Zeltfestival mit Rio

Über einen Auftritt von Jan Plewka mit dem Rio-Reiser-Programm beim fantastischen Zeltfestival Ruhr an der Drei-Städte-Grenze Bochum/Hattingen/Witten im September 2010 schrieb ich hier.

Der Text erschien nicht nur bei DerWesten, sondern auch in den Lokalausgaben der WAZ Witten und der WAZ Hattingen/Sprockhövel.

Jan Plewka ist eigentlich Sänger bei Selig. Aber schon seit 2005 geht er immer mal wieder mit seinem Programm „Jan Plewka singt Rio Reiser“ auf Tour. Beim Zeltfestival Ruhr bewies Plewka, dass er den Rio-Abend immer noch genießt.

Draußen, vor Zelt drei, toben ein paar Kinder. Spaziergänger sind zu hören, sie prosten sich zu. Drinnen ist alles dunkel. Ein stiller Raum. Eine Stimme. „Stiller Raum, stille Nacht, alles schläft, ich bin wach.“

Moment mal, wer ist das? Wer singt da?

„Jan Plewka singt Rio Reiser“ steht auf den Plakaten beim Zeltfestival Ruhr. Rio? Jan? Nein, das muss Jan Plewka sein. Kratzige Stimme, unverwechselbarer Klang. Sekunden später betritt er das Zelt durch den Hintereingang, die Haare kurz geschoren. Einen Vollbart hat er sich stehen lassen. Ein Mikrofon trägt Plewka nicht. Aber eine Gitarre um den Hals. Er spielt „Halt dich an deiner Liebe fest“ Wow.

Im vierten Lied hebt er die Faust

Der Auftakt eines Auftritts, an dem die Konzert- und Theatergrenzen verschwimmen. Seit 2005 zieht Jan Plewka mit seinem Rio-Abend durchs Land. 2005, acht Jahre nach dem Selig-Aus, war Plewka ein Ehemaliger. Einer, den der Ruhm erdrückt hatte und der sich über kleine Bühnen mit kleinen Bands und mit Rollen als Schauspieler durchs Künstlerleben schlug.

Und eben mit dem Rio-Programm. Im vierten Lied hebt er die rechte Faust, brüllt „Mach ne Faust aus deiner Hand! Keine Macht für Niemand!!!“ Aber noch machen nicht viele mit. Noch wollen die Besucher Plewka nicht in die Ton-Steine-Scherben-Zeit der 70er folgen. Noch nicht.

Jetzt kann der Abend nur brillant werden

Denn schon jetzt ist Plewkas Respekt vor Rio Reisers Musik, vor Rio Reisers Leben zu spüren. Er redet wenig, lässt die Musik, die Texte sprechen. Die Texte aus der bewegten Scherben-Zeit als linke Vorzeigeband in den 70ern, aber auch aus Rio Reisers gemäßigter Solo-Zeit in den 80ern. Plewkas Freude, die Songs seines Idols zu singen, zu brüllen, zu hauchen, ist authentisch.

Wie in früheren Teenie-Zeiten, als er in seiner Heimat in Schleswig-Holstein mit seinen Jugendfreunden am Meer saß und zum Beispiel den „Rauch-Haus-Song“ brüllte. An seinem Rio-Abend folgt die Hymne der Hausbesetzer auf „Keine Macht für Niemand“. Plewka und seine Band „Schwarz-Rote Heilsarmee“ sitzen um ein durch eine schlichte Lampe simuliertes Lagerfeuer, spielen unplugged. Als Plewka den Refrain anstimmt und die meisten Zeltbesucher „Und wir schreien’s laut: Ihr kriegt uns hier nicht raus!“ mitgrölen, da grinst der Sänger. Da weiß er: Jetzt kann der Abend nur brillant werden.

Jeder Song ein eigenes Theaterstück

So selbstverständlich ist das nicht mehr. Seit Ende 2008 ist Plewka wieder mit Selig auf Tour. Hat in großen Hallen vor Tausenden gespielt und bei Festivals wie „Rock am Ring“ sogar vor Zehntausenden. Doch abgehoben oder gar arrogant wirkt im Zelt an diesem Abend gar nichts. Hier ist er der Jan. Seine Lust, die 18 Rio-Songs auch im sechsten Jahr perfekt zu performen, ist riesig. Er ist aktiv, nutzt nicht nur die komplette Bühne, sondern jeden Zentimeter des Zelts.

Manchmal macht das den Rio-Abend etwas anstrengend, aber auch das nur für wenige Sekunden. Beim Song „Der Turm stürzt ein“ spazieren Plewka und die Musiker unplugged durch die Reihen und sammeln Kleingeld für „Bier für die Rückfahrt“. Beim Instrumental-Part des fantastischen Lieds „Der Traum ist aus“ setzt sich Plewka ins Publikum und schaut fasziniert seiner Band zu. Überragend ist „Unten am Hafen“. Allein hockt Plewka auf einem roten Sofa, hält nur das Akkordeon in der Hand. Da wird das Zelt für zwei Minuten wieder zum stillen Raum. Und das sind nur Beispiele. Jeder Song ist eben ein eigenes Theaterstück.

Romantik in der Dunkelheit

Nach zwei Stunden sitzt keiner mehr. Da gibt’s Ovationen. Die Welt ist ein bisschen friedlicher geworden. In der Dunkelheit wirkt der Kemnader Stausee noch einen Tick romantischer. Fehlt nur noch, dass jemand am Ufer sitzt und auf der Gitarre ein Lied spielt.

Vielleicht hätte jemand Jan Plewka fragen sollen. Der hätte diese Idee gut gefunden.

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