VFL-TAGEBUCH: BUNDESLIGA 2006 / 2007 - TEIL 4
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Die ersten Utensilien

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FC Bayern München - VfL Bochum 0:0 (30.1.2007)

oder auch: 2. Tag Südost-Reise

JubelWie toll ein 0:0 doch sein kann... (aufgenommen mit Dirks Handy)

und

JubelEin Tagesausflug, der sich für 1200 Bochumer gelohnt hat: SCHALALALAAAA !!

Ein denkwürdiger Tag mit Maskottchen, Grillteller, Rotkreuzplatz und Cola. Ein eigentlich langweiliges Spiel mit fantastischem Ausgang

Thommy vor AllianzZweimal mein Bruderherz Thommy... einmal VOR der (diesmal roten) Allianz-Arena...

Gut gspuit

Thommy in der Arena ... und einmal IN der Allianz-Arena!

Haben wir wirklich... einen Punkt... bei den Bayern geholt?? 0:0 ist es ausgegangen??? JAAAAAAAAAAAA!!! IST ES!!! Das schönste langweilige Spiel meines Lebens. Die atemberaubendste Nullnummer in der Fußballgeschichte. Ein wunderwunderwunderbarer Abend. NULLNULL!!! Wie lautet der Spielstand? BAYERN? NULL! BOCHUM? NULL! Dieser Punkt könnte am Ende Gold wert sein. Wir sind wieder da, wir haben es souverän nach Hause gespielt, heute wird ganz Bochum jubilieren.
Ist gut jetzt.
München. Am Vormittag. Der Tag gestern war anstrengend, heute Morgen und Mittag ist erst einmal Relaxen angesagt. Ein großartiges Programm habe ich mir diesmal nicht vorgenommen. In den letzten Jahren habe ich viel in München schon abgearbeitet, vom Oktoberfest übers Deutsche Museum und die Uni bis zum Marienplatz, der Frauenkirche, der Münchner Freiheit, dem Englischen Garten undundund. Fürs Umland bis zum Starnberger See bleibt diesmal nicht genug Zeit, so verbringen mein Bruder und ich die ersten Stunden am Dienstag mit Ausschlafen, vielen beruflichen und Uni-Arbeiten in Dirks Wohnung und ab 17 Uhr mit der Handball-Weltmeisterschaft. Als Treffpunkt mit Dirk haben wir "18 Uhr Marienplatz" ausgemacht. Um uns einzustimmen, stelle ich auf dem Laptop einige Fußball-Lieder ein. Einmal mehr fällt uns auf, wie unendlich dämlich der Jo-Hartmann-Text von "Wir sind die Fans vom VfL" ist. Einmal mehr spiele ich "Bayern" von den Toten Hosen (gehört dazu an einem solchen Tag), einmal mehr Grönemeyers "Bochum", obwohl das nur im Stadion richtig schön klingt. Im Internet verfolgen Thommy und ich die Prognosen der VfL-Fans im Forum ("Humorloses 3:0" schreibt jemand) und die Videoaufzeichnung der Pressekonferenz mit Koller und Kuntz. Gestern hat Zwetschge den Wechsel nach Nürnberg am Saisonende bekannt gegeben, gleichzeitig verpflichteten wir bis dahin Yahia (sprich: "Jaja"), einen neuen Innenverteidiger, der wohl direkt spielen wird. Naja (oder: Jaja), schlechter als gegen Mainz kann es nicht mehr werden. Wirklich nicht.
Das Fieber will bei mir heute nur langsam steigen, Thommy und Dirk sind doch wesentlich heißer. Die letzten Jahre haben Spuren hinterlassen. 