit der Stoppuhr
festgehalten. "Interaktiv" ist die ganze Show auch, wie Bandmitglied und
Texter Thomas rühmt. Gleich zwei Mädels holen die Jungs nach
oben, damit sie kurz mitmachen dürfen.
Die Songs, die ich auf dem
Weg zur Uni noch im Discman hörte, habe ich nun live vor mir stehen.
"Du musst dahin, wo´s weh tut", heißt einer, der nächste
ist dann wieder ein stiller á la "Der Himmel über Berlin".
Es folgt noch "Wahre Liebe", mit dem Refrain "Wahre Liebe ist ein Produkt
der Fantasie, was du auch tust, sie erreicht dich ja doch nie". Und von
Zeile zu Zeile wird klarer: VJ! sind nicht so politisch wie die Sterne
oder Blumfeld, bei weitem nicht so intellektuell wie die Hamburger Schule.
Sie erheben auch gar nicht den Anspruch, so zu sein. Sind sie ein Abfallprodukt
des Neo-Schlager? Oh nein, auch das nicht. Oberflächlich wirken sie
nicht, sondern nachdenklich, melancholisch; so wie ich es bei Bands mag,
die nicht meine absoluten Lieblingsbands werden, die ich aber gerne mal
zwischendurch höre. Nach einem anstrengenden Uni-Tag beispielsweise.
Oder wenn ich durch große Städte laufe. Wie Washington D.C.
Dann höre ich "Diese Zeit hat keinen Namen, und keine echten Ideale",
singe ein bisschen mit, allerdings ohne meine Lippen zu bewegen und träume
ein bisschen. Diese Lieder sind perfekt geeignet für den ersten Kuss
einer neuen Beziehung.
Gewonnen haben Virginia
Jetzt! bei mir und den restlichen bestimmt 500 im KKC schnell. Die Textsicherheit
ist bei allen enorm, was dafür spricht, dass sich wirklich nur Fans
hier aufhalten. Die meisten grölen auch die umstrittenste Passage
im Song "Liebeslieder" mit, in der es "das ist mein Land, meine Menschen,
meine Welt, die ich versteh" heißt. Es gibt keinerlei Proteste, wirklich
keinerlei, niemand hat faule Eier dabei, wie bei Mia-Auftritten und keiner
nimmt den Jungs diese Zeile übel. Ich auch nicht. Diese Jungs, diese
Songs muss man einfach mögen. Wer dieses Konzert beobachtet, der befreit
VJ! sofort von allen Deutschtümelei-Vorwürfen, und das, ohne
die zweifelsohne diskussionswürdige Zeile herunterzuspielen. Sicher
- VJ! sind nicht gerade politisch, aber gerade politisch genug, um nicht
rechts zu wirken.
Am heftigsten schunkelt,
hüpft, singt und klatscht die kleine Menge bei "Von guten Eltern",
dem bekanntesten Song der Band aus dem ersten Album "Wer hat Angst vor
Virginia Jetzt!" - mit dem leicht mitzubrüllenden "Hey Hey Heeey Hey"
vor jedem Refrain. Das Schraddeln macht dem in Berlin wohnenden Quartett
doppelt Spaß. Der Rest ist dann Formsache. "Danke für einen
unvergesslichen Abend", sagt Nino am Ende, nachdem er zum Beispiel "Dreifach
schön" gespielt hat - der Song, der die Überschrift für
meinen Text über den
2:0-Sieg des VfL auf Schalke war. Und auch die aktuelle Single "Ein ganzer
Sommer" läuft wie ohnehin die ganze Scheibe "Anfänger". Die erste
Zugabe ist eine Akustikversion von "Das ganz normale Leben", wohl auch
ein Lieblingssong der Band. Also nochmal: "Diese Zeit hat keinen Namen
/ Und keine echten Ideale". Was zum Genießen. Ganz zum Schluss noch
"Mein Sein" und "In der Finsternis" (das auf ein Zitat von Thomas Bernhard
zurückgeht) - noch einmal singen alle mit, noch einmal lautes Klatschen
- und dann TSCHÜSS. Zurück zur U-Bahn. Das Ende eines harten
Uni-Tages, das Ende eines schönen Konzerts, der Beginn von Gedanken
über Deutschtümelei. Nein, ein Gleichheitszeichen zwischen diesem
Begriff und "Virginia Jetzt!" will ich nicht ziehen, und ich tu´s
auch nicht.
Auf meinem Handrücken
pappt noch der Stempel des KKC. Er hat sich über die Ausläufer
des hartnäckigen "Klubi"-Aufdrucks aus Turku gelegt, der für
ein geübtes Auge noch ein wenig durchschimmerte, auch zwei Wochen
nach der Rückkehr und zehn Duschen später. Draußen ist
es dunkel, und das schon lange. Herbstliches Regenwetter steht morgen an,
verrät wetteronline.de. "Die Stadt ist jetzt leer, keine Menschenseele
mehr hier, sie sind alle weg..." beginnt "Der Himmel über Berlin.
Um diese Zeit ist es anwendbar auf jede Großstadt der Welt. Vor dem
Schlafen gehen höre ich nochmal rein.
Darauf ein lautes "Hey Hey
Heeey Hey"!
Konzertbeginn: Dass
das Konzert im KKC an diesem Abend stattfinden würde, hatte ich vor
Urzeiten mal auf nem Plakat gesehen, das muss sogar noch im Lauf des abgelaufenen
Sommersemesters gewesen sein. Ich sah´s - und verwarf´s. Wer
weiß, wie es dir nach den Urlauben geht?, mutmaßte ich vor
mich hin - und dann kann ich immer noch ne Karte kaufen. In den USA und
Finnland vergaß ich selbstverständlich das in Kürze anstehende
Konzert, und wurde erst vor knapp einer Woche von meinem Bruder drauf gestoßen.
Er ist im Mailverteiler des KKC und schickte mir die Nachricht weiter,
da er in meinem USA-Tagebuch gelesen
hatte, dass ich in den letzten Tagen nur noch Virginia Jetzt! gehört
habe. Spontan beschloss ich - sofern es noch Karten gibt - an diesem Dienstag
ins KKC zu gehen, zum ersten Teil meines Andi und die deutsche Popkultur-Winters.
Auf den Plakatan stand als Beginn 20 Uhr; in der Realität war das
der "Einlass". Um punkt 20.30 Uhr kam die solide Vorband "Subterfuge",
die sogar noch eine Zugabe spielen durfte (bis 21.15 Uhr), um 21.30 Uhr
kamen Virginia Jetzt! Sie blieben bis 23.12 Uhr, ich konnte also um 23.21
im U-Bahnhof "Universität Essen" die U17 Richtung Hauptbahnhof nehmen.
Zweimal kamen die vier "Virginias" wieder - und sie waren vom Publikum
beeindruckt - und das war nicht gespielt. Um ziemlich genau 0.05 Uhr betrat
ich meine heimische Wohnung.
Ort: Das KKC an der
Uni Essen... KKC heißt "Kunst- und Kulturcafé", soweit ich
weiß (macht aber Sinn), es wird gefördert vom Asta und versucht,
sich weitgehend selbst zu finanzieren. Tagsüber ist das KKC eine prima
Studikneipe, mit echt fairen und soliden Preisen (0,3-Cola für 1 Euro),
abends gibt es oft ein Sonderprogramm. Ab und zu finden Fachschaftspartys
statt, am Freitag der berühmte "Freitanz!" (alternative Disco) und
auch für Konzerte ist das KKC geeignet; das hat neben der Kneipenecke
nämlich auch einen Veranstaltungs"bereich". Eine solche erlebte ich
dort aber bisher erst einmal, nämlich bei der Lesung der "TITANIC-Boygroup"
mit Gsella, Sonneborn und Schmitt... es war mein erstes Konzert dort, deshalb
kann ich die Zuschauerzahl sehr schwer schätzen... 500 werden es gewesen
sein, denke ich.
Eintrittskarte?:
Bestellte ich im Internet, nämlich in der Nacht von Freitag auf Samstag.
Ich dachte mir: Andi, bis Dienstag ist die Karte bestimmt da. War sie auch.
Aber leider schlief ich noch, als der DHL-Expressmann um 7.36 Uhr anklingelte.
Das Problem: Er fuhr mit dem Paket zurück ins Lager nach Dortmund,
und eine Sonderzustellung am gleichen Tag hätte viel viel Geld gekostet.
So blieben mir zwei Möglichkeiten: Entweder um 20 Uhr nach Dortmund
fahren, das Päckchen abholen und das Konzert verpassen, oder es an
der Abendkasse probieren - und doppelt bezahlen. Ich entschied mich für
Letzteres und damit den Lernprozess, niemals für kurzfristige Anlässe
im Internet Karten zu ordern. Kostenpunkt: Vorverkauf 10 Euro, Abendkasse
13 Euro. Insgesamt für mich also 23 Euro, so ein Ärger!
Mitreisende: Da ich
mich spontan entschied, das Konzert zu besuchen, war kein Bekannter mit.
Die meisten stehen "VJ!" sowieso eher ablehnend gegenüber.
Folgende Songs haben "VJ!" auf jeden Fall gespielt, die Reihenfolge habe ich mir nicht gemerkt (und wenn doch, steht es direkt dahinter):
- "Das ganz normale Leben"
(als erstes Lied und in einer Zugabe noch einmal als Akustikversion)
- "Von guten Eltern"
- "Liebeslieder"
- "Mein Sein" (war eine
Zugabe)
- "Dreifach schön"
- "Ein ganzer Sommer"
- "Fast wie Giganten"
- "Du musst dahin, wo´s
weh tut" (war das zweite oder dritte Lied)
- "Der Himmel über
Berlin"
- "Wahre Liebe"
- "Weil wir Anfänger
sind"
- "Spurlos verschwunden"
- "Hier zu sein"
- "In der Finsternis" (moment
mal, ich glaub, die haben das ganze Album gespielt; naja, wär ja auch
logisch; jedenfalls war "In der Finsternis" das allerletzte Lied)
und andere
DIE VJ!-DEUTSCHTÜMELEI-DISKUSSION:
Anmerkung: Ich hatte zu
diesem Thema ein sehr interessantes Gespräch mit meinem Bruder Thommy,
der das VJ!-Problem nicht so "verharmlost" (ich will es mal so nennen)
wie ich... Wer darüber diskutieren möchte... immer her mit den
Mails!
Ich glaube, er sagte noch so einen
Satz wie: "Aber es gibt auch Bands, mit deren politischer Einstellung ist
nicht übereinstimme, deren Musik ich aber mag." Trifft auch für
mich zu, wobei ich das "Virginia-Jetzt!"-Problem nicht dramatisieren möchte
(im Gegensatz zu "Mia", die das meiner Ansicht nach eine Spur bewusster
und hintergründiger getan haben und nicht so dumm-naiv wie VJ!).
LINK AUF DIESER
SEITE:
Die Diskussion um "Mia"
gibt es HIER !
1. QUELLE:
http://www.denniskehrig.de/justmag/article193.html
Für immer die Menschen.
Die Diskussionen um Virginia Jetzt! dauern
an.
Als vor wenigen Tagen in
der aktuellen Intro die äußerst abfällige Rezension zum
neuen Album von Virginia Jetzt! erschien, hätte vermutlich nicht mal
der Verfasser Alexander Lazarek geahnt, welch einen Wirbel diese Rezension
auslösen würde — auch wenn hinter seinem Bemühen sicherlich
die Absicht nicht auszuschließen war, ganz Springerpresse-like das
Sommerloch zu stopfen. Dabei sorgte weniger die abschätzige Bewertung
im allgemeinen, als wenige Zeilen am Ende des Artikels für den Aufruhr:
„…ein Pathos, das manchmal
hart an der Grenze zum Kirchentagsmusical vorbeischrammt und schlimmstenfalls
durch die Issues des volkstümlichen Schlagers und Witt'schen ›Wir
Sind Wir‹-Nationalmiefs watet (»Das ist mein Land, meine Menschen
/ Das ist die Welt, die ich versteh«)…“
Im Klartext: Der Autor warf
Virginia Jetzt! Nationalstolz vor wegen eines Songs, der eigentlich von
den Grenzen der Sprache handelt, wenn es beispielsweise darum geht, Gefühle
auszudrücken. Wie schon in zahlreichen Fällen zuvor versuchte
sich ein Intro-Schreiber an einer Politisierung von Musik, die niemand
ernsthaft als politisch empfinden konnte. Entweder, um seine eigene Tätigkeit
als Musikjournalist zu erhöhen („Es geht hier nicht einfach um Musik…“)
oder als plumper Versuch der Polemisierung. Und ganz sicher das: Einen
Grund finden, um die Band irgendwie ablehnen zu können. Das ist allein
deshalb bemerkenswert, weil er die Band zu Anfang seiner Rezension noch
als unpolitisch bezeichnete.
Zitat: „Wer befürchtet
hatte, VJ! wären plötzlich postmodern, politisch oder sonst wie
abgedreht — Pustekuchen, Entwarnung.“
Bemerkenswert aber auch,
weil die nicht unbedingt für ihre Rechtslastigkeit bekannte taz über
die besagten Zeilen folgendes schrieb: „Was bei Mia nach neuem Nationalismus
klingen könnte, wirkt bei Virginia Jetzt! allerdings eher wie ein
verzeihbarer Lapsus im System.“
Man muss jetzt gar nicht
die Diskussionen anschneiden, ob ein Deutscher genauso das Recht hat stolz
auf sein Land zu sein wie ein Amerikaner oder irgendein Bürger eines
anderen Landes — denn ganz offensichtlich lag Virginia Jetzt! gar nichts
daran, mit diesen Zeilen Nationalstolz zu bekunden.
Virginia Jetzt! beziehen Stellung
In einer Stellungnahme der
Band zu dem Nationalismusvorwurf, die am 31.8. auf intro.de veröffentlicht
wurde, distanzierte sich die Band von jeglichem Nationalstolz und erklärte,
dass die besagten Zeilen aus dem Song My Country von Randy Newman übernommen
seien und etwas ganz anderes ausdrücken sollte: Heimat, Freunde, Familie.
In der Hamburger Morgenpost
äußerte sich Nino, Sänger der Band, so über die Zeilen:
„Das ist eigentlich ein Zitat von Randy Newman, der da sein persönliches
Umfeld reflektiert. Thomas, der unsere Texte schreibt, wollte thematisieren,
dass es schwierig ist, in der deutschen Sprache Worte zu finden, mit denen
man Menschen noch berühren kann. Dass wir damit in diese Patriotismus-Ecke
gestellt werden, war uns klar, ist aber völlig egal. Die Leute, die
sich über solche Zitate aufregen, stellen auch Mia oder Wir Sind Helden
und ihr 'Aurelie' in die Nationalismus-Ecke. Das ist lächerlich.“
Dass sie sich überhaupt
rechtfertigen mussten, kommt einem Skandal gleich, für die politische
Aufladung der Zeilen waren schließlich nicht sie verantwortlich.
Wie alles begann…
Die Diskussion jedoch konnten
Virginia Jetzt! durch diese Stellungnahme nicht mehr aufhalten. Diese schwelte
schließlich schon vor der Veröffentlichung der Rezension. Angetrieben
wurde sie auch durch Alexander Lazarek selbst, der vermutlich unter dem
Pseudonym schunkel am 18.8. folgendes Statement in ein Intro-Forum postete:
„Abgesehen von der naiven Vaterländerei in 'Das sind mein Land, meine
Menschen', kommt es mir auch regelmässig bei dieser superidiotischen
Verwendung von 'menschen' hoch. Wer bitte sagt denn einen Satz wie 'Das
sind meine Menschen', ausser einem Gott oder einem Sklavenhalter?“
Schon kurze Zeit vorher
hatte sich ein gewisser Reverend in seinen Formulierungskünsten gefallen
und dabei weit aus dem Fenster gelehnt: „Alleine schon das Geschwätz
von 'Mein Land' hat doch durchaus was von affirmativem Fähnchenschwenken
in der Gartenlaube.“
Die meisten anderen Beiträge
kommen über das gleiche unreflektierte Niveau nicht heraus. Es geht
um Selbstprofilierung, mehr nicht.
Blumfeld kommen ins Spiel
Am 27.8. postete dann die
Band Blumfeld ein Statement auf ihrer Homepage, in dem sie sich von jeglichem
Nationalstolz distanzierte. Veranlasst zu diesem Schritt sah sich die Band,
weil Virginia Jetzt! in den Linernotes zum Song Liebeslieder schrieben,
in dem die angeblich skandalösen Zeilen auftauchen, dass sie sich
da an ein altes Blumfeld-Interview erinnert hätten, in dem Jochen
Distelmeyer sagte, wie gerne er einmal Zeilen wie „Das ist mein Land, das
sind meine Menschen“ singen würde, wie eben Randy Newman in My Country,
aber man könne das eben nicht, weil einem dann sofort Deutschtümelei
vorgeworfen werde.
In der Stellungnahme von
Blumfeld heißt es: „Wer aber meint, Blumfeld als Vordenker für
seine Anbiederung an ein deutschtümelndes (Massen-) Publikum missbrauchen
bzw. denunzieren zu können, dem sei mit dieser Mitteilung noch mal
ausdrücklich erklärt, dass wir für derartigen Populismus
und Vaterlandsliebe jedweder Art nach wie vor nicht zur Verfügung
stehen.“
Obwohl der Name Virginia
Jetzt! nicht fällt, an dieser Stelle wird deutlich, welche Band gemeint
ist.
Die Diskussionen verselbständigen sich
Die Veröffentlichung
der Rezension Lazareks goss freilich noch einmal kräftig Öl ins
Feuer, innerhalb kürzester Zeit wurden weit über hundert Beiträge
gepostet, die sich aber schließlich nur noch auf gegenseitige Beschimpfungen
reduzierten und vor allem darin übereinstimmten, zumindest auf der
Seite der Gegner von Virginia Jetzt!, dass die Streitlust sich selbständig
gemacht hatte und die Band eigentlich an den Rand gedrängt wurden.
Dann griff die Diskussionen
nicht unüberraschend auch auf das Gästebuch der Virginia Jetzt!-Homepage
über, genau zu jenem Zeitpunkt, als das Album Anfänger veröffentlicht
wurde. Die Nationaldiskussion gewann groteske Züge. fff schrieb vollkommen
unreflektiert: „Liebe Mary, liebe Michi, bitte verpisst euch schön
in euer Dorf, lasst euch von den örtlichen deutschen Vögeln vögeln
oder vermöbeln, seid stolz auf das Land, das das größte
Verbrechen der Menscheitsgeschichte begangen hat, es bis heute nicht aufgearbeitet
hat und bis heute auch alles andere als ein Stück besser geworden
ist.“
Es mag kaum überraschen,
dass schließlich auch wieder Mia. ins Spiel gebracht wurden, die
ja die ganze Nationaldebatte mit ihrer umstrittenen EP Was es ist erst
neulich wieder ins Rollen gebracht hatten. Kein Fußbreit den Deutschen
postete Folgendes: „Ihr beschissenen LPG-Nazis. Entfernt den Link zu den
deutsch-nationalistischen Mia's! Oder wollt ihr wissen wie rohe Eier mit
Schale schmecken.“ Die Diskussionen dauern an.
Ende in Sicht?
Natürlich wird die Debatte
bald wie ein Strohfeuer verglühen, aber so lange gescheiterte Weltverbesserer
unbedachte heikle Äußerungen in Rezensionen von sich geben,
die dazu heikler sind, als die Textstellen, auf die sie sich beziehen,
und so lange Menschen einfach nicht begreifen wollen, dass einfache Sätze
meist auch so gemeint sind, wird es immer wieder zu diesen unverständlichen
Tumulten kommen, die ja genauer betrachtet nur ein Akt der Selbstvergewisserung
sind. Nach dem Motto: Ich steh auf der guten Seite.
