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Meine Volo-Stationen
und -seminare
im Juli 2007: 1. Grundseminar:
Layout- und Technik-Schulung (5 Tage, in der WAZ-Zentrale in Essen)
1. Juli bis 27. September 2007:1.
STATION: WAZ/WR-Lokalredaktion Castrop-Rauxel
August 2007: "Informationen erfolgreich
beschaffen" - Recherchetechniken, Gesprächsführung (3 Tage, in
der Journalistenschule Ruhr bei M. Brendel)
September 2007: 2. Grundseminar
"Markt, Mächte und Medienpolitik" (in der JSR, u. a. Exkursion zum
WDR nach Köln / Gespräch mit B. Hombach)
September 2007: 3. Grundseminar
"Polizeiberichterstattung" (in der JSR, dazu Exkursionen ins Polizeipräsidium
Essen und in die JVA Werl)
28. September 2007 bis 30. November
2007: 2. STATION: WAZ-Lokalredaktion Essen (zuständig für
die Stadtteilausgabe Essen-Nord und im November auch Essen-Süd)
11. bis 13. Oktober 2007: Seminar
"Rechtsextremismus und Medien" (in Wuppertal, mit Exkursion ins Innenministerium
nach Düsseldorf)
1. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008:
3. STATION: WAZ-Lokalredaktion Duisburg-Nord
Januar 2008: 4. Grundseminar: "Reportage"
(5 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: U. Fey)
Januar 2008: "Kommentartraining"
(2 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: A. Marinos)
1. Februar bis 29. Februar 2008:
4. STATION: ONLINE - DerWesten.de (internes WAZ-Praktikum)
März 2008: 5. Grundseminar
"Politikberichterstattung" (5 Tage, davon drei in Brüssel, u.a. mit
Besuch der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments)
1. April bis 30. April 2008:
5. STATION: ONLINE - www.jetzt.de, München (externes Praktikum)
1. Mai bis 31. Mai 2008: 6.
STATION: WAZ-Lokalredaktion "Unser Vest" (Redaktionssitz Recklinghausen
- Termine in Marl, Waltrop, Datteln, Herten, Recklinghausen - "Foto-Monat"
- Fotoproben darf ich Euch leider nicht auf dieser Seite anbieten)
1. Juni bis 30. Juni 2008: 7.
STATION: WAZ-Mantel - Redaktion "Sport", EM-Team
1. Juli bis 31. Juli 2008: 8.
STATION: WAZ-Lokalsportredaktion Oberhausen
11. bis 13. Juli 2008: Teilnahme
am "J-Cup 2008", Fußball-DM der Journalistenschulen - in Berlin (Endstand:
3. von 13)
1. August bis 31. August 2008:
9. STATION: WAZ-Lokalredaktion Velbert (1. Woche: Velbert-Mitte, danach
Velbert-Langenberg)
August 2008: 6. Grundseminar "Das
Verhältnis von Bild und Text" (in der Journalistenschule Ruhr)
1. September bis 30. September 2008:10.
STATION: WAZ-Mantel - Redaktion "Rhein-Ruhr / Vermischtes"
23. und 24. September 2008: "Interviewtraining"
(2 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: U. Fey)
1. sowie 29. bis 31. Oktober 2008:11.
STATION: WAZ-Mantel - Redaktion "Politik"
6. bis 17. Oktober 2008: 12.
STATION: WAZ-Korrespondentenbüro Berlin (intern-externes Praktikum)
20. bis 24. Oktober 2008: Informationsreise
der JSR nach Istanbul (Leiter: M. Spletter, R. Tayfur)
27./28. Oktober 2008: "Nachrichtentraining"
(2 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: I. Lehnert)
1. November bis 31. Dezember 2008:13.
STATION: WAZ - Mantel - Redaktion "Wochenende / Kultur"
1. bis 31. Januar 2009: 14.
STATION: WAZ - Mantel - Ressort "CvD / Newsdesk"
29. Januar 2009: "Überschriftentraining"
(1 Tag, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiterin: B. Schaarschmidt)
1. bis 28. Februar 2009: 15.
STATION: WAZ - Mantel - Ressort "Rhein-Ruhr / Vermischtes"
1. bis 31. März 2009:16.
STATION: WAZ - Mantel - Redaktion "Sport"
9. bis 13. März 2009: "Video
fürs Web" (5 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter:
R. Mischel)
seit 1. April 2009: 17. STATION:
WAZ - Mantel - Ressort "Reportage"
22. April 2009: Drei Stunden "unter
Tage", 1000 Meter Tiefe - im Bergwerk "Prosper Haniel" in Bottrop
Blog aus Castrop-Rauxel,
Teil 1 - 12.7.2007
Mein erster Tag
Castrop-Rauxel also. Elf
Jahre als freier Mitarbeiter bei der WAZ Mülheim sind ‘rum – und nun
soll ich als Volontär in die ganz andere Ecke des Ruhrgebiets. Da
war ich doch noch niiiie! Schließe die Wohnungstür ab, steige
in Mülheim ins Auto, früh am Morgen, 45 lange Kilometer liegen
vor mir. 45! Zur Mülheimer Redaktion waren’s 500 Meter.
Hab’ die Mail im Kopf, die
mir mein Bruder gestern noch schickte. Er zitierte Sibylle Berg. „Ich weiß
nicht, was für einen Scheiß ich gebaut habe, denn nach Castrop-Rauxel
zu müssen ist so was, wie nach Sibirien ins Gulag zu müssen.
(...) Überall, wo nicht Castrop-Rauxel ist, ist Castrop-Rauxel das
Synonym für Hässlichkeit und Beschränktheit”, schrieb Frau
Berg einst – und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Ist so früh am Morgen, ich brauche feinsten 90er-Jahre-Punkrock der
Band Blink 182, um die Augen offen zu halten. Und ‘ne Dose Redbull zum
Frühstück.
Die neuen Arbeitskollegen
empfahlen die A 40 bis Dortmund-Lütgendortmund als kürzesten
und schnellsten Weg. So soll es sein. Doch ab Mülheim-Winkhausen ist
die A 40 gesperrt. Ich denke über Frau Bergs Worte nach. Scheiß
gebaut? Castrop-Rauxel? Was weiß ich über diese Stadt? Dortmund
ist in der Nähe, Bochum, Herne und – bei Wikipedia nachgeschlagen
– sie hat 77 263 Einwohner. Mülheim ist doppelt so groß! Mülheim!!!
Blink 182 hämmern gerade „What’s my age again?” (mein Alter? 29!)
durch meine Boxen, als ich nach einem Umweg über die A 52 erreiche
ich am Dreieck Essen-Ost die A 40. Puh, kein Stau. Kommt selten vor auf
dieser Strecke.
Die Autobahnausfahrten ziehen
vorbei. Essen-Kray, Gelsenkirchen-Süd, Bochum-Zentrum, Bochum-Ruhrstadion
(als VfL-Fan kenne ich diese Ausfahrt ziemlich genau!) und immer weiter
und weiter. Boah, wie lange dauuuert das denn noch? Nachdenken. Kannte
ich vor meinem Ausflug in die virtuellen „Vereinigten Einträge von
Wikipedia” irgendeinen Stadtteil? Sheriff, ich gestehe: nein! Ickern, Henrichenburg
– das kann ich mir merken. Schwerin, genau, das auch – aber nur, weil ich
das prima mit einer Stadt im Osten verbinden kann.
Endlich, Ausfahrt Lütgendortmund.
Rechts geht’s nach Bochum-Langendreer, Richtung Opel-Werk und „Matrix”
(’ne Disco) und links nach Castrop-Rauxel. „7 km” steht auf einem gelben
Schild. 7000 Meter trennen mich von einem völlig neuen Teil meines
Berufslebens. Ich zähl nicht mit, weil ich richtigrichtig aufmerksam
sein muss. „Pass auf”, sagten die neuen Kollegen am Telefon, „da sind ein
paar Blitzer versteckt.” Also nicht mit über 70 km/h ins Unheil stürzen,
sondern brav „50” fahren. Durchquere Lütgendortmund, Bövinghausen
(hier war ich wirklich noch nie), und dann ist’s soweit. Tataaaaa: „Castrop-Rauxel.
Stadtteil Merklinde” steht schwarz auf gelb. Nicht weit dahinter: Ein Blitzer
– gerade nochmal gut gegangen. Städtepartnerschaften hat Castrop-Rauxel,
ich kann mir spontan nur das finnische Kuopio merken. Warum auch immer.
. .
Links irgendwann in die
Wittener Straße einbiegen. Da soll dann die Redaktion liegen. Die
Punkrock-CD liegt inzwischen brav in der Hülle, höre nichts,
nicht einmal Radio. Will nur noch ankommen, muss schließlich in zehn
Minuten da sein. Am ersten Tag zu spät kommen – das will keiner. Abfahrt
gefunden, Fußgängerzone in Sichtweite. „Parken am Brückenweg”,
rieten die Kollegen. Rechts abbiegen, einparken, abschließen, Luft
holen. Angekommen.
Hole noch einmal die Mail
meines Bruders hervor. Ausgedruckt. Sibylle Berg hat noch etwas geschrieben.
Über die Einwohner Castrop-Rauxels. Und das geht so: „Keiner will
hier weg. Weder in eine Großstadt noch nach Amerika. (...) Auf einmal
bin ich neidisch auf die Leute.” Ich werde versuchen, es in den nächsten
Tagen herauszufinden.
Auf einem kleinen Türschild
steht „WAZ-Redaktion”. Ich drücke auf den Klingelknopf.
Copyright liegt bei der WAZ Mediengruppe
Wissen Sie, was eine meiner Lieblings-TV-Serien ist? Naja, blöde, weil rhetorische Frage. Die Antwort lautet „Scrubs”, ein schräger Comedy-Klamauk rund um junge Ärzte. In einer Folge beschäftigen sich alle Hauptdarsteller mit der zentralen Frage „Was war dein schönster Moment als Arzt?” Ich will das für meinen zweiten Tag in Castrop etwas umdeuten.
Was war mein schönster
Moment des Tages?
Mein imaginärer Castrop-Rauxel-Kalender
zeigt „2”. Day number two. Aufgalopp gestern, Stadtluft schnuppern heute.
„Komm mit”, sagt der Fotograf und lädt mich in sein Auto. Der Auftrag
lautet „Straßen-Umfrage” Bin gespannt.
Der schönste Moment
des Tages. . . vielleicht mein erster richtig dicker Regenschauer in Castrop-Rauxel?
Na gut, das allein ist kein tolles Erlebnis – aber: Das Angebot eines Passanten,
mit unter seinen Schirm zu hüpfen – toll!
Sein Auto hat der Fotograf
hinter dem Bahnhof „Castrop-Rauxel Süd” geparkt. Selbst für einen
Mülheimer sieht der miniminimini aus. Hier hält wirklich ein
RICHTIGER Zug?? Wo lassen sich außerhalb der Innenstadt am besten
Castroper für eine Umfrage auftreiben? „Wir machen jetzt eine Stadtrundfahrt”,
sagt der Fotograf. Los geht’s. Radio im Hintergrund, lässig gucken,
fehlt nur noch die Sonnenbrille. Tja, das Wetter. . . ich spreche lieber
nicht drüber.
„Da hinten, bei den Fahnen,
da ist das Mannschaftshotel des VfL Bochum”, merkt der Fotograf an. Hurra,
er weiß schon am zweiten Tag, dass ich zu den VfL-Fans gehöre.
Wir fahren durch Schwerin bis zum dortigen Marktplatz. Hier eine Umfrage
zu starten, wäre sehr schwierig. Ist niemand auf der Straße.
Sommerferien eben. Danach weiter bis Habinghorst. Parken. Die Lange Straße
am Nachmittag: Auch hier: wenig los. Siesta? Nur wenige Spaziergänger
schauen in die – oft – leeren Schaufenster. Hier steht wohl auch einiges
leer, das ist kein Mülheimer Problem.
Der schönste Moment des Tages. . . vielleicht die erste Sekunde meiner ersten Suche nach einem Snack? Quer durch die – zugegeben – sehr kleine Fußgängerzone ging meine Tour. Und doch registrierte ich hocherfreut: Hier werde ich in den nächsten Wochen den einen oder anderen Kaffee trinken!
Wo ist eigentlich der Hauptbahnhof? „Außerhalb”, ist die Antwort. Heißt: Ziemlich weit von der Redaktion am Münsterplatz und damit der Innenstadt entfernt. Wer hat das geplant? Dabei will ich in der nächsten Woche ‘mal mit der Bahn anreisen! Wir verlassen Habinghorst nach einem Bummel vorbei an Pizzeria, Dönerbude und Spielothek. Ab ins Auto. Quer durch Deininghausen schleichen wir mit 20 km/h. Der Fotograf verrät noch einige Kneipen zur Abendgestaltung. Dazu gibt es dann in den kommenden Tagen mehr. Es bleibt eine halbe Stadtrundfahrt. Denn die Redaktion verlangt die Rückkehr nach knapp einer Stunde. Schade.
Der schönste Moment des Tages. . . jetzt weiß ich es! Es ist der letzte Augenblick des Tages, nach Feierabend, beim Anlassen des Autos. Ich bin angekommen in Castrop-Rauxel. Am zweiten Tag! Und Sibylle Berg kann mich mal.
Copyright liegt bei der WAZ Mediengruppe
Die Hauptdarstellerin ist
klein. Sie passt in jede Hand. Noch ist sie nicht hübsch. Nein, die
Kartoffel aus dem Feld der Kirchhelles trägt ein erdiges Kleid. "Lass
mich durch, lass mich durch", brüllt Felix. Er schiebt die anderen
Kinder beiseite und schmeißt die Kartoffel beschwingt in einen Korb.
Acht Kinder, ein riesiger Bauernhof, viele Tiere: Das war gestern der nächste
Teil der WAZ-Sommeraktion.
Weit geht der Blick. Weit
hinein in die Felder. Ein Traktor ist ein paar hundert Meter entfernt.
Ein kräftiger Wind lässt die Haare im Wind flattern. Richtig
romantisch. Im Mittelpunkt der Runde: Birgit Kirchhelle. "Wir sind mitten
in der Ernte", sagt sie, blickt in die große, staunende Kinderrunde.
Dann schnappt sie sich eine Forke, tritt das Werkzeug einmal ganz, ganz
kräftig in den Boden, kippt eine Kartoffelpflanze um, und - tataa
- zehn, zwölf, 14 Kartoffeln kullern auf den Boden. "Ich weiß,
was man aus Kartoffeln machen kann: Einen Kartoffelkönig. Dazu braucht
man gelbes Papier, in das man Zacken schneiden muss", weiß Felix.
Lea meldet sich, will auch etwas beitragen. "Meine Kartoffel", sagt sie,
"sieht aus wie ein Papageienkopf." Danach lacht sie. Und lacht und lacht.
Die Kinder verstehen sich
gut, spazieren interessiert von Station zu Station. Es gibt mehr als Kartoffeln
auf dem Feld der Kirchhelles, zum Beispiel Hafer. "Wollt ihr den Mähdrescher
sehen oder Tiere?" Nein, der Mähdrescher ist out. Zu Fuß geht's
zurück zum Hof. Putzig: Felix und Julia tragen zu zweit den Kartoffelkorb
zurück. Arbeit getan?
Oh nein! Angekommen am Hof.
"Erst trinken oder erst arbeiten?", fragt Birgit Kirchhelle. Trinken? Wozu?
Widerspruchslos waschen die acht Kinder die Kartoffeln, an diesem Sommertag
ist selbst Küchenarbeit spitze. Die vom Feld mitgebrachten Hafer-
und Rapskörnchen liegen auf der großen grünen Wiese.
Die Kartoffeln sind sauber,
da locken die Kaninchen. Doch nicht nur die. Das große Bauernhaus
ist voll. Voller Tiere. Es ist laut, stickig, der Geruch ist streng. Eine
fast morsche Holztreppe geht's hinauf in den ersten Stock. Psst. . . es
läuft ein Riesen-Gackerkonzert des Hühner-Orchesters. Jan Kirchhelle,
der Sohn des Hauses, sucht nach frisch gelegten Eiern - und präsentiert
sie stolz. Jeden Morgen ab vier Uhr "quatschen" die 200 Hühner. "Da
schlaft ihr noch", sagt Birgit Kirchhelle. Noch lauter, stickiger und strenger
ist's im Schweinestall. Gerade war die große Fütterung. Die
Tour endet bei den Gänsen. Die halten sich gerade im Freien auf.
Schluss? Noch nicht ganz.
Die am Anfang geernteten Kartoffeln hat Birgit Kirchhelle klammheimlich
in einen Topf auf den Herd gestellt. Nach absolvierter Arbeit und spannender
Hoftour gibt's für Felix, Julia und Co. Getränke. Und Kartoffeln!
Copyright liegt bei der WAZ Mediengruppe
Helft mir, heute wurde ich von der Polizei abgeholt… Keine Sorge, ich habe keine Bank überfallen. Es war eine abgesprochene Fahrt auf Castrop-Rauxeler Autobahngebiet.
... helft mir alle, ich bin
heute von der Polizei abgeholt worden. Und saß hinten in diesem großen
grünen Wagen. Und konnte nicht raus!!!
Neeein, keine Sorge. Ich
habe keine Bank überfallen, nein, ich bin nicht als Kleindieb in der
Altstadt aufgefallen, nein, ich habe mit meinem Auto keine Dummheiten angestellt.
Es war alles ein “gewolltes” Polizei-Manöver.
Okay, der Reihe nach!
Schon gestern Abend erfuhr
ich, dass ich heute einen etwas anderen Anfahrtsweg wählen muss. Nicht
über die A 40 und die B 235 soll es gehen. Sondern über die nördliche
Variante der Anfahrt. Über die A 2. An der Stadtgrenze zwischen meiner
Heimatstadt Mülheim und Duisburg fahre ich also zu Beginn der Fahrt
am Autobahnkreuz Kaiserberg auf die A 3. In Oberhausen teilt sie sich in
A 2 und A 3. Ich nehme die “Zwei” und faaahre und faaaahre und faaaaahre.
Es ist dreispurig und die Strecke ziiiiieht sich. Nacheinander fliegen
die Ausfahrten an mir vorbei. “Oberhausen-Königshardt”, “Bottrop”,
“Kreuz Bottrop”, “Gladbeck-Ellinghorst”, “Essen/Gladbeck”, “Gelsenkirchen-Buer”
(hier geht’s doch zur Arena ab, zu einem Fußballverein, aber zu welchem?
Mir fällt’s gerade nicht ein...), “Herten”, “Kreuz Recklinghausen”,
“Recklinghausen-Süd”, “Recklinghausen-Ost” und dann ENDLICH folgt
“Henrichenburg”.
Direkt an der Ausfahrt liegt
ein Imbiss. Dort warten die Polizisten Christoph Becker und Uwe Senkel.
Der eine - Becker - ist Verkehrssicherheitsberater des Polizeipräsidiums
Münster, der andere - Senkel - arbeitet beim Verkehrsdienst der Autobahnpolizei.
Die beiden liefern eine Live-Reportage. Sie fahren auf der A2 zwischen
der Castrop-Rauxeler Auffahrt “Henrichenburg” und dem inzwischen stillgelegten
Rastplatz “Hohenhorst” auf und auf der anderen Seite wieder ab und kontrollieren
Reisebusse. Eine halbe Stunde stehen wir auf der A2 Richtung Duisburg zunächst
am Fahrbahnrand in einer Einbuchtung. Weil kein Bus kommt. Eigentlich ungewöhnlich
an einem Nachmittag kurz vor Ferienende. Becker und Senkel erklären
das Konzept. “Man darf nicht vergessen, dass ein Bus ein sicheres Reisemittel
ist”, sagt Becker. “Aber es gibt ein riesiges Gefahrenpotenzial.” Seit
dem 1. Januar ist es Pflicht, einen Beckengurt anzulegen. Das wissen nur
wenige. Bei den Kontrollen geben die Beiden nicht nur Tipps, sondern prüfen
auch den Busfahrer, die Reifen und den allgemeinen Zustand.
Wir warten und warten und
warten. Christoph Becker schaut immer wieder in seinen Außenspiegel.
Nichts. Ich überlege, wie viele Autobahnen das Castroper Stadtgebiet
eingrenzen. Im Norden die A 2, in der Mitte die A 42, im Süden die
A 40. Das ist wirklich sehr übersichtlich und leicht zu merken. Ausfahrten
mit dem Stadtnamen gibt es nur drei, alle an der A 42, nämlich “Castrop-Rauxel-Bladenhorst”,
“Castrop-Rauxel” und “Kreuz Castrop-Rauxel-Ost”. Da hat wohl jede andere
Ruhrgebiets-Stadt einen besseren Wert… Die B 235 verbindet jedenfalls alle
Autobahnen und ist so etwas wie die Hauptschlagader der Stadt. Das habe
ich jetzt geschnallt.
Wir sitzen immer noch im
Polizeiwagen. Kommt jetzt endlich ein Bus?? Plötzlich tritt Christoph
Becker auf das Gaspedal. “Da is’ einer”, sagt er. Becker überholt
einen Bus aus “PE” (heißt Peine), drückt auf den Knopf, der
das “Bitte folgen"-Schild auf dem Wagen blinken lässt. Es geht auf
den Rastplatz. Busfahrer Gerd Förster öffnet die Tür. Becker
ruft laut “Hallo zusammen” und beruhigt die Reisegruppe. Es ist eben “nur”
eine ganz normale Kontrolle. Die Gruppe kommt aus Braunschweig und besteht
aus 6- bis 12-jährigen Kindern, die den “Movie Park” in Bottrop-Kirchhellen
sehen wollen. Christoph Becker redet ruhig und verteilt Flyer. “Wir wollen,
dass Sie sicher reisen! Ihre Sicherheit liegt uns am Herzen!”, steht drin.
Uwe Senkel befragt den Busfahrer, überprüft den Führerschein,
die Scheibe mit den Angaben der Lenkzeiten und die Reifen. “Alles vorbildlich”,
sagen beide nach ein paar Kontrollminuten. “Die Polizei ist sehr zufrieden.”
Der Bus fährt weiter, die Kinder freuen sich nicht nur auf den Movie
Park, sondern auch darüber, dass sie zu Hause in Braunschweig eine
schöne Polizei-Geschichte erzählen können. Wir fahren wieder
zurück zur Pommesbude, zu den dort geparkten Autos. “Wir wollen in
die Köpfe der Leute rein”, sagt Christoph Becker. Vor allem die Anschnallpflicht
ist ihm sehr wichtig. Und dass jeder Mitreisende vor der Abfahrt den Bus
überprüft - auf Reifenprofil, Gesamtzustand, Alter. “Im Notfall
die Polizei rufen”, ergänzt Uwe Senkel.
Ja, auch die Autobahnen
zählen zur Stadt, und auch die dürfen bei meiner “Expedition
durch Castrop-Rauxel” nicht fehlen. In Richtung Redaktion, also in die
Altstadt, fahre ich natürlich über die B 235. Aber erstmals aus
der anderen, also nördlichen, Richtung. Und jetzt begreife ich noch
viel mehr über die Struktur der Stadt. Ich durchquere zunächst
Henrichenburg, dann geht’s durch Habinghorst, vorbei an Industrie und Feldern.
Schließlich weist ein Schild den Weg zum “Hauptbahnhof” - diese Tour
steht mir noch bevor. Ein paar Ampeln später folgt dann die Altstadt.
Rein in die Wittener Straße, wie immer parken am Brückenweg.
In der Konferenz erzähle ich von meinem Vormittag. 26 Tage Volontär
- und schon im Polizeiwagen…
Jetzt fahre ich nach Hause
und gucke “Popstars”. Mit dem tanzenden Schüler Mehdi aus Castrop-Rauxel.
Diese Stadt verfolgt mich sogar bis auf die Couch!
PS: Auch heute hörte
ich wieder von einem Zitat über Castrop-Rauxel. Ein Kollege rief mich
deshalb sogar an. Fips Asmussen, der immer so fuuuurchtbar schlechte und
platte Dönekes von sich gibt, soll einmal gesagt haben: “Wenn du in
Castrop-Rauxel einatmest, dann spuckst du Briketts aus.”
Noch so einer, der ein bisschen
Nachhilfe nötig hat.
Copyright liegt bei der WAZ Mediengruppe
Es ist ein heißer Kampf,
die Schweißperlen rinnen von der Stirn. Andres Martinez und Alexander
Lücke pumpen, wie sie zuvor noch nie pumpten. Bei der deutschen Meisterschaft
im Plattenflicken haben sie es ins Finale geschafft. Siegen kann nur einer.
Lücke schraubt den Reifen als erster zu, reißt die Arme hoch.
Martinez folgt Sekunden später. Die Entscheidung ist nur fünf
Minuten entfernt. So lange muss die Luft im Reifen bleiben.
Andrea Friese von Zweirad
Sümpelmann hatte die Idee zur deutschen Meisterschaft. Sie lud zu
den Insel-Terrassen auf der Wartburginsel. "Das war ein Geistesblitz, als
ich selbst einen Platten hatte", sagt Andrea Friese. Die 20 Teilnehmer
kamen aus Castrop-Rauxel, Herne, Recklinghausen - etliche sind Mitglied
beim Ruderverein Rauxel.
Zum Beispiel Alexander Lücke.
Er ist der Trainer. Die fünf Minuten vergehen nur ganz langsam. Seine
Schützlinge klopfen ihrem Coach auf die Schulter, sagen "Bravo". Doch
noch ist's nicht geschafft. Verfolgt wird das Geschehen von zwei Fernsehteams
und Moderator Jan Plonta. Große Sprüche entlockte der den Teilnehmern.
Ein Vorrunden-Teilnehmer versprach am Mikro: "Ich werde die Anderen in
Grund und Boden flicken." Doch der Flicken hielt nicht. Mike Selke, der
trotz Bewölkung eine Sonnenbrille trug ("Das ist mein Doping"), sagte
nach dem Finaleinzug: "Das war ein Quickie-Flick."