1:3, 1:4, 2:4 ist meine mehr als frustrierende Bayern-Auswärtsbilanz, überhaupt hat Bochum in 30 Spielen nur ein einziges verdammtes Mal hier gewonnen, und die Allianz-Arena habe ich auch schon gesehen. "Du bist noch ungeschlagen in der Arena" - so hat Dirk mich gestern begrüßt. Ein schwacher Trost. Im Durchschnitt haben wir fast aufs Tor genau 1:3 jährlich hier verloren. Auch heute droht Ähnliches. Nach dem 2:3 in Dortmund am Freitag sind die Bayern doppelt gereizt - und verärgerte Bayern sind... ich brauch nicht weiterzuschreiben. "Wenn wir heute nicht gewinnen", trompete Bayern-Trainer Magath in allen Zeitungen und TV-Interviews, "dann können wir den Meistertitel abhaken". Der VfL kam bei Magath überhaupt nicht vor, das Motto hier lautet wohl so richtig abgehoben: "Uns ist egal, wie die spielen." Naja, an Magaths Stelle wäre mir Bochum auch egal. Bayern hat van Bommel, Makaay, Pizarro, Schweini und dazu Podolski, Scholl und Santa Cruz auf der Bank - bei uns spielen Trojan, Bönig und Schröder. Noch Fragen?
Das Handball-WM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien beginnt ziemlich gut, in der 12. Minute müssen wir gehen, obwohl ich viel lieber bleiben würde. Die Jungs spielen wie auf Droge, wieder einmal, und führen schon mit zwei Toren Vorsprung. Spannend wirds. Und wir laufen los. Buh. Zu Fuß zur U-Bahnstation "Rotkreuzplatz", in den letzten Jahren ist das schon Routine geworden. Schon irre, wie oft ich jetzt München gesehen und vor allem, was ich alles hier kennengelernt habe. Noch ungeschlagen, jaja, äh Yahia, wie auch immer. Es ist 17.52 Uhr, noch acht Minuten bis zum Treffpunkt. Der Tag beginnt super: "Eine Durchsage. Aufgrund eines Fahrzeugschadens fahren vorerst keine U-Bahnen in beide Richtungen. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Ihre MVG". Toll. Dirk anrufen. "Wir kommen später". "Wir warten", sagt er und empfiehlt einen Bus. Wir wollen gerade Richtung Haltestelle aufbrechen, da fährt doch eine U1 ein. Rein, los, raus drei Stationen später, Dirk treffen und noch zwei andere Gestalten. In weiser Voraussicht habe ich mir im Vorverkauf fünf Tickets zugelegt. Eins für Dirk, eins für Thommy, eins für mich, zwei für... Flo und Christiane, Freunde von Dirk. Flo war schon beim 1:0-Sieg bei den Sechz'gern vor einem Jahr dabei und ist seitdem - auch ein Dienst der Konfetti-Pistole (lest Euch den Text durch) - ein Bochum-Sympathisant. Christiane will einfach nur die Allianz-Arena sehen, auch nicht schlecht. Für mich gibt das einen unerwarteten Geldsegen von 24 Euro, stimmt, ich hatte die Kohle vorgestreckt. Hurra. Doch erst morgen zur Sparkasse.
Thommy kauft eine Dose Löwenbräu für die U-Bahnfahrt und wird von echten Bayern böse ausgezählt. Christiane fliegt bald nach Australien in den Urlaub, Dirk erzählt Storys von seinem Australien-Trip, jawoll, so kann eine U-Bahnfahrt doch lustig werden und schnell vergehen. Fußball ist nur ein Randthema. Noch. Die Bayern-Fans in der Bahn sind aufgeschlossen und nett. "Sagts, seid Ihr echt aus Bochum?", fragt der erste. Bei Thommys Gegenfrage "Wie lang noch?" mischt sich der Nächste ein und beantwortet artig. Offen Schal und Trikot zu tragen, würde mir in keiner anderen Stadt einfallen. Nur hier. Brav eben. Fußballkonsum? Nach einer Viertelstunde taucht das Stadion-Ufo auf, diesmal in Rot, nicht in Blau wie noch vor einem Jahr. So langsam, gaaanz langsam steigen bei mir sämtliche Spiegel.. Bei Dirk und Thommy ist das unübersehbar und selbst Fußball-Debütantin Christiane gibt zu, "etwas nervös" zu sein. Für mich ist die Arena nicht neu, ein Auswärtsspiel beim FC Bayern nicht neu. Mir ist nicht einmal kalt, weshalb ich Dirks geliehene Jacke offen trage. Werd sie