Die nächste deutsche
Band darf sich also schon mal warm anziehen. Vielleicht trifft es ja Kante.
Die haben schließlich mal was gesungen von „Wir sind mehr als die
Summe der einzelnen Teile“. Wenn das mal nicht eine Anspielung auf das
deutsche Wir-Gefühl ist. Und auf ihrem neuen Album Zombi heißt
ein Song Wo die Flüsse singen. Das kann doch nichts anderes sein als
ein braunes Heimatlied.
2. QUELLE:
"Intro"-Rezension
von Lazarek:
Wer befürchtet hatte,
VJ! wären plötzlich postmodern, politisch oder sonst wie abgedreht
– Pustekuchen, Entwarnung: Es regieren weiterhin opulente Arrangements,
schwelgerische Melodien, Panoramatapeten-Pop. Doch sind Melancholie und
graue Wolken aufgezogen, die Rockgitarren weitgehend verstummt. ›Anfänger‹
ist eine nachdenkliche Platte mit hymnischen Midtempo-Stadionpopsongs und
elegischen Piano-Balladen, deren Texte zwischen latent unzufriedenem Geraune
über »verrückte« und »falsche Ideale«
sowie »felsenharte« sowie »absolut verrückte Zeiten«
und gut gemeinten Mut-mach-Weisheiten (»Denn weiter geht’s immer«)
jedoch kaum über das unsichere Beschreiben der eigenen diffusen Befindlichkeiten
hinauskommen. Da bleibt alles so offen und unbestimmt, dass das Identifikationspotenzial
der Songs gewaltig ist; und hier liegt auch das Hauptproblem: Nino Skrotzkis
Texte sind kritikfreie Schmusedecke, bedeutsam wirkendes Bauchgefühl
und bei genauem Hinsehen voller Widersprüche: Großen Ansagen
wie »Ich will Liebeslieder schreiben, die so nah sind am Gefühl,
die so wahr sind und so weh tun« stehen nur eine körperlose
und biedere Sexualität (»weil du ich bist / und ich wie du bin
/ wenn wir uns nah sind«) und der fröhlich gesungene Refrain
»Wahre Liebe ist ein Produkt der Fantasie / was du auch tust, sie
erreicht dich ja doch nie« gegenüber. Um da reinzufallen, ist
eine Stimmung vonnöten, in der schiefe Formulierungen (»ein
Zeichen, das die Welt uns sendet / verstehen wir als Blick gen Himmel /
und sehen doch nur, was uns blendet«), ein angedeuteter Blumfeld-Diss,
Reime wie »und du bist immer noch bei mir / wir sind immer noch zwei
hier« und ein Pathos, das manchmal hart an der Grenze zum Kirchentagsmusical
vorbeischrammt und schlimmstenfalls durch die Issues des volkstümlichen
Schlagers und Witt’schen ›Wir Sind Wir‹-Nationalmiefs watet (»Das
ist mein Land, meine Menschen / Das ist die Welt, die ich versteh«),
nicht brutal schmerzen. Dann können zu den mit viel Ben-Folds-Klavier,
Streichern, Pauken, Glöckchen und Harfen luxuriös orchestrierten
Weltfluchtträumen der vier Neu-Berliner ganz unreflektiert die Arme
im Sonnenuntergang ausgebreitet werden. Lieber nicht.
3. QUELLE:
Reaktion von "Virginia
Jetzt!":
Kaum eine Platte sorgte
in letzter Zeit für mehr Wirbel in unserer Community wie 'Anfänger'
(hier reinhören) von Virginia Jetzt!. Die in unserem September-Heft
erschienene Plus-/Minus-Kritik erregte gleichsam den Unmut von Label, Band
und intro.de-Forum (wenn auch auf unterschiedlichen Seiten). Virginia Jetzt!
haben ihr selbstverständliches Recht, zu allen Vorwürfen Stellung
zu beziehen wahrgenommen und uns eine Mail geschickt, die zu veröffentlichen
wir gestern Nacht autorisiert wurden. Hier der Text im ungekürzten
Wortlaut:
Lieber Alexander Lazarek,
liebe Intro-Redaktion,
aufgrund der im aktuellen
Heft verfassten Album-Kritik von Alexander Lazarek sehen wir uns gezwungen,
einige Dinge klarzustellen. Wir empfinden es als eine böswillige,
ungerechtfertigte und in höchstem Maße beleidigende Unterstellung,
mit unserem Album und im speziellen dem Stück 'Liebeslieder' durch
"Witt'schen ›Wir sind Wir‹ - Nationalmief" zu waten. Dieser Nationalstolz-Vorwurf
zeugt von vorurteilsvoller Betrachtung und mangelnder Bereitschaft, sich
mit dem Stück auseinander zu setzen.
Wir (Virginia Jetzt!) distanzieren
uns von jeglichem uns unterstellten Nationalstolz.
Das Stück 'Liebeslieder'
hat nicht im Entferntesten etwas mit einer Nationalstolz-Attitüde
gemein und steht in keinem Zusammenhang mit 'Wir sind wir' von Heppner/van
Dyk. In 'Liebeslieder' geht es um Sprache als Kommunikationsmittel in der
Kunst und im Leben. Es geht um die Möglichkeiten und Grenzen dieser
von uns allen benutzten Kulturtechnik. Wir sehen besonders in der eigenen
Sprache Schwierigkeiten in der Wort- und Sinnwahl, die sich berechtigterweise
aus der Geschichte DEUTSCHLANDS ergeben. Die Zeilen "Das sind mein Land,
meine Menschen. Das ist die Welt, die ich verstehe." sind deshalb wortgenau
aus Randy Newmans 'My Country' zitiert, um zu verstehen zu geben, dass
es sich bei 'Mein Land' nicht um ein politisches/gesellschaftliches System
handelt. Sondern um genau das, was Newman in seinem Stück meint: Familie,
Heimat, Freunde.
Es ist uns unbegreiflich,
wie Alexander Lazarek im Gegensatz zu allen Redakteuren/ Journalisten,
denen wir Interviews zum Album 'Anfänger' gaben, das Lied so missverstehen
kann und uns "Nationalmief" unterstellt.
Desweiteren unterstreichen
falsche Angaben in seiner Rezension die oberflächliche Auseinandersetzung
mit dem Album:
"Nino Skrotzkis Texte sind
kritikfreie Schmusedecke" - die Texte des Albums stammen allesamt von Thomas
Dörschel, wie auf der CD-Hülle und im Info vermerkt ist "ein
angedeuteter Blumfeld-Diss" - wo soll der bitte schön auf dem Album
zu Hören sein?
Bitter und peinlich ist
sein unermüdlicher Einsatz gegen uns im Intro-Forum unter dem Pseudonym
schunkel (worauf wir von mehreren Seiten hingewiesen wurden).
Wir (Virginia Jetzt!) können
diese Art und Weise der Auseinandersetzung mit unserem Album und vor allem
die Nationalstolz-Vorwürfe nicht unkommentiert lassen. Wir sind enttäuscht
darüber, dass nach einem jahrelangen guten und ungetrübten Verhältnis
zwischen Intro und Virginia Jetzt! eine solche harte Unterstellung gedruckt
wird. Schließlich haben wir im Interview mit Christian Steinbrink
über das Thema "Nationalstolz" gesprochen und unsere Distanz dazu
deutlich gemacht. Es ist uns auch unerklärlich, weshalb Intro ein
Album empfiehlt, das angeblich durch den "Nationalmief watet".
4. QUELLE:
Die Rezension der
"taz" (die entscheidende Stelle ist markiert)
Hört, also hört:
"Diese Zeit hat keinen Namen / und keine echten Ideale". Mit diesen Zeilen
beginnt "Anfänger", das zweite Album von Virginia Jetzt!, auf dem
sie sich zudem auf keinen Geringeren als Thomas Bernhard berufen und so
ausdrücklich vermelden: Hier hat jemand etwas zu sagen, hier wird
jemand erwachsen. Nun zeichnete die vier, die ursprünglich einmal
aus Eberswalde nach Berlin kamen, trotz aller demonstrativen jugendlichen
Unbekümmertheit schon immer ein gewisser Hang zum Bedenkenträgertum
aus: Ihr Pop schien sich nie recht entscheiden zu können zwischen
Euphorie und Melancholie, Melodien gaben sich zeitlos und zugleich brüchig
wie gefallenes Laub.
"Wir haben Fehler gemacht",
singt Nino Skrotzki im Titelsong des Albums, "das ist nicht zu übersehen",
aber halt eben nicht richtig. Selten zuvor wohl hat eine deutsche Popband
ihre Karriere so zielsicher geplant, so genau durchdacht und so clever
aufgebaut. Dank Einblicke in die Mechanismen des Musikgeschäfts, die
einzelne Bandmitglieder als Praktikanten bei Plattenfirmen sammelten, behielt
man jederzeit die Kontrolle und verhinderte geschickt, als One-Hit-Wonder
verbraten zu werden. Langsam, aber stetig, das war die Devise, die des
Öfteren auch gegen den finanzierenden Unterhaltungskonzern durchgesetzt
werden musste, etablierte man einen lokal verankerten Ruf, tourte fleißig
und erspielte sich mittlerweile eine so solide Anhängerschar, dass
man nun positioniert ist für den Anlauf auf die vorderen Chartsnotierungen.
Die wollen die "Warmduscher",
so eine Selbstbezichtigung, mit "Anfänger" erreichen und ihrer großen
Stärke: Ohne Angst vor überwältigenden Emotionen laufen
sie ständig Gefahr, in den Kitsch abzustürzen, aber das ist ihnen
herzlich egal. "Ich will Liebeslieder schreiben", singt Skrotzki, "die
so nah sind an Gefühl, die so wahr sind und so wehtun, dass sie keiner
hören will, ich will sagen können, was gut ist, was ich jeden
Tag hier seh, das ist mein Land, meine Menschen, das ist die Welt, die
ich versteh." Was bei Mia nach neuem Nationalismus klingen könnte,
wirkt bei Virginia Jetzt! allerdings eher wie ein verzeihbarer Lapsus im
System, denn immer wieder drehen sie Allgemeinplätze um ("Du musst
da hin, wo es wehtut") und verrücken Klischees zentimeterweise. Manchmal
funktioniert das erhellend, manchmal endet es eben als Rohrkrepierer.
Aber trotz aller Anzeichen
auf Alterung, trotz des unüberhörbaren Willens, eine angemessene
Reifung an den Tag zu legen, wuchern Virginia Jetzt! weiter um nahezu jeden
Preis mit ihrer Jugendlichkeit. Fast schon trotzig loben sie die romantische
Vorstellung vom Tourleben. Die Rebellion aber, muss man leider feststellen,
die findet woanders statt. So nach allen Seiten abgesichert und ohne jede
klitzekleine Berührungsangst gab sich selten eine Band, das beweist
schlussendlich der Hidden Track, auf dem selbst Wolfgang Niedecken einen
Gastauftritt hat. Das muss man sich erst mal trauen wollen. Und dann darf
man auch. Am Montag steht das Album in den Läden.
5. QUELLE:
Das meint die "Süddeutsche"
zum Thema:
Seid ihr mit uns?
Die Nation stellt ihr
Heimatgefühl in Frage und da wollen die heimischen Sangeskünstler
nicht nachstehen: Die deutsche Poplinke um Blumfeld & Co. diskutiert,
was eigentlich noch links ist.
Von Dirk Peitz
Der Auftritt entbehrt nicht
eines gewissen Pathos. "Aus gegebenem Anlass" heißt es auf der Website
von Blumfeld, sehe sich die Band zu einer "Stellungnahme zum Thema ,Deutschland.
Nation. Heimat und Popmusik' verpflichtet." Blumfeld, muss man wissen,
sind die prominenteste Band einer in den letzten Jahren eher amorph gewordenen
Szene, die sich unter dem Begriff der deutschen Poplinken subsummieren
lässt.
Entstanden ist diese zu
Beginn der 90er Jahre, als Gruppen wie eben Blumfeld, Die Sterne und Tocotronic
- die damals so genannte Hamburger Schule - ihre ersten Platten veröffentlichten,
während parallel dazu unter dem Eindruck rechtsextremer Gewalttaten
in Deutschland sich linke Kulturschaffende etwa bei den so genannten "Wohlfahrtsausschüssen"
gegen die damalige Neue Rechte artikulierten.
Dagegen: Rolle des linken Sprachrohrs
Ein Spezifikum der Poplinken-Musiker
war von Beginn an, dass sie, anders als die Generationen linker Bands und
Liedermacher davor, fast nie politisch explizite Stücke veröffentlichten.
Gegen die Rolle des linken Sprachrohrs hat sich insbesondere Blumfeld-Sänger
Jochen Distelmeyer stets gewehrt.
Die politischen Konnotationen
seiner Texte, in denen zuletzt Begriffe wie "das System" poetisch durchdrungenen
wirkten inmitten von hochgradig selbstreflektierter Lyrik, sollten Verweis
genug sein. Dass sich auf diese grandiose Pop-Poesie auch Bands beziehen,
die Blumfeld anscheinend für politisch anders denkend halten, führte
nun zu der Stellungnahme.
Website von Blumfeld
Dort heißt es scharf:
"Wie aus unserem Schaffen und Verhalten klar erkennbar sein sollte, haben
wir es stets abgelehnt, uns in die heimatduselige Front all derer einzureihen,
die es für angebracht halten, sich in ihrem Denken, Fühlen, Singen
und Handeln positiv auf Deutschland (als Kulturnation und Heimat) zu beziehen."Außerdem
verwehre man sich gegen jeden Versuch anderer, "Blumfeld als Vordenker
für die Anbiederung an ein deutschtümelndes (Massen-)Publikum
missbrauchen bzw. denunzieren zu können"; man stehe "für derartigen
Populismus und Vaterlandsliebe jedweder Art nach wie vor nicht zur Verfügung."
Das sitzt, und sorgt in
den Internet-Foren etwa von Spex oder Intro für erheblichen Gesprächsstoff.
Gemeint ist die Stellungnahme offenkundig als Abgrenzung einerseits gegenüber
solchen Acts, die in Texten, Musik oder Auftreten mit nationaler Ästhetik
flirten wie etwa Rammstein, Witt und zuletzt van Dyk/Heppner; andererseits
aber auch gegenüber jüngeren, als eher unpolitisch geltenden
Bands wie Mia und Virginia Jetzt!.
Erstere haben sich durch
ihre Beteiligung an jüngsten Versuchen von Magazinen und Plattenfirmen,
Deutschsein für cool zu erklären, Ärger eingehandelt - und
mit ihrem Lied "Was es ist", dessen Text mit den Worten Schwarz-Rot-Gold
spielt. Immer wieder werden Mia-Konzerte nun abgesagt, weil linke Gruppen
im Vorfeld zu Störaktionen aufrufen.
Den unmittelbaren Anlass
für die Blumfeld-Stellungnahme aber lieferten anscheinend Virginia
Jetzt! mit einem Stück von ihrem neuem, in dieser Woche erschienenen
Album "Anfänger". In "Liebeslieder" taucht ein eingedeutschtes Zitat
Randy Newmans auf: "Mein Land, meine Menschen, die Welt, die ich verstehe."
Problematisch aus Sicht von Blumfeld wurde die Textpassage des der Heimatduselei
unverdächtigen Newman wohl deshalb, weil Virginia Jetzt! in einem
Beitrag zu ihrer Platte für das Magazin Musikexpress erwähnten,
dass ein Distelmeyer-Interview sie auf das Zitat aufmerksam gemacht habe.
Gefühle und Sprache
Der Virginia-Jetzt!-Texter
Thomas Dörschel sagt nun, dass die Band durchaus darauf gefasst gewesen
sei, damit womöglich entsprechende Reaktionen auszulösen. Deshalb
auch habe man das Zitat als solches kenntlich gemacht. Zudem handele das
Lied nicht von Nationalstolz, sondern vom künstlerischen Scheitern
daran, Gefühle in Sprache zu übersetzen: "Es ging mir mit dem
Zitat nicht darum zu behaupten, man dürfe in Deutschland bestimmte
Dinge nicht aussprechen - sondern dass man es in der deutschen Sprache
einfach nicht vermag, auch weil wir aufgrund unserer Geschichte für
bestimmte Worte wie ,Heimat' so sensibilisiert sind."
Es gebe dieses Gefühl
von Heimat nun mal aber, und das beziehe sich in seinem Fall auf einen
Ort, wo seine Freunde und Familie leben: "Deshalb stehe ich diesem Land
doch nicht unkritisch gegenüber."
Und dennoch, so Dörschel,
nehme Virginia Jetzt! als Band für sich in Anspruch, zunächst
nicht politisch zu sein - auch wenn die Mitglieder selbst sich als eher
links empfänden. Was links aber heute genau sein könnte, weiß
auch Dörschel nicht zu sagen. Es scheine ihm jedoch klar, woher diese
neuerliche Links-Debatte rühre: "Wir haben dafür nur eine Erklärung
- es muss ein Generationsproblem sein. Wir sind mindestens zehn Jahre jünger,
sind nach der Wende sozialisiert worden und mussten andere Kämpfe
ausfechten
6. QUELLE:
Das meint "club-manufaktur.de":
Blumfeld, an die wir uns
immer gern erinnern, sahen sich genötigt, ein längeres Statement
zu veröffentlichen, in dem sie sich von Bands distanzieren, die sich
»an ein deutschtümelndes (Massen-)Publikum« anbiedern
und Blumfeld dabei als Inspiration zitieren. Nicht mit uns, meinen die
sonst so freundlichen Hamburger. Nanu, dachten wir uns, alles sehr korrekt,
aber das kommt nach dem ganzen Heckmeck um Mia vor einem halben Jahr ein
bisschen spät. Der Anlass war wohl auch ein neues Ärgernis. Die
Band Virginia Jetzt! hat nämlich ein Lied geschrieben, in dem es auch
um »mein Land« und »meine Menschen« geht. Die Band
schreibt, inspiriert habe sie, was Blumfelds Jochen Distelmeyer in einem
Interview gesagt habe, dass er auch gerne einmal Zeilen aus einem Song
von Randy Newman verwenden würde: »this is my country«
und »these are my people«, was einem aber hierzulande unvermeidlich
als Deutschtümelei ausgelegt würde. »Ich meine, so etwas
kann man singen«, hält der Virginia Jetzt!-Texter mutig dagegen.
Allerdings hatte Mr. Blumfeld tatsächlich nur gesagt, dass es bei
diesem Stück um das Land geht, »das wir betreten, wenn wir Patti
Smith, Public Enemy oder Serge Gainsbourg hören … eine andere Welt
jenseits nationalstaatlicher Grenzen«. Der heimatselige Texter von
Virginia Jetzt! hatte sich, was die Angst vor der Deutschtümelei angeht,
verlesen und eine symptomatische Fehlleistung produziert: sich zuerst ein
Tabu eingeredet und es dann gebrochen. Herzlichen Glückwunsch.
Ein unerfreuliches Thema,
keine Frage. Dass Bands wie Blumfeld, die gewisse Standards von Haltung
und Reflektiertheit eingeführt hatten, sauer sind, wenn sie derart
missverstanden werden, können wir sehr gut verstehen. Letztlich geht
es ja um mehr: Die taz meinte vor einiger Zeit, die Konjunktur des naiv
Nationalen symbolisiere »das Ende der Poplinken, wie sie in den letzten
zwanzig Jahren zwischen Köln und Hamburg entwickelt worden ist«,
statt »strategischer Schlauheit« sei jetzt »strategische
Dummheit«
angesagt. Schade, denn wir
wären auch so gerne einmal Poplinke geworden. Aber wir hätten
es vermutlich nie geschafft, denn zwar kennen auch wir Randy Newman, aber
uns wäre nie aufgegangen, was sich aus dem Lied aus dem Album »Bad
Love« alles machen lässt. In unserer Naivität dachten wir,
»My Country« handle vom Fernsehen (»We got comedy, tragedy/everything
from A to B), von einer nicht durchweg sympathischen Welt, in der man sich
eingerichtet hat (»We all know what we look like, you know what I
mean?/We wouldn’t have had it any other way.« »Feelings might
go unexpressed/I think that’s probably for the best/Dig too deep, who knows
what you will find«), sowie von den eigenen Kindern: »As much
as I love them/I’m always kind of glad when they go away.« Wir mussten
beim letzten Zitat weniger an Deutschland oder die weite Welt der Popkultur
denken als an Euch, das Publikum, die Manu-Crowd, spät abends nach
dem Konzert.