Die fünf Minuten sind
rum. Alexander Lückes Reifen ist wieder platt. Das Aus. Andres Martinez
reißt die Arme. Der 21-jährige Werkzeugmacher aus Habinghorst
hat ein Mountain-Bike gewonnen. "Endlich ein neues Rad", sagt er. "Mein
altes ist drei Jahre alt." Seine größten Fans sind seine Eltern
und die zwei Geschwister. "Seitdem er klein ist, fährt er Fahrrad",
sagt der stolze Papa Santiago. Mike Selke landet auf Platz zwei. Im Finale
trug er die Brille nicht. "Mein Doping fehlte eben."
Martinez saust derweil mit
seinem neuen Rad auf und davon. Von der Tour de France sprach an diesem
Nachmittag niemand. Warum auch? In Castrop-Rauxel war alles echt und ehrlich.
Copyright liegt bei der WAZ Mediengruppe
Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 12 - 30.7.2007Pfffschschpffffschschpfff… okay, mein erstes Wort der Woche ist eigentlich kein Wort. Aber wer während einer Radtour wegen eines Plattens halten muss, der kennt dieses Geräusch zu genau. In Castrop-Rauxel fand die deutsche Meisterschaft im Plattenflicken statt. Und ich war mittendrin.
Heute ist Samstag.
Was könnte ich heute
für herrliche Dinge unternehmen!? Mein VfL Bochum bestreitet heute
ein Testspiel gegen Borussia Mönchengladbach (und wird gewinnen, natürlich!),
der Simpsons-Film ist endlich, endlich in den Kinos, in meiner Heimatstadt
Mülheim läuft ein Reggae-Festival und das Wetter erst… Wobei:
So doll sieht’s gar nicht aus und deshalb steuere ich mein Auto gar nicht
einmal so schlecht gelaunt durch die Bewölkung Richtung Autobahn.
Wie sieht es wohl in Castrop-Rauxel
am Wochenende aus? Okay, sooo typisch ist das diesmal nicht, immerhin sind
noch Ferien und die Innenstadt wird nach wie vor ausgestorben sein. Aber
in der Innenstadt halte ich mich heute auch gar nicht auf. Der erste Termin,
den ich mir notiert habe, lautet: “Deutsche Meisterschaft im Plattenflicken”.
Das Ganze soll stattfinden
auf der Wartburginsel. Ein Redakteur hat mir am Freitag den Weg erklärt.
Er stellte sich mit mir vor den Stadtplan und sagte: Da und da und da -
und dann bist du da. Ich bin gespannt. Nach einer kurzen Fahrt über
die A 2 lande ich auf der Henrichenburger Straße. Ja und dann? “I’m
a Mülheim man in Castrooop”, trällere ich frei nach Sting - und
bin froh, dass mich keiner hört. Ich biege ab in eine Querstraße
und lande auf der Wartburgstraße. Kann ja so falsch nicht sein. Aber
wohin jetzt? Ich fahre blind nach links und rechts und stehe schließlich
auf einem riesigen, aber leeren Parkplatz vor einem großen Geschäft.
Keiner steht mehr vor der Imbissbude und die Mitarbeiter packen schon zusammen.
“Ähem”, setze ich an. “Wo isn hier die Wartburginsel?” “Oh, ganz einfach”,
antwortet ein junger Mann. “Wieder zurück auf die Hauptstraße,
dann rechts und kurze Zeit später wieder rechts. Einen ganz kleinen
Weg hinunter. Du musst aufmerksam fahren.” Okay, dann fahre ich eben aufmerksam,
obwohl ich vor lauter rechts und links kaum noch klar denken kann. Trotz
allem: Straße und Weg finde ich in Rekordgeschwindigkeit. Ich parke
mein Auto zwischen Stock und Stein.
Nach einer deutschen Meisterschaft
sieht es hier wirklich nicht aus. Ist aber nicht schlimm. Denn Plattenflicken
ist keine Trendsportart und nicht einmal auf dem Weg dorthin. Denn es ist
eine Schöpfung von Andrea Friese aus dem Castrop-Rauxeler Fahrradgeschäft
“Zweirad Sümpelmann”. Zweifellos eine gute Idee. Langsam nähere
ich mich der “Wettkampfstätte” - das ist der Außenbereich der
Gaststätte “Inselterrassen”. Scheinbar trainiert der Ruderverein Rauxel
in der Nähe, denn die Ruderinnen und Ruderer sind deutlich in der
Überzahl. 20 Teilnehmer, ein paar Fans und… sogar zwei Kamerateams!
Kellnerinnen schleppen Teller mit Currywurst/Pommes/Majo und ein paar Bierchen.
Moderator Jan Plonka beobachtet die ersten Flicker.
20 Teilnehmer - macht fünf
Runden á vier Personen, die Sieger erreichen das Finale. So weit,
so einfach. Doch: einfach? Jedem stehen ein paar Utensilien zur Verfügung.
Das sind ein löchriger Schlauch, ein Eimer Wasser (um das Loch im
Schlauch zu entdecken), Kleber, Flicken, eine Felge und natürlich
eine Luftpumpe. Erste Aufgabe: flicken. Zweite Aufgabe: aufpumpen. Dritte
Aufgabe: 5 Minuten warten. Runde eins geht vorbei. In Runde zwei versuchen
Malte, Leonie, Mike und Oliver ihr Glück. Mikes bester Kumpel trägt
ein großes Schild “Du schaffst es Mike”. Der trägt eine Sonnenbrille.
“Mein Doping”, sagt Mike. Jan Plonka entgegnet: “Ich glaube, das ist die
einzige dopingfreie Veranstaltung mit Fahrrädern.” Mike ist schnell
fertig, erklärt seine schnelle Runde zu einem “Quickie-Flick”. Danach
hilft er Leonie. “Da nutzt er die Chance”, sagt der Moderator, “zu einem
kleinen Flirt.” Es ist eine sehr kurzweilige Veranstaltung. Wirklich! Zwischendurch
erklärt Andrea Friese, wie sie auf den Geistesblitz kam: “Ich hatte
selbst einen Platten.” In Runde fünf verspricht jemand, die anderen
“in Grund und Boden zu flicken”. Doch nur zwei Minuten später muss
der kleinlaut gestehen: “Kleber und Flicken wollen nicht halten.” Nach
anderthalb Stunden ist’s geschafft. Die Finalteilnehmer stehen fest.
Das entscheidende Zeitfahren
der Tour de France läuft parallel. Doch in der Pause zwischen Vorrunde
und Endpump kommt niemand auf die Idee, zum TV-Gerät zu rennen. Warum
das Gelbe Trikot, wenn es auch der Goldene Schlauch sein kann? Es wird
ernst. Ein Fernsehteam hat Mike zum Favoriten erklärt und ihn verkabelt.
Die Sonnenbrille trägt er nicht mehr. Es ist einfach zu bewölkt.
Auf die Plätze, fertig, flick! Schiedsrichter Marcel Schwandt eröffnet
das Finale mit einem Startklingeln. Mike ist schnell abgeschlagen. “Mein
Doping fehlt”, sagt er. Um den Sieg pumpen Alexander Lücke, Trainer
des Rudervereins, und Andres Martinez. Alexander Lücke hat Erfahrung
mit Rädern. Am Streckenrand fährt er oft parallel zu seinen Schützlingen
- und zu oft liegen Scherben im Weg. Andres Martinez ist “nur” Hobby-Mountain-Biker.
Er ist mit geballter familiärer Unterstützung anwesend. Seine
Eltern sowie seine zwei Geschwister drücken die Daumen. Ein Zweikampf
bis zum letzten Lufthauch.
Alexander Lücke ist
schneller. Er schraubt den Reifen zu, hebt die Hand, legt die Luftpumpe
weg. Gewonnen. Die Ruderer jubeln, erster Preis ist nicht nur der Schlauch,
sondern auch ein Mountain-Bike. “Jungs, ihr könnt stolz sein auf euren
Trainer”, brüllt Jan Plonka. Der geschlagene Andres Martinez schaut
etwas bedröppelt. Doch fünf Minuten sind’s noch. Noch vier, drei,
zwei, eins. Und? Der Schiri muss die Ruderfraktion enttäuschen. Der
Reifen ist wieder platt. Das Aus für Alexander. Andres hingegen hat
ohne Fehl, Tadel und Doping geflickt. Erster Platz, Goldener Schlauch,
neues Fahrrad. “Endlich”, sagt er, “mein altes war schon drei Jahre alt.”
Papa Santiago klatscht begeistert in die Hände. 21 Jahre ist Andres
alt und bald Werkzeugmacher. Als sich alles beruhigt hat, zieht Andrea
Friese Bilanz. “Eine runde Sache”, sagt sie. Ob es 2008 eine zweite Auflage
gibt, will sie in Ruhe entscheiden.
So war das mit den Plattenflickern.
Danach ging mein Samstagmittag
noch weiter. Aber für heute habe ich Euch schon genug Zeilen zugemutet.
Von Pöppinghausen erzähle
ich Euch dann morgen.
Copyright liegt bei der WAZ Mediengruppe
Pöppinghausen heißt wirklich so, hat 900 Einwohner und liegt seeeehr abgeschieden. Was das mit U2 zu tun hat, erfuhr ich im Nirgendwo.
Es soll ja auch einige Nicht-Castrop-Rauxeler geben, die meine Zeilen Tag für Tag lesen. Für diejenigen sind meine ersten Sätze des Tages: Es gibt selbst hier viele, viele Stadtteile. Etliche habe ich Euch schon vorgestellt, einige nicht. Da sind Henrichenburg (mit der Autobahnausfahrt der A2), Ickern (folgt morgen), Habinghorst (mit der Langen Straße, siehe “Meine erste Stadtrundfahrt"), Rauxel (mit dem Hauptbahnhof und der Europahalle, da war ich noch nicht), Bladenhorst (mit dem Schloss), Castrop (hier sind die Redaktion und die Altstadt), Schwerin (bin ich bisher nur durchgefahren), Frohlinde (wo isn das?) und Merklinde (an der B 235, grenzt an Dortmund-Bövinghausen).
Und dann ist da noch Pöppinghausen.
Lest Euch bitte zur Einstimmung
noch einmal den gestrigen Blog-Eintrag durch. Plattenflicken. Deutsche
Meisterschaft. Verfahren. Wartburginsel.
Seid Ihr wieder im Film?
Gut!
Ich verlasse die Wartburginsel,
biege ab auf die Wartburgstraße und folge einem Schild Richtung Pöppinghausen
- ja, jetzt nicht so ungläubig auf den Bildschirm starren - der Stadtteil
heißt wirklich so. Im Internet habe ich mich ausgiebig informiert.
Und auch eifrig die erfahrenen Kollegen befragt. Ich fahre mitten durch
die Natur und merke schnell: Pöppinghausen (ich schreib das so gern)
liegt außerhalb. Es ist nicht mehr wirklich Castrop-Rauxel, aber
auch noch nicht Herne. Der Stadtteil hat nur 900 Einwohner. Wirklich. Mehr
dürfen es nicht werden, Pöppinghausen verfügt über
keine Wohnbaulandreserven mehr. Auf dem Stadtplan nimmt Pöppinghausen
kaum mehr als wenige Quadratzentimeter ein. Ich wechsle im Auto noch schnell
die CD - mir steht der Sinn nach “Where the streets have no name” von U2
(warum wohl?) - und denke an meine Worldwideweb-Recherche vom Vormittag.
Eine Internetseite des WDR verrät, dass ein Ahnherr namens Poppo dem
Dorf zu seinem Namen verhalf. Na ob das wohl stimmt… Im Frühmittelalter
soll er der Gründer oder Dorfälteste der Siedlung gewesen sein.
Eine Siedlung, das ist Pöppinghausen bis heute. Der Redakteur erzählte
erstaunliche Dinge: “Es gibt dort keine Einkaufsmöglichkeit.” Vor
vielen Jahren schloss der letzte Supermarkt. Die Einwohner müssen
nach Habinghorst fahren. Mit dem Bus ist Pöppinghausen sehr schwer
zu erreichen. Eine Kneipe gibt es auch nicht mehr. Die letzte ging vor
ein paar Jahren K.o. und ist inzwischen längst in eine Wohnung umfunktioniert.
Selbst Kabelfernsehen gab es hier nicht. In Zeiten von Sat-TV und DVB-T
ist wenigstens das kein Nachteil mehr.
Mittlerweile habe ich das
Ortsschild erreicht und biege ab in den Ringelrodtweg. Ich suche einen
kleinen Teich hinter dem Umspannwerk in der Nähe des Rhein-Herne-Kanals.
Es bleibt noch ein wenig Zeit, über meine Recherchen nachzudenken.
Auf der städtischen Homepage führt ein Link zu Gesprächen
des “Zukunftsprojektes Castrop-Rauxel”. “Der dörfliche und ländliche
Charakter des Ortsteils wird überstimmend als besondere Qualität
benannt. Wald, Felder und die Lage am Kanal machen das Einzigartige aus.
Die Abgeschiedenheit wird von vielen geschätzt, aber auch kritisch
betrachtet. Weil der Ortsteil “am Ende der Welt” liegt und sehr klein ist,
haben viele das Gefühl, dass ihr Ortsteil nur der Wurmfortsatz von
Habinghorst sei und deshalb oft von der Politik nicht ernst genommen werde”,
steht dort zum Beispiel. Am Ende der Welt also. Im WDR-Artikel heißt
das Wort “Kuhkaff”.
Was gibt es denn nun in
Pöppinghausen außer Umspannwerk und Wohnhäusern? Ein Jugendzentrum,
einen eingruppigen Kindergarten (aufgefüllt mit Kindern aus Herne),
eine Kirche (die aber nur noch für Hochzeiten genutzt wird) und den
Sportplatz von SuS Pöppinghausen (Spitzen-Vereinsname). Der Platz
ist in Sichtweite, als ich die maximal marode Wewelingstraße befahre
und befürchte, dass mein Auto in irgendeinem Schlagloch versinkt.
Vor dem Sportplatz muss
ich liiiiiiinks ganz scharf um die Kurve, wurde mir gestern so mitgeteilt.
Gesagt, getan. Ich biege ab, mein Auto freut sich mit, durchquere eine
Tor-Einfahrt und lande tatsächlich an einem Teich. Wahnsinn, das sieht
hier wirklich unglaublich idyllisch aus. Es ist ein toller Ort, um Ruhrgebietsfeinde
zu beruhigen. 22.000 Quadratmeter Wasser, große Bäume ringsum,
dazu noch grüne Wiesen und vor allem: Ruhe. Grenzenlose, endlose Ruhe.
Kein Auto stört. Keine Autobahn. Kein Fußgängerzonen-Gebrüll.
Ein Anglerverein aus Recklinghausen, der sich Früh Auf 80 nennt, hat
sich hier niedergelassen und fischt regelmäßig Hechte, Zander
und Schleie aus dem ruhigen Wasser. “Der Teich ist bestimmt 4,30 Meter
tief. Ich habe das noch nie getestet”, sagt Vorstandsmitglied Uwe Unger.
Gemeinsam mit seinen Vereinskollegen hat er ein Insektenhotel gebaut und
am Rand des Teichs auf einer großen Wiese aufgebaut. Ein Insektenhotel
mit Holz, Ziegelsteinen und Ästen für Käfer, Spinnen und
Fliegen. Ich trinke eine Cola, lasse mir ausgiebig das etwas andere Hotel-Konzept
erklären (es gibt keine Sterne, keinen Portier, keinen Zimmerservice
- und doch gefällt’s den “Touristen") und reise schließlich
weiter.
Der Rhein-Herne-Kanal durchquert
Pöppinghausen - und als ich daran denke, fällt mir etwas ein,
was ich noch vergessen habe: Hier in diesem kleinen Vorörtchen gibt
es einen gut frequentierten Yachthafen, wenigstens das. Bezeichnend: Dieser
Hafen ist über die A42-Ausfahrt “Herne-Horsthausen” bestens zu erreichen.
Hier ist nirgendwo. Where the streets have no name. Hier ist irgendwie
Herne, aber auch Castrop-Rauxel und ein Klub aus Recklinghausen ist hier
heimisch. Auf dem Rückweg befahre ich noch einmal nahezu alle Straßen
des Stadtteils, kurve extra langsam mit 20 km/h herum. Wohnbebauung, sonst
nichts. Spielt sich hier das wahre Leben in aller Abgeschiedenheit ab?
Ist das hier die Chillout-Zone Castrop-Rauxels? Oder ist’s hier einfach
nur öd und leer? Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo in der
Mitte.
Ende der Nachhilfestunde
zu Pöppinghausen. Aber noch nicht Ende des Unterrichts.
Morgen geht’s nach Ickern
in den Nordosten der Stadt.
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WAZ Castrop-Rauxel - 1.8.2007 - Serie: Melanie kommt in die Schule (Teil 2)Gar nicht schüchtern
sitzt Melanie Piskorz auf dem Schoß ihrer Gruppenleiterin Annelie
Knop. Selbstbewusst und laut rattert sie die Zahlen runter, die sie schon
kennt. "Eins, zwei, drei, vier. . .", sagt sie, zählt bis 25, ohne
dabei Luft zu holen. Melanie ist sechs Jahre alt. Zum letzten Mal läuft
sie heute durch die Tageseinrichtung Villa Kunterbunt in Ickern. Nächste
Woche kommt sie in die Schule.
Auf ihrem Kopf trägt
sie ein selbst gebasteltes, rotes Stirnband. Ganz vorn steht "Melanie",
angeklebt ist ein rotes Herz. "Heute Morgen", sagt Melanie, "habe ich Nudeln
mitgebracht." Kochen zum Abschied. Spagetti morgens um 10.15 Uhr. Für
insgesamt 26 von 76 Kindern der Villa Kunterbunt beginnt nächste Woche
ein neues Leben. Und auch für zwei Erzieherinnen. Die gehen ebenfalls
am 31. Juli. Puh, ganz oft "Tschüss" sagen an diesem Dienstag.
Mit dem Stirnband auf dem
Kopf spaziert Melanie zurück in ihren Gruppenraum, lässt sich
Geschichten erzählen. Villa-Leiterin Carmen Ziegler schaut ein wenig
traurig hinterher. Bereits Melanies älteren Geschwister besuchten
die Villa Kunterbunt. "Für uns", sagt Carmen Ziegler, "geht deshalb
eine Ära zu Ende."
Bereits im letzten Jahr
nahmen die "Schulkinder" an Projekten teil. "Die Angebotsstruktur ist natürlich
ganz anders als für 3-Jährige", erklärt Ziegler. Jedes Schulkind
bekam ein 3-jähriges Patenkind an die Hand. Außerdem ging es
zum Beispiel für Melanie mit dem All-Projekt ins Planetarium. Und
die Verkehrserzieher der Polizei kamen.
Mars, Venus, Saturn und
Polizei sind diesmal kein Thema. Melanie zieht sich ihre kleinen Schuhe
an, legt das Stirnband ab, zieht sich ihre Jacke über und stürmt
nach draußen. Innerhalb von Sekunden stürmt sie die Kletterwand
hinauf und sprintet weiter zur Rutsche. "Auf die Pause in der Grundschule
freue ich mich besonders", sagt sie und tobt mit ihren Gruppenkameraden
herum. Annelie Knop zählt zwischendurch immer wieder die Kinder -
damit auch keins verloren geht.
Ein letztes Mal läuft
Melanie zum Noah-Teich. Noah, weil ein Junge namens Noah der erste war,
der ins knietiefe Wasser fiel. "Hier", sagt ihre Gruppenleiterin Annelie
Knop, "du darfst sie noch einmal füttern." Melanie nimmt die große
Packung Futter und schmeißt den Goldfischen und Kois ein paar Körner
zu. Melanie und ihre Freunde halten ihre Finger ins Wasser. Brr. . . ist
ganz schön kalt.
Es dauert nicht mehr lange
bis zum großen Tag.
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Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 19 - 10.8.2007I can’t wait for the weekend to begin. Ich kann nicht abwarten, bis das Wochenende beginnt. Und JETZT beginnt’s. Am Freitag lernte ich alle weiterführenden Schulen Castrop-Rauxels auswendig.
Es gibt da dieses eine Lied.
Es kommt jeden Montag, jeden Morgen, gefühlt jedes Mal während
des Frühstücks. Die Melodie geht etwa so: “Diiidippdippdidiiiiidippdippdidiii”
undsoweiterundsoweiter. Und dann kommt dieser Refrain: “I can’t wait for
the weekend to begin”. Ich kann nicht abwarten, bis das Wochenende beginnt.
An einem stinknormalen Montagmorgen ist dieser Song selbstverständlich
der blanke Horror. Du hast gerade einen wunderschönen Samstag hinter
dir, in der Bundesliga hat der VfL Bochum triumphal gewonnen (leider kommt
das viel zu selten vor). Am Sonntag folgen Treffen mit Freunden, die während
der Woche viel zu kurz kommen, dann schaue ich mir meistens die Spiele
des Mülheimer Fußball-Oberligisten VfB Speldorf an, herrlich.
Und dann am Montagmorgen dieses Lied. Horror, ich sag’s ja.
Damit der Song nicht nur
negativ konnotiert, also mit dem Wort “miiiies” verbunden ist, habe ich
ihn mir auf eine CD gebrannt. Und höre es heute. Auf dem Weg zur Redaktion.
Auf dem Weg in die Castrop-Rauxeler Altstadt. Immer und immer wieder. Na
klar bin freue ich mich auf Samstag (Saisonstart! VfL Bochum gegen SV Werder
Bremen) und Sonntag (Oberliga, Revierderby! VfB Speldorf gegen ETB Schwarz-Weiß
Essen), aber heute ist Freitag - und für mich wird es endlich Zeit
für eine weitere Nachhilfestunde in Sachen Castrop-Rauxel.
Die weiterführenden
Schulen sind heute an der Reihe. Schon vorgestern (gestern nicht: REGEN!)
ist’s mir aufgefallen. Vermehrt laufen junge, ganz junge Menschen mit Rucksäcken
durch die Altstadt. Das heißt: Die Schule hat begonnen. Seit ich
selbst das Abizeugnis in Mülheim in Empfang nahm, sausen die Ferienzeiten
in Formel-1-Tempo an mir vorbei. Jedenfalls unterrichten die Lehrer wieder
- und es wird Zeit für Schulthemen in unserer Lokalausgaben. Ich nutze
die Gelegenheit, um herauszufinden, wie viele weiterführende Schulen
es hier überhaupt gibt. Schnell gecheckt… und die richtige Zahl lautet:
“8” - zwei jeder Schulform, alle sind nach berühmten Personen benannt.
Soll ich alle aufzählen? Nein? Ätsch, ich mach’s trotzdem: Da
wären das ASG (Adalbert-Stifter-Gymnasium), das Ernst-Barlach-Gymnasium,
die Fridtjof-Nansen-Realschule, die 2005 eröffnete Johannes-Rau-Realschule,
die Willy-Brandt-Gesamtschule, die Janusz-Korczak-Gesamtschule, die Franz-Hillebrand-Hauptschule
und die Schillerschule. Puh, geschafft.
Seit Anfang der Woche -
pünktlich zum Schulbeginn - wird darüber diskutiert, ob der Unterricht
am Samstag wieder eingeführt werden soll. Im Moment ist’s ruhig auf
den Schulhöfen in NRW am sechsten Tag der Woche, also auch in Castrop-Rauxel.
Ändert sich das? Was denken die Beteiligten? Direkt in der Altstadt
soll ein Gymnasium sein, komisch, das ist mir noch nie aufgefallen. Der
Fotograf und ich ziehen los, und tatsächlich, kurz hinter dem Marktplatz,
stehen die Gebäude des Adalbert-Stifter-Gymnasiums, kurz ASG. Ach
daaaaas ist eine Schule. Wir kommen zu einer ungünstigen Zeit, im
Moment ist keine Unterrichtspause. Dennoch begegnen wir vier Schülern
der Jahrgangsstufe zwölf. Wir überraschen sie in einer Freistunde.
Mathias mampft Nudeln aus einem Plastikteller. Er und seine Freunde Janis,
Patrick und Tobias weisen die Idee der Schulministerin Barbara Sommer strikt
zurück. “Ich brauche den Samstag zum Ausschlafen”, sagt der eine.
“Wir können ruhig während der Woche länger machen. Das ist
Gewohnheit. Da brauchen wir keine Entlastung”, meint der zweite. “Wir haben
hier immer den Tag der offenen Tür am Samstag, drei Stunden lang.
Das geht gaaaaar nicht”, erklärt der dritte der Gruppe. Matthias legt
kurz die Gabel zur Seite und merkt ganz trocken an: “Sollen sie das ruhig
einführen. Aber erst in zwei Jahren, denn da mache ich Abi.” Wo sind
eigentlich die jungen Frauen der Stufe zwölf? “Bestimmt im Café
Balzac am Markt”, sagt Mathias. Stimmt, darauf bin ich noch gar nicht gekommen.
Von unserem Café-Test meiner ersten Woche in Castrop-Rauxel sind
mir die verschiedenen Möglichkeiten in der Altstadt noch gut bekannt.
Hier gibt es verlockende Möglichkeiten, die Freistunde auszudehnen.
Meine Ex-Schule in Mülheim steht auf einem Hügel, ziemlich weit
von der City weg, überhaupt weit von jeglicher Art von Café
entfernt.