im Stadion wohl ausziehen. "Heute ist es leer", sagt Dirk beim Blick auf den Parkplatz. Er hat schon so einige Bayern-Spiele hier gesehen, dazu bei der WM Portugal gegen Frankreich im Halbfinale ("da war vor dem Bahnhof Fröttmaning eine Riesenmenge Schwarzmarkt - von wegen, das ist bei der WM verboten") - und eine Stunde vor dem Anpfiff waren Parkplatz und Parkhaus stets rappelvoll. Diesmal ist nur die Hälfte gefüllt. "Zum ersten Mal", beklagten Medien aller Art, "wird die Allianz-Arena bei einem Bundesligaspiel der Bayern nicht ausverkauft sein." Ist eben unter der Woche - und nur Bochum. Das Bayern-Maskottchen sitzt aufgeblasen vor der Arena - hat jemand 'ne Stecknadel? Die Kontrollen gehen schnell, wir latschen einmal ganz ums Stadion rum und müssen noch ein bisschen Sport treiben. Rauf in den Oberrang, gefühlte 150 Treppen in die gefühlt 20. Etage. Oben angekommen - wow, was für ein Anblick. 19.15 Uhr schreibt die Uhr, Drobny macht sich schon warm. VfLer sind bisher kaum vertreten. Überhaupt befinden sich höchstens 7.000 Leute im Stadion, und das 45 Minuten (!) vor dem Anpfiff. Wir holen eine Runde Getränke, teilen unsere Sitzplätze auf, ich ärgere mich über den dauergrinsenden Bayern-Stadionsprecherkasper, der mir seit vielen, vielen Jahren unglaublich auf den Zeiger geht. Einlaufen zum Warmlaufen, oh ja, jetzt bin ich in der richtigen Stimmung, also kaum noch ansprechbar, alles steigt immer noch deuuuutlich. Koller hat Butscher aus dem Kader gefeuert, dafür spielt Yahia direkt von Beginn an. Überraschung! Zudem Schröder für Lense rechts hinten! Abwehrkette umgestellt, das sind Taten. "Und Thommy", frage ich, "wie findest Du die Arena?" Mein Brüderken entwickelt den Begriff "Upper-Class-Tempel" - und liegt damit gar nicht so falsch. Die Arena ist eben nicht wirklich für die "normalen" Fans konzipiert. Stehplätze sind nur kaum vorhanden, die billigsten Sitzplätze liegen direkt unterm Dach. Das Stadion hat unendlich viele Logen, die - Dirk berichtet es aus eigener Erfahrung - vor allem für Geschäftskontakte und Belohnung fleißiger Mitarbeiter benutzt werden. Keiner dieser ach so wichtigen Personen erscheint selten früher als fünf Minuten vor dem Anpfiff. Im VIP-Raum gibts Futter vom Feinsten, die Gespräche drehen sich nicht darum, ob van Bommel sich gegen Zdebel durchsetzen kann... Auch zwanzig Minuten vor dem Anpfiff ist die Arena (natürlich) halbleer. Wie auf Schalke, bei uns, in Dortmund oder wo auch immer ist hier nichts. Eigentlich überall erscheinen viele Fans so früh wie möglich, um schon weit vor dem Anpfiff Sprechchöre auszuprobieren. Die ersten "Bayern"-Rufe kommen erst nach dem Einlaufen. "Ist doch klar", argumentiert Thommy. "Ein Verein mit so vielen Mitgliedern, mit so vielen Fans, muss seine Marketingeinnahmen optimal nutzen." Was er damit meint: Junge Familien kaufen mehr Merchandisingprodukte als der "normale" Stehplatzfan. Das garantiert dem Verein eine millionenschwerere Einnahme. Logisch. Es ist sicherlich beeindruckend, in diesem Stadion zu stehen und unseren Jungs beim Fußball verhindern zuzugucken - aber der richtige Fan in mir weint ein bisschen angesichts der zahlreichen Snobs. Dirk - seit zehn Jahren Münchner - gibt an, nur einen richtigen Bayern-Fan zu kennen - also jemand, der seine Sympathie nicht zur Schau stellt, um als Erfolgsmensch zu gelten.