7.:
LESERBRIEF
Das meint Gerd aus
der Ostkurve
hi andi!
es reißt ja in der
tat nicht ab... ich hatte ja schon damals zur mia-debatte eine mail angekündigt
und dir im stadion schonmal die frage nach brecht gestellt und dessen kinderhymne...
die maile ich dir jetzt
schonmal vorab und werde dann mal näher die neue diskussion nachlesen.
ansonsten: bis morgen zum abstiegskampf!!
also:
den text von brecht würde
ich so unterschreiben und mE ist brecht ja wohl der letzte, den man in
die national(sozial)istische ecke drängen könnte. und nun vergleiche
man mal die anderen texte (qualitativ natürlich nicht in der selben
liga) mit dem folgenden...
Kinderhymne
Anmut sparet nicht noch
Mühe
Leidenschaft nicht noch
Verstand
Daß ein gutes Deutschland
blühe
Wie ein andres gutes Land
Daß die Völker
nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände
reichen
Uns wie andern Völkern
hin.
Und nicht über und
nicht unter
Andern Völkern wolln
wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.
Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's
Und das liebste mag's uns
scheinen
So wie andern Völkern
ihrs.
(1949)
Immer locker bleiben
- Der Bericht
- Der Abend
- Die Playlist
Es ist nicht einen, nicht
zwei, sondern schon ganze drei Monate her (was? wirklich schon so lange?).
Drei Monate, in denen ein weißer Zettel an meiner Pinnwann baumelte:
"Konzertberichte für die Homepage" steht da drauf. Ich glaub, ich
lass ihn hängen, bis die Pinnwand irgendwann mal verschrottet wird,
er hat so einen Hauch von Kult für mich bekommen. Drei Monate hatte
ich Zeit, um die Erinnerung an das Konzert der Fantastischen Vier zu Papier
äh Bildschirm zu bringen. Drei Monate, in denen ich ab und an daran
dachte, meistens aber nicht. Nicht, weil mir das Konzert nicht gefallen
oder gar keinen Spaß gemacht hätte, das auf keinen Fall. Nicht,
weil mir die Worte ausgegangen wären oder ich die Lust an Konzertberichten
verloren hätte. Zuerst keine Zeit, dann Weihnachtsstress, dann auf
die lange Bank geschoben, dann waren inzwischen weitere Berichte über
Helge Schneider und die Sportis fällig, es blieb auf dem langen "Zu
erledigen"-Stapel liegen. Kaum zu glauben, aber selbst das passiert noch
bei mir.
Und nun schreiben wir den
6. März, und das ist eine Lücke auf meiner Homepage, die es noch
zu schließen gilt. Lasst mich ein wenig kramen. Kramen in meinen
Erinnerungen, kramen in den Tiefen des Internets, suchen nach anderen Konzertinfos,
nach anderen Eindrücken von den Fantas. Herauskommen werden einige
Textfragmente, die zusammengefügt hoffentlich ein Bild von meinen
Erlebnissen an diesem Abend hinterlassen
* * *
Eine Notiz von mir... gleich
nach dem Konzert erledigt, als ich glaubte, noch in den Stunden, in der
Nacht danach den Bericht schreiben zu können... Dabei notierte ich
Folgendes:
"Merkt Euch eins: Wenn ihr
ins Centro Oberhausen geht, genauer gesagt in die Oase, um Euch zu stärken
für einen weiteren Einkauf, ein Konzert, einen Kneipenabend, eine
Party. Geht NIEMALS zum "Asia Fast Food". Ein Wunder,
dass ich mir nicht den Magen
verdorben habe. Das sah so unappetitlich aus, dass ich es aufgrund eines
kaum enden wollenden Hungergefühls nur irgendwie runtergewürgt
habe. Das nur vorweg.
Fantastischen Vier. Fantas.
Fanta. Cola. Sprite. Der alte Gag.
Versetzen wir uns in Andis
Gehirn kurz nach den Urlauben im Oktober. Sagen wir mal, es ist der 12.
oder so. Zwei Urlaube und insgesamt vier relaxte Wochen liegen hinter mir,
drei in den USA, eine in Finnland, und die vielen
Krakenarme des Alltags haben
mich schon wieder liebevoll umschlungen - aber noch tuts nicht weh. Ich
blättere auf den verschiedenen Seiten meiner Homepage (mache ich schonmal
alle paar Monate, um zu gucken, ob es auf einigen
Seiten etwas zu überarbeiten
gibt), und lande bei den "Konzerten". Wie bitte? Nur eins besucht in diesem
Jahr? Gibts doch gar nicht... Einmal im Internet, verschlägt es mich
auf die Seite eines Online-Ticketservice, und einen kurzen
Moment später habe
ich unzählige Karten geordert. Für Virginia Jetzt!, die Fantastischen
Vier, die Toten Hosen, die Sportfreunde Stiller und Ash. So schnell geht
das.
Lest Euch die Liste der
Band noch einmal durch... naaa? Passt eine nicht? Stimmt, die Fantastischen
Vier...."
* * *
Ich blättere im Musikexpress.
Die Januar-Ausgabe ist das glaube ich. Bei mir zu Hause liegt nicht nur
ein großer "Zu erledigen"-, sondern ein noch viel größerer
Zeitungsstapel. Ein wenig blättern, erst die Texte, dann die Neuvorstellungen,
DVD- und Kino-Kritiken, Tourdaten und - jawoll - auch Tourberichte. Ein
Mitarbeiter des ME hat also auch die Fanta 4 gesehen, in Köln allerdings.
Ein so großer Unterschied wird das schon nicht sein. Und was meint
der Kerl zum Gesehenen?
"Meine Damen, meine Herren,
die Fantastischen Vier sind in der Stadt, und das bedeutet allerhand. Zum
Beispiel wohlfeile Ironie, gebrochene Selbststilisierungen, schlaue Einschätzungen
des eigenen Standorts. Und: keine blöde Attitüde, kein dämliches
Realness-Geprotze, dafür jede Menge Haltung. "We are Mittelstand"
ist seit Jahr und Tag der Schlachtruf von Smudo, Thomas D, Hausmarke und
And. Ypsilon - und das ist im 14. Betriebsjahr der "Fantis" noch längst
nicht alles. Da tut sich noch viel mehr.
Ganz in Weiß entern
die vier die Bühne, sehen dabei ein bisschen aus wie männliche
"Ariel"-Clementinen, uind schon nach dem klug über den Popstar-Status
reflektierenden Song "Bring it Back" ist klipp und klar: Die Bühnengarderobe
ist gut gewählt, Die Fantastischen Vier sind längst ein Markenprodukt
mit hohem Wiedererkennungswert. Das ist zum einen die Art, wie Keyboarder
Lillo Scrimali als musikalischer Direktor die Band wunderbar zusammenhält:
lässig, locker, erfrischend leicht. Und da ist zum anderen das größte
Verdienst von Smudo und Kollegen, das auch in der Kölnarena (auch
in der Arena Oberhausen, das nur nebenbei) wieder zum Tragen kommt:
Im Laufe der Jahre haben Die Fantastischen Vier deutschem Sprechgesang
ein komfortables Pop-Bettchen gebaut, inklusive Kopfkissenburg und Wohlfühldecke,
unter der allerlei Platz hat: Chöre, Streicher, Reggae, Funkiges und
Soul, Rock - immer hübsch verpackt in ein Gebinde aus bestens austrainiertem
Wortsport und kundigem Reimerütteln.
"Donnerwetter", sagte Hausmarke
irgendwann, als sich die Band enthusiastisch durch die Lieder des aktuellen
Albums "Viel" gespielt hatte - vorzüglich: das diskokugelige
"Geboren" und das melancholisierende "Sommerregen" - längst auch im
Oberrang niemand mehr saß und sich schiere Begeisterung im weiten
Rund der Arena Bahn brach. "Da bleibt einem ja die Spucke weg", analysierte
Thomas D, "ihr seht gut aus." Danke, gleichfalls. Was erst recht galt,
als die Vier hernach stilsicher durch ihren Backkatalog surften: "Der Picknicker",
"Sie ist weg", "Le Smou", "Populär", der feine Selbstironieläufer
"Buenos Dias Messias", das brachiale "Was geht", das Abkürzungsmassaker
"MfG" - so ziemlich alles, wofür man die Fantas gern hat, kam dran.
Und weil Traditionen nun mal da sind, um bewahrt und gepflegt zu werden,
durfte Thomas D bei "Krieger" ritualisiert den Gelegenheits-Esoteriker
geben, den Oberkörper blank ziehen und zum x-ten Male zeigen, was
ihm sein Tätowierer so alles in die Haut gestochen hat.
Doch bei aller Show- und
Entertainment-Routine, die Die Fantastischen Vier aus dem Effeff beherrschen,
war auch noch eine kleine Überraschung drin. Dass ordnungsgemäßes
Stagediving normalerweise mit Popoklatsch und Anlauf vonstatten geht, war
Smudo komplett wurscht: Wie ein Käfer mit Bandscheibenvorfall ließ
er sich ins Publikum plumpsen, wurde eineinhalb Runden auf Händen
getragen - und war bestimmt heilfroh, als er beim fabelhaften Drogan-Proviant-Stück
"Tag am Meer" wieder auf einem Hocker sitzen durfte."
* * *
Meine Mülheimer-Woche-Kollegin
Silke sitzt einen Block weiter rechts. Kurz vor dem Konzert, kurz nach
der Vorband "Clueso" haben wir uns megakurz getroffen. Eine Möglichkeit
des "nebeneinandersitzens" gibt es nicht, das Konzert ist ausverkauft.
Links neben mir hat jemand Knoblauch gegessen; und ich weiß nicht,
was kommt. Oder was geht, wie es wohl heute heißen muss. Keine CD
habe ich von den Fantas zu Hause, okay, ein paar Maxis vielleicht, aber
sonst? "Sie ist weg", das kann ich auswendig. "Hey, heute ist wieder einer
der verdammten Tage, die ich kaum ertrage, und mich ständig selber
frage..." undsoweiterundsoweiter. Kaum jemand aus meiner Stufe hat damals
nicht bei Liebeskummer auf diese Scheibe zurückgegriffen. In Weiß
kommen sie auf die Bühne, springen, hüpfen. Ja, doch, ich habe
Respekt vor dieser Bank. Vor der musischen Leistung der Vier. Der markante
Schädel von Thomas D ziert sehr oft meinen CD-Schrank. Das Album seines
Projekts "Son Goku" habe ich mir zugelegt, ganz zu schweigen von diversen
Soloprojekten wie zum Beispiel dem "Liebesbrief" oder "Solo". Oder Hausmarke
alias Michi Beck. Sein "No melody" mit den Turntablerockern ist ein Klassiker.
Blieben Michael B. Schmidt alias Smudo und Andi Ypsilon (sein richtiger
Name ist mir grad entfallen), eher als Produzenten im Hintergrund tätig
oder als "die wahren Köpfe" bezeichnet, wenn es um die Außendarstellung
der Fantas geht. Die Menge tobt, das ist von meinem Sitzplatz hervorragend
zu sehen. Einen Tick lauter, ein kleines Momentchen heftiger wird es, wenn
Smudo sich das Mikrofon schnappt, auf dem Laufsteg in die Menge hineinrast
und "Le Smou" oder vor allem "Populär" brüllt. Klasse! Irgendwann
später stagedivt Smudo sogar in die Menge.
* * *
Es ist in Oberhausen. Also
ist WAZ-Alarm. Auch mein Kollege Hein fand das Konzert gut und ließ
diesem eine dementsprechende Kritik folgen:
"Ende der 80er: Thomas D.
verschränkt mit filziger Mütze und kurzen Hosen die Arme. Der
Fall für die Geschmackspolizei scheint gelöst: Mittwoch marschierten
"Die Fantastischen Vier" im weißen Einheitszwirn in die König-Pilsener-Arena.
"Viel" (die aktuelle Platte)
hat sich geändert. Seit ihr Hit "Die da!?!" 1992 in Deutschland die
gern zitierte Geburtsstunde des deutschen HipHop auslöste. Und die
"Fantas" mit dem Hitparaden-Stürmer selbst in Werbespots für
Orangensaft auftauchten. Nun adelt das Hohe C nicht unbedingt zu Garde-Musikern,
doch deutscher Sprechgesang wurde in dieser Zeit salonfähig. Thomas
D., Smudo., Michi Beck, And.-Ypsilon zeigten "was geht" mit ironisch, witzigen
Sprüchen. Nur gut, dass sich das Quartett in Oberhausen vor 8200 Fans
in bester Plauderlaune zeigt. Neuigkeiten müssen hoppla-hopp in die
HipHop-Gemeinde. Smudo: "Alle Uncoolen sind außerhalb dieser Mauern."
Wer in der ersten Reihe steht, erkennt das freche Grinsen. Klar: Die Vier
sind gerne unterwegs. Keine Floskel. Michi Beck gesteht, dass Mama aus
dem Ruhrgebiet stammt.
Worauf der Spruch des Abends
gefunden ist. Denn die Fans sind das "Ruhrpott Massiv". Und kräftig
bei Stimme.
Schuld daran hat wiederum
die ausgewogene Konzert-Leistung. Auch das furios flimmernde Bühnenbild
soll nicht unerwähnt bleiben. Gerade bei Ruhe-Reimen zeigen die Videoanimationen
keine Spielereien, sondern lassen Atmosphäre erstrahlen. Die energiegeladene
Performance der vier Stuttgarter tut ihr Übriges. "Der Picknicker"
reißt jung gebliebene HipHopper von der Decke. Zwischen "Tag am Meer"
und "Sie ist weg" bleibt genug Zeit, um mit einem Heavy-Metal-Ulk einen
Gang hochzuschalten. Bei "Populär" hüpft die Halle. Der Mix funktioniert.
Die Fans bleiben "Troy".
Der aktuellste Vierling
hat sich schon zum Konzerthöhepunkt gemausert. Nach zwei Stunden Mundart
ist der Hals trocken. Der Zwirn schweißdurchnässt. Ein Augen-
und Ohrenschmaus geht zu Ende, auch wenn die Hallenakustik dem Mikrophon-Zappeln
teilweise Tribut zollen musste.
Der Zugabenreigen klingt
nüchtern, ist aber herzlich: "Keine Zeit", "Frohes Fest". M.f.G. -
immer wieder gerne."
* * *
Ich kann sicherlich nicht
so gut Konzertberichte schreiben wie die zahlreichen Plattenkritiker, die
sich auf der Orgel der Fachbegriffe perfekt auskennen und noch ein paar
historische Anekdötchen draufpacken. Die Fragmente zusammensetzen,
ein paar begleitende Worte von mir geben, meine Gefühle schildern,
das ist angesichts dieser zahlreichen Vorlagen diesmal mein Job. Gefühle?
Links neben mir stinkt immer
noch ein wenig der Knoblauch. Dass Silke einen Block weiter rechts hockt,
und ebenfalls auf die Bühne starrt, habe ich (entschuldigt!) vergessen.
Ich stehe nicht die ganze Zeit, so wie viele andere, aber doch sehr oft.
Ich singe (oder besser: spreche) nicht mit, das kann ich gar nicht, da
die Texte mir nicht wirklich vertraut sind, aber ich versuche es wenigstens.
Ich jöööööle nicht begeistert bis zur Heiserkeit,
aber ich klatsche, bis die Hände wehtun.
* * *
Mein WAZ-Kollege hat auch
was für seinen "Heimatteil" Oberhausen geschrieben, nämlich:
"Kenner der Szene werden
es bestätigen: Wer aus Stuttgart kommt, hat nicht automatisch Anspruch
auf den Hip-Hop-Olymp. Doch genau dort sind die "Fantas" (Thomas D., Smudo.,
Michi Beck, And. Ypsilon) seit Jahren amtlich stationiert. Den Eindruck
hat man jedenfalls, wenn man die Mundart des Quartetts durch die lange
Karriere folgt. Wenn da mal nicht der Hals trocken wird. Sie haben es Ende
der 80er geschafft bei uns mit deutschen Reimen ein bis dato gänzlich
ungewohntes Genre zu etablieren. So zeigten sie am Mittwoch in der König-Pilsener-Arena
Gutes aus rund fünfzehn Jahren Sprechgesang. 8200 Fans betätigten
sich als Stichwortgeber und die Vier zeigten "was geht". Mit der "Viel
Unterwegs Tour" brettern die Wortakrobaten derzeit durch die Hallen. "Troy"
blieben ihnen die Fans nicht zuletzt, weil sich "der Picknicker" ausbreitete
und ein "Tag am Meer" musikalisch die Reisestrapazen ersparte. Bei so viel
Euphorie taufte Thomas D. die Stadt kurzerhand in "Ober-geil-hausen" um.
Und etliche Zugaben blieben keine leeren Worte."
* * *
"Sie ist weg" - der Höhepunkt
des Abends. Die Vier brauchen nichts zu tun. Nur ein einziges Wort anstimmen,
und den Rest erledigen wir. Vor allem im Mittelteil. "Jaja wunderbar, tolle
Rede man, hörte ich dich nicht mal sagen, dich lässt jede ran?"
Diesen und noch viele weitere Sätze grölen 8200 Leute wie aus
einem Mund. Das erstaunt oder begeistert selbst die so bühnenerfahrenen
Fantas. Und diese Euphorie nehme ich den Jungs sogar ab.
Wäre ich in der Grundschule,
müsste ich unter unter das Konzert eine Abschlussnote packen. Und
wenn ich mir meine Fragmente so anschaue, und all das mit meinem eigentlichen
Musikgeschmack (der alles andere als in Richtung HipHop geht) und den Eindrücken
rund um den Abend in einen Topf schmeiße und aufkoche, dann kann
es nur ein Ergebnis geben.
* * *
Note: gut !
- wie Ihr gleich feststellen
werdet, entstanden diese kurzen Notizen zwar nicht am Konzertabend, aber
vier Tage danach (und nicht drei Monate). Also noch ziemlich zeitnah...
-
Konzertbeginn: Hui,
da muss ich nochmal ganz tief in meinem Gedächtnis kramen, denn das
Konzert ist nun schon wieder seit vier Tagen rum... okay, es war Mittwoch,
genau, richtig, da war ich vorher an der Uni in Essen, beim "Lehrforschungsprojekt
Fitnessstudios" im Fach "Praktische Sozialwissenschaft". Um 17.50 Uhr ging
es direkt von Essen mit der S3 nach Oberhausen, mit dem Bus bis zur Haltestelle
"Neue Mitte", zu Fuß bis zur Oase, mit der Gabel das China-Essen
in den Mund (bääh...). Um 19.30 Uhr stapfte ich in die Arena,
um 19.55 Uhr - fast punktgenau mit dem ersten Takt der Vorband "Clueso"
tauchte meine Arbeitskollegin Silke im weiten Rund auf - allerdings saß
sie in einem anderen Block. "Clueso" spielte bis 20.35 Uhr, also die handelsüblichen
40 Minuten für eine weniger bekannte Band. Die "Fantastischen Vier"
kamen gegen 20.55 Uhr und blieben bis etwa um 23 Uhr - also knapp 2:15
Stunden. Sie kamen einmal für zwei Zugaben wieder. Silke fuhr mich
dann noch nach Hause - um 23.40 Uhr konnte ich meinen geliebten Laptop
wieder in die Arme schließen.