Wir verlassen den Schulhof,
lassen die Jungs weiter entspannen. Ich selbst hatte bis zur Jahrgangsstufe
elf noch Unterricht am Samstag, alle zwei Wochen. Zwei Stunden Religion
in der 3. und 4. Stunde, also bis 11.25 Uhr - und direkt danach ab zum
VfL. Lustig war das nicht. Egal. Wir laufen durch die Altstadt zurück
zur Redaktion, vorbei an zahlreichen Schülerinnen und Schülern
(heute fallen die mir - komisch - ganz besonders auf). Mal schauen, was
die übrigen Beteiligten in Castrop-Rauxel so glauben. Ich setze mich
ans Telefon und führe Gespräche. Eins nach dem anderen. Mit Schulleitern,
einer Elternvertreterin. Die Meinungen sind eindeutig: Niemand plädert
für die Wiedereinführung einer Sechs-Tage-Woche. Ich nehme den
Hörer ab, wähle eine Nummer, spreche, lege auf - und wieder von
vorn. So geht das den ganzen restlichen Tag. Aber das macht nichts. Mit
dem Wochenende am Horizont lässt sich’s doch viel leichter arbeiten,
viel leichter eintippen.
I can’t wait for the weekend
to begin.
Notiert meinen Tipp: VfL
Bochum - SV Werder Bremen 2:1. Schließlich bereitet sich der VfL
in der Nacht von Freitag auf Samstag in Castrop-Rauxel im “Hotel Goldschmieding”
in Altstadt-Nähe vor. Und da ist’s ruhig, ich weiß es. Die Castroper
Luft wird’s richten!
Jetzt habe ich “weekend”.
Wochenende. Doch ich komme wieder, keine Frage!
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WAZ Castrop-Rauxel - 18.8.2007Verärgert blickt Jürgen
Kahl auf den Messenkamp. Vor jedem Haus in seiner Straße stehen die
Gelben Tonnen. Mittwoch schon hätten sie geleert werden müssen.
Doch jetzt ist Freitagmittag. "Das passiert jetzt zum zweiten oder dritten
Mal. Was machen wir, wenn es stürmt und die Tonnen kippen um? Dann
liegt der Müll auf der Straße verteilt." Jürgen Kahl ist
nicht der einzige mit einem Müll-Problem. Auch Bewohner der Viktoria-
und Cottenburgstraße sowie des Bookenweg meldeten gestern noch volle
Tonnen.
Viele Beschwerden gehen
beim EUV ein. Doch die Stadtbetriebe sind für die Leerung der Gelben
Tonne gar nicht zuständig - sondern seit dem 1. Januar 2007 die Firma
Remondis. "Beschwerden gibt es aber bei uns immer wieder", sagt EUV-Mitarbeiter
Thorsten Werth-von Kampen.
Die Firma Remondis bekam
den Auftrag der Tonnen-Leerung von der Duales System Deutschland GmbH (DSD).
Die ist für die Kommunen zuständig und schrieb den Auftrag zum
1. Januar neu aus. Unter den Bewerbern: Remondis, ein weltweit operierendes
Unternehmen, und der EUV. Den Zuschlag bekam Remondis. "Mein Appell ist",
sagt Daniel Molloisch (SPD) aus dem Umweltausschuss, "dass der DSD versuchen
soll, es bei den Kommunen anzusiedeln. Die kennen den Ort." Sein Vater
Holke, ehemaliger Vorsitzender des Umweltausschusses, zählt zu den
betroffenen Bürgern. "Das ist ein Ausdruck des Privatisierungswahns
und ein Todesurteil für die stadteigenen Betriebe." Die DSD GmbH erklärt
die Auswahl der Firma nüchtern. "Wir stimmen uns mit den Kommunen
ab. Entscheidend ist die Wirtschaftlichkeit", sagt Mitarbeiter Norbert
Völl. "Von Beschwerden habe ich nichts gehört." Die landen eben
beim EUV - nur sind sie dort völlig falsch.
Was sind die Gründe
für die verspätete Leerung? Auch das Hotel Residenz in der Altstadt
hat Probleme. "Uns wurde am Mittwoch an der Hotline mitgeteilt, dass es
Fahrzeugschäden gab", sagt eine Mitarbeiterin. Nach mehrfacher Anfrage
unserer Redaktion an zwei Tagen äußerte sich Jutta Kersting
aus der Remondis-Kommunikationsabteilung gestern um 14.35 Uhr schriftlich:
"Am 15.08. kam es urlaubsbedingt zu einer Nichtleerung der gelben Tonnen.
Die Leerung wurde heute nachgeholt. Andere Störungen sind uns nicht
bekannt."
Der Vertrag mit Remondis
läuft noch bis Ende 2009. Dann wird neu verhandelt. Michael Werner,
Vorstandsvorsitzender des EUV, will alle Beschwerden an den DSD weiterleiten.
Er kann Remondis nicht verstehen: "Nach mindestens einem Quartal sollten
doch die Probleme abgestellt sein."
Bürgern wie Jürgen
Kahl sind die Hintergründe egal. Sie wollen einfach nur eine pünktliche
Leerung.
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WAZ Castrop-Rauxel - 24.8.2007Einer der langen Flure im
WLT: Kurz vor dem Ende, hinten im Eck, liegt Raum 51. "Fundus" steht ganz
klein auf dem Türschild unter der Zahl "51". Kostümschneiderin
Maud Herrlein schließt auf und deutet auf einen Ständer. "Diese
Sachen", sagt sie, "werden wir verkaufen." Und zwar im Rahmen von "Bühne
raus" auf dem Altstadtmarktplatz im Pavillon am Eingangsbereich (31. August
bis 2. September).
Wuchtig schiebt Maud Herrlein
die Kostüme hin und her. Wie viele es sind, kann sie nicht schätzen.
Sie zeigt auf ein blau leuchtendes Kostüm. "Das hier gehörte
zum Stück ,Der kleine Wassermann.' Da war ich selbst beteiligt." Sie
schaut weiter und weiter, staunt selbst oft über die Angebote und
murmelt dann: "Die hier sind wirklich ewig alt, die kann ich gar nicht
mehr zuordnen." Sie entdeckt eine mühsam genähte Jacke aus dem
Stück "Der kleine dicke Ritter". Maud Herrlein legt ihre Stirn in
Falten. "Das war eine Mordsarbeit", sagt sie und hängt das kostbare
Stück zurück auf den Ständer.
Die WLT-Mitarbeiterinnen
Elena Peeva und Pia Krug kommen in Raum 51. Sie spielen die Models und
probieren ein paar Kostüme an. Für kurze Zeit verwandelt sich
Elena Peeva in einen kleinen dicken Ritter. Pia Krug trägt erst das
Wassermann-Blaue und dann eins aus einem Jahrhundertwende-Stück. Welches
genau? Herrlein zuckt mit den Schultern. Die Preise liegen zwischen fünf
und 40 Euro.
Der Fundus ist riesengroß
und völlig überfüllt. "Alles geben wir natürlich nicht
weg", sagt Maud Herrlein. Sie zeigt auf verschiedenste Mäntel, Kleider,
Westen, Anzüge und Fantasie-Kostüme aus allen Epochen. Dazu kommen
Massen an Stiefeln und Schuhen. Ein Paar Motorradstiefel - genannt Bikerboots
- kostete einst 300 Euro. Das bleibt in einem Fundusschrank.
Viele Interessierte haben
sich schon angemeldet - denn der letzte Verkauf dieser Art fand vor etlichen
Jahren statt. "Viele suchen nach Kostümen für Karneval, aber
manche Frauen können einige Kleider auch bei einer Cocktailparty nutzen",
erzählt Herrlein.
Einige WLT-Mitarbeiterinnen
werden im Pavillon am Markt auf Wunsch die Kostüme und Kleider anprobieren.
So wie Elena Peeva und Pia Krug. Und das alles für ein bisschen Platz
im Fundus in Raum 51.
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WAZ Castrop-Rauxel - 19.9.2007Das sieht ja lecker aus.
. . Backfisch oder Currywurst? Waffel am Stiel oder Zuckerwatte? Auto-Scooter
oder Breakdance? Glaubensfragen auf kirmisch. Die Castroper Herbstkirmes
- seit gestern zu Ende - hat so viel mit der Cranger Kirmes zu tun wie
Dosenwerfen mit Playstation-Spielen. Sie ist klein. Aber auch fein? Wie
lief sie 2007?
Schnell ein Crepe mit weißer
Schokolade probieren: schön heiß, süß und lecker.
Eine Umfrage unter den Schaustellern: Beim Pfeilewerfen steht niemand.
"Hier", sagt der Verkäufer, "ist es nicht so gut gelaufen." Schräg
gegenüber dröhnt das "New York Höllentaxi". Die Geräuschkulisse
erinnert nicht an kleine, gelbe Autos, sondern an die New Yorker U-Bahn.
Es klickt und klackt mit gefühlten 180 Dezibel, Unterhaltungen fallen
schwer. Der Mann an der Kasse beantwortet die Bilanz-Frage mit den Fingern:
Daumen hoch! Danach spielt er die Techno-Version von Nenas "99 Luftballons".
Hast du etwas Zeit für mich?
Die Zeit verrinnt, zurück
geht's Richtung Marktplatz, vorbei an allerlei leckeren Sachen und an einem
Stand, der "Glücksreis - Ihr Name auf einem Reiskorn" heißt.
Sachen gibt's. Der Schüttelklassiker "Breakdance No. 2" ist nach wie
vor Treff- und Höhepunkt. "Es läuft besser als in den Vorjahren",
sagt die Verkäuferin und nennt gleich ihre Vermutung: "Weil zwei Fahrgeschäfte
weniger hier sind, verteilt sich das Geld auf die anderen." Diesen Grund
nennt auch Dieter Krieger, der Organisator aus dem Ordnungsamt. Auch er
drehte am letzten Tag eine Runde. "Mir haben die Händler gesagt, dass
sie zufrieden sind", sagt er. "Samstag normal, Sonntag gut, Montag sehr
gut." Die Meinungsverschiedenheiten mit dem Altstadt-Marketingverein Cityring
sind nicht neu. "Ich glaube, dass der Cityring auch mit der Veranstaltung
werben könnte. Die würde dadurch aufgewertet", sagt Krieger.
Den Vorschlag des Cityring-Chefs Daniel Borgerding, die Kirmes in den Erin-Park
zu verlegen, weist Krieger zurück. "Die Fläche ist nicht geeignet,
es müsste erst eine Infrastruktur geschaffen werden. Außerdem
ist die freie Fläche für Industrieansiedlung gedacht."
Altstadt oder nicht Altstadt
- noch so eine Glaubensfrage auf kirmisch.
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18 Tage nicht in Castrop-Rauxel - dann komm’ ich wieder und was sehe ich? Die Herbstkirmes in der Altstadt! Lecker, lecker, lecker!
Komisch. Es ist wie das Gefühl,
nach einem dreiwöchigen Urlaub die heimische Wohnung zu betreten.
Oder nach der Sommerpause das erste Bundesligaspiel des VfL Bochum zu besuchen.
18 Tage betrat ich nicht mehr Castrop-Rauxel. Mehr als die tägliche
Lektüre der WAZ-Ausgabe bekam ich nicht mit vom Leben in der Stadt,
die mir ans Herz gewachsen ist. Den Weg über die Autobahn finde ich
noch, weiß sogar noch, wo die Blitzer stehen. Ich könnte zum
Dichter werden und Verse unter dem Titel „Coming home” oder „Zu Hause”
kreieren, Musik: Blues.
Was ist passiert in Castrop-Rauxel,
was geschieht heute, wo darf ich hin? Diese Entscheidung fällt schnell:
Herbstkirmes! Habe noch keinen Blick in die Altstadt gewagt am heutigen
Tag. Dann wär’s mir sofort aufgefallen. Lese noch schnell meinen Blog-Eintrag
über die Castroper Gastronomie-Familie Wachsmann auf der Cranger Kirmes.
. . okaaaay, fertig! Und los. Ja jetzt bin ich aber richtig gespannt!
Laufe die Obere Münsterstraße
entlang, sonst nur, um belegte Brötchen und Schoko-Croissants zu holen.
Süß ist auch das, was sich jetzt hier abspielt. „Schlemmerhaus”
heißt das erste Gebäude, das verdammt nach Kirmes aussieht.
Wow, es geht also schon hier los. Ich dachte, dass sich die Kirmes auf
den Marktplatz beschränkt. Könnte jetzt schon so viel in mich
reinwuchten. Bratwurst, Zuckerwatte, Currywurst, Schokobanane, Backfisch.
Hurra, eine Crepe-Bude. „Einmal mit weißer Schokolade bitte.” Zweifuffzig
kostet der Spaß. Schmeckt. Gut.
Stehe mitten auf dem Marktplatz.
Sonst parken hier Autos, jetzt blicke ich mich um, sehe viele Buden, aber
mittags um drei noch nicht viele Besucher. Die meisten stehen – welch Wunder
– am Breakdance No. 2, der Klassiker unter allen Mir-wird-übel-ich-hätte-gerade-doch-noch-nichts-essen-sollen-Geräten.
„Der Renner, auch in diesem Jahr”, haben mich die Kollegen schon vorgewarnt.
Mein Kirmesherz schlägt höher, auch wenn es natüürlich
nur ein Rummel im Miniminiformat ist. Eine Formulierung fällt mir
ein, ich hebe sie für den Zeitungstext auf. „Die Herbstkirmes hat
so viel mit Crange zu tun wie. . .” Lest selbst nach!
Crepe zu Ende gegessen,
der Losverkäufer langweilt sich, Auto-Scooter fahren will auch noch
niemand. „Es läuft wie immer”, sagt der Verkäufer. Ach, was hat
mir dieser Geräuschpegel gefehlt. Jugendliche flüstern, schreien
und lachen an der einen Ecke, Familien werfen Dosen, die Breakdance-Gondeln
sausen im Orkantempo vorbei – und überall der Kirmes-Techno, vornehmlich
Pop-Schlager a´ la „Das rote Pferd” oder Techno a´ la Scooter.
Scooter, immer wieder Scooter. Utzutzutzutz, gebrannte Mandeln kitzeln
die Nase. Leeecker.
Marktplatz, war das etwa
schon alles? Nein, in Richtung Stadtgarten stehen auch noch ein paar Buden.
Die Herbstkirmes ist klein, aber größer, als ich dachte. 2007
fehlen – erfahre ich von einem Verkäufer – sogar noch zwei Fahrgeschäfte.
„Glücksreis” nennt sich ein Stand. Auf einem Schild auf dem Tisch
steht „Ihr Name auf einem Reiskorn”. Aha. Der Renner sind Simpsons-Plüschfiguren.
Homer und Bart fürs Regal. Beim Dosenwerfen kosten drei Wurf zwei
Euro. Teuer. Das letzte klassische Fahrgeschäft heißt „New York
Höllentaxi” und klack-klackert wie eine U-Bahn. Nenas „99 Luftballons”
dröhnen aus dem Lautsprecher. Hast Du etwas Zeit für mich, dann
schreibe ich einen Text für Dich! Der Kirmes-Biergarten wirbt mit
Altbierbowle, Berliner Weiße und Weißbier.
Ich zweifle, kämpfe,
will zuschlagen – und doch kann mich keine Versuchung besiegen. Gemütlich
schlendere ich zurück zur Redaktion, vorbei an Wiener Mandeln und
frisch gehackten Kokosnüssen. Mir fallen viele Sachen ein, die fehlen,
von der Achterbahn bis zum Riesenrad, dem Kirmesboxen und dem Kamelrennen.
Erfahrene Cranger könnten die Liste wahllos ergänzen.
Sammeln. Und telefonieren.
So richtig unumstritten ist die Herbstkirmes bei aller Tradition nicht.
Die Einzelhändler der Altstadt sind strikt dagegen. Erzählen,
dass der Umsatz sinkt, dass die Herbstkirmes keinen Stellenwert mehr hat.
Die Kirmesbesucher wünschen sich mehr Geräte, halten sie aber
für „besser als nichts”. Der Organisator der Stadt betrachtet die
Kirmes als Erfolg, die Schausteller sind mehrheitlich zufrieden. Einen
alternativen Standort gibt es laut Organisator nicht.
Alle prallen aufeinander.
Die Texte werden schön. Kirmes schreibt sich wie von allein.
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WAZ Mülheim - 6.10.2007 (für das Thema der Woche "Mülheim gastronomisch")Anmerkung: Jaja, eigentlich bin ich weg aus Mülheim. Aber einen Text durfte ich dann doch noch schreiben...
Ein normaler Dienstagabend,
kurz vor neun. Fußball läuft. Champions League, Stuttgart gegen
Barcelona. Zu Hause gucken ist unmöglich, kommt nur im Pay-TV. Wird
Zeit für einen Besuch in der Stammkneipe. Die Tür aufdrücken,
ganz sanft. Hier ist es, das "Schräge Eck" an der Klopstockstraße,
eine ganz normale Eckkneipe, wie sie immer seltener werden in Mülheim.
Das Schräge Eck: Dat is Eppinghofen pur.
"Psst", sagt jemand, "Bazza
greift an." Bazza heißt Barcelona. Warum richtig aussprechen, wenn's
auch einfach geht!? In einer Kneipe leise: haha und drauf gepfiffen! Erst
die Leute begrüßen. Die Stammgäste, die in den letzten
Jahren zu Würfelfreunden geworden sind. Zu Dartkumpanen. Zu Billard-Kontrahenten.
Der erste Weg führt zum Wirt, der im "Schrägen Eck" Zarko Pulic
heißt. Manche sprechen ihn richtig aus, also "Dscharrko", manche
einfach "Jacko". "Hallo Dscharrrko". Der antwortet stets: "Hallo mein lieber
Freund." Das passende Getränk steht bereit. Er kennt seine Stammgäste.
Lust auf Fußball gucken,
aber auch Lust auf Billard. Ein Euro gleich ein Spiel. "Hier wird nach
Zarkos Regeln gespielt." "Ach so", sagt Micha, der Gegner. Hier ist die
Vornamen-Welt. Nachnamen interessieren nicht. "Where everybody knows your
name", heißt es im Titelsong der US-Serie "Cheers". Passt.
Micha erkundigt sich, wie
Zarkos Regeln sind und stößt. Klick und Klack macht's auf dem
Tisch. Dieser Geräuschpegel. . . Billardkugeln hier, die Dudelei des
Dartautomaten dort, die Stimme des Kommentators im Hintergrund. Am Nebentisch
wird gar nicht geredet. Doch, halt, jetzt ganz kurz. "Pik Solo", sagt Conny
- keine Ahnung, wie sein richtiger Vorname lautet. Ach sooo, hier wird
Skat gekloppt.
Halbzeit im Fußball,
ein Billardspiel vorbei. An der Theke hocken Wanna und Bernd. "Wir", sagt
Wanna jedem, der an der Theke vorbei zum Klo geht, "wir haben zusammen
auf dem Schulhof gespielt." Dann deutet er auf Bernd. "Und heute hier nach
zehn Jahren wiedergetroffen." Die Tür geht auf, jemand brüllt
laut "TAXIIII!" Wanna steht auf, nimmt seine Jacke, bezahlt seinen Deckel
und geht. "Tschüss Wanna, mein lieber Freund", sagt Zarko, der Wirt.
Der Kommentator analysiert "Bazza spielt sehr, sehr provokant, sehr, sehr
lässig." Dann fällt das erste Tor, das zweite, 2:0. Für
Bazza. "Maaaan", heißt's laut. Eigentlich gibt es hier nur Gladbach-,
Schalke-, BVB- und Bochum-Fans. Heute sind alle für Stuttgart. Vergeblich.
Das Spiel ist vorbei, eine
Minute später betritt Kläusken den Raum. Zarko stellt den Fernsehton
leise, erfüllt nun jeden Musikwunsch. "Another brick in the wall"
von Pink Floyd ist der erste. Ja, das weckt Erinnerungen. Jede Altersgruppe
ist vertreten, von 18 bis 70. Die Skatrunde kloppt weiter. "Jacko, machze
'ma noch n' Ründken", brüllt Conny quer durch den Raum. Und Jacko
zapft vier Pils.
Die 70er sind angesagt,
zum Beispiel "Bobby Brown" von Frank Zappa. Dann die 80er. "Sex Bomb" von
Tom Jones. "Kläusken, sie spielen dein Lied", brüllt Micha aus
dem Hintergrund. Gelächter an der Theke. Kläusken, 67, schmunzelt
mit, flüstert dann aber lieber: "Spiel doch 'mal Musik für 'nen
alten Mann." Zarko weiß genau, was sein Stammgast hören will
und wenige Sekunden später ertönt "For the good times" von Kenny
Rogers aus den Lautsprechern. Kläusken singt leise mit, haucht den
Refrain "Lay your head on my pillow. . ." Er schließt seine Augen,
zieht an einer Zigarette, pustet den Rauch in die Luft, nimmt einen Schluck
aus seinem Bierglas und haucht weiter: "Hear the whisper of the raindrops,
beating soft against the window." Alle lauschen andächtig. Kneipen-Romantik.
Kurz nach zwölf ist
es inzwischen, wieder so ein Eckkneipen-Abend, der ruck, zuck vorbei geht.
Kurz nach Mitternacht schmettert John Denver "All my bags are packed. .
.", den Rest kennt jeder. "I'm leaaaaving on a jetplane", brüllen
alle, ob 18 oder 70. Und Zarko mittendrin!
Auf die Uhr schauen. Ups,
kurz vor eins. "Gute Nacht Freunde" in die Runde brüllen. Wie hat
Reinhard Mey noch gedichtet: ". . . dass man von draußen meint, dass
in euren Fenstern das Licht wärmer scheint." Sieben Euro auf dem Deckel,
einmal Billard für einen Euro. Das ist doch billig.
Die einen schunkeln nach
Hause. Treffen Lutz und Wilfried vor der Tür. Die kommen gerade. Um
eins. Die Nacht in der Eckkneipe hat begonnen.
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Von Andreas Ernst
Schonnebeck obenauf: Kai
Suelmann köpft den Ball aus der Gefahrenzone. Der SV Schonnebeck bezwang
den FC Kray mit 2:0 und verteidigte die Tabellenspitze der Landesliga erfolgreich.
Vor vier Jahren spielte der SV noch in der Kreisliga A. Fotos: Walter Fischer/wafi-Bild
Von Andreas Ernst
Schonnebeck. Noch wenige
Sekunden. Trainer Harry Kügler vom Fußball-Landesligisten SV
Schonnebeck reckt beide Arme in die Höhe, fordert den Abpfiff. Dann
ist Schluss. 2:0 gewonnen im Derby am Sonntag gegen den FC Kray, 700 Zuschauer
applaudieren. Der SV bleibt Spitzenreiter.
Rückblick. Zwei Tage
vorher. Auf dem Ascheplatz am Schetters Busch spielen ein paar Kinder,
kein Zuschauer steht am Rand. Die "Macher" des SV Schonnebeck sind im Klubhaus
versammelt, reden über den bisherigen Erfolg und das bevorstehende
Derby. "Da ist bestimmt Emotion drin", sagt der Abteilungsleiter Jürgen
Lohkamp. Jahrelang bewegte sich der SV im Niemandsland des Amateurfußballs.
Oft Bezirksliga, zwischendurch Kreisliga A. Weit entfernt vom großen
Fußball.
Nun sind die Kreisliga-A-Zeiten
vorbei und der SV ist Tabellenführer der Landesliga. Rund um den Tisch
sitzen die verantwortlichen Personen, die nacheinander zum Schetters Busch
kamen. Jürgen Lohkamp und Stellvertreter Dieter Herche erlebten auch
die bittere Zeit der jüngeren Vereinsgeschichte mit. Dann traf Herche,
vor Jahrzehnten bei Rot-Weiß Essen tätig, seinen Ex-RWE-Schützling
Michael Tönnies wieder. Genau der Tönnies, der beim MSV Duisburg
zur Legende wurde. Der Tönnies, dem der schnellste Hattrick der Bundesligageschichte
gelang.
Der sitzt jetzt mit am Tisch
der "Macher". Den Abstieg in die Kreisliga A konnte Trainer Tönnies
nicht verhindern. Der ganze Verein war zu dieser Zeit ein Scherbenhaufen.
Die Lösung: Tönnies wurde Sportlicher Leiter, holte Uwe Poßberg
zum Schetters Busch. Beide setzten auf den eigenen Nachwuchs. Der SV blieb
59 Spiele ohne Niederlage, schaffte den Durchmarsch bis in die Landesliga.
Jetzt ist der Trainer ein
anderer. Seit Beginn der Saison hat Harry Kügler an der Seitenlinie
das Sagen. Tönnies und Kügler spielten zusammen bei RWE, Kügler
nennt seinen ehemaligen Teamkollegen "Charly": "Ein Spitzname, der von
damals übriggeblieben ist. Den kennt kaum jemand." Michaels Bruder
Dirk Tönnies ist nach vielen Jahren bei verschiedenen Oberliga-Klubs
ebenfalls zu einem Heimatklub heimgekehrt - als Kapitän und Co-Trainer.
Das Ziel vor der Saison:
sehr bescheiden "eine gute Saison" spielen. Aus einer guten Saison wurde
der erste Platz nach acht Spieltagen. Sechs Siege, ein Unentschieden, eine
Niederlage. "Alle Spieler kommen aus Essen, zwölf davon aus Schonnebeck",
sagt Dieter Herche. Mit 300 Zuschauern im Schnitt liegt der SV laut Jürgen
Lohkamp "ganz gut". 15 Jugendmannschaften teilen sich den Platz am Schetters
Busch. "Die Mannschaft ist bei uns der Star", sagt Kügler. Millionär
wird hier keiner. "Wir haben", sagt Tönnies, "alles in den Trainer
gesteckt." Alle am Tisch blicken auf Kügler und lachen danach laut.
Spaß beim Spitzenreiter!
Zwei Tage später: Das
Klubhaus ist rappelvoll. Die Schonnebecker bejubeln den Sieg durch zwei
Dirk-Tönnies-Tore. Der Vorstand und Trainer Kügler klopfen sich
auf die Schulter. Weiter ganz oben!
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Von Andreas Ernst
Katernberg. An der
Wand hängen Bilder. Von früher. Aus dem Schalthaus Beisen der
Zeche Zollverein während der Arbeitszeit. Und während der Ruinenzeit.
Vor neun Jahren entstand im Zechengebäude dann eine Kindertagesstätte.