Genug geschwafelt. Cola austrinken - und los. Anpfiff. Bayern gegen Bochum. "Pass auf", sage ich zu Thommy, "wir kriegen wie immer ein frühes Tor. Und zwar ein saublödes. Abgefälscht, Eigentor, Schweini-Flatterweitschuss, was auch immer." Zu Beginn sieht es auch schlecht aus. Innerhalb der ersten fünf Minuten kommen die Bayern zu drei guten Chancen und einer Ecke. Drobny muss dreimal retten. Heute ist Drobnys Chance. Er kann und muss zeigen, was er kann, wenn er der akzeptierte van-Duijnhoven-Nachfolger werden will. Auch nach der 5. Minute bleibt Bayern überlegen. In Minute 20 verrät eine Statistik auf der Videowand: "Ballbesitz Bayern 70 Prozent". Wir verteidigen und bolzen die Kugel einfach nur so weit wie möglich aus der Gefahrenzone. Unser Offensivspiel besteht daraus, den Ball lang auf Gekas zu spielen. Mehr passiert nicht. Gekas steht aber laufend im Abseits, sodass nach vorn nichts passiert. In der 21. Minute ergibt sich für Trojan nur eine Schusschance, weil Lahm böse fehlpasst. Aber wie immer versagt der torungefährlichste Linksaußen der VfL-Vereinsgeschichte kolossal und verzieht das Leder so peinlich, dass ich im Boden versinke. In Minute 34 müssen die Bayern eigentlich in Führung gehen. Nach dem einzigen gescheiten Pass von Schweini steht van Bommel völlig frei, scheitert aber an DROBNY! DROBNY! DROBNY! Der ist guuuuuuut, Thommy feiert ihn pausenlos. Der Support ist noch mäßig, selten kommen "VfL"-Rufe. Die Ultras haben bisher nur bei der Gedenkminute für Werner Hackmann, Ex-DFL-Boss, auf sich aufmerksam gemacht. Nicht einmal dort hielten alle ihre Schnauze. Irgendwie schaffen es unsere Jungs, das 0:0 in die Pause zu retten und damit ein Riesenpfeifkonzert von 64.000 zu verursachen. Wobei: 64.000 sind das nie und nimmer. Viele Dauerkarten-Inhaber hocken heute daheim vor dem Fernsehgerät, ich würde auf maximal 50.000 schätzen. Zdebel macht bisher ein Riesenspiel gegen van Bommel, wobei unser Käptn nichts zum Spielaufbau beiträgt, sondern eigentlich nur damit beschäftigt ist, van Bommel nickelig zu foulen. "Drecksack gegen Arschloch", bezeichne ich dieses Schlüsselduell des Spiels. Yahia steht solide in der Innenverteidigung. Unser Retter eindeutig: Drobny! 0:0, ich finds gut. Nur einer ist langweilig: Christiane...
Bayern bringt Podolski. Vor der Partie unterhielt sich Poldi noch lange mit seinem "Entdecker" Koller. Nun soll er das erlösende Tor schießen. Zwei Minuten nach Wiederanpfiff ist die VIP-Tribüne fast komplett leer. Kein Wunder bei dieser Bayern-Leistung. Drinnen ists eben gemütlicher. Ich erwarte nun einen Sturmlauf, einen Angriffswirbel der Bayern, der uns auseinander reißt. Ottl jagt die Kugel in Minute 48 nur Zentimeter vorbei, eine gute Chance - der Startschuss? Nein - der Bayern-Schlusspunkt. In den verbleibenden 42 Minuten bieten die Bayern, selbsternannter Aspirant auf den Sieg in der Champions League, eine erschreckende Leistung. So wollen die im Achtelfinale Real Madrid besiegen?? Dabei fehlen aus der Stammelf nur Sagnol und Hargreaves - zwei, die nicht gerade für herausragende Technik und Spielkunst stehen. "Die haben einfach scheiße eingekauft", sagt Thommy. Stimmt: Van Buyten bekleidet eine Position, die Lucio/Ismael ein Jahr lang gut