Ort: Also mal wieder
die Arena Oberhausen. Keine andere größere Veranstaltungshalle
ist von meiner Wohnung aus näher zu erreichen (als "größer"
bezeichne ich mal die Philipshalle Düsseldorf, die Westfalenhalle
Dortmund und die Grugahalle in Essen). Und so allmählich glaube ich,
dass die Arena, die offiziell "König-Pilsener-Arena" heißt (aber
keine Sau bezeichnet die so), auch in Künstlerkreisen sehr beliebt
ist. Der Radiosender "EinsLive" würde sonst wohl kaum jährlich
seine "Krone" hier verleihen, und die "Ärzte"
hätten hier vor fast genau einem Jahr (mit mir im Publikum) ihre Live-DVD
gedreht. Die Reaktionen der Fantas ließen auch den Schluss zu, dass
die das Ruhrpott-Publikum ganz gut leiden können.
Eintrittskarte?:
Ja, das war so eine eigene Geschichte. Genauso wie die "Virginia
Jetzt!"-Karte bestellte ich auch das Fanta-Ticket im Internet - und
auch dieses gehörte zu der Bestellung, auf die ich wochenlang wartete.
Der DHL-Mann und ich verpassten uns trotz fester Verabredung regelmäßig.
Dieses Spielchen ging zwei Wochen lang, bis ich die Nase voll hatte und
mich so lange nicht mehr meldete, bis die Karten an den Absender zurück
gingen. Des Rätsels Lösung: Die Internet-Firme schickte mir die
Karte per Einschreiben zu. So gehts doch auch. Der Platz (Block 111, Reihe
F, Platz 6) war solide - der Sitzplatz lag in einer Kurve.
Mitreisende: Da ich
eigentlich alle Konzerte im Moment alleine besuche, überrascht es
auch nicht, dass mich zu den Fantas niemand begleitete - ich kenne auch
niemanden, den das sonderlich interessiert hätte. Umso erfreulicher
war es, dass ich mit Silke wenigstens ein bekanntes Gesicht gesehen habe
- sie erfuhr erst am Tag zuvor, dass sie eine Pressekarte bekommen würde.
Mit den Titeln der "Fantas"
bin ich überhaupt nicht vertraut. Also kann ich Euch nur sagen, welche
Songs sie ganz sicher gespielt haben...-
- die Reihenfolge stimmt
nicht, ist aber in dem einen oder anderen Textfragment (siehe oben) erkennbar
-
- "Sommerregen" (vom Album
"Viel" / 2004)
- "Ruf die Polizei" (vom
Album "Viel" / 2004)
- "Troy" (vom Album "Viel"
/ 2004) das war natürlich das allerletzte Lied !!
- "Viel" (vom Album "Viel"
/ 2004)
- "Populär" (vom Album
"Lauschgift" / 1995)
- "Sie ist weg" (vom Album
"Lauschgift" / 1995)
- "Was geht" (vom Album
"Lauschgift" / 1995)
- "Locker bleiben" (vom
Album "Lauschgift" / 1995)
- "Mfg" (vom Album "4:99"
/ 1999)
- "Die Stadt die es nicht
gibt" (vom Album "4:99" / 1999)
- "Le Smou" (vom Album "4:99"
/ 1999)
- "Tag am Meer" (vom Album
"Die 4. Dimension" / 1994)
Ich weiß, das ist diesmal eine sehr magere Playlist, aber da ich von den Fantastischen Vier kein einziges Album zu Hause habe, fällt es mir vier Tage nach dem Konzert sehr schwer, die meisten Sachen zu rekonstruieren. Vor allem von der 2004er "Viel" wurden bestimmt eher zwölf als nur vier Titel gespielt.
Was hatte ich mich doch auf
diesen Abend gefreut. Tagsüber schön zur Uni düsen, eine
Veranstaltung absitzen und abends bei den Hosen ABROCKEN! Um danach in
die Endphase der Weihnachtszeit zu starten. Und was passierte dann? Ich
brach zur Uni auf, schon etwas leichter bekleidet (trotz eisiger Temperaturen),
um in der Westfalenhalle keine Jacke abgeben zu müssen, friere mich
45 Minuten lang von meiner Wohnung bis in den Seminarraum durch - und dann?
Fällt die Veranstaltung aus. Scheiße. Ich setze mich in die
Cafeteria, lese den Kicker, den Spiegel, unterhalte mich, langweile mich,
starre auf die Uhr. 17.30 Uhr, los gehts zum Bahnhof, rein in den Regionalexpress...
hmm... der ist so seltsam leer. Im Dortmunder Hauptbahnhof auch keiner
mit einem Hosen-T-Shirt. Ab in die U45 Richtung "Westfalenhallen". Zwei
etwas ältere Herrschaften mit einem schwarzen "Bis zum bitteren Ende"-Kleidungsstück
auf ihren Rippen sitzen ein paar Reihen weiter - genauso nichtsahnend wie
ich. Denn wir sind die einzigen drei in der Bahn, und das gut 45 Minuten
vor Konzertbeginn. Die Haltestelle rückt näher - und ja, es wird
Gewissheit: Die Westfalenhalle ist komplett dunkel, nur ein paar Security-Herren
lungern davor herum, und teilen jedem enttäuschten und vollbrezelhaften
Fan, der heute kein Radio gehört hat, mit: "Campino ist krank."
Was für ein Tag. Umsonst
an der Uni, umsonst in Dortmund, alles umsonst. Sechs Stunden verschenkt.
Sechs!! Wenn das Konzert am 18. Juni nachgeholt wird - dann verlange ich
aber eine doppelte Zugabe!
Rendezvous mit meiner Stadt
In meiner Vorbereitungsphase
zum USA-Urlaub, ja, das gebe ich zu, da habe ich ein paar Folgen lang "Sex
and the city" geguckt. New York eben. Ich kann mich an nicht mehr sehr
viel erinnern. Nur eins ist hängen geblieben. In einer Folge ist die
Hauptperson, die Kolumnistin Carrie, gerade single, ein paar Dates misslingen,
und so hat sie eben ein "Rendezvous mit meiner Stadt", so wie sie sagt,
und geht in New York ins Guggenheim Museum...
Wenn Mülheimer Bürger
jemals ein Rendezvous mit ihrer Stadt haben können, dann bei Konzerten
von Helge Schneider.
Und diesen Moment, in dem
ich im Stadthallenfoyer Stefan Kober, einen geschätzten WAZ-Freien,
der jetzt schon längst Volontär ist, traf, werde ich nicht so
schnell abhaken. "Mensch, hättste doch was gesagt", meinte er zu mir.
"Dann hättest Du das doch schreiben können." So wars aber schon
zu spät, und ich musste mich meinen Mitreisenden wieder zuwenden.
Seinen Job hat Stefan ganz gut gemacht, und da ichs kaum besser formulieren
könnte, überlasse ich ihm den Platz zur Schilderung eines Rendezvous...
FÜTTERN VERBOTEN,
LACHEN ERLAUBT (WAZ Mülheim, 20.12.2004)
- von Stefan Kober; hat
er juuut gemacht -
Wenn Helge Schneider
kommt, geht nichts mehr: zwei restlos ausverkaufte Stadthallen am Samstag
und am Sonntag. "Füttern verboten" heißt das Programm. Lachen
ist erlaubt.
"Helge, Helge"-Rufe, als
es langsam dunkel wird. Auf der Bühne verteilt: Reise-Klavier und
Xylophon, Mundharmonika und Trompete, E- und gewöhnliche Gitarre,
Schlagzeug und Bongos, Blockflöte und Schelle, Piano und Orgel - der
Meister hat Großes vor.
Um seine Anhänger zu
begeistern, braucht es wenig. Instrumental ist das erste Stück, ein
Medley mit Piano und Schlagzeug, links-rechts, eine Jonglage-Nummer mit
den Sticks zwischen den Fingern. Applaus brandet auf und Schneider lässt
sich von der einzigen Unterstützung Bodo, der - bei Helge währen
die Lehren länger - eine 36-jährige Ausbildung zum Teekoch absolviert,
die Tasse reichen. "Sie wundern sich vielleicht, warum rechts und
links keine Videoleinwände stehen", meint Schneider. Wie bei großen
Stars wie "Uschi Glas oder Celine Dion" üblich. Ein Vergrößerungsglas
hat er stattdessen mitgebracht, angespült am Strand von Honululu.
Erste Reaktion beim Fund war ein Dialog der Gehirnhälften: "Was ist
denn das? - Weiß ich doch nicht." Schneider: "Die Antwort kam sofort.
Das nennt man Denken." Eine versteinerte Qualle war es aber nicht, also,
mutmaßt Schneider, entweder eine Kontaktlinse von Joan Collins oder
einem Wal.
Schneiders Stärke ist,
vom Ernst in den Nonsens zu gleiten, die Übergänge fließen
zu lassen: Da imitiert er an der Orgel eine Hof-Reportage nebst entsprechender
musikalischer Untermalung: "Wir sehen die Queen im Fonds sitzen. Der rote
Teppich wird ausgerollt." Wir sehen, wie sich die Kathedrale ins Bochumer
Stadtbild einfügt. "Wir sehen Ex-Außenminister Genscher zusammen
mit Tatjana Gsell." Den Dalai Lama im Gespräch mit Jens Jeremies.
Die Queen steigt aus: "Sie trägt eine Jacke aus Stahl, in der Friedrich-Wilhelms-Hütte
gegossen." Mit einem Sticker der IG Metall. Musikalisch funktioniert das
ähnlich: Da startet Schneider am Piano mit Beethovens Mondscheinsonate
und lässt das Klavierspiel mit dem Jingle eines Schokoherstellers
ausklingen: die zärteste Versuchung...
Ein Stück verballhornt
er mehr oder weniger auf Spanisch, Restaurant-Barden-Parodie und -Hommage.
"Donde", "tengo" und "dolore" klingen im iberischen Sprachbrei manchmal
durch. Mehr kaum. Angekündigt hat er den Titel so: "Das nächste
Lied handelt von Liebe, vom Leid, von Zähmung, Tod, Krankheit, Verderben,
Sehnsucht, Spaß, Geburt, Segeln, Schwimmen und Lesen." Leben eben.
Und Lachen mit Schneider. Ay caramba.
Danke Stefan.
Und für mich gilt:
Im nächsten Jahr bin ich wieder da.
Zum nächsten Rendezvous.
Ratz fatz schrammel schrammel applaus
- Der Bericht
- Der Abend
- Die Playlist
Noch drei Tage bis Weihnachten.
Andi, versetz dich in die Lage zurück. Ein ganzes Jahr ist vorbei,
ein Jahr voller Uni, voller Arbeit, voller Urlaub. Voller USA, voller Finnland.
Heute ist der letzte anstrengende Tag. Nur noch dieses Konzert, dann nach
Hause, und dann erst einmal entspannen. Ruhig zurücklehnen und nichts
tun.
72 Tage nach Weihnachten.
Anfang März 2005. Der VfL Bochum steht, genauso wie anno dazumal,
auf dem 16. Platz der Fußball-Bundesliga. Ach was wünschte ich
damals noch... mehr Punkte, bessere Zeiten, bessere Leistungen. In der
Uni bin ich immer noch keinen entscheidenden Schritt vorwärts gekommen.
Nehme es mir jeden Tag vor, und doch. Flugtickets für den Sommerurlaub
sind mittlerweile gebucht. Die Lücken auf meiner Konzertseite sind
immer noch da. Die Fantastischen Vier, Helge Schneider und die Sportfreunde
Stiller. Werd sie füllen. Ganz langsam füllen.
Seit 72 Tagen habe ich drei
ganz lange Mega-sms eingespeichert. Enthalten sind die originale Playlist
und verschiedene Notizen. Anmerkungen zum Konzert, zu den Sportfreunden.
Lasst sie mich durchgehen.
* * *
Kollege Brandhoff war da,
aufgrund seiner Hattinger Herkunft auch der "Hügelländer" genannt.
Er arbeitet genauso wie ich für die WAZ. Gesehen habe ich ihn nicht.
Geschrieben hat er Folgendes:
"Die Sportfreunde Stiller
haben die Spielzeit 2004 erfolgreich beendet. Ihre Platte "Burli" kletterte
in diesem Jahr zeitweise bis auf Platz zwei der deutschen Album-Tabelle,
und beim Saisonfinale in der Philipshalle wurden sie von 6000 Fans frenetisch
gefeiert.
Das Vorspiel bestreiten
Ash. Die Briten gehen mit ihrem grandiosen Gitarren-Gepläster gleich
in die Vollen. Und das Aufwärmprogramm wirkt: Die Menge ist heiß,
sie verlangt nach ihren "Sportis".
Anpfiff 21.16 Uhr. Die Sportfreunde
setzen sofort alles auf eine Karte. Sie wollen ein frühes Tor, und
sie treffen im Dreierpack: "Ein kleiner Schritt", "Lauth anhören"
(inspiriert vom ehemaligen 1860-Stürmer Benjamin Lauth) und "Auf der
guten Seite" - 3:0!
Die Mannen aus München
halten sich aber auch in der Folgezeit nicht mit kontrollierter Offensive
auf, sie stürmen mit Mann und Maus. Sänger und Gitarrist Peter
Brugger (ein Bayern-Fan) über Links-, Bassist Rüdiger Linhof
(ein 1860-Fan) über Rechtsaußen- und Schlagzeuger Florian Weber
(ebenfalls Löwen-Fan) macht als hängende Spitze Druck durch die
Mitte. Mannschaftlich geschlossen spielen sie ihren Stiefel herunter, lassen
sich auch von zwischenzeitlichen "Zieht den Bayern die Lederhosen aus"-Gesängen
nicht irritieren. "Siehst du das genauso?" - 4:0; "Dirk, wie ist die Luft
dort oben?" (inspiriert von Basketball-Superstar Dirk Nowitzki) - 5:0;
"Komm schon" - 6:0!
Es läuft rund. Und
als dann auch noch Ash-Frontmann Tim Wheeler eingewechselt wird, drehen
sie so richtig auf. "Ich, Roque" (inspiriert von Bayern-Stürmer Roque
Santa Cruz) wird zum Abräumer des Abends. Sie bündeln die Kräfte
und erzielen innerhalb von fünf Minuten so viele Treffer, dass man
sie gar nicht mehr zählen kann - die Fans sind aus dem Häuschen.
Selbst als die "Sportis"
in der Nachspielzeit ein bisschen bei Oasis klauen und "Wonderwall" zum
Besten geben, treffen sie ins Schwarze. Die La-Ola-Welle schwappt durch
die Halle, die Begeisterung findet keine Grenzen mehr.
Auch "Ein Kompliment", eigentlich
nur eine Standardsituation für die Bayern, wird zum Volltreffer. Es
läuft und läuft und läuft. Und die 6000 hüpfen, singen
und klatschen.*
* * *
Draußen ist es kalt.
So kalt, dass ich meine Jacke anziehen muss, was ich vor Konzerten eigentlich
nur recht ungern mache, da das entweder mit mehr Aufwand - Jacke wegbringen,
Geld bezahlen und hinterher im Gewühl wieder abholen - verbunden ist,
oder aber verdammt lästig ist. Ich bin genau pünktlich und erwische
einen Stehplatz in der Mitte der Mitte. Ganz kurz überlege ich - immerhin
steht "freie Platzwahl" auf der Eintrittskarte - ob ich mich zur Feier
des Tages, quasi als vorweggenommenes Weihnachtsgeschenk von mir an mich
selbst, sogar setzen soll, doch ich verwerfe den Gedanken. Gesessen habe
ich schon bei den Fantas. Ich schnalle mir
meine Jacke um und warte auf Ash. Warte nicht mehr lange. "Ash" aus Irland
sind gemeinsam mit "Franz Ferdinand" aus Schottland und dem Iren David
Gray die bekannteste und beste Vorband, die ich in meiner Konzert-Statistik
notieren darf. Sie betreten die Bühne, und lassen 40 Minuten lang
einen Kracher dem nächsten folgen. Es geht ratz fatz ratz fatz, schrammel
schrammel, Kopf nach oben Kopf nach unten, Arme in die Luft, klatschen
klatschen ratz fatz ratz fatz, Applaus, Applaus, und vorbei. Super! Genial!
Vor allem bei "Girl from mars" und "Shining light"!
Nach Ash will ich nach Hause
gehen. Besser geht´s kaum.
* * *
Aber ich bleibe. Allein,
um meine Popkultur-Serie für diese Homepage zu vervollständigen
und zu beenden? Nein... denn die ersten beiden CDs der Sportfreunde habe
ich bei mir im Schrank liegen, und solche Klassiker wie "Wellenreiten"
oder "Tage wie dieser" höre ich mir immer mal wieder gerne an. Die
neueste CD "Burli" fehlt in meinem Besitz. Und das mit Grund. Die Sportfreunde
sind eine Konsensband geworden. Eine Band, die als linksalternative Alternative
in den Hinterhöfen und Kellern des Südens begann, sich unter
anderem mit "Wellenreiten" in der Beliebtheitsskala der Insider nach oben
katapultierte, und da auch zu bleiben schien. Und besser auch geblieben
wäre. Denn gegen den Ansturm des Mainstreams kamen die Sportfreunde
nicht an, und ließen sich von allerlei Marketingstrategen überrollen.
Das ganze Band-Konzept, die meisten Texte, die Songtitel, all das wirkt
seitdem so verdammt durchkonstruiert. Es ist so durchschaubar, dass "Burli"
sogar das "Pro 7-Album des Monats" war (oder war es SAT 1? Oder sogar beide?).
Und wer diesen zweifelhaften Fernsehpreis einmal gewonnen hat und wessen
CD deshalb in Werbepausen zwischen "Galileo" und "Taff" angepriesen wird,
der sollte seine Berufsauffassung schleunigst hinterfragen. Die Sportis
haben das scheinbar nicht getan.
Sie kommen aus München.
Okay, kann jedem passieren. Sänger Peter ist Bayern-Fan. Unverzeihlich.
"Zieht den Bayern die Lederhosen aus", heißt es direkt nach dem ersten
Lied. Die Sportis sind ein bisschen cleverer als zum Beispiel Virginia
Jetzt! . Deshalb spielen die einen vor 500 im KKC und die anderen vor
6000 in der Philipshalle. Musikalisch ist der Unterschied nicht so groß
- nur stehen die einen auf Fußball. Ein großer Vorteil. Für
den Kommerz.
All das macht die Sportis
unbeliebt. Vermutlich bei der "Hamburger Schule" um Tocotronic, Die Sterne,
Blumfeld, Tomte und Kettcar - die irgendwo auch mal "Hamburger Musik-Mafia"
genannt wurde. Nicht nur der geographische Unterschied ist auffällig.
Auch der Anspruch ist ein anderer, natürlich. Die Worte "Bayern-Fan",
"München" und "Kommerz" passen nun einmal und sind eine sehr ungünstige
Konstellation.