Die darf sich seit dem 1. August sogar "Awo-Familienzentrum" nennen.
In der großen Eingangshalle
hängt ein Basketballkorb. Yussuf kommt vorbei, trägt keinen Ball,
sondern eine große Plastikschüssel in der Hand. "Für die
Wäsche", sagt er und geht zu seinem Gruppenraum. Fünf Gruppen
mit 100 Kindern besuchen das Schalthaus Beisen, davon 70 Prozent aus Migrantenfamilien.
15 festangestellte Mitarbeiter sowie etliche Honorarkräfte und Praktikanten
kümmern sich um die kleinen Kinder, die bis zu sechs Jahre alt sind.
Am Computer in ihrem Arbeitszimmer
sitzt Andrea Brieger, die stellvertretende Leiterin. Sprachförderung
ist ein großes Thema. "Wir unterstützen die Eltern darin, die
Kinder erst einmal in ihrer Muttersprache aufzubauen. Sonst entsteht eine
beidseitige Halbsprachigkeit", sagt Brieger. Nachteil: Wenn die Kinder
mit drei in die Kita kommen, sprechen sie kein Wort deutsch. Kinder aus
zwölf Nationen müssen Andrea Brieger und ihre Mitarbeiter gemeinsam
beschäftigen. "Bei den Kindern ist das kein Problem."
Doch bei den Familien? "Freundschaften
entstehen fast nur innerhalb der Kulturgruppen. Aber alle tolerieren sich
gegenseitig", erklärt Andrea Brieger. Damit die Akzeptanz noch besser
wird, gibt es seit der Eröffnung der Kita das Konzept "Familienzentrum".
"Von Anfang an haben wir die Eltern mit eingebunden", sagt sie. Zum Beispiel
gibt es Deutschkurse für Mütter - mit sehr hohen Teilnehmerzahlen.
Das gilt auch für das Elterncafe´ einmal pro Monat und die Elternbücherei.
Brieger: "Hier kennen die Eltern das Umfeld, kennen die Mitarbeiter, da
ist die Hemmschwelle deutlich niedriger." Weitere Projekte: Mutter/Kind-Gruppen
für die ganz Kleinen bis zu drei Jahren und Sport mit Müttern
- eine Zusammenarbeit besteht mit der Sportabteilung der DJK Katernberg.
Im vergangenen Jahr bewarb
sich das Schalthaus Beisen um den Titel "Familienzentrum" - und bekam den
Zuschlag. Damit verbunden ist eine Förderung in Höhe von 12 000
Euro. Mit dem Geld wollen die Mitarbeiter des Zentrums Familien aus Schonnebeck,
Katernberg und Gelsenkirchen-Rotthausen ansprechen, deren Kinder nicht
das Schalthaus Beisen besuchen. Ein Faltblatt mit etlichen Informationen
ist in Planung und soll in der Nachbarschaft verteilt werden.
Am 30. August 2008 feiert
das Team den zehnten Geburtstag. Doch schon zehn Monate gab es ein großes
Fest. Mit einer Familienrallye feierten Eltern, Mitarbeiter und Kinder
den neuen Titel. "Gemeinschaftlich haben wir den Stadtteil erkundet", erzählt
Andrea Brieger. Rallye-Stationen waren unter anderem ein neuer Spielplatz,
die Stadtteilbücherei, das Schwimmbad und der Förderturm der
Zeche Zollverein.
Der liegt direkt neben dem
Schalthaus Beisen. Ein Blick aus fast jedem Fenster bietet Ruhrgebiets-Industriekultur
pur. Die wurde vor allem am Anfang auch in der Kita thematisiert - in Kohle-Kursen.
Vereinzelt kommen auch heute Fragen. Andrea Brieger und ihre Mitarbeiterinnen
beantworten jede einzelne ausführlich. Und verweisen stets auf die
Bilder an der Wand.
Bilder von früher.
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Von Andreas Ernst
Münster. Es klack,
klack, klackt im Prinzipalsaal in Münster. In Schuhe mit hohen Absätzen
hat Sarah Kuttner ihre kleinen Füße gepresst, die Zehennägel
rot lackiert. In 45 Minuten wird sie hier aus ihrem aktuellen Buch "Die
anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart" lesen. Sie setzt sich auf
einen Stuhl auf der Bühne. "Ich hab' hier ganz viel Kram auf dem Tisch.
Stört das? Bin ich auch zu sehen?" Ja, ja, ja. Lichtprobe für
die Queen des Schnellsprechens, für eine der umstrittensten Figuren
der Popkultur.
Noch 40 Minuten. Probe vorbei.
Sie ist die Sarah, siezen unmöglich. Die Zeit bis zum Auftritt verbringt
die 28-Jährige in einem kleinen Zimmer in der ersten Etage, mit Blick
auf den Saal. Säfte, Wasser, eine Dose Red Bull stehen auf einem Tisch.
Sarah setzt sich auf eine Couch, kramt eine Schachtel Zigaretten aus der
Tasche. Vor 80 000 moderierte sie im August in Rostock das "Deine Stimme
gegen Armut"-Konzert. In Münster werden's 500, im Zimmer ist sie allein.
Der Saal füllt sich, Sarahs Fans sind überwiegend unter 30. Ist
sie, die 1,60 Meter kleine Plaudertasche, eine Leitfigur?
Sie zieht lang an ihrer
Zigarette. "Ich hab' mir das nicht ausgesucht", sagt sie. Bei Viva und
MTV bestimmte die Sarah zwischen 2001 und 2006 die Trends der alternativen
Jugend mit. Doch jetzt? "Ich bewege mich in einem musikalischen Dämmerschlaf."
Die Ballade "Hey there Delilah" von den Plain White T's hörte sie
neulich im Radio, kaufte sich den Song im Internet. Und stellte erst dann
fest, dass er seit Wochen in den Charts ganz oben steht. Sarah ist im Moment
raus aus dem Geschäft. Im August 2006 lief ihre eigene Show bei MTV
aus. Sie hält sich außerhalb des Bildschirms fit. Auf Bühnen.
Denn trotz ihrer TV-Abstinenz
ist sie populär. Pop. "Ich bin so Pop, wie man Pop sein kann. Und
weniger indie als alle glauben." Indie heißt Independent, das steht
für kreative Ausdrucksformen aller Art. Sarah kann kreativ reden.
Schlagfertig quatschen, labern. Labern und labern und sabbeln und immer
schnell, schneller, am schnellsten. Ist die Kamera aus oder liegt eine
Etage zwischen dem Publikum und Sarah, überlegt sie, was sie sagt.
Zieht an der nächsten Zigarette vor der Antwort. "Ich mache erst wieder
TV, wenn ich glaube, dass es gut wird - ich bin da pingelig", sagt sie.
Sie taucht vergleichsweise selten auf. Zum Beispiel wenn es um ihr Buch
geht.
Das ist kein Roman, sondern
eine Kolumnensammlung. "Eine ganz gute S-Bahn- und Klo-Lektüre." Sagt
Sarah selbst. Es geht um Mode, Musik, Menschen. Sie redet viel von Liebeskummer,
von eigenen Erfahrungen - nennt aber keine Namen. Sie ist privat, aber
nicht persönlich. Es bleibt oberflächlich, meist ohne Tiefsinn.
Sie verstelle sich vor der Kamera nicht. Nur wenn es ihr persönlich
schlecht ginge . . .
Schlecht kommt bei Sarah
das Ruhrgebiet weg. "Liegt Mannheim dort? Mir ist das Ruhrgebiet egal."
Am 30. Oktober liest sie in der Essener Zeche Carl und verschwindet schnell
wieder. Zurück nach Berlin, in ihre Heimat. "Ich bin froh, dass wir
die Loveparade abgegeben haben."
Wir heißt Berlin.
Geboren ist die Tochter des Radioreporters Jürgen Kuttner 1979 im
Osten Berlins, in einem "intellektuell-alternativen Elternhaus". Kolumnen
über diese Zeit würde sie nicht hinbekommen. Weil sie sich nicht
für eine Romanschreiberin hält. Und weil sie kaum noch Erinnerungen
hat. Nur eine - an den Frühstückstisch einer Freundin. "Mir lief
einmal", erzählt sie, "vom Toast der Honig runter. Da habe ich gesagt:
Der läuft nach Hamburg." Der Vater ihrer Freundin schaute böse.
"Höchstens nach Dresden", sagte er. - "Dabei haben die West-Fernsehen
geguckt."
Zu sehen ist sie erst einmal
nicht. Aber ab 9. November zu hören - mit ihrem Vater in der Radiosendung
"Kuttner und Kuttner" im RBB. Die beiden reden übers Leben. Reden
hat sie beliebt gemacht. Und unbeliebt. "50 Prozent finden mich top. Die
andere Hälfte hasst mich aus Leidenschaft. Ich weiß nicht, was
ich gemacht habe, habe es nie drauf angelegt. Ich bin nicht unanständig
gekleidet, ich provoziere nicht bewusst."
Noch fünf Minuten.
Sie drückt die letzte Zigarette aus, setzt ihre Sarah-Öffentlichkeits-Popmine
auf, klackt Richtung Bühne. Der Prinzipalsaal ist pickepackevoll.
Bis auf den letzten Platz.
Spot an.
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Infobox
Lesung am 30. Oktober
in der Zeche Carl
Nach ihrem Abi am Berliner
John-Lennon-Gymnasium 1999 absolvierte Sarah Kuttner mehrere Praktika bei
Zeitungen und Radiostationen, bevor sie im November 2001 als Moderatorin
zu VIVA ging. Von August 2004 bis August 2006 moderierte sie erst bei VIVA,
dann bei MTV ihre eigene Show, organisierte zweimal die Musikshow "Kuttner
on ice" in der Berliner Columbiahalle. Nebenbei verfasste Sarah Kuttner
Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress, die
in zwei Bücher gepackt wurden. Seit ihrem TV-Ausstieg tourt sie durch
Deutschland - und macht am 30. Oktober in der Essener Zeche Carl Station.
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Von Andreas Ernst
Kindernotaufnahme in Altenessen
hat Tag und Nacht geöffnet und bietet 20 Kindern Platz. Die kommen
überwiegend aus dem Essener Norden. „Im Süden sind die Mauern
dicker”, glaubt Leiterin Martina Heuer
Altenessen. Beruhigend wirkt
der gemalte Delfin, der von der Wand grüßt. Ein kleiner Jungesitzt
an einem kleinen Tisch davor und erledigt seine Hausaufgaben. „Fertig”,
sagt er, steht auf, geht zu seinem Schrank und präsentiert Poster
von Kinofilmen. „Simpsons”, „Ratatouille”, eben die Hits des Spätsommers.
Eine Familien-Idylle!? Nein.
Der kleine sechsjährige Junge hat schon viel erlebt. Zu viel. Seit
einem Jahr schon verbringt er Tag für Tag im „Spatzennest”, der Kindernotaufnahmedes
Kinderschutzbundes an der II. Schichtstraße in Altenessen. Im Erdgeschoss
steht MartinaHeuer am Herd. Die Leiterin kocht höchstpersönlich.
Spagetti stehen heute auf demSpeiseplan. Es ist sehr leise, eigentlich
ungewohnt. Warum? Die meisten sind natürlich noch in der Schule. „Wir
renovieren gerade”, sagt Heuer und überprüft die Wassertemperatur.
Aus einem Bürowird gerade ein Schularbeitenraum.
Viel kann Martina Heuer
erzählen. Es kommen Kinder von Alkoholikern; Kinder, die bei
einem schweren Verkehrsunfall Vater und Mutter verloren haben und Kinder,
die sexuellmisshandelt wurden. „Jedes Mal”, verrät Martina Heuer,
„ist es wieder schwer.” Oft werden Kinder von Amt und Polizei gebracht,
manchmal klopfen sie auch selbst an. Tag und Nacht. Die meisten kommenaus
dem Essener Norden, manchmal auch aus Borbeck oder Kray. Doch eine Tendenz
muss das nicht sein. „Im Süden sind die Mauern dicker”, lautet Heuers
mutige Behauptung. Sie schmeißt die Spagetti ins heiße Wasser
und redet kurz mit dem Zivildienstleistenden. Der braucht ein bisschen
Kleingeld für den Bauern, der Obst und Gemüse anliefert. „Wir
versorgen uns hierselbst”, sagt Martina Heuer, bezahlt und bittet zu einem
kleinen Rundgang.
Sie öffnet eine Tür
und präsentiert den Spendenschrank mit Anziehsachen, Handtüchern,
Tornistern, Spielzeug. Oft kommen die Kinder nur mit einer Plastiktüte
in der Hand. „Leiderverwechseln uns die Leute oft mit einem Recyclinghof.
Wir müssen viel wegschmeißen”,erzählt Martina Heuer. Vor
allem Spielzeug wie Puzzle kann das Spatzennest-Team immergebrauchen. Manche
Kinder seien aggressiv, sagt Heuer auf dem Weg in den kleinen Garten.„Sie
gehen teilweise robust miteinander um. Zu Hause wurde ihnen viel abverlangt,
manchmal nehmen sie uns Erwachsene als Stellvertreter. Sie spucken und
schlagen.” Draußen schlagen nur Hasen. Und zwar Haken. Und sie blicken
in die Herbstsonne.
Im Holzschuppen liegen Inliner.
Sport ist sehr wichtig. Zwei der Jungen spielen Fußball bei einemAltenessener
Verein. Noch sind die Spagetti nicht fertig. Im Obergeschoss befinden sich
die Schlafräume der Kinder. „Manche bleiben eine Woche, manche länger.”
Martina Heuer öffnet eine Zimmertür. Kontakte zu den Eltern sind
durchaus vorhanden. „Die meisten Eltern sind einsichtigund Besuchskontakte
deshalb möglich.” Aber nicht alle. Auch Freundschaften sollen bleiben:
Wenn möglich besuchen die Kinder weiter ihren Kindergarten und ihre
Grundschulklasse – ob in Kupferdreh oder Katernberg. Offiziell 5,2 Personen
kümmern sich um den hilfsbedürftigen Nachwuchs – aufgeteilt auf
viele halbe Stellen. „Nicht üppig”, sagt Martina Heuer.
Im Delfinraum sitzt der
kleine Junge mit den beiden Postern und lacht. „Zu Weihnachten”, erzählt
er begeistert, „kriege ich bestimmt einen Nintendo.” Im Erdgeschoss sind
die Spagetti fertig. Gleich ist Schulschluss. Die Spatzennest- Kinder kommen
nach Hause. Und haben Hunger.Das ist Alltag an einem nicht alltäglichen
Ort.
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Von Andreas Ernst
Dortmund. Ein riesiger
schwarzer Vorhang verdeckt die Bühne. Ein weißes "a" mit drei
Punkten kündigt "Die Ärzte" an. Dreimal füllte das Berliner
Punkrock-Trio von Freitag bis Sonntag die Dortmunder Westfalenhalle, bespaßte
insgesamt 37 500 Fans. 37 500! Die ersten Gitarrenklänge, die erste
Zeile von "Himmelblau", Opener des aktuellen Albums. Nach einer Minute
fällt der Vorhang, und Juuuubel im Rund. Sie sind da. Wieder da. Endlich
da.
Schwarze Kleidung tragen
die drei, aber himmelblau ist die Atmosphäre. "Jetzt stehst du hier
und du hörst nicht auf zu lachen, die Welt gehört dir - und der
Rest deines Lebens beginnt, yeah". YEAH! Farin Urlaub mit blond gefärbten
Haaren wie vor 25 Jahren bedient die Gitarre. In der Mitte steht Bela B.
am Schlagzeug, Rodrigo Gonzales am Bass platziert sich rechts. Im Anzug.
Sie sind zwischen 39 und 44 Jahre alt, im reifen Rock-Alter. Von den Klassikern
spielen sie die bekanntesten wie "Zu spät" und "Westerland", lassen
aber auch einige wie "Elke" weg. Rocken ohne Unterbrechung?
Jedes Ärzte-Konzert
besteht aus Verschnaufpausen. Zwölf der 16 Songs des aktuellen Albums
"Jazz ist anders" spielt das Trio, doch nicht alle sind konzerttauglich.
Die Klasse eines Ärzte-Konzertes lässt sich an der Länge
der Band-Unterhaltungen zwischen den Songs ablesen. Diesmal reden Farin,
Bela und Rod nicht viel. Vor "Nie wieder Krieg, nie wieder Las Vegas" sagt
Farin: "Dieses Lied hätte Blixa Bargeld gern geschrieben." Diese Anmerkung
hat noch Niveau. Nach einer Handy-La Ola - alle Fans halten ihre beleuchteten
Displays in die Höhe - flüstert Farin aber: "Vielen Dank für
die sinnlose Batterieverschwendung" und fügt hinzu: "Sollen wir noch
stumpfer werden?" Die Fans brüllen: "JAAAA!"
Doch nicht alles ist Nonsens.
In seltenen Momenten wird's politisch. Als Bela vor dem Song "Tu das nicht"
laut die "Todesstrafe für illegale Downloader" verlangt, klatschen
nur wenige aus der Generation Internet. Textsicher sind die Fans bei "Deine
Schuld", grölen "Geht mal wieder auf die Straße, geht mal wieder
demonstrieren!" Nach dem Anti-Nazi-Song "Schrei nach Liebe" fordert Farin
Demos gegen NPD-Aufmärsche.
Doch der Höhepunkt
ist das noch nicht. Nach fast zweieinhalb Stunden folgt Lied Nummer 30
auf der Setlist, "Junge", die aktuelle Single. Gänsehaut, laut, lauter,
am lautesten. "Junge, warum hast du nichts gelernt?" Das können alle.
Auch den Refrain: "Und wie du wieder aussiehst!" Das ist gut, fantastisch,
Schweißperlen tropfen - doch . . . die letzte Strophe beginnt Farin
mit dem falschen Text, bricht das Lied sofort ab und beginnt die Strophe
von vorn. Hoch, runter, laut, leise, hüpfen, still stehen. Ein typischer
Moment.
38 Songs in drei Stunden,
davon zwölf Zugaben. Drei Männer im Midlife-Crisis-Alter erklären
Dortmund für "rockbar". Die Fans schwitzen, gehen zufrieden heim.
Nicht nur am ersten Abend.
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Von Andreas Ernst
Es ist die kniffligste Aufgabe
des Vormittags. Am Obermeidericher Bahndamm, Höhe Dümpter Straße,
riecht's verbrannt. Auf einer Länge von 50 Metern werden die Schäden
des Schwelbrandes beseitigt. Und als Schutzmaßnahme Bäume gefällt.
Jetzt muss ein Prachtexemplar dran glauben. "Der Baum darf weder auf die
Oberleitung fallen - noch auf ein Haus", sagt der Brandschutzbeauftragte
Jörg Kayser. Der Holzfäller Bernhard Landers betätigt die
Motorsäge uuund. . . der Baum fällt zur Seite. "Peeerfekt", sagt
Kayser.
Perfekt lief in den vergangenen
drei Wochen wenig. Seit Anfang November brennt's am Bahndamm, durch den
Wind der letzten Tage immer heftiger. "Gestern", sagt ein Nachbar, "stiegen
die Rauchschwaden richtig hoch in die Luft." Qualm ist jetzt kaum noch
zu erkennen. Trotzdem trägt der Nachbar eine Digitalkamera bei sich.
Dieses Schauspiel will er sich nicht entgehen lassen. "Dass wir hier roden
müssen", erzählt Jörg Kayser, "wussten wir schon vor drei
Wochen. Nun müssen wir die Arbeiten eben vorziehen."
Solche Brand-Arbeiten bedeuten
Gefahr. Jörg Kayser und die Mitarbeiter der Bahn tragen ein handygroßes
Gerät. Dauernd piept es in kurzen Abständen. "Das bedeutet, dass
wir die zulässige Höchstgrenze für Kohlenmonoxid-Werte überschreiten",
sagt Jörg Kayser. Schnell fünf Meter zur Seite spazieren, schon
schweigt das Messgerät.
Auch Züge schweigen,
kommen hier an diesem Tag nicht vorbei. Der Güterverkehr wird über
den Meidericher Bahnhof umgeleitet. "Das ist eine stark frequentierte Strecke",
merkt ein Bahn-Mitarbeiter an. Die Männer mit dem roten "DB" auf ihren
Ordnungswesten beobachten aufmerksam, wie Landers einen Baum nach dem anderen
fällt. Zwischen 20 und 25 werden es. Keiner zählt die Bäume.
Die Motorsäge wirkt bei Bernhard Landers wie ein dritter Arm, so spielerisch
leicht zerlegt er das Holz.
Das wird morgen abgeholt,
und die gerodeten Stellen vorerst mit Erde abgedeckt und später mit
Baustoffinjektionen abgekühlt. Damit es nicht mehr stinkt - und der
Güterverkehr geregelt fahren kann.
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Von Andreas Ernst
Luftballons hängen an
den Fenstern. Direkt neben den gelben Aufklebern mit der Aufschrift "B8".
Dass die Straße hier so hieß, weiß jeder. Doch "B8" hat
an der Wiesenstraße, Ecke Weseler Straße, in Marxloh seit gestern
eine andere Bedeutung. Es ist der Name eines Übungskaufhauses der
katholischen Jugendberufshilfe "Werkkiste", gedacht zur Berufsvorbereitung.
Freundlich ist die Begrüßung
der junge Übungsverkäufer an der Tür. Alles sieht noch so
neu aus. Ein kleines Regal trägt die Aufschrift "Kinder". Jacken kosten
sechs Euro. Frauen-Oberbekleidung in allen Größen gibt es zwei
Meter dahinter. An der Wand liegen in einem Riesenschrank blaue Jeans in
allen Schnittmustern. Auf den Stehtischen: Plätzchen, Kekse.
Gebacken vom Hauswirtschaftskurs
der Werkkiste, der am Eröffnungstag das Catering übernimmt. Wolfgang
Hecht, pädagogischer Mitarbeiter der Werkkiste, schaut stolz auf das
neueste Projekt seiner Gesellschaft. "Das hier ist eine außerbetriebliche
Ausbildung für Jugendliche im Übergang von der Schule ins Berufsleben",
sagt Hecht. Vor allem für Haupt- und Gesamtschulabsolventen. Gymnasiasten
kommen nur selten. Wenn die Jugendlichen nicht wissen, welchen Beruf sie
erlernen wollen, werden sie von der Arbeitsagentur in Qualifizierungsmaßnahmen
geschickt - zum Beispiel bei der Duisburger Werkkiste.
Die achtet dann darauf,
dass die Jugendlichen Ausbildung so viel wie möglich über das
Berufsleben lernen - nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch, denn
in der ersten Etage liegen Schulungsräume. Viele Gruppen mit unterschiedlichen
Themen sind beteiligt. Es gibt eine Dekorationsgruppe, die das "B8" einrichtete.
Die nächste Gruppe beschäftigt sich mit dem Zukauf der Waren,
eine weitere ist für den Verkauf zuständig. Die Ziele sind erst
einmal klein. "Wenn die Jugendlichen wissen, wie ihr nächster Schritt
aussieht, ist unser Ziel erreicht. Am Ende soll dann natürlich ein
fester Job stehen", sagt Hecht und ergänzt: "Wenn ich einen auf der
Straße treffe und der sagt: Hömma Wolfgang, ich hab' einen Job,
dann freue ich mich tierisch."
In diesem Job muss es dann
nicht um Jeans gehen. "Jeans und Arbeitskleidung" ist nur der erste Oberbegriff.
In Zukunft sind auch Ausstellungen geplant - dann können neue Gruppen
das "B8" wieder umgestalten. Zurzeit sind 60 Jugendliche am Übungskaufhaus
beteiligt - viele mit Migrationshintergrund. "Der Duisburger Norden bietet
viel Zündstoff - aber ich mag die Leute hier", sagt Hecht. "Das hier
ist ein tolles Miteinander der Kulturen." Noch so ein Vorteil des "B8".
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Von Andreas Ernst
Düsseldorf. What
a feeling to get on your feet and dance with wild boys. Es glitzert grün
und rot, es zappeln im hautengen Diskokostüm gekleidete Menschen mit
Föhnfrisur. Wen interessieren Reagan und Kohl? Die 80er Jahre brachten
auch Tanzfilme hervor. Das Düsseldorfer Capitol Theater hat das Musical
"Miami Nights" aufgemotzt und neu aufgelegt. Bis zum 13. Januar feiert
das Ensemble ein Heimspiel.
Doch aus Düsseldorf
werden die Zuschauer schnell nach Florida entführt. Die juckt es gar
nicht, dass die Story nach zwei Minuten vorhersehbar ist. Der Tänzer
Jimmy (Felix Maximilian) verkracht sich mit seiner Partnerin Jessica (Matacza
Soozie Boon). Für den "Miami Nights Dance Contest" braucht er eine
Neue. Er findet sie - American Dream lässt grüßen - in
Laura (Patricia Meeden), der kubanischen Popcorn-Verkäuferin.
Die Popkultur der 80er für
die Ü30-Party-Generation. Es fällt nicht schwer, Elemente aus
"Saturday Night Fever". "Flashdance" und "Dirty Dancing" zu erkennen. Die
Choreographie ist - in einem Hip-Wort der 80er - "geil", die Tänze
von Salsa bis Rumba oft zum Niederknien. Sogar einige Dialoge überraschen
mit Zitaten aus 80er-Filmen.
Doch wen interessieren Gespräche?
Wenn eine kubanische Gang zu "Wild Boys" über die Bühne fegt,
Laura und Jimmy sich bei "Time after Time" näherkommen und sich Jessica
zum "Material Girl" erklärt, ist das himmlisch. Doch Sprachästheten
werden sich am deutschen Akzent von Felix Maximilian in seinen englischen
Passagen stoßen. Und Ava Brennan, die Lauras Schwägerin Mercedes
gibt, wäre die bessere Laura - mehr Feuer, mehr Erotik. Es knissssstert
und das "Rhythm is gonna get you" aus ihrem Mund lässt das Publikum
doppelt so heftig mitwippen.