ausfüllten. Podolski ergänzt das Sturm-Duo Makaay/Pizarro. Ballack wurde nicht adäquat ersetzt, Schweini kann die Rolle nicht, was er auch heute eindrucksvoll beweist. Mir ist schnurz, was die Bayern machen. Mich freuts, dass wir immer mutiger werden, selbst unsere Chancen suchen - und sie auch bekommen. Gekas läuft schräg allein auf Kahn zu, 61. Minute, doch Kahn lenkt zur Ecke. Das war gaaaaanz knapp. Das MUSSTE es sein. Meine Nervosität, mein Gedanke "Es sind die Bayern - irgendwann machen die einen" verfliegt. Selbst der in der ersten Halbzeit grottige Epalle läuft zu Hochform auf und vernascht Lahm zweimal. Brenzlig wirds bei einem Freistoß am 16er, doch Podolski verzieht jämmerlich, rund um die 70. Minute. Nichts brennt mehr an, für den neutralen Zuschauer ist es vermutlich ein furchtbar langweiliges Spiel mit nur wenigen Torszenen und nach punktgenau 90 Minuten beendet der gute Schiri Dr. Drees das Spiel. Das schönste langweilige Spiel meines Lebens. 0:0... wir haben einen Punkt... in München! Wir freuen uns riesig, umarmen uns allesamt, klatschen ab. Ein Bonuspunkt. Das Stadion pfeift! Zum ersten Mal seit 25 Minuten ist etwas von den Bayern-Anhängern zu hören. In der Schlussphase sangen wir Bochumer durch - hier die Lautstärke-Oberhand zu behalten, ist wahrlich nicht schwer, nicht einmal für nur 1200 Gäste-Fans (vornehmlich übrigens witzigerweise mit dem Sprechchor "Ihr seid leiser als Fortuna Köln", der eigentlich vom Aussterben bedroht ist). Nach dem Anpfiff gibt es weder "La Ola" noch "Humba" - zu normal, zu locker haben wir den Punkt nach Hause geschaukelt.
Auf dem Weg zur U-Bahnstation "Fröttmaning" genieße ich den Triumph. "Gut gspuit", sagt ein Bayern-Fan und drückt mir die Hand. Nett und aufgeschlossen sind die Bayern immer noch, was Christiane umgehend lobend hervorhebt. Ein weiterer Bayern-Fan umarmt mich sogar und sagt: "Ihr seid unter Wert geschlagen worden". So schnell geht das. Eben noch Kanonenfutter, jetzt schon der Gewinner des Tages. "Unsere Heimat - unsere Liebe - in den Farben blau und weiß - 1848 - nur damit es jeder weiß" ruft eine Kleingruppe, ich fühle mich richtig wohl, werde das Grinsen nicht mehr los. München 2007 - das ist schon jetzt ein Erfolg. Mit der U-Bahn geht es zurück zum "Rotkreuzplatz", im "Jagdstüberl" - einer typisch bayerisch-bodenständigen Lokalität - bestellen wir um 23 Uhr noch warmes Essen. Dirk ordert Leberkäs, Thommy das Tagesgericht, ich einen Grillteller. Ungesund olé, heute ists erlaubt. Wir reden über alle Themen der letzten Wochen von privat bis beruflich, es ist sehr, sehr nett. In Dirks Wohnung klingt dieser denkwürdige Tag aus, mit den Einträgen im VfL-Fanforum und ersten Berichten aller Online-Zeitungen. Alle bescheinigen der VfL-Mannschaft eine ordentliche Leistung. Der T-Mobile-sms-Ticker schreibt Drobny den Punktgewinn zu ("Verdientes 0:0. Starker Drobny rettet den Punkt.") Koller sprach wohl von zwei verlorenen Punkten. Die Handballer haben gewonnen, stehen im Halbfinale. Um 2 Uhr ab in den Schlafsack, mein Bruder und ich pennen Kopf an Fuß.
Bayern? NULL! Bochum? NULL! Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt... Gute Nacht München, gute Nacht Welt, der zweite Tag dieses Kurzurlaubs geht zu Ende. Heute werde ich vom VfL träumen. Ganz, ganz sicher.