Die Sportfreunde verstehen
es perfekt, auf der Klaviatur der Medien und der alternativen Kultur zu
spielen. Marketingkonzept eins a, wie ich schon einmal sagte. Die Konzerte
sind optimal durchorganisiert. Mit fester Textreihenfolge (okay, die hat
jeder Musik-Künstler, aber die meisten sind doch spontan und variabel,
das scheint mir hier schwierig; einmal verliest sich Peter sogar; peinlich
peinlich), mit einer einstudierten Coverversion von Oasis' "Wonderwall",
die wohl in jeder Halle läuft, dem Anhängsel "Ich war noch niemals
in New York" an den witzigen Song über Dirk Nowitzki. Nowitzki, oh
ja, das ist noch so einer dieser Marketingtricks. Schreibe einen Song über
Deutschlands berühmtesten Basketballspieler, nenne einen Titel mit
einem völlig anderen Inhalt "Ich, Roque" und lasse den gleichnamigen
Bayern-Spieler im Video auftreten, und füge an den Titel "Laut anhören"
noch ein "(h)" für den gleichnamigen 1860-Spieler an - und schon sind
Dir Schlagzeilen, das Interesse von Millionen Fußballfans und neue
Käufer garantiert. Da waren findige Manager am Werk, die das Alternative
dieser Band komplett im Konsum haben verschwinden lassen. Die Klamotten
sind nicht mehr passend, sondern trendy. Der eigentlich recht süffisante
Text von "Ich, Roque" ("Doch nur einem gebühren diese Worte, ein Privileg
der ganz besonderen Sorte, kein Wort zu niemandem, wie ich zocke, ich sag´s
nur meinem Fanblock: Ich Roque") geht ein wenig hinter dem Lächeln
des Nationalspielers aus Paraguay unter. Ist süffisant das richtige
Wort? Oder wäre Selbstironie angebrachter?
Es passiert nichts Spektakuläres,
zwei Stunden lang. Aber es funktioniert. Es funktioniert so sehr, dass
die zu Beginn von der langen Tour schlapp wirkenden Jungs, die nicht müde
werden zu betonen, dies sei "ihr letztes Konzert für eine längere
Zeit" sukzessive aufblühen und kurz vor Schluss genauso wie die Halle
richtig abgehen. Beim finalen "Spitze" (auch das: prima konzipiert, eignet
sich für alle Presse-Überschriften, jedes Fazit und ist ein ähnlich
gutes Abschlusslied wie "Schönen Gruß und auf Wiedersehen" bei
den Toten Hosen) hüpfen und springen sie genauso mit wie alle Zuschauer.
Dann ists vorbei. Getreu dem Motto "Aufhören, wenns am schönsten
ist". Mitgewippt, ja sogar mitgesungen bei manchen Songs habe ich auch.
Schließlich spielen die Sportis, trotz aller Kritik, immer noch grob
die Musik, die ich ganz gerne mag. Aber aus Punk ist Pop geworden. Popkultur.
Deutschsprachige. "Wir sind Helden", "Die Ärzte", "Die Toten Hosen",
"Die Fantastischen Vier", "Mia", "Virginia Jetzt!" und die ganzen nachäffenden
Newcomer ("Juli", "Silbermond") lassen grüßen.
Wenn das doch nicht alles
vom Konsum geprägt wäre, ach wenn die Band nicht regelmäßig
in der Bravo oder wo auch immer auftauchen würde. Dann wäre das
Konzert vermutlich im KKC und nicht in der Philipshalle gewesen. Die Sportis
sind gar nicht dumm, der Song "1. Wahl" ist zum Beispiel eine tolle Selbstironie
(hier passt das Wort ganz bestimmt) und im Gegensatz zu Virginia Jetzt!
kriegen sie sogar (wenn auch platte) politische Statements hin (Peter:
"Bush? Sehr traurig!").
* * *
Vielleicht bin ich auch
nur ein wenig überempfindlich, was Bands angeht, die den Sprung in
die große breite Masse geschafft haben. Vielleicht schon. Denn immerhin
gibt es einige Zeilen, die untrennbar mit den Sportis verbunden sind, etwa
aus "Ein Kompliment" ("Ich wollte Dir nur mal eben sagen, dass Du das Größte
für mich bist!"), Geld hin oder her. Bei mir bleibt ein fader Beigeschmack,
aber ich scheine der einzige der 6000 zu sein.
Es war ein etwas anderer
Vor-Vor-Vor-Weihnachtsabend. Mit einem sensationell krachenden Auftritt
von Ash, und einem nicht minder energiegeladenen der Sportfreunde. Doch
die sind in den meisten Plattenläden eben nicht mehr bei "Indie" oder
"Alternative" einsortiert, sondern ganz normal unter "Rock und Pop". Kettcar
oder Tocotronic würde das nicht passieren.
* * *
Auftrag ausgefüllt.
Die sms sind abgearbeitet.
Konzertbeginn: Wie
schrieb ich vor dem Fanta-4-Konzert? Einen... halt zwei... nein, drei Monate
ist es her, dass ich diesen Abend hinter mich brachte. Na gut, der Abstand
zum Sportis-Konzert beträgt nur zweieinhalb Monate, aber wann genau
was anfing, kann ich nur noch mutmaßen. Es war ein Dienstag, aber
kurz vor Weihnachten, das heißt, dass ich nicht mehr zur Uni musste
und direkt von Mülheim zur Philipshalle fahren konnte. Ich kann mich
noch vage daran erinnern, dass der Auftritt von Ash knapp 40 Minuten dauerte
- was ich wiederum sehr bedauerte, denn das, was die Jungs auf der Bühne
abzogen, war ziemlich genial. Die werden in etwa bis 20.50 Uhr gespielt
haben. Die Sportis kamen gegen 21.15 Uhr und bleiben - glaube ich - ziemlich
genau zwei Stunden, so dass ich gegen 23.15 Uhr die Philipshalle verließ
und um kurz nach zwölf wieder in Mülheim auf meinen Fernsehsessel
sinken konnte, drei Tage vor Weihnachten. Alles ohne Gewähr...
Ort: Wie schrieb
ich vor dem Fanta-4-Konzert? Hee, da schrieb ich gar nichts über die
Düsseldorfer Philipshalle. Dieses Gemäuer ist so etwas wie mein
"Haupt-Konzertort" der letzten Jahre geworden. Na gut, ich bin hier nicht
monatlich Stammgast, aber doch so oft wie in keiner anderen Halle in Nordrhein-Westfalen.
Das Programm ist einfach klasse und zudem liegt die Halle einfach sehr
zentral, und ist mit Bus und Bahn vorbildlich gut zu erreichen. Meine letzten
Besuche dort waren bei Auftritten der Bands "Wir
sind Helden", "Coldplay", "Travis"
und "The Corrs".
Eintrittskarte?:
Wie schrieb ich vor den letzten Konzerten? Und wie werde ich vor den nächsten
Konzerten schreiben? "Bestellt im Internet"! Es ist einfach viel leichter,
eine Sammelbestellung online abzugeben, die gar nicht oder wenn, dann nur
geringfügig teurer ist. So auch bei den Fanta 4. Der Preis war solide,
wenn ich mich richtig erinnere.
Mitreisende: Wie
schrieb ich noch vor dem Fanta-Konzert? "Da ich alle Konzerte im Moment
allein besuche..." Bei den Fantas war eher zufällig meine Arbeitskollegin
Silke noch da; und diesmal, drei Tage vor Weihnachten? Niemand.
DIE PLAYLIST (die stimmt hundertprozentig !! )
1) "Wellenreiten" (auf dem
Album "So wie einst Real Madrid" / 2000, vorher auf dem Mini-Album "Thonträger"
erschienen)
2) "Ein kleiner Schritt"
(vom Album "Burli" / 2004)
3) "Lauth anhören"
(vom Album "Burli" / 2004)
4) "Auf der guten Seite"
(vom Album "Die gute Seite" / 2002)
5) "7 Tage 7 Nächte"
(vom Album "Die gute Seite" / 2002)
6) "Wunderbaren Jahren"
(vom Album "So wie einst Real Madrid" / 2000, vorher auf dem Mini-Album
"Macht doch was ihr wollt - ich geh jetzt!" erschienen)
7) "Ans Ende denken wir
zuletzt" (Beitrag zum Soundtrack "Soloalbum" / 2003)
8) "Siehst Du das genauso?"
(vom Album "Burli" / 2004)
9) "Frühling" (vom
Album "Burli" / 2004)
10) "Ungewöhnlich"
(vom Album "Burli" / 2004)
11) "Dirk, wie ist die Luft
da oben?" (vom Album "Burli" / 2004)
.... 11a) mit anschließendem
Abstecher zu "Ich war noch niemals in New York")
12) "Im Namen der Freundschaft"
(vom Album "Burli" / 2004)
13) "Fast wie von selbst"
(vom Album "So wie einst Real Madrid" / 2000)
14) "Komm schon" (vom Album
"Die gute Seite" / 2002)
15) "1. Wahl" (vom Album
"Burli" / 2004)
16) "Ich, Roque" (vom Album
"Burli" / 2004), mit freundlicher Unterstützung des Ash-Frontmanns
1. Zugabenrunde:
17) "Andere Mütter"
(vom Album "Burli" / 2004)
18) "Wonderwall" (Cover
des Oasis-Songs)
19) "Einmal Mond und zurück"
(vom Album "So wie einst Real Madrid" / 2000)
20) "Was ich behaupten kann"
(vom Album "Burli" / 2004)
21) "Ein Kompliment" (vom
Album "Die gute Seite" / 2002)
22) "Wie lange sollen wir
noch warten" (vom Album "Die gute Seite" / 2002)
2. Zugabenrunde:
23) "Wir müssen gewinnen"
(vom Album "So wie einst Real Madrid" / "2000"), mit Sänger Peter
am Schlagzeug...
24) "Heimatlied" (vom Album
"So wie einst Real Madrid" / 2000)
25) "Spitze" (vom Album
"So wie einst Real Madrid" / 2000), mit ganz kurz eingebauten Songpassagen
aus "Troy" (Fanta 4) und "Hey Ya" (Outkast)
Zusammenfassung:
"So wie einst Real Madrid"
= 7 (2 Titel sind aber schon älter)
"Die gute Seite" = 5
"Burli" = 11 (von 13, nicht
schlecht)
Soundtrack-Beitrag = 1
Cover = 1
ASH-MINIPLAYLIST (für eine halbe Stunde guten echten Alternative Rock)
- "Renegade Cavalcade" (vom
Album "Meltdown" / 2004)
- "Orpheus" (vom Album "Meltdown"
/ 2004)
- "Shining light" (vom Album
"Free all angels" / 2002)
- "Burn baby burn" (vom
Album "Free all angels" / 2002)
- "Girl from mars" (vom
Album "1977" / 1995) - dies war das zweite Ash-Lied
- "Oh yeah" (vom Album "1977"
/ 1995) - gemeinsam gesungen mit Sportfreunde-Sänger Peter
... und noch zwei oder drei andere Titel (die ich mir leider leider nicht notiert habe)
'Ne Rockshow
- Der Bericht
- Der Abend
- Die Playlist
Ja, es gibt ihn, den Ort
meiner verhinderten Jugend. Der Ort, an dem ich mich sehr oft aufgehalten
hätte, wenn ich nicht jeden Sonntagmorgen hätte Fußball
spielen müssen. Wenn ich nicht jeden Sonntagmittag hätte arbeiten
müssen. Wenn ich mich in meiner Oberstufenzeit mehr auf Party als
auf Freundin konzentriert hätte. Wenn all das nicht gewesen wäre,
meine lieben Leser dieser Seite, ich schwöre Euch, dann wäre
der Soundgarden in Dortmund in den Jahren 1996 und 1997 mein zweites zu
Hause gewesen.
Und so schlendere ich die
Bremerstraße in Dortmund entlang, an diesen letzten Minuten im Februar
2005, auf der Kante zum 1. März. So manche Pfütze auf dem Boden
ist gefroren, und ich trage Handschuhe und Mütze, damit mir meine
Finger und Zehen nicht vor Kälte absterben. Ich sehe die Rücklichter
der Straßenbahnlinie 403, die mich vom Dortmunder Hauptbahnhof bis
zur Haltestelle Lippestraße gebracht hat, und ich folge ein paar
Leuten, die genauso wie ich einen Tick zu spät kommen. Ein beruflicher
Termin bei einem neuen Boxklub hat mich bis 19 Uhr beschäftigt, aber
wow, von Mülheim bis zum Soundgarden nur ne knappe Stunde... ist doch
okay. Jaja, es wäre mein zweites zu Hause gewesen... doch ich gebe
zu: Heute ist meine Soundgarden-Premiere. 1999, als die Filliale in Duisburg
eröffnete, gut, da bin ich eben ein paar Mal dort gewesen. Aber eben
nicht im echten Soundgarden. In Dortmund. Ich wandere über den großen,
verschotterten, total dunklen Parkplatz, wate durch ein paar Schlaglöcher
und muss aufpassen, dass ich mir nicht das Sprunggelenk breche, als mir
beim Stichwort "Sprunggelenk" eine Geschichte aus dem Deutsch-Leistungskurs
in der Jahrgangsstufe 12 einfällt. Mein Sitznachbar kam mit Gips und
Krücken am Montagmorgen um acht Uhr zum Unterricht. Ein Bruch. Zugezogen
beim Pogo im Soundgarden. Der Eingang liegt schon vor mir, als ich ein
letztes Mal vor dem Konzert phantasiere. Wie wäre es wohl gewesen,
jeden Samstag nach Dortmund zu fahren? Jeden Samstag in der Oberstufenzeit?
Habe ich etwas verpasst? Genug Läden ausprobiert habe ich, vom unvergesslichen
Remix in Ratingen, regelmäßig am Donnerstag dem T-Club bis hin
zu Delta, Ringlokschuppen undsoweiter. Aber der Soundgarden, der hätte
alles getoppt. Hätte. Die Zeit ist vorbei. Und meine Premiere feiere
ich mit 26. Vier Wochen vor dem 27. Geburtstag.
Ich will ne Rock-Show sehen.
Einfach nur ne verdammte,
kurze, kleine Rock-Show, mit krachenden, aber melodischen Gitarren, mit
Trommelwirbel, Bass, mit mähneschüttelnden Menschen, mehr als
hübschen, alternativen Mädels und nem Glas Cola am Hals. Ich
habe es so vermisst. Etwas mehr als zwei Monate ist das Sportfreunde-Stiller-Konzert
erst her, aber dieses Konzert-Feeling mit vielen ähnlich bekloppten
Leuten auf einem Haufen zu sein, alle wollen nur abrocken, mitsingen, ein
bisschen tanzen. Ich genieße das. Um zwanzig nach acht betrete ich
den großen Saal, und er ist pickepackevoll. Ich bleibe auf der Empore
und blicke auf die große Menge. Noch spielt die Vorband, keine Ahnung,
wie sie heißt, was sie sonst für Musik spielt, was auch immer
sie gerade macht. Ich bin erst einmal damit beschäftigt, all die Leute
zu beobachten, die genau dieselbe Musik gut finden wie ich. Es sind genauso
viele junge dabei wie ältere. Ich gehöre mittlerweile wohl leider
zur zweiten Sorte. Mir fallen wie überall im Moment etliche hübsche
junge Frauen auf. Ich lasse meine Blicke schweifen, und versuche weiterhin,
mir vorzustellen, wie mein Leben wohl mit Soundgarden ausgesehen hätte.
Ich finds heute nicht mehr raus. Um irgendwann nach neun geht das Licht
aus, und "Jimmy Eat World" stürmen die Bühne, die Band mit dem
ungewöhnlichen Namen. Der Bruder von Jimmy-Mitglied Tom Linton kritzelte
einst die Worte "Jimmy Eat World" unter ein selbst gemaltes Bild - geboren
war der Bandname, lausche ich im Gespräch einer Kleingruppe direkt
vor mir. Seit wenigen Jahren erobern die Vier den nach dem amerikanischen
auch den europäischen Kontinent und reißen einen guten Gig nach
dem anderen ab. Der Ruf als "geniale Live-Band" eilt der Gruppe voraus.
Ich kenne nur zwei Stücke richtig gut. "Lucky denver mint" und "The
middle". Mir ist bekannt, dass die Band versucht hat, sich im Wahlkampf
gegen Bush zu engagieren. Aber mehr weiß ich nicht, und mehr will
ich auch nicht wissen. 'Ne Rockshow reicht.
Und die kriege ich. Meine
beiden Favoriten kommen mittendrin, hintereinander, und egal wie die anderen
Songs auch immer heißen: Sie sind gut. Die Jungs wissen, wie sie
mit ihren Instrumenten umgehen muss. In der Masse wütet der Pogo,
schwingen beim Headbanging die Köpfe, hüpfen viele wie beim entscheidenden
Tor im Pokalfinale. Wie viele mögen das wohl sein? 1000? 1500? Nach
60 Minuten verschwinden die Jungs zum ersten Mal von der Bühne. Bands
aus England oder den USA sind eben keine Dauerläufer. In der Pause
klopft mir jemand auf die Schulter. Thommy Richter, mein WAZ-Kollege, der
für unseren Arbeitgeber einen Artikel schreibt, fragt nach meinem
Befinden und meinem Konzerteindruck. Welch ein Zufall! Thommy weiß
Bescheid, dass noch zwei Zugaben kommen. Er bewegt sich Richtung Ausgang.
Und das ist wohl durchdacht. Das Soundgarden-Management hat clevererweise
nur zwei Kassen geöffnet, zudem wird die Verkehrslage nach dem Gig
chaotisch. Wir lassen die Zugaben an uns vorbeiziehen, applaudieren artig
lautstark und verschwinden. Um 1 Uhr wollte ich zu Hause, um halb zwölf
bin ich´s.
'Ne Rockshow ohne Vorbereitung
und ohne Nachdenken wollte ich sehen.
Und meine Erwartungen wurden
mehr als erfüllt.
Konzertbeginn: Auf
der Karte stand hinter "Einlass" die Uhrzeit 19 Uhr. Leider weilte ich
just zu diesem Zeitpunkt noch im Speldorfer Depot bei einem WAZ-Termin
zum Thema Boxen. Dort fuhr ich um 19.06 Uhr mit der 901 Richtung Mülheim
Hauptbahnhof los, stieg um 19.21 in den Regionalexpress Richtung Paderborn.
Um 19.55 "landete" ich am Dortmunder Hauptbahnhof, lief zur "Kampstraße",
fuhr mit der 403 bis "Lippestraße" und stapfte durch die winterliche
Februar-Kälte über den verschneiten, vereisten, hügeligen
Parkplatz Richtung Soundgarden. Als ich den um 20.20 Uhr betrat, spielte
gerade die Vorband, von der ich weder den Namen noch irgendwelche Songs
mitbekam. Die Vorband jedenfalls spielte bis etwa 20.45 Uhr. Nach einer
konzertüblichen Zwischenpause - diesmal etwa 40 Minuten, kamen Jimmy
Eat World gegen 21.25 Uhr. Sie spielten genau 70 Minuten, laut Thommy Richter
für US-Bands eine "solide Zeit" und verließen die Bühne
um 22.35 Uhr ziemlich abgerockt. Zum Glück musste ich nicht auf die
S-Bahn oder den Regionalexpress warten und konnte meine vorher notierten
Rückfahrmöglichkeiten in den Papierkorb werfen. Herr "tric" nahm
mich mit - und nach 36 Minuten Rückfahrt (von 22.45 Uhr bis 23.21
Uhr) war ich wieder in Mülheim.
Ort: Der im Text
schon hinreichend gewürdigte Dortmunder "Soundgarden"... ich war dort
vorher noch nie, und werde - es sei denn zu einem weiteren Konzert - auch
so schnell nicht mehr hinkommen. Eine Filliale gibt es inzwischen direkt
neben dem Duisburger Hauptbahnhof (falls die noch nicht schließen
musste) - dieser habe ich mal einen Besuch abgestattet, das gebe ich zu.
Der "Soundgarden" liegt nicht wirklich weit vom Dortmunder Hauptbahnhof
entfernt. Die Anleitung: Einfach mit dem Regionalexpress oder der S-Bahn
bis "Hauptbahnhof" fahren, dann einmal die Straße überqueren
und zur "Kampstraße" laufen - dauert drei Minuten. An der dortigen,
gleichnamigen Bahnhaltestelle in die 403 Richtung "Wickede" einsteigen,
drei Haltestellen in fünf Minuten abfahren, an der "Lippestraße"
aussteigen - und der Masse in die Bremer Straße hinterherlaufen.
