Allein – ein Film von großer Intensität

Am 11. Juni 2005 porträtierte ich für die Mülheimer WAZ den jungen Filmemacher und Ruhrpreisträger Thomas Durchschlag – ein Absolvent meiner Mülheimer Schule und Freund meines Bruders. Ich traf Thomas Durchschlag im Café Schmitz am Kölner Hansaring. Thommy hatte gerade seinen Debütfilm „Allein“ in Essen abgedreht.

Es ist ein schöner Vormittag in Köln, direkt am Hansaring. Eine Filmrollenlänge entfernt vom S-Bahnhof strahlt die Sonne ins Cafe Schmitz. Thomas Durchschlag wartet schon, er schlürft einen Milchkaffee. „Im August“, sagt der Mülheimer Filmemacher zur Begrüßung, „da kommt ,Allein´ ins Kino.“

Im August also. Und jetzt gerade? „Im Moment schreibe ich an meinem zweiten Drehbuch.“ Halt, stopp, nicht so schnell. Thomas Durchschlag? Wer ist das überhaupt? Ein Mülheimer, der auf der linken Ruhrseite groß wurde. Dessen Eltern noch in Broich wohnen. Der das Gymnasium Broich besuchte, und mehr schlecht als recht mit dem Abitur im Jahre 1994 abschloss. Als er in Klasse elf war, wollte er einen Schülerstreik anzetteln. Eine von ein paar Erinnerungen, die hängen blieben.

Jetzt ist er 30, sitzt im Cafe und putzt seine heuverschnupfte Nase. An Filme dachte er zu Oberstufenzeiten noch nicht. Schon eher ans Fotografieren. Nach einer kurzen Zeit bei Radio Essen war er außerhalb der Schule kaum einmal ohne Kamera anzutreffen. Er knipste für lokale Blättchen und begann ein Studium in Essen im Fach „Kommunikationsdesign“. Dass er von der kleinen zur großen Kamera fand, lag auch am Kino Rio. Er jobbte zwei Jahre lang als Filmvorführer. Eine Arbeit, die für ihn keine Arbeit war. „Umsonst ins Kino zu gehen, das war eine tolle Zeit. Ich habe 150, 200 Filme gesehen.“ Und sein Entschluss stand fest.

Ab zum Film.

„Ich bin in Pressegesprächen nicht so der Erzähler“, sagt Thomas Durchschlag. Er ist einer, der direkt auf den Punkt kommt und bitterernst gucken kann. Der aber auch eine durchdringende und ansteckende Lache hat. Und dann erzählt er weiter. Er kann das nämlich doch.

Er zählte zu den Fünf, die 2001 an der Kunsthochschule für Medien in Köln aufgenommen wurden, lernte bei bekannten Namen. Bei wem? Egal, Prominenz bedeutet ihm wenig. „Ich will Kinofilme machen.“ Ein einfaches Motto. Seine Karriere begann mit drei Kurzfilmen. „Beziehungen zwischen Menschen interessieren mich. Die will ich erzählen. Und das fand ich an den Filmen im Rio immer so toll.“
In den letzten anderthalb Studienjahren schrieb er am Drehbuch von „Allein“. Das wurde dann vom WDR und der Filmstiftung NRW mit insgesamt 800 000 E gefördert. „Allein“ ist das einfühlsame Porträt der Studentin Marie, die am Borderline-Syndrom leidet und deren Leben geprägt ist durch die Sucht nach Nähe und durch Exzesse mit Sex, Tabletten und Alkohol. Durchschlag drehte den Film in 23 Tagen mit seinen Wunsch-Schauspielern Lavinia Wilson und Richy Müller in den Hauptrollen. Wenige Schnitte zeichnen den Film aus. „Es geht nicht darum zu zeigen, was man kann. Der Film ist reduziert auf die Geschichte und Figuren. Er hat eine große Intensität.“

Durchschlag drehte überwiegend in Essen. „Eigentlich“, sagt er, „könnte er in jeder Großstadt spielen. Aber das Ruhrgebiet ist nicht so designed, hat seinen eigenen Charme.“ Er wohnt in Köln. Mülheim nennt er aber „meine Heimat“. Sein Vater hat im Film eine Nebenrolle. „Naja, Nebenrolle. Er latscht einmal durchs Bild.“ Da lacht der Regisseur durchdringend.

„Allein“ lief bei den Filmfestivals in Hof, Saarbrücken, Rotterdam, San Francisco. Und bei der Berlinale im Beiprogramm. Bald fliegt Durchschlag nach Seattle. Landauf, landab wurde das Debüt gefeiert, zum Beispiel als „tief beeindruckend“ (Saarländischer Rundfunk) oder als „schnörkellose Charakterstudie, behutsam und melodramatisch erzählt, von einer sinnlichen Eleganz“ (Süddeutsche Zeitung). Berlinale, roter Teppich, Klatschblätter. Schickimicki!? „Wie, Schickimicki?“ Diese Frage versteht Durchschlag nicht. Das Wort taucht in seinem Wortschatz wohl nicht auf. Er schaut ein bisschen grimmig, fast verärgert.

Kann sich ein Regisseur Ziele setzen? Zum Beispiel Preise? „Ich will einen nächsten Film machen.“

Im August also kommt „Allein“ ins Kino. Ins Rio auch? „Vielleicht“, sagt Durchschlag. „Wäre schön.“ Er trinkt seinen Kaffee aus und geht. Zurück zum Drehbuch.

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