Das Spiel
 
Drobny Koller und Poldi
Auf ihn wird's heute ankommen... Jaroslav Drobny spielt nicht nur für den VfL und drei Punkte, sondern womöglich auch um einen neuen Vertrag. Eine gute Leistung heute - und vielleicht wird er übernommen! Das waren noch Zeiten: Einst trainierte Marcel Koller den 1. FC Köln und entdeckte den 18-jährigen Lukas Podolski. Heute trainert Koller den VfL und "Poldi" hockt bei Bayern auf der Ersatzbank.
Gedenkminute Freistoß für Bayern
Gedenkminute: DFL-Präsident Werner Hackmann starb überraschend am Sonntagvormittag. Vor dem Anpfiff wirds still in der Allianz-Arena. Nur einige wenige brüllen "Scheiß DFB" oder ähnliches... ... schon weeiiiiiiiiit in der zweiten Halbzeit. Freistoß für Bayern. Doch Podolski läuft an und versagt jämmerlich. Es bleibt beim 0:0.
Anzeigetafel Wir sind Helden
Es ist nur sehr, sehr, sehr schwer zu erkennen - aber dieses Foto der Anzeigetafel mit dem Spiel- und Endstand "0:0" MUSS auf diese Internetseite. Das sind Helden: Ein Punkt in der Allianz-Arena... Der könnte es am Ende ausmachen!