In einem Schuppen am Parkplatz ist der Soundgarden - der große Saal,
in dem das Konzert stattfand, hat eine große Empore (oder wie immer
man das nennen kann). Hübsch. Nur befürchte ich, dass dort heute
immer noch dieselbe Altersstufe rumhängt wie zu meiner Schulzeit.
Das heißt: zwischen 17 und 20. Ich kann mich aber auch irren. Bald
spielen "Juli" dort.
Eintrittskarte?:
Im Internet bestellt, preislich im Rahmen, ich glaub, so um die 19 Euro.
Mitreisende: Im Rahmen
meiner spontanen "Konzertkarten-Einkauf-Frühjahrsoffensive" konnte
ich niemanden fragen, ob er/sie mich begleiten möchte. Deshalb fuhr
ich ganz allein los. Der große Vorteil der ganzen Sause war, auch
wie schon im Text erwähnt, dass mein WAZ-Kollege Tommy Richter beruflich
vor Ort weilte und mich nach dem Konzert mit nach Mülheim nehmen konnte.
... da ich vorher nur wenig
Lieder kannte, konnte ich mir während des Konzerts auch keine Notizen
machen. Ich weiß nur noch, dass "Lucky denver mint" und "The middle",
die beiden Songs, die ich bisher als einzige mit Jimmy Eat World verband,
direkt hintereinander gespielt wurden.
Um Euch trotzdem mit ein
paar Song-Namen zu bombardieren, klaue ich die im Text von Thommy Richter
erwähnten Titel:
- "Bleed American"
- "The Authority Song" (diese
beiden Songs kamen zuerst)
- "The Middle" (im "tric"-Text
als "Abräumer" bezeichnet)
- "Polaris" (bei tric: "bedächtig"
und ebenfalls ein "Abräumer")
und die Zugaben
- "Pain"
- "Sweetness"
A good day
- Der Bericht
- Der Abend
- Die Playlist
Auf meinem Handrücken
prangt ein unleserlicher Aufdruck. Der Eingang liegt ein paar Meter hinter
mir, und ein Typ, an dessen Aussehen ich mich nicht mehr erinnere, drückt
den Stempel grad zum nächsten Mal ins Stempelkissen. Leise tapse ich
vorwärts, wie ein kleiner Entdecker auf Weltreise. Ich schaue an die
Wände, sehe, wie der Putz abblättert, erblicke das eine oder
andere Graffiti. Ich habe ein bisschen Angst, und ich weiß nicht
einmal wieso, aber es ist kein negatives Angstgefühl. Ich bin neu
hier, neu in Köln-Deutz, neu in dieser Musikrichtung, und ich glaube,
das "Gebäude 9" in Köln-Deutz ist eins, das ich außerhalb
des Konzerts nicht wirklich besuchen würde. Vor zehn Minuten noch,
da telefonierte ich mit meinem Bruderherz Thommy, diskutierte über
die miserable Leistung des VfL Bochum beim Spiel
gegen Schalke 04, wanderte an den zahlreichen Häusern der Kölner
Messe vorbei, suchte und fand die Deutz-Mülheimer Straße. "Deutz,
das ist ja nicht wirklich Köln. Das ist ja die andere Rheinseite",
erklärte mir der Ex-Kölner Thommy, warum er vom "Gebäude
9" noch nie etwas gehört hat. Ich erblickte das Schild "Gebäude
9", verabschiedete mich von Thommy, der mir mitteilte, dass "Good day"
zurzeit zu seinen Lieblingssongs gehört, und betrat einen Hinterhof.
Ein stinknormaler Hinterhof eines Lagergebäudes, einer Lagerhalle,
was weiß ich. Musik dröhnte hinter einer Wand hervor, etwa schon
die Vorband? Rein ging es - und zack, da bin ich nun.
Ich betrete den sehr spartanisch
ausgestatteten Konzertsaal und beobachte die verschiedensten Leute. Mit
schwarzen Haaren, hellen, gefärbten, gar keinen, langen, Haaren mit
Zopf, junge Menschen, alte Menschen, wandelnde Tätowierungen, massiv
gepiercte, bunt angezogene, ganz ins schwarz gekleidete, klasse klasse
klasse, diese Atmosphäre gefällt mir. Ein Pärchen vor mir
knutscht pausenlos, während die Vorband "The surreal funfair" gerade
ihre letzten Takte spielt, links fragt jemand eine Frau nach ihrem Hauch
von nichts, das sie (nicht) an ihrem Körper trägt. Ich sehe mit
meiner Jeans, den abgenutzten Chucks und meinem grünen Pulli schon
relativ "spießig" aus, doch das ist kein Ort, um in irgendwelche
Stereotypen zu verfallen, das ganz gewiss nicht. Es ist noch ein bisschen
Zeit, bis die "Dresden Dolls" kommen. Meine Angst ist längst gewichen.
Gewichen für die Melancholie, die ich schon lange nicht mehr erleben
durfte. Es ist eine Erinnerung an mein nicht vorhandenes Studentenleben.
So viele junge Menschen, so viele alternative Menschen, so viele Menschen,
die mit dem Alltagsleben vermutlich noch nichts zu tun haben, die durch
die Welt reisen, die sich spontan treffen können, keine Termine und
Verpflichtungen haben. Das Konzert hat noch gar nicht angefangen, und schon
spiele ich mein (achtung, ich klaue gerade bei Judith Herrmann) "Stell
dir vor, wer im richtigen Leben was ist und was macht"-Spiel. Mit meinem
vom ganztägigen Stehen schon arg angeschlagenen Rücken lehne
ich mittlerweile an einer Wand. Die "Dresden Dolls" sind nicht in Sicht.
Wer ist das überhaupt?
Wer sind die "Dresden Dolls"? Wie bin ich daran gekommen? Während
ich und die paar Hundert anderen noch immer warten, drehe ich an meiner
Gedankenuhr. Aufmerksam geworden bin ich, als ich irgendwann nachts kurz
vor dem Schlafen gehen auf MTV zappte. Ich glaube, es war eine Sendung
mit Markus Kavka. Er kündigte eben diese Band an, mit ihrem neuesten
Titel "Coin-operated boy", und dieser Song haute mich schlichtweg aus den
Schuhen. Eine völlig neue Musik, die ich noch nicht einzuschätzen
in der Lage war. Noch nie habe ich so schnell eine CD bestellt. Das Lied
war keine zwei Sekunden vorbei, da lag das Album schon in meinem Amazon-Warenkorb.
Als ich den Button "Bestellung abschicken" längst geklickt habe, fallen
mir noch viele weitere Gründe auf, diese Band zu lieben, bevor ich
überhaupt das Album gehört habe. Die "Dresden Dolls" kommen aus
Boston, meiner Favourite-Stadt in den USA, und ein Amazon-Rezensent gibt
etwas verschleiert und unklar zu Protokoll, die Dresden Dolls hätten
"die Bostoner Club- und Kunstszene-Welt gehörig durcheinander gewürfelt."
Zwanzig nach neun. Licht
aus; der herrliche Moment des Wartens, bevor die Stars die Bühne betreten.
Die Stars, das sind in diesem Fall zwei Personen. Ich vergesse längst,
wo ich bin, wer da neben mir steht, es gibt nur noch mich und die Musik.
Amanda Palmer schnappt sich das Mikro und setzt sich ans Piano, Brian Viglione
pflanzt sich vor die Drums. Beide mit kalkweiß geschminkten Gesichtern,
Brian oben ohne, aber mit Hut. Sie haut sanft in ihre Tasten und singt
"So you don´t want to hear about my good song?" Mit "Good Day" beginnt
ein 90-minütiger Traum, ein 90-minütiger Ausflug in die 20er
Jahre des Kurt Weill, in die abgefahrenste Variante des Punkrock, in die
geschminkte Realität, in fantastische Musik, tolle Melodien. Sie ist
Pianistin, er Schlagzeuger - und das auch noch gelernt, kommt selten vor
im heutigen Musikgeschäft. Sie hat mal in Deutschland studiert, spricht
auch ein wenig die Sprache. Die Performance der beiden auf der Bühne,
allein die ist schon ein Erlebnis. Geschminkt wie ein Pantomime vollführt
Brian Viglione die eine oder andere ulkige, aber sinn machende Verrenkung
und spielt mit den Nerven und Empfindungen des Publikums, genauso wie Amanda
Palmer das allein mit ihrer Stimme schafft. Stark, abwechslungsreich gibt
sie sich. Mal laut brüllend, mal leise hauchend, fast flüsternd,
mal ganz brav, mal verrucht, mal glasklar, mal geheimnisvoll bis zum geht-nicht-mehr,
ihre Texte sind mal ironisch, witzig, dann wieder ängstlich. Alles
an den "Dresden Dolls" ist Kunst, ob das Booklet der CD oder nur die Website.
Geht weg mit Eurem Einheitsbrei, das hier ist ganz anders. Das hier nennt
sich Punk und verzichtet ganz auf Saiteninstrumente. Keine Gitarren, kein
Bass. Wozu auch? Drums und Pianos reichen, richtig und vernünftig
eingesetzt und mit einer Superstimme gepaart, völlig aus. An Halloween,
ausgerechnet, haben sich Amanda und Brian in Boston kennengelernt, verriet
mir ein Artikel zur Entstehungsgeschichte der Band. Beide einte von Beginn
an das Interesse und die Vorliebe für die "Kunst und Kultur der 20er
Jahre in Deutschland", die Bilder von Liebermann, eben die Musik von Weill,
das epische Theater von Brecht. "Brechtian Punk Cabaret" nennen sie ihre
Musikrichtung, na wenn das kein Begriff ist, der erst einmal ein sekundenlanges
Nachdenken erfordert. Brechtian Punk Cabarat. Wow. Das Dialektische soll
sich im Namen widerspiegeln. "Dresden" als der Inbegriff der Zerstörung
im 2. Weltkrieg, "doll" (heißt übersetzt "Puppe") als Inbegriff
des Zerbrechlichen.
Die "Dresden Dolls" hangeln
sich von Lied zu Lied, von Tempowechsel zu Tempowechsel, von Höhepunkt
zu Höhepunkt. Auf "Good day" folgt das grandiose "Missed me". Ob "Half
jack" oder eben "Coin-operated boy", jene fantastische Singleauskopplung
- Applaus! Es ist kein Konzert, in dem viel getanzt oder im Rhythmus geklatscht
wird. Es ist ruhig, aber nicht langweilig. Aufregend, aber entspannt. "Weimarer
Klassik schläft mit Punk", stand in einer Rezension. So ist das wohl.
Musik geht auch ohne viele Instrumente.
Das ist genau das, was ich
an diesem Tag noch gebraucht habe. Etwas ganz anderes, etwas neues, dass
meinen Alltag ergänzt, ein wenig auf den Kopf stellt. Dass mit meinem
Alltagsleben nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Die letzten Zugaben
sind nur noch ein Traum. Amanda Palmer interpretiert zunächst die
"Seeräuber-Jenny" aus der Dreigroschenoper. "Und das Schiff hat acht
Segel..." Und dann folgt noch ein Brel-Chanson, den sich auch David Bowie
schon ausborgte. "In the port of Amsterdam". "In the port of Amsterdam
/ There's a sailor who drinks / And he drinks and he drinks / And he drinks
once again / He'll drink to the health / Of the whores of Amsterdam / Who've
given their bodies / To a thousand other men / Yeah, they've bargained
their virtue / Their goodness all gone / For a few dirty coins / Well he
just can't go on / Throws his nose to the sky / And he aims it up above
/ And he pisses like I cry / On the unfaithful love", heißt es in
den letzten Zeilen, und bei "And he drinks and he drinks" werde ich fast
schwach. Um mich herum sind alle mittlerweile auf Beck´s umgestiegen,
und zum ersten Mal, seitdem ich auf trockenem Fuß lebe, verspüre
ich das dringende Verlangen nach einem Pils. Es würde diesen Abend
toppen, dieses Erlebnis. Ich bleibe stark und verlasse ohne einen Tropfen
Alkohol um Punkt 23 Uhr das "Gebäude 9", bin aber um einige Erfahrungen
reicher. Heute Abend bin ich keinen Schritt umsonst gegangen.
Konzertbeginn: Am
Nachmittag zuvor besuchte ich das Fußballspiel VfL
gegen Schalke 04. Nach einem kurzen Zwischenstopp zum Umziehen zu Hause
und zum Ausdrucken des Fahrplans nahm ich den Regionalexpress Richtung
Aachen um 19.16 Uhr. Der kam pünktlich in Köln-Deutz um 20.05
Uhr an. Einlass sollte um 20 Uhr, Konzertbeginn um 21 Uhr sein. Ich hatte
mir nur eine ganz grobe, amateurhafte Skizze angefertigt, wo das "Gebäude
9" ungefähr liegen könnte, doch ich kam schnell und während
eines Handytelefonats mit Thommy in Trier auf die richtige Fährte.
Nach 15 langsam absolvierten Minuten erblickte ich in der Deutz-Mülheimer
Straße die Hausnummern 125 und 127 und das Schild "Gebäude 9".
Als ich um 20.20 Uhr ankam, spielte bereits die Vorband "The surreal funfair",
von der ich nicht sonderlich viel mitbekam. Die blieb nämlich nur
bis 20.40 Uhr, und dann begann das lange lange lange Warten... Zeit für
mich, um die ganzen Leute zu beobachten. Als es langweilig zu werden drohte,
begann um 21.25 Uhr das Konzert. Der hammermäßige Auftritt dauerte
fast genau 90 Minuten. Um 22.58 Uhr verließ ich das Gebäude
9 in Richtung Bahnhof, die nächste Möglichkeit für mich,
zurück in den Ruhrpott zu gelangen, war ein Regionalexpress um 23.54
Uhr. Bis dahin vertrieb ich mir die Zeit im "Arenagrill" hinter dem Deutzer
Bahnhof, und in Sichtweite zur Kölnarena. Der RE kam pünktlich,
und ich war ziemlich genau um 1 Uhr wieder zurück in meiner Wohnung.
Ort: Das "Gebäude
9" in Köln-Deutz... davon hatte nicht einmal mein Bruder vorher jemals
etwas gehört, dabei hat er ein Jahr lang in Köln gewohnt! Ein
scheinbar sehr alternativer Laden, die Lage ist direkt hinter der Messe,
mir scheint, in einem alten, abgelegten, nicht mehr benutzten Lagerraum.
Es ist eine ziemliche Bruchbude, der Putz bröckelt teilweise ab, aber
das ist gar nicht einmal so ungewollt. Der "Gebäude 9" hat eindeutig
einen eigenwilligen Charme (der gewiss nicht jedem auf- und vor allem gefällt),
der perfekt zum Konzert passte und das maximal 500 Leute beherbergte. Aber
ob ich jemals zurückkehren werde?
Eintrittskarte?:
Im Internet bestellt. 17,15 Euro, glaube ich. Solide.
Mitreisende: Wer
kennt schon die "Dresden Dolls"? Außer mir in meinem Bekanntenkreis
jedenfalls keiner. Gefragt habe ich keinen; wenn ich jemanden gefragt hätte,
wäre das erstens daran gescheitert, dass mit den "Dresden Dolls" niemand
etwas anfangen kann und zweitens daran, dass die ganze Veranstaltung in
Köln-Deutz, also mehr oder weniger am Arsch der Welt, stattgefunden
hat. Jedenfalls blieb mir nichts anderes übrig, als mir dieses Highlight
an Konzertkultur allein anzuschauen.
- Eine Liste kann ich
nicht erstellen, da ich nicht mitgeschrieben habe -
Zunächst aber auf
jeden Fall die Titel der gleichnamigen Debütplatte "Dresden Dolls",
die alle irgendwann am Abend liefen:
1) "Good day" (das war tatsächlich
das erste Lied)
- "Missed me" (ich glaub,
das war das zweite... würde also auch noch stimmen, aber danach ist
mir die Reihenfolge nicht mehr geläufig).
- "Half jack"
- "672"
- "Coin-operated boy"
- "Gravity"
- "Bad habit"
- "The perfect fit"
- "The jeep song"
- "Slide"
- "Truce"
- "Girl anachronism" (das
war tatsächlich das letzte Lied vor den Zugaben)
... dazwischen spielten
die Beiden noch einen neuen Song.
Zugabenrunde:
u.a. (insgesamt drei Lieder)
- "Die Seeräuber-Jenny"
(ein Brecht-Gedicht, vertont von Kurt Weill) aus der "Dreigroschenoper"
- "In the port of Amsterdam"
(ein Jaques-Brel-Chanson, den auch David Bowie einst coverte)
f
- Der Bericht
- Der Abend
- Die Playlist
folgt
Konzertbeginn: folgt
Ort: folgt
Eintrittskarte?:
folgt
Mitreisende: folgt
1) "Deiche" (vom Album "von
spatzen und tauben, dächern und händen" / 2005)
2) "Ich danke der Academy"
(vom Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
3) "Tränengas im High-End-Leben"
(vom Album "von spatzen und tauben, dächern und händen" / 2005)
4) "Balkon gegenüber"
(vom Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
5) "Landungsbrücken
raus" (vom Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
6) "Anders als gedacht"
(vom Album "von spatzen und tauben, dächern und händen" / 2005)
7) "48 Stunden" (vom Album
"von spatzen und tauben, dächern und händen" / 2005)
8) "Stockhausen, Bill Gates
und ich" (vom Album "von spatzen und tauben, dächern und händen"
/ 2005)
9) "Die Ausfahrt zum Haus
meiner Eltern" (vom Album "von spatzen und tauben, dächern und händen"
/ 2005)
10) "Wäre er echt"
(vom Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
11) "Jenseits der Bikinilinie"
(vom Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
12) "Money left to burn"
(vom Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
13) "Nacht" (vom Album "von
spatzen und tauben, dächern und händen" / 2005)
1. Zugabenrunde:
14) "Ausgetrunken" (vom
Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
15) "Handyfeuerzeug gratis
dazu" (vom Album "von spatzen und tauben, dächern und händen"
/ 2005)
16) "Im Taxi weinen" (vom
Album "du und wieviel von deinen freunden" / 2002)
2. Zugabenrunde:
17) "Einer" (vom Album "von
spatzen und tauben, dächern und händen" / 2005)
18) "Genauer betrachtet"
(von der EP "so lang die dicke frau noch singt, ist die oper nicht zu ende"
/ 2002)
3. Zugabenrunde:
19) "Balu" (vom Album "von
spatzen und tauben, dächern und händen" / 2005)
Zusammenfassung:
EP "so lang die dicke frau
noch singt, ist die oper nicht zu ende" = 1
"du und wieviel von deinen
freunden" = 8
" von spatzen und tauben,
dächern und händen" = 10
folgt
- Der
Bericht
- Der Abend
- Die
Playlist
folgt
Konzertbeginn: folgt
Ort: folgt
Eintrittskarte?:
folgt
Mitreisende: folgt
1)
folgt
- Der Bericht
- Der Abend
- Die Playlist
folgt
Konzertbeginn: Oh
ja, das wär schön gewesen, wenn ich den mitbekommen hätte...
Samstag, 21. Mai 2005; eigentlich, also eiiiiiiigentlich wäre ich
ja am Nachmittag in Hamburg gewesen und hätte den VfL zum Klassenerhalt
gebrüllt, aber da der Abstieg schon feststand, verdrückte ich
mich zum Hockey-Frauen-Spiel Uhlenhorst Mülheim gegen Kahlenberger
HTC (um Geld zu verdienen anstatt in Hamburg Geld auszugeben). Den Text
schrieb ich dann und passte alles so ab, dass ich pünktlich während
die Vorband spielt, also gegen 20.15 Uhr, die Philipshalle betreten konnte.