Die Düsseldorfer Society
belohnte das Ensemble um Regisseur Alex Balga trotzdem mit Standing Ovation.
Selbst Hans Meiser und Harry Wijnvoord erhoben sich. What a Premierenfeeling!
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Von Andreas Ernst
Sieht die nicht schön
aus, die Von-der-Mark-Straße in Meiderich? Eine aufpolierte Fußgängerzone,
ein Citymanager kümmert sich um den Branchenmix, das ist schick, es
herrscht eitel Sonnenschein. ...
... Doch am Horizont türmen
sich dunkle Wolken: In Hagenshof - auch das gehört zu Meiderich -
fühlen sich nach einer Umfrage 72,9 Prozent der Einwohner nicht sicher.
Der Hagenshof: Eine vergessene Siedlung, die Probleme hat und Lösungen
braucht.
Wie Meiderichs zwei Gesichter
in der Politik behandelt werden, zeigte sich in der Sitzung der Bezirksvertretung
am vergangenen Dienstag. Citymanager Jörg Frost legte seine Jahresbilanz
vor, präsentierte per Powerpoint-Vortrag und Internet-Vorführung
Ergebnisse und Ausblicke seiner Arbeit. Über eine Stunde dauerten
Referat und Diskussion, am Ende klopften sich alle artig auf die Schulter.
Einen Tagesordnungspunkt
später ging es um den Hagenshof. Um die Umfrage. Viele Bewohner fühlen
sich dort nicht sicher, finden zudem die Siedlung dreckig. 30 Prozent würden
am liebsten möglichst schnell wieder wegziehen. Horst Salmagne, Mitarbeiter
des 2007 eingerichteten Stadtteilbüros, hörte sich die Redebeiträge
der Bezirksvertreter an. Doch die dauerten nur fünf Minuten! Keine
weiteren Ideen zu den in der Umfrage vorstellten Lösungsansätzen,
keine Diskussion über die Zahlen.
Wozu über den Hagenshof
reden, wenn's auch die Von-der-Mark-Straße gibt. Die Bezirksvertretung
muss ihre Prioritäten überdenken.
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Von Andreas Ernst
Unter dem Abfall von Thyssen
liegt das Grab des kleinen Ortes Alsum, an das nicht mehr viel erinnert.Der
"Alsumer Berg" ist dafür jetzt einen Ausflug wert. Tolle Aussicht
auf die Rheinschiene und die neue Kokerei
Es ist verdammt diesig an
diesem Vormittag. Ein Schild am Alsumer Steig weist den Weg. "1,3 Kilometer
bis zur Aussichtsplattform" steht darauf. Links liegt der Alsumer Berg,
rechts der Rhein. Geradeaus und im Rücken: Industrie. Rauchwolken,
Hochöfen, es stinkt etwas. Nach was? Schwer zu sagen. Nach Arbeit.
Alsum. Hier wohnten bis vor 43 Jahren Menschen?
Der Alsumer Berg ist ein
Teil der "Route der Industriekultur" im Duisburger Norden. Der Landschaftspark
Nord, das Museum der Binnenschifffahrt: klar! Aber Alsum. . . Und vor allem:
Alsum, n i c h t Walsum! Was war denn hier? Eine Siedlung, so heißt
es. Hoffentlich gibt es hier bald ein Schild.
Noch ist keins in Sicht.
Ein langer, schier endloser Weg führt am Rhein entlang. An diesem
grauen, kalten Wintertag traut sich kein Radfahrer den Schotterweg entlang,
kein Fußgänger schaut sich die rauchenden Öfen an, niemand
liegt auf den Wiesen. Augen schließen, an den Sommer denken: Dann
ist es ein Paradies für Frischverliebte, Sportler, Fotografen.
Doch diesmal: Kapuze auf,
Regenschirm. Nach 800 Metern folgt endlich das lang erwartete Schild mit
den historischen Informationen. Einst stand an dieser Stelle das Schiffer-
und Fischerdörfchen Alsum, das 1892 zu einem Kohlenverladeplatz wurde.
Der Hafen versank jedoch 1925/26 im Rhein. Im Erdreich unter Alsum wurde
Kohle abgebaut, deshalb sank der Stadtteil immer tiefer. Irgendwann zog
man die Notbremse.
An diesem kalten Wintertag
ist kein Hochwasser zu sehen. Noch 500 Meter sind es zum Gipfel. Es geht
nun steil bergauf. Eigentlich wäre das perfekt für einen Berglauf
von Fußballmannschaften. Zu Fuß wird's anstrengend. Schnell
noch über die Fakten auf der Tafel nachdenken: 1965 verließen
die letzten 155 Einwohner den Stadtteil. Die Stadt füllte das Gelände
zu einer Schutthalde auf - und gestaltete sie schließlich zu einer
Grünfläche um. Alsum, 1933 die Heimat von 3360 Menschen, ist
nun als "Alsumer Berg" ein Teil der Industriekultur und Landschaftsschutzgebiet.
Angekommen auf dem Gipfel.
Es ist kein besonders schöner Tag für eine tolle Aussicht. Aber
doch schon beeindruckend genug. Thyssen-Krupp-Stahl liegt ganz, ganz nah,
am Horizont sind schemenhaft Fabriken und Kraftwerke in Rheinberg, Walsum
und Voerde zu erkennen. Ringsum Industrie. Hinsetzen, verweilen, nachdenken,
das Ruhrgebiet genießen, einatmen.
Der Abstieg beginnt. Der
Landschaftspark Nord ist schön. Aber der Ausblick vom Alsumer Berg
auch.
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Von Andreas Ernst
Essen. Ein Konzert
in Hamburg, Mitte der 90er. Rio Reiser spielt. Unter den Zuschauern: Jan
Plewka. Mit seiner Band Selig rockt er gerade kreuz und quer durch die
Republik. Plewka ist ganz oben. Nun bekommt er die Chance, sein Idol zu
treffen. "Selig ist geil. Such dir was aus", sagt der Verkäufer am
Merchandising-Stand. "Und jetzt gehen wir zu Rio, einen saufen." Plewka
folgt dem Verkäufer, sieht Reiser an einem Tisch sitzen. Und läuft
weg. "Das war zu viel für mich. Never meet your idols." Treffe niemals
deine Idole. Rio Reiser ist tot, Selig gibt es nicht mehr, Jan Plewka ist
von der großen Popkulturbühne verschwunden. Er tourt stattdessen
mit seinem Programm "Plewka singt Reiser" durch Deutschland. Am 28. Februar
ist er in Essen.
Er tritt nicht mehr in verrauchten
Clubs und Hallen auf. Theater sind nun sein bevorzugtes Metier, in Essen
das "Grillo". Mit einem Schifferklavier setzt er sich dann allein auf eine
rote Couch und singt mit seiner intensiven, kratzigen, kräftigen und
doch zärtlichen Stimme "Unten am Hafen". Spaziert mit seiner Band
bei "Der Turm stürzt ein" unplugged durch die Sitzreihen, sammelt
für ein Bier nach dem Konzert.
"Ich war ein glühender
Fan", sagt er. "Durch Rio habe ich singen gelernt, der war authentisch
und cool. Nicht die ganzen Schlagerheinis." Singen gelernt. Früher,
in den 80ern, als er in Ahrensburg in Schleswig-Holstein aufwuchs. Mit
seinen Freunden saß er am See, mit Gitarre in der Hand und Rio-Reiser-Titeln
auf den Lippen. Wundervolle Songs wie "Übers Meer". Der beginnt mit
der Zeile "Tag für Tag weht an uns vorbei".
Ab 1994 wehten die Tage
nicht an Jan Plewka vorbei. Sie flogen. Mit 24 stürmten Plewka und
seine Band Selig die Charts, veröffentlichten in kurzer Zeit drei
Alben, zwei kamen bis auf Platz 15. Plewka schrieb Hits wie "Sie hat geschrien",
"Wenn ich wollte", "Ist es wichtig" oder die Ballade "Ohne Dich". Kleine
Klassiker. "Wir waren jung und haben vier Jahre einen Riesenkrawall gemacht.
Wir haben so viel erlebt wie andere in 100 Jahren nicht."
Die jungen Rocker tauchten
in Kurt Cobains Selbstmordjahr auf, in einer Zeit auf der Suche nach neuen
Idolen. "Wir haben uns mehr in der Tradition von Jimi Hendrix und Led Zeppelin
gesehen. Aber der Zeitgeist trällert mit - und dann waren wir eben
German Grunge." Grunge, die Musikrichtung, die Cobains Band Nirvana groß
machte. "Am Abend von Cobains Selbstmord hatten wir ein Konzert. Wir haben
eine Ansprache gehalten. Einer im Publikum ist komplett ausgerastet, musste
rausgetragen werden", sagt Plewka.
Cobain kam nicht mehr klar.
Mit sich, seinem Leben, seiner Berühmtheit. Ein Leben, in das Plewka
mit Anlauf hineinschlitterte. In Hoch-Zeiten von Viva und MTV produzierten
Selig etliche tolle Musikvideos, zogen von Show zu Show, liefen im Radio
rauf und runter. Doch nach vier Jahren auf der Überholspur stellten
Plewka und seine Bandkollegen fest: Jetzt ist gut. "Als der Erfolg zum
Alltag wurde, wurde es langweilig. Da kriegst du einige Macken mit. Wir
waren kaputt, zerspielt. Ich war 24 Stunden Selig. Du weißt nicht
mehr, ob du noch einen Freund hast. Das war Burn-out. Wir mussten einfach
aufhören." Deutschlands Grunge-Hoffnung: Das Aus nach nur vier Jahren.
Aus und raus. Weg. Plewka
ging 1998 nach Schweden, zog ein Jahr in eine Holzhütte, mit regelmäßigen
Ausflügen in die Hauptstadt. "Stockholm wurde zu meiner Therapiestadt."
Vom mit Selig verdienten Geld blieb nichts mehr übrig. "Das habe ich
in Stockholm in Bier investiert", sagt Plewka und lacht. Er streifte sein
Selig-Ich ab und wurde wieder zum kleinen Künstler aus Schleswig-Holstein,
der am See mit seinen Freunden Rio-Reiser-Lieder singt.
Nach genau einem Jahr kehrte
er aus Skandinavien zurück. Er nahm ein Solo-Album auf, eins mit seiner
zweiten Band Zinoba und gründete 2004 Tempeau. Mit Freunden aus alten
Ahrensburger Musik-am-See-Zeiten wie dem Schauspieler Marek Harloff. Die
Freunde wohnen inzwischen wieder im Norden, Plewka hat drei Kinder zwischen
zwei und zehn Jahren. Dass er immer noch als der "Ex von Selig" bezeichnet,
geht ihm etwas auf den Zeiger. "Aber ich schäme mich nicht. Ich habe
ja nicht bei ,Gute Zeiten, schlechte Zeiten' mitgespielt."
Jan Plewka, heute 37, hat
zum Leben als Idol "Nein" gesagt. "Die Teenager standen in Selig-Zeiten
vor unserer Wohnung, wollten uns Tagebücher schenken. Man selbst weiß,
dass das verglüht." Bei MTV taucht er nicht mehr auf. Er singt Rio-Reiser-Lieder.
"Die Leute haben ein irres Bedürfnis nach naiven Utopien." Bei "Keine
Macht für niemand" und "Die letzte Schlacht gewinnen wir" brüllen
die Zuschauer laut mit. Leise Gitarrenmusik vor ein paar hundert Zuschauern.
Das reicht Jan Plewka. Heute.
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- An den "Sportgeschichten" bei derwesten.de beteilige ich mich auch nach Praktikumsende -
Es fing alles an mit diesen
weißen T-Shirts. "Unabsteigbar" stand dort in blauer Schrift. Stück
zehn Mark. Niemand kann den VfL Bochum aus der Bundesliga vertreiben. Dachten
alle VfLer zu Beginn der Saison 92/93. Denkste. Der VfL stieg doch ab.
Erstmals.
Hart hat sich der VfL diesen
Ruf erarbeitet. "In Bochum wurde früher so geholzt, dass sogar der
Ball eine Gefahrenzulage verlangt hat", sagte Trainer Max Merkel einst.
Oswald, Tenhagen, Gerland, Woelk, Lameck. Die Trainer heißen Höher
und Schafstall. Bochum, das ist erste Liga, das ist harte Arbeit.
Doch bleibt das auch so?
Der Abstieg ist ganz, ganz,
ganz nah, als um 15.30 Uhr an diesem Schicksalssamstag das Lokalderby gegen
die schon gerettete SG Wattenscheid 09 beginnt. Ausgerechnet auch noch
gegen Wattenscheid absteigen. Wie bitter wäre das? "Nein, das kann
nicht sein, das DARF nicht sein. Wir sind Bochum, wir steigen doch nicht
ab", sagen die blau-weiß beschalten Fans. Nicht wenige tragen eben
jenes verfluchte "Unabsteigbar"-Shirt. Die Bedingungen: Der VfL muss Wattenscheid
besiegen und zeitgleich der 1. FC Nürnberg das Heimspiel gegen das
bereits abgestiegene Schlusslicht 1. FC Saarbrücken verlieren. Eigentlich
unmöglich.
(...)
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!
(Falls der Link nicht klappt:
http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/5/news-52924652/detail.html)
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19. März: "Das
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von Diego Maradona
25. Juni: "Die Schande
von Gijon" (HIER)
oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/25/news-58013803/detail.html
über den 1:0-Sieg
Deutschlands gegen Österreich bei der WM 1982
Anmerkung:
Der Text "Der Tag, an dem
ganz Schalke weinte", wurde nach zwei Wochen knapp 7000-mal angeklickt.
Für diese kleine Rubrik eine stolze Zahl... Und der Text "Eine Gladbacher
Hauptfigur" hat nach drei Wochen knapp 9000 Klicks.
Seit Montag, 2. Juni, arbeite ich im "EM-Team" des Hauptsports. Erste Woche: Vorberichterstattung. Mit Tipps der kompletten Redaktion! Meiner: Frankreich! Und mein Superstar folglich: Ribery.
5. Juni:
Nie war es so leicht, Superstar
und Sieger dieser EM vorherzusagen: Franck Ribery zeigt den Abwehrspielern
Europas, wie Fußball funktioniert und wird Frankreich im Finale gegen
Deutschland den Silberpokal allein sichern. Endstand 2:0, zwei Tore Ribery.
Es ist Turnier eins nach
Zidane. Und auch nach Trezeguet. 20 Serie-A-Tore für Juventus Turin
reichten "Trezegol" nicht für eine Nominierung. Da setzt Trainer Domenech
lieber auf den nach einer schlechten Saison beim FC Barcelona mies gelaunten
Thierry Henry. Und im defensiven Mittelfeld auf den angeschlagenen Patrick
Vieira. Ob Zidane oder nicht, ob mies gelaunt oder angeschlagen: Wer Franck
Ribery hat, braucht nur noch 22 andere, die den Kader auffüllen. Torschützenkönig
wird Ribery nicht. In der Vorrunde beschränkt er sich auf Vorlagen.
6. Juni:
Eigentlich dachten wir vor
der gerade abgelaufenen Saison, dass wir alles Schöne schon gesehen
haben. Fallrückzieher, Übersteiger, Hackentricks, 30-Meter-Hammer
in den Winkel - gäähn, da kommt nichts mehr.
Und dann wechselte Franck
Ribery in die Bundesliga zum FC Bayern München.
Wie der die Außenlinie
entlangfliegt - ein Traum. Wie er auf jedes Problem, auf jeden Gegenspieler
mit einem neuen Fußball-Gag zu reagieren weiß - herrlich. Er
schießt nur Tore des Monats, und wenn es Elfmeter sind, die er ganz
gemein in die Tormitte zu schnippen pflegt. Bayer Leverkusens Manuel Friedrich
fasst es so zusammen: "Ich meine, ihr könnt euch ja da mal hinstellen,
wenn Ribery mit 180 vorbeigeflogen kommtz..."
In der Bundesliga spielte
sich der kleine Franzose eine ganze Saison lang warm. In Österreich
und der Schweiz wird jeder über diese neue Art des Fußballs
staunen. Dann wird ganz Europa sagen: "Also so etwas, das haben wir noch
nie gesehen!"
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In der ersten Woche im EM-Team ergab sich die Gelegenheit, eine Frage crossmedial zu bearbeiten.
Was ist Abseits?
Der Text auf der Seite "Rhein-Ruhr" (eine Umfrage), steht HIER (http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/2008/6/6/news-53502896/detail.html). Auszüge:
Nici Jung aus Essen: "Abseits.
. . ist. . . wenn der Ball nicht mal innerhalb der eigenen Hälfte
gespielt wird. . . Moment, ich muss noch mal überlegen. Ich bin mehr
so die Saison-Fußball-Guckerin, habe keine Ahnung. Abseits. . . Von
zehn meiner Freundinnen würde das nur eine wissen. Public Viewing
finde ich aber wirklich nett. Abseits. . . Ich muss noch einmal überlegen.
Abseits ist für mich, wenn der Ball am Tor vorbeifliegt, oder? Oder
etwa nicht? Aber erklären muss ich das ja auch nicht. Mein Freund
weiß das viel besser."
Christa Möller aus
Essen: "Abseits ist was kompliziertes. Ich kann's auf jeden Fall nicht
erkennen, auch wenn es mir schon 100-mal erklärt worden ist. Mindestens.
Moment, ich probiere es aber trotzdem: Wenn einer vor dem anderen von Dingenskirchen
steht. . . Oder? Nein, Abseits ist doch sehr kompliziert. Mit Fußball
und der Europameisterschaft habe ich eigentlich wenig zu tun. Aber wenn
mein Mann die Spiele guckt, dann gucke ich mit. Auch wenn ich Abseits vor
dem Fernseher dann nicht erkennen und es dann sagen kann."
- Im Text folgen dann
noch drei Interviewte -
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Im Internet auf www.derwesten.de
wurde der Text mit ein paar Videos unterlegt. Das ist HIER
zu finden.
Oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/2008/6/6/news-53505395/detail.html
Von Andreas Ernst
Essen. 3:2 nach 0:2: Das letzte Vorrundenspiel der Türkei gegen Tschechien war eins der spannendsten bei der EM. Im Viertelfinale trifft die Türkei auf Kroatien. Die fünf wichtigsten Fragen:
1. Welche Bedeutung hat
Trainer Fatih Terim?
Bei den Spielern genießt
der 54-Jährige hohe Wertschätzung, in der Öffentlichkeit
ist er nicht unumstritten – zu holprig und einfallslos spielte die türkische
„Milli Takim” in der EM-Qualifikation. Terims größter Erfolg
war der Gewinn des Uefa-Pokals mit Galatasaray Istanbul 2000. Internationale
Erfahrung sammelte er beim AC Mailand und beim AC Florenz als Trainer.
2. Wie motiviert Fatih
Terim seine Spieler?
Terim schwört auf einen
autoritären Führungsstil. Sein Spitzname: Imperator. Terims Motivationshilfe
für das Viertelfinale ist dagegen fast niedlich. Sollte die Türkei
ins Halbfinale einziehen, lässt Terim die Spielerfrauen einfliegen
– bei der WM 2002 funktionierte das. Die Türkei erreichte den dritten
Platz. „Wir haben einen großen Vorteil”, sagt Terim, „wir geben nie
auf.” Seinen Star Nihat muss Terim gar nicht groß motivieren. „Die
Kroaten sind uns in allen Belangen unterlegen”, sagt der.
3. Auf welche Spieler
kommt es an?
Nihat ist nicht nur selbstbewusst,
sondern auch Kapitän und Torjäger. Beim Spiel gegen Tschechien
erzielte er die Tore zum 2:2 und 3:2. In der spanischen Primera Division
traf er in der abgelaufenen Saison für den FC Villarreal 18-mal. Wichtig
ist auch die Defensive – aber gerade dort hat Terim Probleme. „Unsere Abwehr
funkt SOS”, schreibt die türkische Sportzeitung Fanatik. Innenverteidiger
Emre Güngör ist verletzt, der defensive Mittelfeldspieler Mehmet
Aurelio gesperrt. Die Abwehr zusammenhalten soll nun der knallharte Servet
Cetin von Galatasaray. Aber: Servets Leiste zwickt. Impulse nach vorn erhofft
sich Terim von Hamit Altintop (Bayern München), der mit drei Torvorlagen
großen Anteil am Sieg im Spiel gegen Tschechien hatte.
4. Wer steht für
den gesperrten Volkan Demirel im Tor?
In der Nachspielzeit des
Tschechien-Spiels sah Torwart Volkan Demirel nach einem Schubser gegen
Jan Koller Rot und ist für zwei Spiele gesperrt. Unverhofft kommt
Oldie Rüstü Recber (Besiktas Istanbul) zum Comeback – das ist
der Torwart, der meist mit Kriegsbemalung unter den Augen spielt. Er ist
35 Jahre alt und mit 116 Einsätzen türkischer Rekord-Nationalspieler
– eigentlich also erfahren genug. Allerdings bestritt der verletzungsanfällige
Keeper in den vergangenen drei Jahren nur 43 Pflichtspiele.
5. Was passiert nach dem
Spiel?
Terim hat der Türkei
zwar mit dem Triumph über Tschechien einen unvergesslichen Fußball-Abend
beschert, aber der Einzug ins Viertelfinale galt vor der EM als Pflicht.
Sollte die Türkei nun scheitern, werden sich Fans und Öffentlichkeit
trotzdem mit Anlauf auf Terim stürzen. Schließlich hat er auf
Halil Altintop (Schalke 04) und Yildiray Bastürk (VfB Stuttgart) verzichtet.
Gewinnt die Türkei, gibt es in ganz Europa Autokorsos. Und Terim wird
zum Trainer-Idol.
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Von Andreas Ernst
Das ist aber auch schwierig.
Was zuerst machen? Augen schließen, Kopf in den Nacken, einatmen,
ausatmen, riechen. Herrlich, Landluft an einem Sommertag auf dem Bauernhof.
Zuerst geht's auf die Felder. Zwischenmahlzeiten nicht in den Regalen der
Supermärkte suchen, sondern draußen in der Hitze. Dabei eine
sanfte Brise spüren - die Forke in der einen, den Eimer in der anderen
Hand. Kartoffeln selbst aus dem Boden heben, in den Eimer werfen. Manche
sehen aus wie berühmte Menschen.
Entspannen, witzeln, weitergehen.
Zwischendurch einen Schluck Wasser - so ein Tag ist anstrengend. Wohin
nun mit den Kartoffeln? Zurück zum Bauernhof. An den Tieren vorbeispazieren.
Pferde stehen auf den Wiesen, naschen Gras, im ersten Stall gackern die
Hühner - und das schon seit vier Uhr am Morgen. Da gibt's zu den Kartoffeln
noch Eier. Im nächsten Stall bei den Schweinen ist's vorbei mit der
frischen Landluft - das gehört dazu.
Zu diesem Zeitpunkt ist
das Mineralwasser garantiert leer. Hinsetzen, ein bisschen ausruhen, Kopf
in den Nacken, einatmen, ausatmen, das Hungergefühl spüren. Der
Tag geht noch vorbei: Die Eier je nach Wunsch weiter "verarbeiten", die
Kartoffeln putzen und ins heiße Wasserbad schmeißen. Eine sollte
übrig bleiben. Denn die mit der besten Figur ergibt mit Papier, Schere
und Kleber einen prächtigen Kartoffelkönig.
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Von Andreas Ernst
Das Training ist schon etwas
länger zu Ende. Nach und nach verlassen die Spieler des Zweitliga-Neulings
Rot-Weiß Oberhausen die Umkleide, schleichen zum Parkplatz, steigen
in ihre Autos und fahren davon. „Der Felix kommt gleich”, ruft jemand.
Als einer der letzten verlässt Felix die Kabine. Die Haare glatt gekämmt
und nass, in der Mitte gescheitelt. Er trägt eine weiße Baseballkappe
auf dem Kopf, Apfelschorle in der Hand. Felix Luz, 1,86 Meter groß.
Er ist der Stürmer, der RWO zum Klassenerhalt schießen soll.
Oberhausen also.
Der Ruhrpott ist die fünfte
Station in der Karriere des 26-Jährigen. Eine Karriere, in der er
schon oft an Kreuzungen stand, sich aber nicht immer für den richtigen
Weg entschied. Er spricht unüberhörbar einen schwäbischen
Dialekt, ist auskunftsfreudig. Vor allem, wenn es um den VfB Stuttgart
geht. Dort stand er in der Fankurve, zum VfB wechselte er 1997 in die B-Jugend.
In eine hochtalentierte Mannschaft. Mit Markus Miller im Tor, dem heutigen
KSC-Keeper. Außerdem mit Tobias Rathgeb, Michael Fink, Andreas Hinkel
und. . . Kevin Kuranyi. Das Sturm-Duo hieß Kuranyi/Luz.
Oberhausen also. Der Ruhrpott.
Hier spielt auch Kuranyi,
sein ehemaliger Sturmpartner. Der Kontakt brach nie ab, die Handy-Nummer
des berühmten Schalker Nationalspielers hat er gespeichert. „Das Ruhrgebiet
kenne ich von Besuchen bei Kevin, der ja auch hier spielt”, sagt Luz. Seit
Juli 2005 treffen die Sturmpartner nicht mehr gemeinsam. Kuranyi zog nach
Gelsenkirchen, Luz nach Hamburg. „St. Pauli war ein Glücksfall für
mich. Der Verein hat mich geprägt”, sagt Luz.
Der richtige Weg.
So richtig durchsetzen konnte
er sich beim VfB nie. Er saß in einem UEFA-Cup-Spiel auf der Bank,
spielte beim damaligen Trainer Felix Magath vor – mehr nicht. Und am Millerntor?
Der kampf- und kopfballstarke Stürmer ließ sich mitreißen
von der ganz eigenen Stimmung an der Reeperbahn, erzielte in anderthalb
Jahren in 49 Regionalligaspielen 13 Tore. Und in fünf DFB-Pokalspielen
drei. St. Pauli zog ins Halbfinale ein, scheiterte erst mit 0:3 an den
Bayern. Luz war wer.