Der "Upper-Class-Tempel"

MaskottchenEine Stunde vor dem Anpfiff: Von Parkplatz und -haus und U-Bahnhof strömen die Zuschauer am Maskottchen vorbei.

Allianz-Arena - Allgemeines:
Als "Meilenstein moderner Architektur" wird die Allianz-Arena gerühmt. Es ist das dritte Bundesliga-Stadion in München. Zuerst wurde an der Grünwalder Straße gekickt (der TSV 1860 sogar bis in die 90er hinein), dann ab 1972 (und bei den EM's 1972+1988 sowie der WM 1974 und den Olympischen Spielen 1976) im Olympiastadion - und schließlich seit 2005 im Vorort Fröttmaning. Bei der Weltmeisterschaft 2006 fanden in der Allianz-Arena unter anderem das Eröffnungsspiel und ein Halbfinale statt. Die Sportarena entstand seit Herbst 2002 nach Vorlagen der Schweizer Stararchitekten Herzog und de Meuren. Finanziell wird das Großprojekt von den Vereinen TSV München 1860 und FC Bayern München gestemmt - allerdings haben die Sechz'ger einige ihrer Anteile an den FC Bayern verkauft, um der Insolvenz zu entgehen. Um den Neubau gab es Ende der 90er in München einen großen Streit - und sogar eine Volksabstimmung. Die Lage ist nicht wirklich fanfreundlich. "Fröttmaning" liegt außerhalb - mit der U-Bahnlinie "U6" etwa 15 Minuten vom Marienplatz und noch einmal zehn Fuß-Minuten vom U-Bahnhof entfernt. Auch die Anfahrt mit dem Auto ist (laut Dirk) höchst problematisch. Es gibt nur einen Parkplatz, ein Parkhaus und eine Autobahnabfahrt.
Details:
Laut Baedeker verbergen sich hinter der Außenfassade 2800 rautenförmige, mit Luft gefüllte Membrankissen. Die transparente Fassade hüllt die Arena mit einem integrierten Lichtsystem in die jeweilige Farbe der Vereine. Zu den drei Rängen: Der unterste Rang umrahmt das Spielfeld sehr eng. Es stehen 20.000 Sitzplätze zur Verfügung. In Nord- und Südtribüne können jeweils 10.000 Sitzplätze in Stehränge umgewandelt werden. Im Mittelrang finden 24.000 Zuschauer einen Sitzplatz, im obersten 22.000. Die oberste Sitzreihe des Stadions befindet sich auf 39 Metern Höhe. Für die "Wichtigen" (Stichwort Upper-Class-Tempel) gibt es 100 Logen mit rund 1400 Plätzen und 2200 sogenannten Business-Seats.
Zahlen:
Die Arena ist 258 Meter lang, 227 Meter breit und 50 Meter hoch. Sie fasst 66.000 Zuschauer. Das Parkhaus mit rund 10.000 Plätzen ist das größte Parkhaus Europas. Mit rund 285 Millionen Euro Kosten ist die Allianz-Arena die modernste Sportarena der Welt. Es gibt zwei Fan-Restaurants (TSV 1860, Bayern), ein Familienrestaurant, eine Cafeteria und 28 Kiosks. Allein die Gastronomie nimmt eine Fläche von 6500 Quadratmetern ein.
... Fundstück aus "1000 Tipps für Auswärtsspiele" (etwas umformuliert, Quelle: ISBN 3-89784-207-6, sehr empfehlenswert):
(aus der Auflage 2002, noch vor Eröffnung der Arena): Von ersten verträumten Planspielen bis zur Grundsteinlegung war es ein weiter Weg. Ein sehr weiter Weg. Und ein kurvenreicher noch dazu. Zu ersten Differenzen kommt es im Herbst 1997: Während sich Bayern in Person von Franz Beckenbauer vehement für den Bau eines neuen Fußballstadions einsetzt, beharrt die Stadt auf einem Umbau des Olympiastadions (Überdachung der Gegengerade, Absenkung des Spielfelds). Einstimmig fordert der Stadtrat die Bayern auf, im Olympiastadion zu bleiben, woraufhin Beckenbauer mit dem Verlassen der Stadt droht. Als Architekt Boenisch im März 1998 dann Korrekturen an den Umbauplänen zu seinem Olympiastadion vorstellt, lenkt Beckenbauer plötzlich ein ("... habe ja schon immer gesagt, dass der Umbau des Olympiastadions die vernünftigste Lösung ist.") Sechs Monate nach dieser Kehrtwende einigen sich Stadt, Olympiapark GmbH sowie die beiden Münchner Klubs TSV 1860 und FC Bayern in einer Geheimsitzung auf die Umbauvariante 2b, die eine zu 90 Prozent überdachte Arena für 65.000 Zuschauer vorsieht.
Nicht zuletzt, um die Bewerbung Münchens für die WM 2006 zu sichern, beschließt der Stadtrat im Dezember 1998 einstimmig den 140 Millionen DM teuren Umbau des Olympiastadions in der leichten "WM-Variante" - während der Widerstand bei Fans, Mitgliedern und Denkmalschützern wächst. Derweil explodieren die Kosten für den endgültigen Ausbau, woraufhin Beckenbauer im März 1999 vermeldet: "Der Umbau kommt teurer als ein Neubau, der gescheiter und vernünftiger wäre." Erneut wird umgedacht, diesmal lenkt die Stadt ein. Der Umbau ist passé, alle Parteien bevorzugen nun den Bau einer neuen Arena nahe der Messe in Riem. Der Standort platzt mehrfach: erst Riem (verkehrstechnische Probleme), dann unter der Dachkonstruktion des Olympiastadions (an der Stelle des Radstadions). Mehrere Stadiongipfel bringen keine Entscheidung. Im Dezember 2000 ist das Thema "Arena" scheinbar vorbei. Bleibt im Olympiastadion doch alles beim Alten und die WM fährt an München vorbei? Nein, denn Bayern und 1860 schließen ein Bündnis zum Neubau eines eigenen Stadions. Im Mai 2001 wird zugunsten eines Geländes außerhalb der Stadt in Fröttmaning entschieden. Im Oktober 2001 wird per Bürgerentscheid endgültig grünes Licht gegeben, der Wettstreit der Architekten ist entbrannt. Das "Schwimmreifen"-Modell setzt sich gegen die "Dornenkronen"-Variante durch. Bis 30. Juni 2021 heißt das Ding "Allianz-Arena". Die Kosten in Höhe von rund 280 Millionen Euro teilen sich die beiden Vereine. Für die Infrastruktur sind noch einmal um die 250 Millionen Euro fällig. Am 21. Oktober 2002 war die Grundsteinlegung.
 