Das Problem: Es gab keine Vorband - und Farin kam überaus pünktlich
um kurz nach acht auf die Bühne. Deshalb verpasste ich wohl das erste
Lied und kam erst während des zweiten! Also: Beginn 20 Uhr; oder lasst
es 20.01 Uhr gewesen sein. Ich fuhr hin mit dem RE um 19.16 Uhr (der leider
ein paar Minuten Verspätung angehäuft hatte und mit Borussia-Dortmund-Fans
überfüllt war) bis Düsseldorf Hbf und von dort mit der S6
Richtung Köln bis "Oberbilk/Philipshalle"! Drin war ich gegen 20.10
Uhr. Zurück ging es mit der S6 von 22.25 Uhr bis 22.30 Uhr, und dann
mit der S1 von 22.55 Uhr bis 23.34 Uhr. Eigentlich hatte ich mit einer
viel späteren Ankunft (wegen einer Vorband) gerechnet.
Ort: Die gute alte
Philipshalle, wobei "gut" und "alt" diesmal besonders treffend ist, wie
Farin gleich in seinem ersten Plauderstündchen kundtat. "Endlich mal
ne alte Halle und keine, die Mc-Donalds-Arena heißt", merkte er süffisant
an, um dann von seiner renovierungsbedürftigen Kabine zu berichten.
Ich hab die Philipshalle schon voller erlebt, aber insgesamt werden so
2500 bis 3000 Leute dagewesen sein. Ursprünglich sollte das Konzert
auch "nur" im "Tor 3" stattfinden, es wurde nur aufgrund der großen
Nachfrage - berechtigterweise - umgelegt (so wie viele Urlaub-Konzerte
während der laufenden Tour in größere Hallen umgelegt werden
mussten).
Eintrittskarte?:
Erwarb ich im Internet, in meinem letzten Ticket-Kaufrausch!
Mitreisende: Gab
es nicht - oder naja, im Prinzip schon. Zwei Tage vor dem Konzert erzählten
mir meine Mülheimer-Woche-Kollegen Thorsten und Silke, dass es ihnen
gelungen sei, noch zwei Pressetickets zu ordern. Die beiden waren auch
da, aber früher als ich, weshalb ich sie im Getümmel nicht mehr
suchte und folglich auch nicht mehr fand. Und nach dem Konzert musste ich
ruck, zuck wieder weg, um meine S-Bahn rechtzeitig zu bekommen. Wie schön
übrigens, dass Silke mir später am Telefon mitteilte, sie hätte
gewusst, dass keine Vorband kommt. Toll!! Dann wäre ich wirklich früher
gekommen!!
- irgendwo habe ich einen Song vergessen... irgendwo... -
... vielleicht kam noch "Mehr"
am Anfang (wahrscheinlich sogar), aber da war ich noch nicht in der Halle
...
1) "Augenblick" (vom Album
"Am Ende der Sonne" / 2005)
2) "Sumisu" (vom Album "Endlich
Urlaub" / 2001)
3) "Am Strand" (vom Album
"Endlich Urlaub" / 2001)
4) "Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb
verlor" (vom Album "Am Ende der Sonne" / 2005)
5) "Petze" (B-Seite von
"Ok" / 2001)
6) "Glücklich" (vom
Album "Endlich Urlaub" / 2001)
7) "Noch einmal" (der hidden
track von "Am Ende der Sonne" / 2005)
8) "Jeden Tag Sonntag" (vom
Album "Endlich Urlaub" / 2001)
9) "1000 Jahre schlechter
Sex" (vom Album "Endlich Urlaub" / 2001)
10) "Dermitder" (vom Album
"Am Ende der Sonne" / 2005)
11) "Wunderbar" (vom Album
"Endlich Urlaub" / 2001)
12) "Phänomenal egal"
(vom Album "Endlich Urlaub" / 2001)
13) "Sonne" (vom Album "Am
Ende der Sonne" / 2005)
14) "Apocalypse wann anders"
(vom Album "Am Ende der Sonne" / 2005)
15) "Lieber Staat" (vom
Album "Endlich Urlaub" / 2001)
16) "Porzellan" (vom Album
"Am Ende der Sonne" / 2005)
17) "Zehn" (nicht mal
ne B-Seite, glaub ich..., auf jeden Fall ein Konzert-Hammer!)
18) "Der ziemlich okaye
Popsong" (und wieder ne B-Seite)
19) "Alle dasselbe" (vom
Album "Am Ende der Sonne" / 2005)
20) "Unsichtbar" (vom Album
"Am Ende der Sonne" / 2005)
21) "Ok" (vom Album "Endlich
Urlaub" / 2001)
22) "Unter Wasser" (vom
Album "Am Ende der Sonne" / 2005)
1. Zugabenrunde:
23) "Immer noch" (akustik+solo
gespielt, vom Album "Am Ende der Sonne" / 2005)
24) "Dusche" (vom Album
"Am Ende der Sonne" / 2005)
25) "Alle Fragen dieser
Welt" (B-Seite von "Dusche" / 2005)
2. Zugabenrunde:
26) "Wo ist das Problem"
(und wieder eine B-Seite, von "Glücklich" / 2001)
27) "Ich gehöre nicht
dazu" (vom Album "Endlich Urlaub" / 2001)
28) "Abschiedslied" (vom
Album "Endlich Urlaub" / 2001)
28a) "Zehn" (wurde noch
einmal halb angespielt)
Zusammenfassung:
"Endlich Urlaub" = 11
"Am Ende der Sonne" = 12
B-Seiten = 5
Bitte HIER klicken!
Das Aushängeschild der Alleinunterhalter
DER BERICHT:
Er ist der Meister der Musik,
der Held der Heimorgel, das Aushängeschild der Alleinunterhalter.
Er ist derjenige, der seine Fans nach jedem Lied mit "Freunde der Heimorgel"
anspricht. Er ist der einzig wahre Mambo Kurt. Einen sehr, sehr kurzweiligen
Samstagabend bot der Mann mit der auffälligen Sonnenbrille 100 Fans
im Schifferhaus.
Einen Vollbart hat er sich
stehen lassen. Sonst ist er ganz der Alte. Unter lautem Gejohle betritt
er die Bühne. Auf der linken, oberen Ecke der Orgel schimmert eine
Mini-Discokugel in den buntesten Farben. Ganz klar: Dieser Typ ist ein
Gesamtkunstwerk. Er kann es sich erlauben, das erste Lied "Jump", im Original
von Van Halen, mit dem Rücken zum Publikum sitzend vorzutragen. Schließlich
sollen alle sehen, wie schwer es ist, die Heimorgel zu bedienen. Die Fans
danken es mit lautem Applaus. "Danke, Freunde der Heimorgel", sagt Mambo
Kurt.
Hits, Hits und nochmals
Hits reiht Mambo aneinander. Mal lässt er die Finger über seine
Orgel fliegen (die es heute übrigens "für unter 100 Euro bei
ebay gibt", wie er sagt). Mal erhebt er seinen linken oder rechten Arm
und wippt zur Musik mit. "Ich will zum partnerschaftlichen Tanz anregen",
sagt er. Denn zum sich Näherkommen seien nicht immer viele Biere nötig.
"Mambo! Mambo!", rufen die Fans.
Er spielt Europes "The Final
Countdown", "Just can´t get enough" von Depeche Mode. Und Metallicas
"Enter Sandman" im Walzer-Takt - das ist nicht verhunzt, sondern weltklasse
und kultig parodiert. Einige Songs stellt er unter das Motto "Lieder, von
denen ihr nicht glaubt, dass man sie auf der Heimorgel spielen kann." Er
kann es sich leisten, ein Lied von "Deutschlands größter Bossanova-Band"
anzukündigen und dann Rammsteins "Engel" vorzuführen. Und danach
folgt "You´re my heart, you´re my soul". Super.
15 Minuten Pause. Verfliegt
die Lust der Fans auf die Heimorgel? Mitnichten! Das zweite Set beginnt
er mit einem "Lied über Mülheim". Und es kommt "Paradise City"
von Guns´n´Roses. Aus "Thunderstruck" von AC/DC macht er "Sambastruck".
Und bei "Insomnia" von Faithless stellt er zwischendurch die Begleitautomatik
seiner Orgel an, springt von der Bühne und lässt sich bei seinem
"Stage dive" von 20 Jungs durchs Schifferhaus tragen. Mit "Musik ist Trumpf",
dem Lied, mit dem er 1982 den "Jugend musiziert"-Wettbewerb an der Heimorgel
gewann, lässt er den Abend ausklingen. Vorerst.
Denn ohne Zugaben lassen
ihn die Mülheimer Fans nicht nach Hause. Für drei weitere Stücke
begibt sich Mambo Kurt hinter sein geliebtes Musikgerät, zunächst
"Zu spät" von den Ärzten, dann Green Days "Basket Case". Der
letzte ist der "Sunshine Reggae". Passend zum Herbstwetter.
Mambo Kurt ist schräg.
Mambo Kurt ist witzig. Mambo Kurt ist liebevoll. Wer braucht einen Abend
mit Robbie Williams oder Jennifer Lopez, wenn es auch Mambo Kurt sein kann?
Nach zwei Stunden huldigen ihm seine Fans, kaufen Sonnenbrillen und CD´s
und klopfen ihrem Meister auf die Schulter. "Danke, Freunde der Heimorgel",
sagt Mambo Kurt ein letztes Mal.
Ich bin wieder zu Haus
Helge in Mülheim. Für
mich zum dritten Mal hintereinander. Eine Art Ritual ist das mittlerweile.
Mitte des Jahres fragt Tina, eine ganz, ganz liebe Freundin, an, ob sie
eine Karte für mich mit besorgen soll. Ich bejahe dann stets und so
geht es am letzten Samstag vor Weihnachten immer ab in die Stadthalle.
Ab zum Helge-Konzert, Pflicht
für jeden Mülheimer, komisch, dass vor allem junge Zuschauer
vermehrt kommen - ist wenigstens mein Eindruck. Egal wie das Programm heißt,
in diesem Jahr "Kampf im Weltall", Parallelen sind unverkennbar. Helge
hat einen Stamm an vorher fest abgesprochenen Liedern, diesmal sind es
ganz am Anfang "Katzeklo", danach noch ein paar. Direkt nach der Pause
ein Potpourri seiner Hits, dann "Meisenmann" in einem improvisierten Duett
mit Udo Lindenberg (den er natürlich selbst spricht, und der zwischendurch
vom Mond runterspricht - so viel zum Thema "Weltall"). Und dann gibt es
noch den Teekoch Bodo, der sich schon seit drei oder mehr Jahren zwischendurch
als Lücken- und Pausenfüller vom Meister anbrüllen lässt;
und ein Solo des Schlagzeugers (wie in jedem Jahr, diesmal ist's aber nicht
Pete York) und viel, viel, viel Helge-Improvisation, diesmal ist er sogar
in Laberlaune. Das alles gemischt mit einer halbstündigen Pause ergibt
von 20 bis 23 Uhr lachen, klatschen, Helge feiern.
Viel mehr habe ich auch
nicht zu sagen, ist ganz schön politisch geworden dieses Mal. Während
Helge sonst jegliche Art von offensichtlicher und direkter Stellungnahme
vermeidet, tauchen das Wort "Merkel" und der Satz "kleines Kerlchen" erstaunlich
oft aus. Hurra, der Helge, auf die alten Tage... Schön war's.
Lasst mich zum Abschluss noch ein paar Stellungnahmen diverser Medien zitieren:
www.andreasernst.com;
Spielbericht VfL Bochum - SpVgg Unterhaching (1:0). Spielbericht HIER
!
Samstag? Wilde 30?
Nee, nicht 30, wilde, sondern
Schneider, Helge. Ach ja, was für ein Mülheimer Pflichtprogramm.
Weihnachtskonzert mit Helge, da sind immer 1000 Leute in der Stadthalle.
Helge kam auf die Bühne, und sagt gleich zu Beginn "Tschüss",
so wie man es von ihm erwartet. Dann als erste "Katzeklo, Katzeklo, ja
das macht die Katze froh, Katzeklo, Katzeklo" undsoweiterundsoweiter. Eine
Pause zwischendurch nach einer Stunde, Sergej, ein total durchgeknallter
Tänzer, "Meisenmann" singen im Duett mit Udo Lindenberg, Helge-Situations-Komik,
Helge-Stimme, Helge, lachen, lachen, lachen, klatschen, Helge!! "Jetzt
bist Du zu Hause", hat einer zwischendurch gerufen und Helge hat spontan
improvisiert. Yeah. Einen WAZ-Text über dieses Konzert zu schreiben,
das ist wahrlich nicht leicht. Helge-Konzerte bestehen fast einzig und
allein aus Helge und sind aufgeschrieben nicht witzig. Arme WAZ-Kristina...
aber sie wird das schon gut gemacht haben.
Westdeutsche Allgemeine
Zeitung Mülheim, 19. Dezember 2005 (Montag):
"Helge hat sich schick gemacht.
Im schwarzen Anzug betritt er die Bühne der Stadthalle. "Eine der
schönsten in Mülheim." Blickfang ist die rote Blume, die er sich
ans Jackett gesteckt hat. Im Mittelpunkt das Schlagzeug des Drummers Pete
York, an den Seiten stehen Flügel und Orgel. In der Waagerechten legt
Helge am Piano los. Stille Nacht, Heilige Nacht wechselt sich mit eigenen
Kompositionen ab. Weiter hinten, in der Ecke sitzt ein Traumtänzer
im Nebel: Gast Sergej Gleithmann aus der "Servietten Union", im "Whiskey-Fass
angereift", dann nach Mülheim übergesiedelt, lebt er jetzt bei
Helge im Garten. Im gelben Strampler übernimmt er den ästhetischen
Part der Show, tänzelt leichtfüßig zum ukrainischen Märchen
"Der geplatzte Handschuh". Und auch Bodo Oesterling ist wieder dabei, der
Teekoch vom Dienst. Heute gibt es Fenchel-Anis-Kümmel-Tee - keiner
süffelt so gefühlvoll wie Helge. Pfiffe und Lachsalven kommen
aus dem Publikum, Helge genießt sein Heimspiel. "Jetzt bisse zu Hause",
meldet sich ein Zuschauer. "Mülheim ist ne schöne Stadt. Aber
bald soll alles weg und zum Centro gehören." Nach der Pause entschuldigt
sich Helge für die kleine Verspätung: "Ich war noch Enten füttern
an der Ruhr, dann fiel mir ein, dass ich ja auf der Arbeit bin." Im zweiten
Teil steht vor allem die Musik im Vordergrund. Und das, was er am besten
kann: improvisieren. Der Witz lebt. An Orgel, Gitarre und Klavier spielt
der Multimusiker "seine größten Hits": Texas, Telefonmann, Bonbon
aus Wurst, Yesterday und The Final Countdown. Nur beim zehnminütigen
Solo des Drummers Pete York wird das Publikum still, lauscht den schnellen
Schlägen. Als Überraschungsgast des Abends präsentiert Helge
sein "zweites Ich": Udo Lindenberg. Helge imitiert perfekt, gemeinsam singen
sie, bevor Udo zum Mond fliegt und die "Kanzleuse" beobachtet - ungewohnt
politisch. Für diejenigen, die noch Geschenke fürs Fest suchen,
gibt er dann noch einige Tipps mit auf den Weg: "Klopapier, das kann man
immer gebrauchen." Er selbst verbringe das Fest als Silhouette hinter der
Gardine. Oder auf den Osterinseln. "Wenn das nicht verboten ist.""Weihnachten
feiere ich auf den Osterinseln."
Neue Ruhr-Zeitung
Mülheim, 19. Dezember 2005 (Montag):
An welcher Eigenschaft erkennt
man einen richtigen Star? Die Antwort ist ganz einfach. An seiner Vorliebe
für Tee. Das meint zumindest Helge Schneider. Kaum eine Viertelstunde
seiner Weihnachtsshow kann vergehen, ohne dass er nicht seinen Azubi Bodo
um eine Tasse mit seiner Spezialmischung bittet. Diese Leidenschaft für
das Beutelgetränk teilt Schneider mit einer anderen Größe
des Showgeschäfts: Udo Jürgens hat bekanntlich immer ein Tässchen
Kamillentee auf seinem Glasflügel stehen. Und überhaupt scheint
der Österreicher Helges großes Vorbild zu sein. So baut er dessen
Schlager in ein Medley seiner größten Hits ein. Also "Katzeklo"
und "Bonbon aus Wurst" neben dem "ehrenwerten Haus" und "Mit 66 Jahren".
Vielleicht bewundert Helge
aber seinen mittlerweile über 70-jährigen Kollegen deshalb so,
weil es diesem gelingt, auch im Alter noch eine gute Figur auf der Bühne
zu machen. Schneider wird nämlich immer mehr von den Zipperlein des
Alters geplagt. So ächzt er manchmal, wenn er sich von seiner Orgel
erhebt. Auch können Menschen im fortgechrittenen Alter schon einmal
das Zeitgefühl verlieren. Also wird die Pause um zehn Minuten ausgedehnt.
"Ich war an der Ruhr spazieren. Ich dachte, ich hätte schon Feierabend",
lautete Helges Kommentar. Schließlich kommen im Alter bestimmte Marotten
zum Vorschein. So entpuppte sich Helge als notorischer Stromsparer. Nach
jeder Musik-Einlage werden die Geräte wieder abgeschaltet.
Aber das fortgeschrittene
Alter bringt auch positive Erfahrungen. Mit vielen Jahren auf der Bühne
wächst die Souveränität. Und die zeigt Schneider in jeder
Minute. Man merkt es Helge an: Dieser Mann hat schon alles geschafft, Und
das weiß er. Lässig pariert er Zwischenrufe aus dem Publikum.
Überhaupt verrät seine Programmgestaltung Mut zur Unabhängigkeit
vom Massengeschmack. Keine Klassiker tauchen auf. Dafür zeigt Schneider,
dass auch bisher unbekannte Talente in ihm schlummern: Helge versucht sich
als Stimmenimitator. In einer grandiosen Nummer ahmt er täuschend
echt Udo Lindenberg nach, der vom Mond aus Angela Merkel beobachtet und
dabei Interessantes berichtet. Etwa dass Benjamin Blümchen zu den
Beratern der Kanzlerin gehört. Besonders beeindruckend ist, wenn Schneider
mit Lindenberg ein Duett singt und mitten in der Liedzeile die Stimme wechselt.
Einige Gags, die immer wiederholt
werden und viel gut gespielte Musik. Der Rest ist Improvisation. So lautet
das Erfolgsrezept Helge Schneiders für einen unterhaltsamen Abend.
Kein Wunder also, dass er nicht davon abweicht. Trotzdem bekam der Abend
seine besondere Note durch diese spezielle Art von Helge-Humor. Immer wieder
ging es an manchen Stelle mit dem Meister durch. Alter schützt eben
glücklicherweise doch nicht vor Torheit.
Stimmungs-Musik
- Der
Bericht
- Der
Abend
-
Die Playlist
- entstanden während der Fahrt zum VfL-Spiel beim SC Freiburg am 28.3. -
Die ICE-Sitze vor mir
sind mit einem blauen Stoff versehen. Ein Stoff mit weißen Punkten.
Deutsche Bahn eben. Ich sitze entgegen der Fahrtrichtung, obwohl ich das
eigentlich gar nicht mag. Auf der rechten Seite fliegt die Landschaft zwischen
Frankfurt und Mannheim vorbei. Die Felder sind schon grün, ist ja
auch Ende März, die Temperaturen mild geworden, erstaunlich, ich dachte,
der Winter hält ewig. Der ICE hat aufgrund einer technischen Störung
eine halbe Stunde Verspätung angehäuft, weshalb ich Freiburg
erst um 14.30 Uhr erreiche. Egal, sind noch ein paar Stunden bis zum Anstoß.