Doch wohin des Weges?
Angebote hatte er viele.
Am besten war das des 1. FC Köln. Doch St. Pauli ließ den erfolgreichen
Stürmer nicht weg. „Natürlich war ich ein bisschen enttäuscht.
Ich wollte unbedingt in den Profifußball”, sagt er. Und er wollte
zu viel. Nach der Hinrunde der Saison 06/07 zog es ihn zum FC Augsburg
in die 2. Bundesliga. Die Aufstiegschancen von St. Pauli waren zu gering
– bei neun Punkten Rückstand.
Der richtige Weg?
St. Pauli stieg doch noch
auf, Luz kam in Augsburg aber selten über die Rolle des Jokers hinaus.
„Ein Fehler war's sicherlich nicht. Obwohl's nicht so lief, war es eine
Erfahrung.” In St. Pauli war Luz der Held, in Augsburg einer von vielen.
In St. Pauli ging es in der Kabine auch mal locker zu, in Augsburg wurde
professionelles Verhalten verlangt. Immer.
Wohin des Weges jetzt?
Oberhausen also. Der Ruhrpott.
Hier ist er angekommen, der einstige DFB-Pokalheld, dem Stuttgart und St.
Pauli am Herzen liegen. Er will Oberhausen nicht als Karriere-Sprungbrett
Richtung Bundesliga nutzen. Deshalb hat er einen Zwei-Jahres-Vertrag unterzeichnet.
Er weiß, dass er der bekannteste Neue ist. Weiß, was die Fans
erwarten. „Der Umgang in der Mannschaft ist locker, das ähnelt St.
Pauli.” Er selbst ist bescheiden: „Ich will erst einmal ein Spiel machen
und optimal wäre es natürlich, gleich Tore zu machen. Dann mir
einen Stammplatz erarbeiten.”
Der richtige Weg?
Nach drei Testspielen hat
Luz drei Tore auf seinem Konto. Es sind nur Tests, aber schon jetzt sehen
die Fans: Wir haben nicht mehr nur Terranova und Kaya vorn. Sondern noch
einen. Einen, der nicht den Helden spielt. Der über sich selbst sagt,
dass er kein Selbstdarsteller sei. Darf er auch nicht sein. Hier in Oberhausen.
Im Ruhrpott.
Copyright liegt bei der WAZ Mediengruppe
Kein Zweifel: Dieses Wochenende wird eins der, vielleicht sogar DER, Höhepunkt(e) meines Volontariats. Zur Erklärung: Einmal im Jahr gibt's den "J-Cup", das ist die deutsche Fußball-Meisterschaft der Journalistenschulen. In diesem Jahr fand diese in Berlin statt und wurde vom Titelverteidiger ausgerichtet - der Axel-Springer-Akademie. Auch die JSR nahm mit einer Mannschaft teil, zu der auch ich gehören durfte. Wir wurden Dritter, wie Ihr der offiziellen Pressemitteilung (leider sehr sachlich) der WAZ Mediengruppe entnehmen könnt (die PM stammt übrigens von mir).
Mit viel Herz und Teamgeist
erreichte die Fußballmannschaft der Journalistenschule Ruhr (JSR)
der WAZ Mediengruppe beim „J-Cup 2008“ den dritten Platz. An der deutschen
Meisterschaft der Journalistenschulen nahmen 13 Teams teil - von Hamburg
bis München, von Köln bis Leipzig. Titelverteidiger war die Axel-Springer-Akademie,
die das Turnier im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Bezirk Prenzlauer
Berg ausrichtete.
Mit nur zwei Vereinsspielern
im 13-köpfigen Kader und ohne gemeinsames Training reiste die JSR-Mannschaft
nach Berlin. Fast alle Gegner verzichteten auf den Einsatz von Frauen -
bei der JSR zählte Mareike Müller zur Stammmannschaft. Die vermeintlich
besten Teams hatten erfahrene Torhüter - JSR-Keeper Timo Günther
stand noch nie in einem Fußball-Meisterschaftsspiel zwischen den
Pfosten, avancierte aber mit etlichen Paraden und zwei gehaltenen Neunmetern
zum besten Torwart des Turniers.
Technisch und konditionell
zählten die JSR-Volontäre nicht zu den besten Mannschaften des
Tages. Aber niemand hatte mit dem Zusammenhalt der Spieler von drei WAZ-Titeln
und dem Internetportal DerWesten gerechnet. Im ersten Spiel trotzten die
kampfstarken Volos dem Titelverteidiger ein 1:1 ab. Die Vorrundengruppe
mit sieben Teams beendete die JSR mit elf Punkten und 22:7 Toren auf dem
zweiten Platz. Im Viertelfinale gelang der JSR ein 3:1-Triumph im Spiel
gegen das IFP München. Zu stark war im Halbfinale die Journalistenschule
Köln – doch nach dem 0:2 hielt sich die Enttäuschung in Grenzen.
Durch einen 3:1 Sieg im Neunmeterschießen um den dritten Platz über
die Berliner Journalistenschule sicherte sich die JSR den drittgrößten
Pokal.
„Der dritte Platz berechtigt
zu den schönsten Hoffnungen für Leipzig“, sagte Gabriele Bartelt-Kircher,
Leiterin der Journalistenschule Ruhr, die ihre Mannschaft persönlich
anfeuerte. Die Leipziger Journalistik-Studenten gewannen das Turnier und
richten es im Jahr 2009 aus.
DAS
VIDEO ZUM FUSSBALLTURNIER (unbedingt anschauen):
Bitte
HIER
klicken!
Samstag, 15.27 Uhr, tief
im Westen scheint die Sonne, sie knallt, im Sommer brennt sie vielleicht
auch. "Bochum" ertönt aus den Lautsprechern, der Grönemeyer-Klassiker.
"Herbert" nennen ihn alle in der Ostkurve. Egal, welche Musik privat im
Auto oder zu Hause läuft: Hier ist Herbert Pflicht. Mist, Sonnenbrille
vergessen.
Kleiner Tipp: Wer historische
Fußball-Geschichten mag und beim oben genannten Szenario in der VfL-Fankurve
befindet, sollte diese Frage stellen:
"Wer hat denn dieses Stadion
geplant? Dass die eigenen Fans mitten in die Sonne schauen müssen
und nix sehen!"
Wer in der passenden Umgebung
steht (einfach auf ältere Gesichter achten), der bekommt sofort die
komplette Historie des Ruhrstadions (in der Ostkurve heißt es immer
noch Ruhrstadion und nicht... ähh... rewirpauer - oder wie schreibt
man das noch gleich?) präsentiert. Mit Insider-Infos.
"Dat is doch", sagt dann
der eine, "weil damals, als es noch Stadion an der Castroper Straße
hieß, auch die VfL-Fans schon hier standen." Dann hakt der nächste
ein: "Dat weiß ich noch. Da war ich ganz klein und hab mich immer
reingeschlichen." Und wieder einer will mitreden: "Daaaamaaals, da bin
ich doch von Castrop-Rauxel-Henrichenburg immer mitm Rad nach hier gefahren."
Beim allerersten Fußballspiel
an der Castroper Straße, da lebten aber die wenigsten der Ostkurvengänger
schon. Borussia Dortmund und der FC Schalke 04 zogen in ihrer Geschichte
mindestens einmal um. Der VfL nie. Bereits 1911 pachtete einer der VfL-Vorgängervereine
- Spiel und Sport Bochum - vom Bauern Dieckmann die Wiese. Außerhalb
der Stadt übrigens und etwas abgeschieden, denn Bochum war noch nicht
so weit gewachsen. Das erste Spiel fand am 8. Oktober 1911 vor 500 Zuschauern
gegen den VfB Hamm statt. Aus einem kleinen Bolzplatz wurde innerhalb von
wenigen Jahren eine 50.000-Mann-Arena. 50.000!
1922 verlegte der DFB das
Länderspiel gegen Ungarn nach Bochum. Erst zum zweiten Mal fand ein
Länderspiel im Ruhrgebiet statt. 0:0 ging's aus. Es folgte eine lange
Flaute im Bochumer Fußball. Erst nachdem 1938 drei Vereine zum VfL
Bochum fusionierten, ging's wieder bergauf mit Zuschauerzahlen (und sportlicher
Qualität). Das Stadion ging an die Stadt und erhielt in den 50ern
eine Sitzplatztribüne.
Zwanzig Jahre später
stand die immer noch. 2700 Plätze, davon 1400 nicht einmal überdacht...
Zeit für einen Neubau - eigentlich. Doch die traditionsreicheren Nachbarn
Schalke und Dortmund erhielten den Zuschlag. Vor der WM 1974 entstanden
in beiden Städten neue Stadien, mit Zuschüssen von Bund und Land.
Allein das Westfalenstadion kostete 32 Millionen Mark, dabei spielte Borussia
zu dieser Zeit in der Regionalliga. Der VfL musste ein paar Jahre länger
auf eine Modernisierung warten. Doch einen Neubau gab es nicht. Und einen
Umbau innerhalb weniger Monate schon gar nicht. Über drei Jahre wurde
von 1976 bis 1979 Tribüne für Tribüne neu errichtet. Oft
spielte der VfL in dieser Baustelle und zwischenzeitlich sogar für
ein sechs Spiele im Herner "Schloss Strünkede", eigentlich Heimat
der Westfalia - und gewann fünf davon.
Kolportiert wird in Bochum
ein Satz des damaligen Präsidenten Ottokar Wüst: "Bauen Sie mir
ein neues Stadion und ich baue ihnen eine große Mannschaft", soll
er zu Stadt-Oberen gesagt haben. Besonders bei einem 0:2- oder 0:3-Rückstand
ist die Stimmung mit diesem Zitat immer wieder wenigstens ein bisschen
zu bessern. "Keine Titel und Trophäen, trotzdem wird es weitergehen",
singen die VfL-Fans gern. Große Mannschaft...
Dann der 21. Juli 1979.
Max Merkel, der einst "In Bochum wurde früher so geholzt, dass sogar
der Ball eine Gefahrenzulage verlangt hat" sagte, meinte jetzt: "Mit seinem
neuen Stadion braucht Bochum nicht mehr zurückzustehen hinter Dortmund,
Schalke und Duisburg. Für mich ist der VfL jetzt der Favorit." Irgendjemand
zählte 49.522 Plätze im grauen Viereck. Zur Premiere kamen 35.000
- und der Oberbürgermeister Eickelbeck sogar mit dem Hubschrauber.
Gotthilf Fischer sang mit der Fankurve das "Bochumer Jungenlied". Das erste
Spiel im fertigen Stadion gewann der VfL mit 3:0 gegen Wattenscheid 09.
Ein ungleiches Kräftemessen. Elf Tage später kam dann Manchester
United und holte ein 1:1.
Jahrelang hatte der VfL
eines der wenigen reinen, komplett überdachten Fußballstadien
in Deutschland. Doch großen oder gar internationalen Fußball
spielte der VfL nicht. Im Gegenteil: Der VfL blieb der ewige Abstiegskandidat.
Wenigstens die drei Länderspiele gegen Finnland (1981), Jugoslawien
(1986) und Ghana (1993) brachten etwas internationales Flair. Nachdem die
Bochumer aber trotz des 6:1-Erfolges gegen Ghana den Kopf von Trainer Vogts
forderten und "Berti raus" brüllten, vergab der DFB nie wieder ein
Länderspiel in den tiefen Westen. Das Stadion erhielt einige Korrekturen,
aber nicht mehr. Die Kapazität beträgt inzwischen nur noch 31.328
Zuschauer. Aus der Westkurve - 1979 Stehplatzblock - wurde nahezu komplett
ein Sitzplatzblock. Hinter der Haupttribüne entstand im August 2003
das fünfstöckige Stadioncenter, in den Stadionecken gibt es seit
Juli 2004 Videowände.
Und die Ostkurve kann auch
mit Sitzplätzen ausgestattet werden. Verankerungen in den Stehstufen
erinnern an das UEFA-Cup-Spiel gegen Standard Lüttich am 30. September
2004. An das 1:1 in der allerletzten Sekunde, als der VfL ausschied. Zum
einzigen Mal war das Stadion an diesem Tag komplett "besitzplatzt". "Sieger
waren mir aber immer schon langweiliger als jene, die interessant zu scheitern
wissen", schrieb der Journalist und Autor Christoph Biermann über
seine VfL-Leidenschaft. Es kann als ein Motto für die sportliche Geschichte
des Ruhrstadions gelten. Fünfmal stieg der VfL hier aus der Bundesliga
ab, fünfmal wieder auf. Vier UEFA-Cup-Heimspiele bestritt der VfL
hier, jedes einzelne ist Kult geworden in der Ostkurve. Wer erinnert sich
bei Schalke und Dortmund noch an irgendein Erstrunden-Spiel 1994?
Konzerte gab es in den vergangenen
Jahren nur von Herbert Grönemeyer. Von wem auch sonst? "Ohne Bochum
gehn wir nicht nach Haus" , singt die Menge, die meisten mit VfL-Fans.
Und fast immer singt Herbert zweimal einen seiner größten Klassiker.
2006 wurde Grönemeyer sogar Mitglied beim VfL. Vor dem Spiel gegen
Werder Bremen unterschrieb er seinen Aufnahmeantrag. 90 Fußball-Minuten
später stand es 0:6. Wieder einmal interessant gescheitert, einer
der vielen "magischen" Tage im Ruhrstadion.
Das Ruhrstadion: 1979
das, was heute die topmodernen Arenen in Gelsenkirchen, Hamburg, Frankfurt
und sonstwo sind. 1979 topmodern. Und heute der klassische, graue Gegenentwurf
zu den Stadien 2.0. Und obwohl der Luxus fehlen mag: Es ist immer noch
eins der schönsten Stadien der Ligen. Sagen nicht nur die älteren
Fans in der Ostkurve, die erzählen können wie's war, damals.
Sondern auch die gegnerischen Fans.
Denn in Bochum lässt
sich nicht nur aus toller Sicht Fußball gucken. Die Punkte gibt's
oft noch obendrauf. Für die VfL-Fans in der Kurve ist es das einzig
wahre Stadion. "Schmuckkästchen" sagen sie. Zurecht.
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Während er so redet,
über seine Karriere, über die Zeit an der Bremer Brücke
beim VfL Osnabrück („Da musst du an einem Freitagabend unbedingt mal
gewesen sein.”), kommen Benjamin Schüßlers neue Teamkollegen
aus der Kabine. Markus Kaya dreht sich kurz um, grinst und sagt dann: „Erzähl
bloß keinen Scheiß. . .” So ist es in diesen Tagen bei Rot-Weiß
Oberhausen. Harmonisch. Sonnig. Gut.
Sonnig sieht Schüßler
aus an diesem Donnerstagmittag. Nach dem 10-Uhr-Training hat er geduscht,
wartet auf ein offizielles Team-Fotoshooting. Er trägt T-Shirt, 'ne
lockere Sommerhose und Flip-Flops. Sieht aus wie ein A-Jugendspieler, der
mal bei den Großen mittrainieren durfte. Dabei ist er der Große
in dieser Mannschaft. „Wir haben eine willige junge Truppe.”
Er ist der Erfahrenste.
Obwohl er sich nicht so gibt. Obwohl er nicht danach aussieht. 27 ist er
erst, kann aber schon 115 Zweitligaspiele vorweisen. Er hat viele Trainingslager
mitgemacht – mit RWO sein erstes vor einer Woche in Bitburg. „Es gibt auch
Trainingslager, da redet man nicht so viel. Bei uns war gute Stimmung”,
sagt er.
So richtig gute Laune hatte
Schüßler allerdings nicht, als er – aus Magdeburg kommend –
im Jahr 2000 bei Borussia Mönchengladbach seinen ersten Profivertrag
unterzeichnete. Zu Beginn war er verletzt und fand danach nie den Anschluss.
Ergebnis: Einsätze in der Oberliga-Mannschaft und 2002 ein Wechsel
zum Regionalligisten VfL Osnabrück. Der Aufstieg gelang – mit sechs
Schüßler-Toren in 14 Spielen. Doch der VfL riss die Aufstiegsmannschaft
auseinander. Holte mit Frank Pagelsdorf einen neuen Trainer. Doch nicht
nur das.
„Anders als hier hat Osnabrück
nach dem Aufstieg viele neue Spieler geholt”, sagt er, blickt auf seine
Flip-Flops. Seine Stimme ist fester. Das Oberhausener Konzept findet er
richtiger. Sagt's zwar nicht, aber die Betonung macht's. Der VfL stieg
wieder ab und Schüßler sattelte um. Ein paar Kilometer weiter
nach Ostwestfalen. Nächste Station: der SC Paderborn 07.
Dort wiederholte sich die
Geschichte: Aufstieg von der Regionalliga in die 2. Bundesliga – aber diesmal
gelang der Klassenerhalt. Schüßler zählte immer zu den
Stammspielern. „Ich hatte drei gute Zweitligajahre”, sagt er und übt
leise, sogar ganz leise Kritik am Paderborner Vorstand: „Es gab unglückliche
Trainerwechsel... Aus verschiedenen Gründen... So ist das in Paderborn.”
Jetzt ist er nicht mehr
in Ostwestfalen. Sondern im Ruhrgebiet. In den zahlreichen Sonderheften,
die in diesen Tagen an den Kiosken landen, stehen hinter seinem Namen die
meisten Zweitligaspiele. „Die Fans können sich auf einen einsatzfreudigen,
lauffreudigen, dribbelstarken Spieler freuen”, sagt er.
Doch an der Schüssel
hat Schüßler nichts. Selbstkritisch ist er: „Ich muss an meiner
Torquote arbeiten. Das weiß ich.” Er weiß auch, dass von ihm
besonders viel erwartet wird. Zum Beispiel, dass er die jungen Spieler
führt. Wird klappen. Denn Schüßler ist keiner, der „Scheiß
erzählt”.
7 Fakten über den
neuen RWO-Mittelfeldspieler
1. Geburtsdatum: 4. Mai
1981.
2. Ruhrgebiets-Erfahrungen:
Obwohl er zuletzt in Osnabrück und Paderborn spielte und seine Jugendzeit
in Magdeburg verbrachte, kennt er das Ruhrgebiet gut. „Von Gladbach ist's
nicht weit.”
3. Wohnort: Außerdem
wohnt er in Gelsenkirchen. . .
4. Spieler-Freundschaften:
Ein ehemaliger Paderborner Kollege steht beim MSV Duisburg im Tor: Tom
Starke. Die beiden verstehen sich außerhalb des Platzes gut.
5. Lieblingsspiel: 3:2 gegen
Karlsruhe in der Saison 05/06. Schüßlers Bilanz: ein Tor, eine
Vorlage.
6. Fairness: In vier Zweitligajahren
sah Schüßler nur 17-mal Gelb. . .
7. Tore. . .: und schoss
zehn Tore.
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WAZ Velbert (Langenberg)
- 14.8.2008
Blick ins Grüne
WAZ-AKTION SCHÖNER SITZEN: Edwin
und Hildegard Oster drehen regelmäßig eine Runde im Senderwald.
Am schönsten Aussichtspunkt würden sie sich gern setzen. Geht
aber nicht, weil eine Bank fehlt
Anmerkung: Noch vor meiner Velberter Zeit - also im Juli - entstand die WAZ-Aktion "Schöner Sitzen". Heißt: Leser sollen uns "ihre" Geschichten rund um ihre Lieblingsbank schildern. Klassisches Sommerthema.
Jeans, kurzes Hemd, Wanderschuhe.
Festen Schrittes kommt Edwin Oster aus seinem Haus an der Hüserstraße.
"Meine Frau", sagt er, "ist mit dem Hund schon vorgegangen. Von hier sind
es 20 Minuten zu Fuß bis zu dem Platz."
Dem Platz.
Dort sind Edwin und seine
Frau Hildegard ganz besonders gern. Im Sommer, Winter, egal bei welchem
Wetter. Und würden sich gern hinsetzen, ausruhen und auf Oberbonsfeld
schauen. Würden.
Dass das nicht klappt, will
Oster zeigen. Es geht bergauf, an der Grundschule vorbei, dann links Richtung
Meyberg. Edwin Oster setzt einen Fuß vor den anderen, wird fitter
von Schritt zu Schritt. Kein Wunder, er ist Lehrer an der Heinz-Nixdorf-Berufsschule
und unterrichtet Elektrotechnik und Sport. "Das ist hier eine geniale Ruhe.
Diese Runde drehen wir jeden Tag, manchmal bis zum Bergerhof", sagt der
54-Jährige. Seit 20 Jahren wohnt der gebürtige Koblenzer in Langenberg.
Und fühlt sich längst zu Hause. "Als ich damals kam, sagten mir
die Kollegen, ich solle mir im Essener Süden was suchen", erzählt
er. Oster schaute sich alle Orte in der Umgebung an und entschied sich
für Langenberg.
Hier wuchsen seine zwei
Kinder auf. Hier wandern Edwin, Hildegard und Dackel Tammy am liebsten.
"Da hinten", sagt Edwin Oster und deutet auf einen kleinen Feldweg, "müssen
wir links". Es geht noch immer bergauf, Häuser sind nur noch klein
am Horizont zu erkennen, der Blick ins Tal ist schon zu erahnen. Kurz vor
dem Ziel holt Oster seine Frau und den Hund ein, Tammy kennt hier jeden
Stein, jeden Strauch, jede Wiese, jeden Baum. "Der hier", sagt Oster und
deutet auf ein großes Exemplar, "ist ein Schwarznussbaum. Ganz selten!"
Die biologische Nachhilfestunde dauert nicht lang. Denn hinter dem Schwarznussbaum
folgt eine Lichtung. Der Orkan Kyrill hat im Wald ganz besonders gewütet
und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Folgen sind bis heute
zu sehen. Tammy, Hildegard und Edwin legen die letzten Meter auf dem Weg
Richtung Gipfel zurück. Kein geteerter Weg, sondern über Stock
und Stein geht's.
"Da hinten!"
Sagt Edwin Oster, läuft
noch zehn Schritte und schaut vergnügt. "Hier mache ich jeden Sonntag
meine Fitnessübungen", sagt er. Andere Hundebesitzer kommen entgegen,
der Weg an der tollen Aussicht im Senderwald ist scheinbar ein Geheimtipp.
Der Blick geht auf Oberbonsfeld. Aber nicht nur. "Da ist die Grundschule,
in etwas weiterer Entfernung die Kirche." Wenn sich die Osters und alle
anderen Spaziergänger setzen wollen, dient nur ein schmuckloser, nasser
Holzklotz als Platz.
Das soll nicht so bleiben.
"Eine Bank wäre so schön", sagt er. Am Geld soll's nicht scheitern.
Edwin Oster würde 20 Euro spenden.
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Schwer zu zeigen ist auf
dieser meiner Seite dieser viel beachtete Text, der auf der Seite "Rhein-Ruhr"
stand. Ihr findet einen Auszug daraus unter:
http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/rhein-ruhr/2008/9/19/news-77881981/detail.html
*** Das Thema: Am 20. September
ist Weltkindertag. Wir beschlossen, das Thema "Freundschaften unter Kindern"
näher zu beleuchten. Dazu interviewte ich fünf "Kinderpaare"
- zwei in Mülheim, jeweils eins in Herten, Witten und Essen. Dazu
kam ein Interview mit einem Kinderpsychologen. Schöne Bilder, auf
der Titelseite der WAZ angekündigt - 'ne runde Sache! ***
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...mein erstes Bundesligaspiel als Berichterstatter...
Von Andreas Ernst
Bielefeld. Als der
Mannschaftsbus des 1. FC Köln schon zur Abfahrt bereit stand, saß
Arminia Bielefelds Trainer Michael Frontzeck noch im Presseraum. Er lehnte
sich zurück, nippte an seiner Kaffeetasse und verfolgte mit großer
Freude den Spielbericht im Fernsehen. 2:0 gewonnen, erster Saisonsieg,
das gefiel den Fans draußen und dem Coach drinnen. "Ob glücklich
oder nicht", philosophierte Frontzeck, "spielt keine Rolle."
Zweimal hatte die Arminia
in dieser Saison bereits daheim gespielt. Beim 2:2 gegen Bremen und dem
2:4 gegen den HSV klatschten die Zuschauer zwar auch - aber wegen der ungeahnten
Offensivstärke ihres Teams. Für Frontzeck waren diese Heimspiele
zwei Argumente für einen taktischen Rückschritt. "Das heutige
Spiel ist unsere Stärke", sagte er am Samstag. Und da müssten
eigentlich alle Arminen entsetzt zucken. Denn Frontzeck mag unansehnlichen
Abwehrschlacht-Fußball.
Fehlpässe und Querschläger
verzeiht der Coach schnell. Auf "Kompaktheit, gutes Zweikampfverhalten
und Vertrauen in sich selbst" komme es an. Frontzecks Ansprache vor dem
Spiel - sagt er - "war kurz und knackig". Kein Wunder, eine solche Taktik
muss ein Trainer nicht ausführlich erklären. Tore schießt
die Arminia im Frontzeck'schen Sicherheitssystem nur mit viel Glück
oder nach Standardsituationen. Am Samstag klappte vor 24 400 Zuschauern
beides - gegen eine Kölner Mannschaft, die alles versuchte, um die
Bielefelder Arena als Verlierer zu verlassen.
Und das auch schaffte. Vorn
ließen die Kölner ihre mageren drei Chancen ungenutzt. Und die
Abwehr? Vor dem 0:1 in der 75. Minute sprang Linksverteidiger Pierre Wome
dem Bielefelder Oliver Kirch an der Strafraumgrenze in den Rücken,
als wolle er für den Pogo beim nächsten Metallica-Konzert üben.