Meinen VfL-Bochum-Schal habe ich mir vorhin fest um meinen Hals gebunden
und das linke Ende des VfL-Schals mit dem Wappen des Vereins auf meinem
Herzen platziert. Mir ist heute danach. Auf dem Sitz links neben mir liegt
meine Laptoptasche und eine leere Kamps-Brötchentüte. Mein Frühstück
bestand aus einem Schoko-Croissant und einem Schoko-Wuppi. Es fängt
an zu regnen, zu tröpfeln, während wir gerade den Bahnhof Biblis
überholen. Wie die grünen Datenzüge in der Matrix-Trilogie
laufen die Regentropfen auf der Fensterscheibe um die Wette - und ich bin
froh, im Zug zu sitzen.
Wenn nicht jetzt Element
of Crime hören, wann dann?
Noch anderthalb Stunden Zeit.
Konzerte am Sonntag sind bei mir eine einzige Hetzerei. Heute Mittag musste
ich leiden. Sehr, sehr leiden. Eigentlich hätte ich mit meinem Bruder
Thommy das VfL-Spiel gegen Brauschweig besuchen wollen, aber die Redaktionsdisziplin
zwang mich dazu, in Mülheim das Landesligaspiel Union Mülheim
gegen Turngemeinde Hilgen zu ertragen. Während ich auf dem Grashügel
neben dem Union-Platz stand und auf die hässliche Mülheimer Skyline
in der Frühlings-Sonne blickte, schickten mir meine VfL-Kollegen eine
sms nach der anderen. Nacheinander "1:0 Zwetschke", "2:0 Edu", "3:0 Misimovic",
"4:0 Zdebel", zwischendurch noch so ein paar Messerstiche a la "Die Jungs
spielen ganz großes Tennis heute" oder "kaum zu glauben, dass die
beiden Mannschaften in derselben Liga spielen". Glückwunsch. Union
verlor, ich musste sie zerreißen. Hätte ich doch freigenommen...
Okay, Zeilen kloppen. Schnell,
schnell, schnell. Zwischendurch als Motivationshilfe auf die Eintrittskarte
schauen. "Element of Crime" steht darauf, im Palladium. Da bin ich noch
nie gewesen. Es ist ein Abend mit mehreren Premieren. Palladium, klar,
zum ersten Mal mit meinem Onkel Uwe bei einem Konzert und der schließlich
feiert sein Debüt bei einem Element-of-Crime-Auftritt.
"Ich schreibe meinen Namen auf Papier - nur so", rattert Sven Regener in die Kopfhörer meines Discman und wir "erreichen in wenigen Minuten Mannheim Hauptbahnhof" der Schaffner. "... und falte mir daraus ein schönes Glück". Ruhige Gitarrenklänge von Jakob Ilja, wunderbar, wunderbar, wunderbar. "Nur so", gar keins von meinen Lieblingsliedern, passt jetzt aber. Haben sie gar nicht gespielt in Köln.
Draufschauen. Auf die Uhr. Ich schaff's. Schnell die letzten Buchstaben eintippen, mir "viel Spaß" von den Kollegen wünschen lassen und rein in den überfüllten Regionalexpress hüpfen. Es klappt, der ist sogar pünktlich. In Köln-Mülheim springe ich in ein Taxi, bezahle sechs Euro für die paar Meter zum Palladium. "Gestern war Kelly Clarkson hier", sagt der Taxifahrer, ohne dass ich ihn um eine Geschichte gebeten hätte. Draußen ist es schon lange dunkel - und kalt. "Hab noch nie so viele 16-Jährige auf einmal gesehen." 16-Jährige! Die gibt es heute wohl nicht. Thommy ruft an. "Wo bist Du?" "In zwei Minuten da!" "Wir stehen noch vor dem Eingang, aber weit vorn. Kannst Dich bei uns einreihen." "Mach ich." Ich steige aus dem Taxi, blicke auf das Harald-Schmidt-Studio. Die Show wird direkt gegenüber aufgezeichnet. Palladium. 4000 Plätze. VIERTAUSEND! Einst, vor ein paar Jahren, fuhren Thommy und ich noch in die Kulturfabrik Krefeld, als Element of Crime gerade einmal 700 Tickets absetzten. Jetzt hat Sven Regener zwei Bestseller veröffentlich und in der Post-"Herr Lehmann"-und-"Neue Vahr Süd"-Ära gibt es eine Hunderte Meter lange Schlange vor dem Eingang. Ich bezahle den Taximann, schaue mich um. "Hallo", winkt Thommy. Heyahossa, super geklappt. Die stehen zwanzig Minuten, ich zwanzig Sekunden, so geht's. Schnell "Spitzenreiter, Spitzenreiter" gebrüllt, vom grandiosen 4:0-Sieg des VfL erzählt, Uwe begrüßt und dann zählt nur noch Element of Crime. Uwe bringt die Jacken weg, Thommy bestellt Massen an Kölsch und eine Cola. Und ich schließe die Augen und genieße. Mein erstes Konzert in diesem Jahr. Mein erstes. Mein unendlichstes Element-of-Crime-Event. Ich weiß, was mich erwartet. Romantische, manchmal frustrierte, manchmal depressive, aber immer schöne Musik. Fantastische Gitarrentöne von Jakob Ilja, ein charismatischer Sven Regener. Songs zum Mitwippen, nicht zum Herumhüpfen. Romantik.
"Wo ist der Gott, der uns liebt? Ist der Mensch, der uns traut, ist die Flascheeee, die uns wärmt, wenn der Morgen graut?", fragt, ja flüstert Sven Regener fast. Mannheim Hauptbahnhof liegt hinter uns, nächster Halt ist Karlsruhe. Wir haben zehn Minuten der Verspätung aufgeholt, der Zug fährt 221 km/h. Es regnet nicht mehr, aber es ist noch bewölkt genug, um Element of Crime super zu finden. "Über Nacht" ist das nächste Lied auf meiner gestern selbst gebrannten "Best-of-Element-of-Crime"-CD. Ich sitze im Raucherabteil und vor mir qualmt tatsächlich jemand. Es ist mir egal heute. Versetzt mich eher noch in Konzertstimmung. Element im Ohr, Fluppen in der Nase. Wie damals, am 19. März.
Ich habe meine Arbeitstasche
noch dabei und klemme sie zwischen meine Beine. Wir sind ein bisschen spät
dran und bekommen einen Stehplatz an der linken Außenseite, mit gutem
Schrägblick zur etwa zwanzig Meter entfernten Bühne. "Home of
the lame", die Vorband, nehmen wir nur beiläufig wahr. Thommy verschwindet
zwischendurch zum Bierstand, Nachschub ordern. "Ich bin gespannt", sagt
Uwe, der bislang nur die neueste Scheibe kennt. Die Karte haben mein Bruder
und ich ihm zu Weihnachten geschenkt. Da er jetzt um die Ecke wohnt, liegt
das auch ziemlich nah. Minuten verrinnen; obwohl ich weiß, was kommt,
werde ich nervös. Die Momente, bevor die Lichter ausgehen, die Momente,
bevor die Hauptband des Abends die Bühne betritt, es kribbelt so schön.
"Hauptsache, sie spielen Straßenbahn des Todes", sagt Thommy. "Mein
derzeitiges Lieblingslied." Ich hab keine Anforderungen. Erstmals bei einem
Konzert. Die Jungs machen das schon gut.
Psst.... ich glaub, da tut
sich was. Ich glaub... jaaaaa, Arme hoch, klatschen, vier Männer schleichen
auf die Bühne, Sven Regener reißt am Mikrofon die Arme hoch
und brüllt laut "Ro - man - tiiiik". Hat er schon beim letzten Konzert
getan, nicht neu also, aber immer wieder witzig. Betrunken ist er diesmal
nicht, wie Thommy und ich sofort bemerken. Zwischen Mitte 20 und Mitte
30 - das ist die Hauptgruppe der Element-of-Crime-Hörer. Stück
für Stück haken die vier Elemente ihre Playlist ab. Der Applaus
ist laut, zwischendurch ruft Regener immer wieder "R O M A N T I K " !!
Nach "Delmenhorst" ändert er das kurzzeitig in "DELMENHOOORST!" Schnell
wird wieder klar: Das musikalische Genie dieser Band ist Gitarrist Jakob
Ilja. "Er verleiht der Band ihren Sound", sagt Onkel Uwe ruck, zuck. Immer
wieder blendet der Scheinwerfer auf den unscheinbaren Kerl, der es sich
links auf der Bühne gemütlich gemacht hat. Sensibel spielt er
seine Soli, begleitet den Bandrest. Klasse. Stück für Stück
zum Träumen, zum Mitdenken. In einer weiteren kurzen Pause zwischendurch
meint Uwe: "Dass es so etwas heute noch gibt. Intelligente Texte auf Deutsch..."
"Straßenbahn des Todes" ist das erste Lied und Thommy würde
am liebsten sofort nach Hause gehen. "Wo die Neurosen wuchern, will ich
Landschaftsgärtner sein" - das sind doch wahre Liedzeilen, oder? Punktgenau
zwei Stunden bleiben Element of Crime, werden viermal aus ihrer Kabine
wieder hinausgeklatscht, bis Sven Regener "Kommt gut nach Hause" sagt.
Es ist wie immer. Siehe
oben: Und ich schließe die Augen und genieße. Mein erstes Konzert
in diesem Jahr. Mein erstes. Mein unendlichstes Element-of-Crime-Event.
Ich weiß, was mich erwartet. Romantische, manchmal frustrierte, manchmal
depressive, aber immer schöne Musik. Fantastische Gitarrentöne
von Jakob Ilja, ein charismatischer Sven Regener. Songs zum Mitwippen,
nicht zum Herumhüpfen. Romantik.
Abschlussapplaus. Riesig.
"Die Liste der Lieder, die sie nicht gespielt haben, ist länger als
die Playlist", stellt Thommy fest. "Ist aber nicht schlimm." Meine Lieblingslieder
kamen alle nicht, dafür das komplette neue Album "Mittelpunkt der
Welt". Die alten Sachen wie "Weißes Papier" sang ich umso inbrünstiger
mit. Und den gefühlten Höhepunkt "Jetzt musst Du springen". "Das
ist ganz anders als das Album. Eine Liveband, eindeutig. Die muss man live
gesehen haben." Uwes Fazit könnte nicht besser sein. Glücklich
und zufrieden verlassen wir das Palladium. Schauen kurz aufs Harald-Schmidt-Studio
und kehren zum Bahnhof Köln-Mülheim zurück. Thommy pennt
bei Uwe. Ich fahre noch nach Hause. Hab die Element-CD in der Tasche und
werde sie auf dem Weg zurück genüsslich hören.
"Du weißt, dass dein Vater Dich fragt, wird er das bringen? Und es endloser Menge ertönen die Rufe: Jetzt musst du springen.". Ich habe den Höhepunkt des Konzerts gerade noch einmal aufgelegt. Kurz vor Karlsruhe Hauptbahnhof scheint die Sonne. Sollte es noch ein richtig schöner Abend werden? Eigentlich ist es egal. Meine Stimmung ist nach diesen Element-Eindrücken superklasse, der VfL kann sich sogar eine 0:10-Niederlage erlauben und Freiburg soll eine wunderwunderschöne Stadt sein. Schlimmer kanns kaum werden.
Um kurz vor eins schließe
ich meine Haustür auf. Um kurz nach eins ist eine Beschwerdemail an
die Bahn formuliert. Der Inhalt:
"23.45 Uhr: Ich weilte an
diesem Abend beim Konzert der Band "Element of Crime" im Kölner Palladium.
Um 23.45 Uhr habe ich meine Jacke endlich abgeholt; ich weiß, dass
ich noch 14 Minuten habe, um zum Bahnhof Köln-Mülheim zu laufen
(mangels Taxi). Wer Köln kennt, der weiß, dass der Weg nur im
Dauerlauf in dieser Zeit zu absolvieren ist (die Eintrittskarte kann ich
Ihnen gerne zeigen, den Zeitpunkt des Konzertendes können sie bei
3000 Besuchern nachfragen). 23.59 Uhr: Als der RE einfährt, komme
ich am Bahnsteig gerade noch rechtzeitig an und steige ein. Um ein Ticket
zu kaufen, blieb keine Zeit mehr. Außer Puste setze ich mich in den
ersten Wagen. 0.02 Uhr: Meine in Köln wohnenden Verwandten rufen bei
mir an (auch das ist nachprüfbar), um sich zu erkundigen, ob ich es
noch in den Zug geschafft habe. 0.04 Uhr: Das Telefonat ist zu Ende, ich
stehe auf, um den Schaffner zu suchen. Er steht zehn Meter weiter. Ich
will nachlösen - er lehnt ab. Nachdem er meinen Personalausweis begutachtet
hat, verknackt er mich zu 40 Euro und trägt 0.06 Uhr ein (da ist er
fertig; auch das ist nachprüfbar). Als ich ihm meine Geschichte erzähle,
lächelt er mich an und trägt eiskalt "keine Kulanz" ein (siehe
Zettel). Dass er scheinbar selbst wenig Ahnung hat, zeigt der Eintrag "ab
Langenfeld Studentenausweis". Im RE gilt erst ab Düsseldorf-Benrath
der VRR-Tarif. Fazit: Wieder einmal haben die Kontrolleure kein gutes Bild
abgegeben. Dieser Schaffner war ein besonders arrogantes Exemplar. Ich
habe in meiner Zeit als langjähriger Bahncard-Kunde (auch das ist
nachprüfbar) schon einige erlebt. Ich war sichtbar verschwitzt und
außer Puste, ich bin dem Schaffner entgegengelaufen und konnte nachweisen,
dass ich beim Konzert war und keine Zeit hatte, ein Ticket zu ziehen."
So richtig gut ging der
Abend dann doch nicht aus.
Schnell noch "Delmenhorst"
aufgelegt. "Hinter Huchting ist ein Graben, in den sich einer übergibt."
Ach, ist doch auch egal. Noch eine Stimmung, auf die keine Band besser
passt.
Noch zwei Stunden hält
mein Laptop-Akku. Ich sollte die Schilderung jetzt abbrechen, da ich auf
der Rückfahrt den VfL-Tagebuch-Bericht noch schreiben will. Noch Stunden
könnte ich den Abend in Köln Revue passieren lassen, der seit
einer Woche Vergangenheit ist. Lasst mich meinen Bericht mit einem 1:0-Berichterstattungssatz
beenden:
Bei der nächsten
Element-of-Crime-Tour bin ich wieder dabei.
Toll, ne?
Konzertbeginn: "Einlass
19 Uhr" steht auf der Eintrittskarte, aber um diese Uhrzeit saß ich
noch in der Mülheimer WAZ-Redaktion... Um 20.15 Uhr traf ich am Palladium
ein, traf mich mit dem Family-Trio. Um 20.35 Uhr spielten "Home of the
Lame" - und bis etwa 21.10 Uhr. Element of Crime kamen um 21.25 Uhr und
blieben bis 22.52 Uhr. Die Zugabenrunden folgten um 23.03 Uhr, 23.15 Uhr
und 23.21 Uhr. Um 23.25 Uhr fiel der Vorhang, also nach haargenau zwei
Stunden. Nach einem flotten Fußmarsch bekam ich den Regionalexpress
um 23.59 Uhr und kam um 0.45 Uhr in Mülheim an.
Ort: Kaum zu glauben,
aber es gibt tatsächlich noch Konzertorte in Nordrhein-Westfalen,
die mir noch nicht geläufig sind - zum Beispiel das eigentlich so
berühmte "Palladium" in Köln. Es liegt in Köln-Mülheim,
zu Fuß etwa 15 Minuten vom gleichnamigen Bahnhof entfernt. Eine Taxifahrt
kostet fünf Euro. Gegenüber vom Palladium wird die ARD-Show "Harald
Schmidt" aufgezeichnet. Direkt neben dem Palladium liegt das "E-Werk",
in dem ebenfalls oft sehr gute und bekannte Bands auftreten. Der Stadtteil
Mülheim in Köln hat laut Wikipedia 144.000 Einwohner und grenzt
direkt an Leverkusen. Mit dem Regionalexpress liegt Köln-Mülheim
genau 45 Minuten von Mülheim an der Ruhr entfernt. Ach so, das Palladium
fasst übrigens knapp 4000 Zuschauer (und so viele waren auch fast
da), am Tag vorher trat Kelly Clarkson dort auf - die Gewinnerin des ersten
"American Idol"-Wettbewerbs. Das ist das DSDS-Pendant in den USA.
Eintrittskarte?:
26 Euro - solide Mittelklasse also. Ich bestellte die Karten im Internet
- ganz problemlos.
Mitreisende: Wie
schon angedeutet, gab es drei: Wie bei den vorherigen Element-of-Crime-Konzerten
begleitete mich mein Bruder Thommy. Zudem gehörte mein Onkel Uwe zum
"Team".
1) "Straßenbahn des
Todes" (vom Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
2) "Und Du wartest" (vom
Album "Weißes Papier" / 1993)
3) "Seit der Himmel" (vom
Album "Romantik" / 2001)
4) "Wenn der Winter kommt"
(vom Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
5) "Finger weg von meiner
Paranoia" (vom Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
6) "Tumbling tumbleweed"
(vom Album "Die schönen Rosen" / 1996)
7) "Welcome to the world"
(vom Album "Freedom, Love and Happiness" / 1988)
8) "Jetzt musst du springen"
(vom Album "Psycho" / 1999)
9) "Im Himmel ist kein Platz
mehr für uns zwei" (vom Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
10) "Nur mit dir" (vom Album
"Mittelpunkt der Welt" / 2005)
11) "Gelohnt hat es sich
nicht" (vom Album "Romantik" / 2001)
12) "Immer unter Strom"
(vom Album "Weißes Papier" / 1993)
13) "Weißes Papier"
(vom Album "Weißes Papier" / 1993)
14) "So wie du" (vom Album
"Psycho" / 1999)
15) "Weit ist der Weg" (vom
Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
16) "Still wird das Echo
sein" (vom Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
17) "Delmenhorst" (vom Album
"Mittelpunkt der Welt" / 2005)
18) "Mittelpunkt der Welt"
(vom Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
1. Zugabenrunde:
19) "Michaela sagt" (vom
Album "Psycho" / 1999)
20) "Mehr als sie erlaubt"
(vom Album "Weißes Papier" / 1993)
2. Zugabenrunde:
21) "Die letzte U-Bahn geht
später" (vom Album "Mittelpunkt der Welt" / 2005)
22) "Bring den Vorschlaghammer
mit" (vom Album "Romantik" / 2001)
3. Zugabenrunde:
23) "Alle Türen weit
offen" (B-Seite)
4. Zugabenrunde:
24) "Across the universe"
(B-Seite * gab es wohl exklusiv bei iTunes)
Zusammenfassung:
"Freedom, Love and Happiness"
(1988) = 1
"Weißes Papier" (1993)
= 4
"Die schönen Rosen"
(1996) = 1
"Psycho" (1999) = 3
"Romantik" (2001) = 3
"Mittelpunkt der Welt" (2005)
= 10
B-Seiten = 2
Welche Lieder ich gern
gehört hätte...
1) "Vier Stunden vor
Elbe eins" (1991, Album "Damals hinterm Mond")
2) "Draußen hinterm
Fenster" (1993, Album "Weißes Papier")
3) "Schwere See" (1993,
Album "Weißes Papier")
4) "Das alles kommt mit"
(1993, Album "Weißes Papier")
5) "Wenn der Morgen graut"
(1996, Album "Die schönen Rosen")
6) "Mit dir allein" (1996,
Album "Die schönen Rosen")
7) "Über Nacht"
(1996, Album "Die schönen Rosen")