Den Freistoß von Jonas Kamper fälschte Marvin Matip unhaltbar
ab. "Wir haben ein Foul an den Tag gelegt, das nicht notwendig war", sagte
Kölns Trainer Christoph Daum. Drei Minuten später wurde es noch
lachhafter für den FC. Nach einem Befreiungsschlag von Innenverteidiger
Kucera stürmte Torwart Mondragon aus seinem Tor und aus dem Strafraum
- warum auch immer. Bielefelds Torjäger Wichniarek hob den Ball über
Mondragon aufs Tor. Wenn Kevin McKenna nicht gewesen wäre, hätte
Wichniarek trotzdem nicht sein fünftes Saisontor erzielt. Doch McKenna
bugsierte die Kugel selbst über die Linie. 0:2 - zwei Gegentore mit
Hohn-und-Spott-Faktor zehn in einem Spiel, das eigentlich 0:0 hätte
ausgehen müssen. Langweilig, höhepunktarm, spielerisch schwach.
Abstiegskampf eben.
Aber so unrecht war das
Michael Frontzeck nicht. Er sagte das auch noch, als sich der Kölner
Bus schon auf der Autobahn befand. Nachdem er den Kaffee ausgetrunken hatte,
ergänzte Frontzeck noch einen Satz: "Für die Zuschauer ist das
nicht wunderbar." Wenigstens weiß er das. Doch für den Klassenerhalt
akzeptieren die Bielefelder alles.
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Von Andreas Ernst
Eine grauhaarige berockte
Oma mit großer Brille spaziert durch die Danziger Werft, zückt
ein Taschentuch und wischt sich die Tränen ab. Doch "Wer ist Anna
Walentynowicz?" (22.40 Uhr, Arte). Sylke Rene Meyer klärt diese
Frage höchst eindrucksvoll in einer 60-minütigen Dokumentation.
Denn die Oma - Anna Walentynowicz - ist die Mutter der Gewerkschaft "Solidarnosc".
Und die hatte 1989 erheblichen Anteil an der Wende.
Weil die Kranführerin
Walentynowicz im August 1980 entlassen wurde, streikten die Arbeiter der
Danziger Leninwerft. Erst aus diesem Streik ging Lech Walesa als bekannter
Gewerkschafter hervor. "Ohne Anna gäbe es Solidarnosc nicht. Ohne
Lech vielleicht schon", lässt Meyer den Sprecher sagen. Warum die
heute 79-Jährige in Vergessenheit geriet, klärt Meyer, indem
sie Walentynowicz' Lebenslauf detailliert darstellt - und sie selbst über
Trauer, Verhaftungen, Kampf und ihr Zerwürfnis mit Walesa reden lässt.
Volker Schlöndorff verfilmte Annas Leben unter dem Titel "Strajk -
Die Heldin von Danzig". Den Film sendet Arte um 21 Uhr, direkt vor der
Doku.
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Es ist dieser eine verfluchte
Moment, der nicht verschwinden will aus dem Gedächtnis der Fans des
VfL Bochum. Auch nicht vier Jahre danach. Ein Pass in den Strafraum, Edu
sääääbelt über den Ball, Standard Lüttich
gleicht zum 1:1 aus. In der Nachspielzeit. Das Aus im UEFA-Cup. In Runde
eins.
Nicht nur irgendein Donnerstagabend
im Herbst 2004. Nein, der Donnerstagabend. "Wir haben sieben Jahre auf
diesen Tag gewartet", sagt Trainer Peter Neururer. Erst zum zweiten Mal
in der Vereinsgeschichte startet der VfL Bochum im UEFA-Cup, hat vor der
Saison 04/05 kräftig investiert, hat teure Spieler wie Knavs, Lokvenc,
Preuß, Maltritz und Bechmann verpflichtet. Das Hinspiel in Lüttich
endete 0:0, in der Bundesliga ist der VfL mittelmäßig gestartet
(ein Sieg, vier Unentschieden, eine Niederlage). Doch das ist vergessen,
wenn der VfL Lüttich knapp schlägt. Und in die Gruppenphase des
UEFA-Cups einzieht. Das würde dem chronisch klammen VfL vier Millionen
Euro bringen. Vier Millionen! Keine Schulden mehr! Dauerhaft konkurrenzfähig!
Es ist wirklich nicht irgendein Donnerstagabend.
Die Sonne verstaubt tatsächlich
an diesem Abend, und als das ZDF seine Live-Übertragung beginnt, merken
Millionen, wie schön es ist, wenn die VfL-Fans Grönemeyers "Bochum"
singen. Und nicht nur die Fans im Stadion. Egal, wo die Zuschauer sitzen,
ob drinnen oder in der Arena, sie sehen ein spannendes, hart umkämpftes,
großartiges Fußballspiel. Beide Teams versuchen's mit herrlichem
Offensivfußball, beide überbrücken das Mittelfeld schnell.
Erste Chancen gibt es schnell: Wosz und Bechmann vergeben für den
VfL, Tchite und Geraerts für Lüttich. Kurz vor dem Pausenpfiff
gibt Schiedsrichter Kaznaferis Freistoß für Bochum. Dariusz
Wosz, an diesem Abend überragender Antreiber des VfL, schlenzt den
Ball in den Strafraum, dort steht Marcel Maltritz frei und nickt ein: 1:0,
vier Millionen Euro in Sichtweite. Bochum ist weiter. In diesem Moment.
Zweite Halbzeit. In der
eigens zur Sitzplatztribüne umfunktionierten Ostkurve liegen die Nerven
blank. Die Spannung ist kaum auszuhalten. Einen Schuss von Onyewu lenkt
VfL-Torwart van Duijnhoven an den Innenpfosten. Puh, Glück gehabt.
Lüttich drängt, der VfL kontert. Standard-Kapitän Deflandre
foult VfL-Kapitän Wosz im Strafraum - Schiedsrichter Kaznaferis pfeift
nicht. Kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit streckt Deflandre den
eingewechselten Edu mit einem Ellenbogencheck nieder. Deflandre sieht nur
Gelb. Es bleibt beim 1:0 für den VfL. Ein Herzinfarkt-Spiel. 90 Minuten
sind um - Nachspielzeit. Immer noch 1:0. Ein letzter Angriff der Lütticher.
Sergio Conceicao bekommt auf der linken Seite den Ball, Höhe Eckfahne.
Er passt die Kugel schlampig in den Strafraum, der Bochumer Edu muss den
Ball nur noch auf die Castroper Straße jagen.
Aber Edu trifft den Ball
nicht.
Ein Lütticher Spieler
namens Jorge Winston Curbelo nutzt das. Er zirkelt die "Kirsche" ins Eck,
unhaltbar für van Duijnhoven. 1:1. Aus. Vorbei. Das Auswärtstor
bringt Lüttich in die Gruppenphase. Der VfL ist raus. Ungeschlagen.
Torwart Rein van Duijnhoven sagt: "Unglaublich, dass das Tor noch gefallen
ist, einfach unfassbar. In der Kabine wird jetzt wahrscheinlich Todesstimmung
sein. Das ist mein bitterster Moment." Trainer Peter Neururer ergänzt:
"Das Ergebnis ist nach dem Spielverlauf natürlich enttäuschend.
Es ist sogar fußballerisch tragisch. Wir müssen jetzt den Kopf
hochnehmen und uns auf die Bundesliga konzentrieren. Es ist fantastisch,
unsere Entwicklung und das, was hier in Bochum wächst, zu sehen."
Doch in Bochum wächst
nach diesem Gegentor, nach diesem Spiel nichts mehr. Der völlig geschockte
VfL verliert die nächsten drei Bundesligaspiele (2:3 beim FC Schalke
04, 0:1 gegen Hansa Rostock, 0:3 beim VfL Wolfsburg) und stürzt auf
Platz 17. Bis zum Saisonende verlassen die Bochumer nur noch an drei Spieltagen
die Abstiegsplätze. Von Woche zu Woche werden die Fehler des Trainerstabs
deutlicher: Erst spät merkt Neururer, dass Marcel Maltritz in der
Innenverteidigung viel besser aufgehoben ist als im defensiven Mittelfeld
und dass Edu eigentlich ein Stürmer ist. Knavs, Lokvenc und Preuß
sind glatte Fehleinkäufe. 35 Punkte holt der VfL Bochum in der Saison
04/05 - zu wenig für den Klassenerhalt. Zum fünften Mal geht
der Fahrstuhl in die zweite Liga.
Dabei sollte doch alles
anders werden. Heute erinnern nur noch die Sitzplatz-Verankerungen in der
Ostkurve an diesen Tag.
Aufstellungen
VfL Bochum - Standard Lüttich 1:1 (1:0)
VfL: Van Duijnhoven
- Colding, Kalla, Knavs, Bönig - Maltritz, Zdebel - Bechmann (83.
Edu), Wosz (85. Misimovic), Preuß - Lokvenc. Trainer: Neururer.
Lüttich: Runje
- Deflandre, Onyewu, Dragutinovic, Leonard - Walasiak (76. J. Niemi), J.
R. Curbelo, Geraerts (85. J. W. Curbelo), van Dooren (81. Mumlek) - Sergio
Conceicao, Tchite. Trainer: D'Onofrio.
Tore: 1:0 Maltritz
(45., Vorlage Wosz), 1:1 J. W. Curbelo (90.+2, Vorlage Conceicao/Edu)
Gelbe Karten: Kalla
- Leoard, J. R. Curbelo, Deflandre
Schiedsrichter: Georgios
Kaznaferis (Griechenland)
Zuschauer: 23.356
(ausverkauft)
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Blick aus unserem Frühstücks"raum"
Von Andreas Ernst
Das Modell heißt "Message
to heaven". Es sieht aus, als sei es eilig mit Brettern aus dem Baumarkt
zusammengezimmert worden. Die Botschaft dieser Kiste lautet: Es gibt auch
Ökosärge - ein Trend aus den Niederlanden.
Eine Firma, die ihren Särgen
das Etikett "Öko" verpasst hat, ist "Janssen Uitvaartkisten" aus Sevenum
in der Provinz Limburg. Auf der Internetseite der Firma gibt es 16 verschiedene
Varianten eines umweltverträglichen letzten Aufenthaltsortes. "Diese
Särge sind nicht belastet", sagt Theo van Encaevord, Mitarbeiter bei
Janssen. Heißt: ohne Lacke, ohne Metallgriffe, mit Baumwolle ausgelegt.
25 Prozent des Firmenumsatzes geht allein auf Ökosärge zurück.
Auf der Homepage stehen die niederländischen "Eco-Kisten" deshalb
ganz oben im Angebot. Sie sind vor allem für die Kunden gedacht, die
ökologisch bewusst leben. "Öko" versprechen auch Bestatter aus
anderen Ländern: In England zum Beispiel verrotten Urnen aus Bambus
kurz nach der Beisetzung, auch auf Einbalsamierung mit umweltschädigenden
Chemikalien wird zuweilen verzichtet.
Das alles macht Kerstin
Gernig vom Bundesverband deutscher Bestatter skeptisch. Der Trend geht
ohnehin Richtung Feuerbestattung. Und möglichst billig soll es sein.
Hinter dem Konzept "Ökosärge" wittert Gernig deshalb nur eine
große Marketingstrategie. Eine Nachfrage in Deutschland gibt es bislang
nicht. "Auch für Bestatter existiert schon längst eine DIN-Norm.
Welche Materialien verwendet werden dürfen, ist genau festgelegt",
sagt sie und ergänzt: "Ein Sarg ist deshalb immer nach genauen ökologisch
Maßstäben angefertigt." Theoretisch sei es sogar möglich,
dass sich jeder seinen eigenen Sarg baut. "Wenn sich der Erbauer an die
Richtlinien hält, geht das", erklärt Gernig.
Jede Bestattung ist für
Gernig ein ökologischer Prozess: "Was sind Friedhöfe anderes
als eine natürliche Bestattungsform?" Jeder Friedhof sei eine Parkanlage,
zudem gebe es Friedwälder. Die gehören zu den alternativen Bestattungsformen.
In solchen Friedwäldern wird die Asche der Verstorbenen direkt an
den Wurzeln eines Baumes beigesetzt. Die Grabpflege übernimmt die
Natur. In Deutschland gibt es 26 Friedwälder, Greenpeace lobt das
Konzept.
Trotz aller Gegenrede des
Bundesverbands: Aus der "Message to heaven" ist eine "Message to Germany"
geworden. Denn die Deutschen fahren immer häufiger über die Grenze
und steuern Sevenum an. "Viele Unternehmer glauben wohl immer noch: Es
muss immer Eiche sein - und sie denken an keine andere Form", vermutet
Theo van Encaevord. Und deshalb gebe es wohl kaum schlichte Holzkisten
in Deutschland.
Deshalb freut sich van Encaevord
über das gute Geschäft mit dem Ökosarg. Der Bundesverband
deutscher Bestatter hat derweil einen Marketingwettbewerb ausgerufen. Das
Motto lautet: "Wer nicht wirbt, stirbt!"
Von Andreas Ernst
Düsseldorf. Ganz
in Schwarz steht er auf der Bühne der Philipshalle, die Gitarre um
den Hals. „Die Welt macht dich rasend”, stimmt Ärzte-Gitarrist Farin
Urlaub an, die Menge tobt, jubelt, trampelt, klatscht, ist textsicher bei
„Nichimgriff”, der ersten Single aus Urlaubs drittem Solo-Album.
Neben Urlaub stehen nicht
seine Ärzte-Begleiter Bela B. und Rodrigo Gonzales, sondern elf andere
Musiker. Elf! 5500 Zuschauer wissen das. Sie begeben sich in den „Krachgarten”,
so heißt Urlaubs dritte Solo-Tour mit dem FURT – Farin Urlaub Racing
Team. In Düsseldorf geht die Tour los. Hier ist er nicht Farin Urlaub,
sondern eher Jan Vetter, wie er eigentlich heißt. Der Jan Vetter,
der sein Privatleben abschottet, der immer etwas geheimnisvoll geblieben
ist, der Farin Urlaub für sich als Kunstfigur definiert. Vor Vetter/Urlaub
steht eine Tasse Tee, nach jedem dritten Song nippt der bekennende Anti-Alkoholiker
daran. Egal wie laut es gerade ist.
Hier steht einer auf der
Bühne, der seine Band als sein „Baby” betracht. Konzerte der Ärzte
leben vom verbalen, albernen Schlagabtausch zwischen Farin, Schlagzeuger
Bela und Bassist Rodrigo. In der Philipshalle ist der Spot nur auf den
großen Blonden gerichtet. Er redet nicht viel. Geht zwischendurch
zur Technik, weil er mit „dem Gitarrensound nicht einverstanden ist”, wie
er mitteilt. Die Fans verzeihen das, vertreiben sich zwei Minuten mit „La
Ola” die Zeit. Urlaub beschränkt sich auf wenige Witze, lässt
so manchen Spaßtext wie „Ich gehöre nicht dazu” und „1000 Jahre
schlechten Sex” für sich sprechen – was das Konzert nicht schlechter
macht. Ganz im Gegenteil.
Denn obwohl er wie bei den
vorherigen Touren mit dem Racing-Team komplett auf Ärzte-Songs verzichtet,
muss er die Menge nicht von seinen Solo-Qualitäten überzeugen.
Nicht jeder Song ist wie bei den Ärzten entweder eine komplette Hüpfnummer
oder eine Schwenkt-das-Feuerzeug-Ballade. Der Ska-Sound, der Urlaubs Solosongs
einen komplett eigenen Anstrich verpasst, animiert zu manchem Hüftschwung.
Sogar von Urlaub selbst, was bei Ärzte-Konzerten höchst selten
passiert. Der Einsatz der vier Bläser mit Posaune, Trompete und zwei
Saxofonen ist zum Beispiel bei „Ich gehöre nicht dazu” und „Am Strand”
fein abgestimmt, die vier Background-Sängerinnen geben allen Liedern
mehr Tiefe. Höhepunkte des Abends sind „Ok”, die laute Hymne für
alle Verlassenen. Doch nicht nur die brüllen: „Ja es geht mir beschissen,
ja es ist wegen dir.” Der Song geht einfach verdammt ins Ohr. Und dann
noch „Zehn”, das Urlaubsche Live-Erlebnis, bei dem 5500 auf Kommando springen.
Bei den politischen Songs
muss Urlaub keine Kommandos geben. Er ist ein Linker. Einer, der die kritischen
Zeilen in „Krieg” und „Der ziemlich okaye Popsong” betont. Einer, der die
Menge beim naiv-zynischen „Lieber Staat” Zeilen wie „Ohne Mist, bleib genau
so, wie du bist, ich tätowier mir deine Flagge ins Gesicht, ich bin
so schrecklich stolz auf dich” mitgrölen lässt. Der zuschaut,
wie sich Fans jeden Alters beim Pogo anspringen – und der dann sein blitzeblankes
Lächeln auspackt und einen Schluck Tee genießt.
Kann er auch. Am Schluss
fragt Urlaub „Hat es euch gefallen?” Und die Menge tobt, jubelt, trampelt,
klatscht nach genau zwei Stunden und 28 Songs ein letztes Mal. Farin hätte
nicht fragen müssen.
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Anmerkung:
Dieser Text musste
pünktlich zum Abpfiff fertig sein - 120 Zeilen. Nicht so leicht bei
einem so knappen Spiel. Und bevor Ihr fragt: JA, ich war in Karlsruhe und
saß bei minus acht Millionen Grad auf der Pressetribüne.
Von Andreas Ernst
Karlsruhe. Mit einer
wenig beeindruckenden Leistung ist Borussia Dortmund in die Spitzengruppe
der Bundesliga zurückgekehrt - wenigstens für eine Nacht. Beim
abstiegsbedrohten Karlsruher SC gewann der BVB vor 29.657 Zuschauern mit
1:0 (1:0) und kletterte auf den vierten Platz.
Beim KSC steht Dauer-Trainer
"Ede" Becker in der Kritik. Von den vergangenen sieben Spielen hatte der
KSC sechs verloren. Das Resultat: Abstiegsgefahr. Aber unter Flutlicht
sollte sich alles ändern. Erstmals in dieser Saison beorderte Becker
den von den Fans geforderten Edmond Kapllani in die Startformation. Doch
nicht nur Kapllani machte zunächst mächtig Dampf. Hätte
Godfried Adoube in der 9. Minute per Kopf das 1:0 erzielt, wäre das
nicht einmal unverdient gewesen. Doch Roman Weidenfeller kratzte die Kugel
noch von der Linie. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp tanzte mit strahlend
weißer Baseballmütze schon in der Anfangsphase an der Seitenlinie
entlang.
Auch Dortmunds Spielmacher
Tamas Hajnal trabte erst einmal genauso nebenher wie seine Teamkollegen.
Es schien, als würden die Pfiffe den kleinen Techniker doch beeindrucken.
In der 21. Minute tauchte Hajnal erstmals richtig auf - und schon fiel
ein Tor. Nach Hajnals Flanke kam Mohamed Zidan eher an den Ball als KSC-Torwart
Markus Miller und spitzelte ihn ins Tor. Es war die erste Chance der Dortmunder.
Das brachte die Seele der
Karlsruher Spieler komplett durcheinander. Die Fans im Wildpark spürten
die Verunsicherung, riefen das langgezogene "Kaaaarlsruhe", doch es brachte
nichts. Hajnal-Nachfolger Antonio da Silva verzettelte sich immer und immer
wieder, den KSC-Abwehrspielern fiel selten besseres ein als weite Pässe
nach vorn, die das BVB-Innenverteidiger-Gespann Hummels/Subotic problemlos
aus der Luft fischte. Nach dem unzähligsten Fehlpass platzte selbst
den geduldigen Zuschauern der Kragen. Sie pfiffen so laut sie konnten.
Dabei spielte der BVB nicht einmal richtig gut. Zu oft tauchte Hajnal zwischendurch
ab, zu selten schalteten sich die Außenverteidiger Owomoyela und
Lee ins Offensivspiel ein.
Dennoch war die spielerische
und taktische Überlegenheit der Dortmunder so offensichtlich, dass
die drei Punkte schon zur Pause kaum noch in Gefahr schienen. Auch in Halbzeit
zwei mühte sich der KSC, doch mehr als Fernschüsse von Michael
Mutzel und Antonio da Silva kam nicht mehr. Ganz anders die Borussia: Jakub
Blaszczykowski rannte der offenen Karlsruher Abwehr gleich dreimal davon.
Dreimal! Doch immer suchte "Kuba" den besser postierten Nebenmann und zögerte
viel zu lang.
Es blieb beim 0:1. Immer
länger und immer länger. "Wir wollen Euch kämpfen sehen",
riefen die KSC-Fans eine Viertelstunde vor Schluss. Ihre Mannschaft hatte
so munter begonnen - und nun das. Als Hajnal-Nachfolger da Silva in der
81. Minute ausgetauscht wurde, gab es nicht nur Beifall - sondern vielmehr
ganz laute Pfiffe. Für da Silva kam Joshua Kennedy ins Spiel. Doch
auch der australische Stürmer - noch ohne Saisontor - konnte die Dortmunder
Abwehr nicht knacken.
Als der gute Schiedsrichter
Gagelmann abpfiff, riefen die mitgereisten BVB-Fans: "Die Nummer eins im
Pott sind wir." Stimmt. Und das bleiben die Dortmunder auf jeden Fall länger
als eine Nacht.
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Wieder ein Roman, in dem es um Sex geht. Doch das Erstlingswerk "Frühling und so" von Rebecca Martin hat einen anderen Hintergrund als Charlotte Roches "Feuchtgebiete". Es erzählt von einem Jahr im Leben eines Teenagers - mit viel Sex, aber auch mit Schule, Freunden, Clubs, Joints, Alkohol. Mit der Autorin sprach Andreas Ernst.
Sie sind 18, die Hauptperson
Raquel wird es im letzten Kapitel. Raquel wohnt wie Sie in Berlin, geht
zur Schule wie Sie und jobbt als Schauspielerin wie Sie. Klingt nach Autobiographie.
Martin: Was Raquel
erlebt, ist an das angelegt, was ich mache, aber ich habe mich ab einem
gewissen Punkt von Raquel entfernt. Irgendwann habe ich angefangen rumzuspinnen.
Wissen Sie, mit wie vielen
Männern Raquel im Buch schläft?
Martin: 12 oder 13?
Ich habe bei 10 aufgehört
zu zählen.
Martin: Das ist nicht
so wichtig. Sex ist ein zentrales Thema in diesem Buch. Sex wird in die
Alltagsthemen eingebunden und nicht seitenweise referiert. Ich habe nicht
gedacht: Sex, hohoo, das ist eine Provokation. Es sind konkrete Erlebnisse,
da fiel es mir sogar besonders leicht, es zu schreiben.
Ist 12 oder 13 eine realistische
Zahl an Männern für eine 17-Jährige?
Martin: Auf jeden
Fall - das trifft aber natürlich nicht auf alle zu.
Sind Sie auf den "Feuchtgebiete"-Zug
gesprungen?
Martin: Ich kenne
dieses Argument. Aber eigentlich stoße ich mich daran nicht. Diejenigen,
die das behaupten, haben "Feuchtgebiete" überhaupt nicht gelesen,
denn zwischen beiden Büchern kann man keine Parallelen herstellen.
Als sich der Verlag und ich zum ersten Mal getroffen haben, war "Feuchtgebiete"
noch gar nicht draußen.
Gibt es noch Tabus in
dieser Gesellschaft?
Martin: Eine so große
Frage, so schnell gestellt. (überlegt) Ja, auf jeden Fall. (überlegt)
Charlotte Roche hat mit "Feuchtgebiete" einen wunden Punkt getroffen. Ich
hatte mit meinem Buch aber nie die Absicht, irgendein Tabu zu brechen oder
zu provozieren.
Ihr Buch erinnert an Benjamin
Leberts "Crazy", der das Internatsleben eines Jungen seines Alters beschreibt.
Lebert selbst ging auch auf ein solches Internat. Haben Sie sich daran
orientiert?
Martin: Als ich wusste,
dass ich das Buch schreiben werde, habe ich schon Sachen von Leuten gelesen,
die in meinem Alter Bücher geschrieben haben. Benjamin Lebert hat
da eine Rolle gespielt. Ich finde seinen Sprachstil sehr bewundernswert.
Poetisch und doch schlicht.
Leberts "Crazy" wurde
verfilmt.
Martin: Ich versuche
generell, die Erwartungen niedrig zu halten. Wie ich gehört habe,
gibt es schon Anfragen von Produktionsfirmen. Aber ich kann mir nicht vorstellen,
wie man das Buch verfilmen kann.
Für wen ist das Buch
- für Eltern oder für gleichaltrige Teenager?
Martin: Ich habe
letztens gelesen, dass ein Mädchen meinte, dass Raquel sehr stark
ihre eigenen Gedanken widerspiegelt. Sowas ist schön zu hören.
Und die Eltern?
Martin: Vielleicht
kann man voneinander lernen.
Sie nennen im Buch sehr
oft spezielle Orte in Berlin. Bars und Clubs, die es wirklich gibt, U-Bahnlinien,
Straßen. Warum spielt der Roman in Berlin - und nicht, zum Beispiel,
im Ruhrgebiet?
Martin: Weil ich
in Berlin wohne, mich hier am besten auskenne. Es war gar nicht anders
möglich.
Ihr erstes Buch ist ein
großer Erfolg. Wie geht's mit Ihnen weiter?
Martin: Ich weiß
nicht, was ich machen will. Ich versuche erst einmal, bis Juni meine Abitursachen
hinter mich zu bringen. Im Moment bin ich noch total mitgerissen von den
Buchsachen. So etwas wie Medienarbeit muss ich erst einmal kennenlernen.
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Von Andreas Ernst
Marcel Reich-Ranicki hat
bei seiner legendären Fernsehpreis-Rede vieles im Fernsehen als „Blödsinn“
bezeichnet. „Safari“ läuft am Dienstag im Fernsehen.
Michael Mittermeier:
In puncto Fernsehen hat Reich-Ranicki nichts mitzureden. Da soll er heimgehen
und Tauben füttern – weil er davon nichts versteht. Ich werde mich
auch nicht aufspielen als Literaturkritiker. Und ich glaube, die ganze
Diskussion ist zu hoch gehängt worden. Mein Gott, der hatte seine
fünf Minuten, wo er sein Ego befriedigen konnte. Ich hätte auch
vieles da nicht ertragen in dieser Veranstaltung. Auf der anderen Seite
saßen da auch einige sehr, sehr tolle Schauspieler und Drehbuchautoren,
die tolle Dinge gemacht haben im Fernsehen. Ich glaube nicht, dass man
den Wert von Fernsehen generell immer niedriger ansiedeln muss als den
eines Schriftstellers, der ein Buch schreibt, wo du nach zehn Seiten einschläfst.
Was sind Ihrer Meinung
nach die besten TV-Formate zurzeit?
Mittermeier: Im Comedybereich
kann man immer „Stromberg“ gucken, kann man immer Pastewka gucken. Im Moment
kann man „Switch Reloaded“ gucken. Und ansonsten? „Germanys Next Topmodel“
– ich sehe das wirklich. Wenn ich sowas auf der Bühne sage, dann sehe
ich auch jede Folge. Ich bin da kein Lügner.
Dieter Hildebrandt hat
über Sie gesagt, dass Sie ihr Talent nutzen müssten, um sich
jenen Problemen zu nähern, die Menschen miteinander haben statt alberne
Mann-Frau-Pointen zu verzappeln. Fühlen Sie sich falsch verstanden?
Mittermeier: Mit
den „Mann/Frau“-Pointen hat mich Dieter Hildebrandt mit Mario Barth verwechselt.
Er findet mich gut als Künstler. Aber ich mache nicht immer das, was
sein Geschmack ist. Ich finde schon toll, dass er nicht sagt: Mittermeier,
das ist Comedy, blöd. Es gibt ja viele, die auch zumachen. Es gibt
Kritiker, die gehen 'rein zu Dir, die sagen: Comedy ist scheiße und
dann schreiben die 'ne Scheißkritik, egal was ich auf der Bühne
mache. Da ist Dieter nicht so. Das ist gut, da fühle ich mich geehrt.
Aber ein reines Kabarettprogramm
– drei Stunden, knallhart. Das könnten Sie.
Mittermeier: Natürlich
kann ich das. Aber ich bin immer einer, der mischt. Meine Herausforderung
ist nicht: Ich muss die Tageszeitung durchhecheln. Ich bin ein Entertainer,
ich bin ein Künstler, ich versuche mit verschiedenen Programmen in
verschiedene "Kosmosse" zu tauchen. Bei „Safari“ ist auch Politik drin.
Ich will’s aber nicht überstrapazieren, weil mir jemand sagt, du musst
soundsoviel Politik machen, dann hast du die Quote erfüllt. Das ist
ja Bullshit.
Gehen Sie in „Safari“
auf die Finanzkrise ein?
Mittermeier: Das
Programm wird schon immer aktualisiert. Bei mir gehen die Gedankenströme
weiter, ich sehe eher die schrägen, die bildlichen Dinge. Als Beispiel
Barack Obama: Der Mann strahlt was aus. Der strahlt aus: Yes, we can! Wir
können nach vorn gehen. Und wenn Frau Merkel das sagt, hast du das
Gefühl, sie würde dir hinten einen 'reinstecken. Das sind die
Dinge, die mir auffallen. Was macht Pro7 in der Finanzkrise? Schickt Uri
Geller auf Sendung und lässt ihn mit Außerirdischen telefonieren.
Das finde ich interessant. Das ist ein Ansatz. Wenn’s einer lösen
könnte, dann sind’s die Aliens vom Pluto.
In „Safari“ erzählen
Sie viel von ihren Reisen – und dass Sie mit Ihrer Frau unterwegs waren,
seit 18 Jahren mit ihr zusammen sind. So privat werden nicht viele Comedians.
Mittermeier: Ich
sehe das nicht als privat – wenn ich Geschichten erzähle, wo meine
Frau mit dabei war... Mir wäre es zu blöd, mir Storys einfallen
zu lassen über die ominöse Freundin. Ich mache gern Reality-Comedy,
erzähle 1:1-Geschichten.
Mario Barth ist der bekannteste,
der über Freundinnen redet.
Mittermeier: Ich
kenne seine persönliche Situation nicht, kann sie nicht beurteilen.
Seit Anfang des Jahres
sind Sie Vater einer Tochter. Ist das eine zu private Information?
Mittermeier: Rauskommen
tut’s eh, man kann es ja gar nicht geheim halten. Schon ein paar Tage nach
der Geburt gab’s ein Leck und schon standen Infos irgendwo im Netz, dann
haben’s alle geschrieben. Da kannste nix machen. Aber ich zeige keine Fotos.
Hat die Geburt noch etwas
am Programm „Safari“ geändert?
Mittermeier: Ich
bin ganz froh, dass der „Safarikosmos“ ein geschlossener ist. Wenn ich
da acht Kindernummern einbaue, dann bricht mir das Programm. Irgendwann
in einem neuen Programm wird’s dann Kindergeschichten geben, aber das ist
halt in der Zukunft.
Läuft dann auch Rolf
Zuckowski im Autoradio oder ihre Lieblingsband U2?
Mittermeier: Nein,
mit Zuckowski wird meine Tochter nicht in Berührung kommen. Sie mag
gern Randy Newman, das beruhigt sie. Oder ruhige Liedermacher. Nick Drake
zum Beispiel, einer aus den 60ern oder 70ern.
Wenn Sie eine Safari ins
Ruhrgebiet führt: Was können wir von Bayern lernen?
Mittermeier: Deutsch
sicher nicht. Da sind wir beide schlecht. Was kann man von uns Bayern lernen?
Wir machen guten Leberkäs. Das ist doch was. Wenn ich auf Tour bin,
und die Gummilaugenirgendwas sehe, die dann da liegen und als Brezn verkauft
werden: Da würdest du in Bayern verhaftet.
Ruhrgebiet, das ist auch
Fußball. Gemeinsam mit Dortmunds Trainer Jürgen Klopp würden
Sie ein gutes Freestyle-Duo auf der Bühne abgeben.
Mittermeier: Klopp
wäre mein Trainer für den FC Bayern gewesen – ja gut, aber wir
mussten den Schwaben kriegen. Wieso Poldi hergeben, wir können auch
Klinsmann hergeben.
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Von Andreas Ernst
Dortmund. Sein Dress
ist zu Beginn noch sauber. Trocken. Wie im Sport. Campino hat sich für
ein Hemd der 2005-Tour "Im Auftrag des Herrn" entschieden, joggt in flotter
Jeans auf die Bühne. Die Toten Hosen sind in der Westfalenhalle -
und aus trocken wir verschwitzt, aus joggen wird springen, aus flott wird
rockig - gleich mit dem ersten Takt des Openers "Strom".
1000-Volt-Campino ist eine
schillernde Figur der Branche. Einer, der durch Talkshows tingelt, der
als massenkompatibler Alternativer durchgeht, der gerade in "Palermo Shooting"
sein Filmdebüt gab. Doch an diesen zwei Abenden vor je 11.500 Fans
in der Westfalenhalle zählt das nicht. Hier ist "auffem Platz", wie
der Fußballfan Campino sagen würde.
Er verpasst den Fans die
volle Rock-Dröhnung. "Du lebst nur einmal", "All die ganzen Jahre",
"Auswärtsspiel", "Liebeslied" - schon in der ersten halben Stunde
hauen die Hosen Songs aus 22 Jahren Bandgeschichte raus. Campino sprintet
von rechts nach links, von links nach rechts. Nach 35 Minuten hat er genug
vom Hemd - drunter trägt er nur noch ein Muscleshirt.
So würde Campino nie
in Talkshows gehen. Doch an diesem Abend ist er im Herzen Punk, der eine
Dose Bier öffnet, daran nippt, sie in die Menge wirft und "Einen Schluck
nehmen und dann weiterreichen" fordert. Campino braucht nur vier Worte,
um eine ganze Halle zur Ekstase zu bringen. "Es kommt die Zeeeit", brüllt
er ins Mikro, die Menge antwortet "OHOOO" und weiter geht's mit "Wünsch
dir was". Das ist Bauchkribbeln, das ist hüpfen, hüpfen, hüpfen.
Und Springpausen gibt's
nur wenige. Balladiges Material haben die Hosen genug produziert. Diesmal
beschränken sie sich auf ganz wenige langsame Stücke wie "Nur
zu Besuch". Campino mag ruhiger und melancholischer geworden sein. Auf
der Bühne zeigt er's nicht. Er mag draußen intellektuell sein,
hier drinnen singt er Sauflieder wie "10 kleine Jägermeister". Und
die Klassiker aus dem alten Jahrtausend wie "Wort zum Sonntag" und "Hier
kommt Alex". Experimentell wird's selten, zu "Ertrinken" gibt es Unterstützung
von Cello und Keyboard - wie einst im Burgtheater-Livekonzert in Wien.
Gute Idee.
Genau so gut ist es, dass
die Musik spricht und nur selten eine Hose. Die Werbung für "Pro Asyl"
ist nicht zu übersehen, "Nazis raus" brüllen die Fans selbst
nach dem Song "Madeleine", erst in den Zugaben erwähnt Campino den
Film "Palermo Shooting" - ein verzeihlicher Ausrutscher, zumal danach "Eisgekühlter
Bommerlunder" folgt, wieder so ein Grölsong.
Auf einen der bekanntesten
dieser Sorte müssen die Fans bis zur 140. Konzertminute warten. In
einer der "schönsten Hallen Europas" (sagt Campino) wollen die Hosen-
und Fußballfans das Anti-FC-Bayern-Lied "Bayern" hören. Die
Hosen enttäuschen auch diesmal nicht. Wer jetzt noch nicht heiser
ist: selbst schuld. Campino läuft längst oberkörperfrei
herum...
Im Fußball gäb`s
dafür Gelb. Doch nicht in der Westfalenhalle. 11.500 rufen "Hosen!
Hosen! Hosen!" Auch, als die Lichter wieder angehen.
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WAZ (Mantel), Sport - 22.12.2008Anmerkung: Arbeitsauftrag war kein klassischer Rennbericht, sondern etwas "Reportiges"
Von Andreas Ernst
Düsseldorf. U-Bahnhaltestelle
„Heinrich-Heine-Allee”, Ausstieg in Fahrtrichtung links. Zur „Kö”
geht's hier, an diesem Samstag womöglich zum abschließenden
Weihnachtseinkauf. Oder in die Altstadt, den Beginn der Ferien oder des
Urlaubs begießen.
Doch was machen denn die
Menschen mit den Rasseln da? Sie weisen den Weg quer durch die Altstadt
bis zum Rheinufer. „Josef Wenzl”, hallt es dort aus einem Lautsprecher,
„ist im Halbfinale!” Rasseln in Düsseldorf heißt an diesem Tag:
Weltcup im Skilanglauf-Sprint.
Im siebten Jahr in Folge
tauschen die Weltklasse-Sprinter für ein Wochenende die Berge mit
dem Rhein. Am Horizont sind keine Skilifte auf weiß bedeckten Gipfeln
zu sehen. Hier fahren Containerschiffe auf dem Rhein entlang und in der
Entfernung leuchtet nur der Rheinturm. Hier fällt kein Schnee – hier
regnet's. Hier sprechen die Zuschauer nicht bayerisch. Sondern ganz klassischen
rheinischen Dialekt. Im Bierglas ist nicht Weizen. Sondern Alt.
Neu hätte eigentlich
der Schnee sein sollen. Doch weil es den in Düsseldorf nicht gab,
karrten Mitarbeiter der Neusser Skihalle über Nacht 3000 Kubikmeter
Kunstschnee an und walzten sie zu einem 800-Meter-Rundkurs zusammen. Und
dann das: Es regnet, regnet, regnet. Die Piste hält das aus, die Zuschauer
auch – und die Läufer? Sowieso. Josef Wenzl aus Zwiesel ist einer
davon. Vor einem Jahr hat er hier den Stadt-Weltcup am Rhein gewonnen –
und jetzt ist er nach verpatztem Saisonstart gefordert. Zur Weltmeisterschaft
will er. Aber der Weg zur Skilanglauf-WM führt über Düsseldorf.
Das weiß auch der Mann am Mikro, der Josef Wenzl zuvor ins Halbfinale
gebrüllt hat: Hans-Reinhard Scheu heißt der, war einst bekannter
ARD-Moderator und moderiert nun hier für die Ski-Laien, die extra
gekommen sind oder einfach nur am Rhein spazieren gehen wollten. Als der
Amerikaner Andrew Newell vor einem Halbfinallauf seine Mütze abnimmt,
sagt Scheu: „Ist ja auch nicht kalt hier.” Die Zuschauer, nass bis auf
die Haut und halb erfroren, wedeln wild mit den Schirmen. Wen sie anfeuern
sollen, verrät Scheu gern – so richtig auseinanderhalten können
die Zuschauer die Läufer nicht. Bei den Frauen soll es Claudia Küntzel-Nystad
sein – die erreicht am Ende Platz acht. Ordentlich. Petra Majdic aus Slowenien
gewinnt – zum dritten Mal in der noch jungen Saison.
Bleibt noch die Herren-Hoffnung
Josef Wenzl. Im Vorjahr Überraschungssieger am Rhein, hat er sich
dank einer klugen Taktik im Halbfinale bis ins Finale vorgekämpft.
Schafft es Wenzl erneut? Es regnet immer stärker, doch jeder Zuschauer
hält es aus, will wissen, wie der Mann mit der Nummer „10” die zwei
letzten Runden des Tages bewältigt, will sehen, wie der 24-Jährige
spielend leicht an den fünf Gegnern vorbeifliegt. Doch schon nach
der ersten Runde wenden sich alle ab. Das wird nichts. Als Fünfter
stolpert Wenzl ins Ziel, der Norweger Ola Vigen Hattestad siegt. Auch zum
dritten Mal in dieser Saison. Wenzl freut sich trotzdem. Denn er darf zur
Weltmeisterschaft fahren und sagt: „Ich bin total erleichtert.”
Die Zuschauer auch. Sie
rasseln ein letztes Mal und haben sich nach zwei Stunden Langlauf-Sprint
das Aprés-Ski verdient. Sie schlendern vorbei an Ständen, die
neben den üblichen Heißgetränken auch Röstitaler gefüllt
mit Appenzeller Käse bieten. An den Lautsprechern, aus denen Popschlager
dudeln – von Olaf Henning bis Michael Wendler und zurück. Vor der
Siegerehrung kommt Nic auf die Bühne am Burgplatz. Das ist der, der
„Ein Stern, der deinen Namen trägt” singt. Bis zur Ehrung selbst halten
es dann aber auch nur noch knapp 500 aus. Denn wozu hier beim Aprés-Ski
weilen, wenn zehn Meter weiter die Altstadt beginnt.
Essen. Längst verklären Fans die US-Actionserie „24” zum Mythos: Obwohl die siebte Staffel zurzeit nur bei Premiere zu sehen ist, rechnet sich das Agenten-Abenteuer in Deutschland: durch den DVD-Verkauf.
Die Hektik der Welt in eine
Fernsehserie gepackt: Wer sich auf die Actionserie „24” einlässt,
der will mehr. Gerade läuft die siebte Staffel. Die bekommen aber
nur zahlende Kunden zu sehen: Denn sie läuft montags bei Premiere.
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Von Andreas Ernst
Essen. Noch tauchen
Wildschweine nicht vermehrt in den Städten auf. Aber die Population
in den Wäldern des Ruhrgebiets steigt – ob im Oberhausener Norden,
in Dortmund, in der Haard oder der Hohen Mark. Über die Ursache streiten
der Naturschutzbund (Nabu) NRW und der Landesjagdverband.
„Es gibt nicht zu viele
Wildschweine trotz, sondern wegen der Jagd”, sagt Nabu-Sprecher Bernd Fuhs.
„Die Jäger haben in der Vergangenheit versucht, die Wildschweine durch
üppige Futtergaben anzulocken.” Das weist Andreas Schneider vom Landesjagdverband
zurück. „Die Aussage des Nabu entbehrt jeder Grundlage. Wenn der Nabu
dafür Beweise hat, soll er das zur Anzeige bringen. Es gibt eine Fütterungsverordnung,
die seitens der Jäger eingehalten wird.”
Das bezweifelt Fuhs und
fordert stärkere Kontrollen. Einig sind sich beide, dass der Klimawandel
auf jeden Fall ein Grund für die schweinische Vermehrung ist. Durch
die milden Winter gibt es mehr Nahrung in den Wäldern.
Dass die Zahlen steigen,
belegen Jagdstatistiken. In der Saison 2007/2008 schossen die Jäger
in NRW 30.469 Wildschweine – 06/07 waren es „nur” 16.697. Die gestiegene
Population ist nicht das einzige Wildschwein-Problem. Denn die Tiere sind
auch Träger des Schweinepest-Virus. „Sollte sich das verbreiten”,
so Schneider, „könnte es starke wirtschaftliche Folgen haben.”Am Donnerstag
ab
19 Uhr arbeiten die Jäger gemeinsam mit der Landwirtschaft in Münster
an einem Konzept – beim Schwarzwild-Symposium.
Damit die Wildschweine nicht
in den eigenen Garten kommen, sollten laut Schneider Hobbygärtner
keine verwertbaren Nahrungsmittel auf den Komposthaufen legen. Und steht
doch ein Wildschwein vor der Tür, ist das Tier nur dann gefährlich,
wenn es sich um eine Bache mit Frischlingen oder ein verletztes Tier handelt.
Dann gilt: Das Weite suchen oder – zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall
– den Förster anrufen.
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Von Andreas Ernst
Essen. Die Hektik
der Welt in eine Fernsehserie gepackt: Wer sich auf die Actionserie „24”
einlässt, der will mehr. Gerade läuft die siebte Staffel. Die
bekommen aber nur zahlende Kunden zu sehen: Denn sie läuft montags
bei Premiere.
Diejenigen, die nicht bereit
sind, 19,99 Euro im Monat zu bezahlen, um einmal pro Woche eine Folge zu
sehen, verpassen eigentlich nicht viel Neues. Agent Jack Bauer alias Kiefer
Sutherland muss die USA wieder vor Terror bewahren. Diesmal sind es nicht
chinesische, russische oder islamistische Feinde. Ein afrikanischer Rebellenführer
arbeitet mit Mitarbeitern in der US-Regierung zusammen. Wieder hat Jack
Bauer nur 24 Stunden, das ist exakt der Takt, den auch die TV-Dramaturgie
vorgibt. Am Ende wird Jack Bauer auch diesmal überleben. Staffel acht
ist schon in Planung.
Die Serie mixt auch diesmal
dieselben Zutaten: Jack Bauer und sein attraktiv-hartes Team decken mysteriöse
Verschwörungen auf, verfolgen schmierige Verräter in Regierung
und Geheimdiensten und jagen gemeine Schurken. Es ist die Panik, die fesselt.
Es ist die Digitaluhr, die den Zuschauer vor den Bildschirm zwingt. Es
sind die vielen Handlungsstränge, die den Zuschauer in die eigene
24-Serien-Welt entführen und mit der Splitscreen-Methode oft in mehreren
Fenstern auf einem Bildschirm erscheinen.
Und es ist die politische
Aktualität, die „24” Brisanz verleiht. Regelmäßig folterte
Jack Bauer in „24” Verdächtige, um Informationen zu bekommen. Das
kritisierten in den USA amerikanische Armeevertreter und Menschenrechtsaktivisten.
Die Serienerfinder Joel Surnow und Robert Cochran reagierten: Die siebte
Staffel beginnt mit einer Anhörung. Jack Bauer sitzt in Washington
auf der Anklagebank und muss sich für seine Verhörmethoden verteidigen.
Er verzichtet auf einen Anwalt. Er ist sich keiner Schuld bewusst.
„Wir sind sehr, sehr zufrieden”,
sagt Premiere-Sprecher Tobias Tringali über die bereits gelaufenen
sechs Folgen, die Premiere parallel zur Ausstrahlung in den USA zeigt.
Einschaltquoten gibt der Pay-TV-Sender allerdings nicht bekannt. Jack Bauers
jüngstes Adrenalin-Abenteuer fesselte in den USA in der ersten Folge
12,5 Millionen Zuschauer – zu Beginn von Staffel sechs waren es 15,7 Millionen.
Bei Pro7 verfolgten im Schnitt 630 000 Zuschauer eine Folge – mäßig
für eine mit 17 Emmys ausgezeichnete Serie.
Dass die Serie nicht vor
dem Aus steht, liegt am DVD-Verkauf. Die ersten sechs Staffeln verkauften
sich in den USA insgesamt vier Millionen Mal. In Deutschland gingen 600
000 Boxen über die Ladentheke. Auf DVD stört keine Tütensuppen-Werbung
zwischen Schießereien und Atombomben-Abwurf.
Doch wer weder für
Premiere noch für DVDs bezahlen will, muss warten. Pro7 wird zwar
die siebte Staffel zeigen. Wann? Im Gegensatz zum immer guten Ende einer
24-Staffel ist das – sagt eine Sprecherin – „völlig offen”.
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Zum Text über das Konzert der Band "The Killers" in der Düsseldorfer Philipshalle bitte HIER klicken.
Andreas Ernst
Selig ist wieder da. Wieder
die Reunion einer Band „von damals”. Braucht ihr Geld?
Jan Plewka: Ich würde
das auch denken, ganz im Ernst. Ich dachte ja auch bei „The Police”: Die
reunionieren jetzt, Sting braucht Geld. Aber wenn du die Platte hörst
oder uns beim Konzert siehst, dann bestätigt sich, dass es nicht so
ist. Die Leute freuen sich doch. Unsere Tour war ausverkauft, bevor wir
überhaupt ein Plakat hängen hatten. Für uns ist gerade eine
kuriose, selige Zeit.
Wann habt Ihr angefangen,
Selig-Songs zu schreiben und zu planen?
Plewka: Vor zwei
Jahren hätte ich noch gesagt, dass es Selig nie wieder geben wird.
Dann saßen der Drummer Stoppel und ich in Stoppels Küche und
er meinte: „Mit Selig, das ist zehn Jahre her. Wollen wir mal anrufen?”
Und dann haben wir uns ein Herz genommen und alle angerufen. Alle waren
sehr erstaunt über die Frage, ob man sich mal trifft. Zum Essen oder
so. Und dann saßen wir im September 2007 außerhalb von Hamburg
in einem Restaurant. Da waren wir zum ersten Mal seit zehn Jahren alle
unter einem Dach.
Und dann habt ihr gesagt:
Wir machen wieder Selig.
Plewka: Nein. Da
war extrem viel Misstrauen. Wir hatten lange nicht miteinander geredet,
hatten uns gedisst. Dann haben wir geredet und geredet. Haben bis Mai 2008
geredet. Am Telefon, in 2000 Mails.
Es gab wirklich keinen
Kontakt in zehn Jahren?
Plewka: Obwohl Headhunter
immer wieder unterwegs waren: nein. Die haben jeden einzelnen von uns angesprochen,
ob wir wieder Selig machen wollen. Wir wussten, dass uns ein Plattenvertrag
sicher war.
Wann kam die Musik dazu?
Plewka: Wir waren
in Christians Studio in Berlin, alle mit den Instrumenten um den Bauch.
Dann meinte Stoppel: Lass uns doch mal ein altes Riff spielen. Und dann
haben wir ein altes Riff gespielt. Das war, als hätten wir einen Monat
nicht geprobt – und nicht zehn Jahre. Das war ein supertolles Erlebnis.
Man hat die anderen gesehen, den Sound gehört. Wir wussten auf einmal,
warum die Menschen damals so durchgedreht sind. Seit dem Moment sind wir
wieder Selig.
Alle haben in den zehn
Jahren Soloprojekte verfolgt. Ergibt sich daraus ein neuer Sound?
Plewka: Wir haben
uns musikalisch überhaupt nicht weiterentwickelt. Das hört sich
komisch an, aber warum auch? Wir sind halt 'ne Rockband. Es ist Rockmusik,
die Lieder sind simpel strukturiert, aber das ist das, was wir können.
Es ist die positivste von allen unseren Platten geworden – in jedem zweiten
Ton hört man den Frieden, die Freundschaft, den Respekt, die Vergebung
voneinander.
Warum der Albumtitel „Und
endlich unendlich”?
Plewka: Ein Kreis
ist unendlich. Und wir sind endlich wieder ein Kreis. Endlich unendlich.
Das ist ein Ausruf!
Gab es eine Sehnsucht
nach großen Bühnen?
Plewka: Da krachen
fünf Riesen-Egos aufeinander. Die können nicht in kleine Clubs.
Selig war eine Band für
Teenies und Studenten. Sind die Fans älter geworden?
Plewka: Wir haben
die Platte für kein Publikum gemacht. Wir haben nicht versucht, das
neue „Ohne dich” zu schreiben. Wenn jetzt die Leute durchdrehen und man
wieder einen Fanstatus erreicht, kann man diesmal besser damit umgehen.
Gereifter. Damals war man sehr jung, da hat man nicht wirklich verstanden,
was da los ist.
Gereifter. Was heißt
das?
Plewka: Wir haben
Regeln aufgestellt für uns, damit wir besser miteinander klarkommen.
Dazu gehört, dass man Pause voneinander machen muss. Das Wochenende
ist heilig, da ist man bei den Familien. Im Studio haben wir uns morgens
um neun getroffen und sind abends um elf rausgegangen. Früher war
das so, dass man bis in die Morgenstunden im Studio war. Außerdem
hat jeder sein Nebenprojekt. Bei mir sind es die Rio-Shows, Stoppel spielt
bei James Last. Jeder hat sein eigenes Reich, außerhalb von Selig.
Das gab es damals nicht. Das war auch unser Fehler. Deshalb sind wir auch
ausein-ander gegangen.