Einlaufen gezoomt Einlaufen
Zweimal dieselbe Entfernung beim Einlaufen zur Musik der Film-Trilogie "Fluch der Karibik": Einmal gezoomt... ... und einmal aus der realen 12-Euro-Perspektive unterm Dach. Sieht ganz schön weit weg aus, gell?
T Tempel
Schaut mal nach ganz links unten - da sitzen doch tatsächlich ein paar Leute im Sekten-ganz-in-weiß-Outfit und bilden das "T" des Hauptsponsors T-Com - schön fürs Fernsehen platziert. Einmalig in der Liga. Das Spiel - schaut nach links - läuft schon, doch die Logentribüne ist in der 47. Minute noch leer. Sieht so der wahre Fußball aus? Oder findet Fußball in der Allianz-Arena überwiegend im Warmen statt?

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FC Energie Cottbus - VfL Bochum 0:0 (3.2.2007)

oder auch: 6. Tag Südost-Reise

Tafel

Eine Woche lang rumgereist, viel Geld ausgegeben - und wofür? Zweimal nullnull! Die Woche endet, wie sie begann: Alles verdammt knapp

EingangUnd jetzt ALLE: Schuhe aus!

Willkommen im Fight Club

Eine Woche Urlaub. Sechs Tage weg. Zwei Flüge, eine dicke Zugfahrt, Reise durch zwei Länder und unzählige Bundesländer. Wofür? Zweimal nullnull.
Diese mechanischen Weckansagen sind wirklich eine praktische Erfindung. Gestern noch schnell kurz vor dem Einschlafen "0915" eingetippt - und punkt 9.15 Uhr klingelt das Telefon. "E-s-i-s-t-j-e-t-z-t-n-e-u-n-u-h-r-f-ü-n-f-z-e-h-n" ertönts aus irgendeiner Box, s' wirkt. Letzter Tag der Reise, heute komplettiere ich meine Bundesliga-Stadionsammlung. Heute Nachmittag werde ich alle 18 Stadien kennen. Heute wird sich der VfL mit drei Punkten ins Mittelfeld der Tabelle schießen. Auswärts haben wir noch kein richtig schlechtes Spiel absolviert, noch keins höher als mit einem Tor Differenz verloren. Olé! Wie ein ganz schlimmer Abergläubiger lege ich fein gefaltet mein Trikot und meinen Schal aufs Bett - ziehe es aber zum Frühstück im Erdgeschoss des Hotels nicht an... zu viel Energie in dem Raum! Die Cottbuser Spieler kommen um 10 Uhr gerade von ihrem morgendlichen Spaziergang und lassen sich zwei Tische weiter nieder. Ich mampfe Cornflakes, Brot, Käse und all den Scheiß - und bemerke nebenbei, dass Piplica die tiefste Stimme hat, die je mein Ohr erreichte. Schon witzig... jetzt sind die Spieler ganz nett, geben den Hotelgästen fleißig Autogramme. Und gleich wünsche ich mir nichts mehr, als dass diese Jungs auf einem Rasenplatz alles falsch machen... wenn die wüssten!
In Ruhe lese ich die "Welt" (liegt hier aus), habe mich gegen die Lausitzer Rundschau entschieden. Sitzenbleiben bis 11 Uhr, gaaaaanz langsam die Taschen packen, den Luxus des Einzelzimmers noch ein Weilchen genießen. Weil ichs knapp mag, checke ich um 11.57 Uhr aus - drei Minuten vor dem möglichen Ende. Die Zeit bis zum Anpfiff vergeht richtig, richtig schnell... Es bleibt sogar noch Zeit, anderthalb Stunden die Innenstadt Cottbus' zu erkunden. Auch das wird wieder ein Blindflug, denn ich trage keinen Reiseführer bei mir (wie sonst). Der Baedeker liegt zu Hause und ein Extraheft zur Niederlausitz ist mir nicht bekannt. Schnell stelle ich fest, dass sich mein Hotel und die Spree-Galerie (siehe Tag 5) mitten im Zentrum der Stadt befinden - und der Hauptbahnhof etwas außerhalb liegt. 100 Meter vom Hotel entfernt steht die Cottbuser Stadthalle. Sie wirbt für irgendeine Faschingsveranstaltung. Nebenan im Cottbuser Infocenter (gibt es hier) erfahre ich, wo ein Internet-Café steht, das tatsächlich geöffnet hat. Soso, hier ist Cottbus. City. Hurra. Jedes Schild: Deutsch und Sorbisch - schon etwas Besonderes. Über die kopfsteingepflasterten Straßen fährt eine Straßenbahn, ich folge den Schienen. Die führen mich an der Oberkirche und am Cottbuser Altmarkt vorbei - sieht ganz nett, ganz malerisch aus. Vom Altmarkt geht die Fußgängerzone ab. Alles ist auf West getrimmt. Am Eingang singt ein Akkordeonmann Tom Jones' "Delilah". Es gibt große Einkaufszentren (Spree-Galerie und Kaufhof), die üblichen Bekleidungs-IKEAs (H&M), Handyshops (Nokia bis Vodafone), Brillengeschäfte (Apollo, Fielmann) und selbstverständlich Fast-Food-Läden (Mäkkes, Subway, Burger King usw.). Und der große 12-Etagen-Hotel-Glasbau, in dem ich nächtigte, stand vor 1989 bestimmt noch nicht. Das Individuelle ist etwas verloren gegangen. Ernüchtert bin ich nicht. Nicht, dass ich es nicht erwartet hätte. Im Internet-Café rufe ich Mails ab, freue mich darauf, heute Abend endlich, endlich meine Homepage aktualisieren zu können. Der zugemailte WAZ-Terminplan bestätigt: Morgen habe ich drei Termine, erst Hockey, dann Schwimmen, dann Ringen... Zwischendurch noch im "Schrägen Eck" das Handball-WM-Finale gucken, das wird hart... Okay, genug gesehen, kurz zurück ins Hotel. Mein Gepäck kann ich hinterlegen. Ist ein enormer Vorteil. So muss ich nicht mit vier Taschen ins Stadion fahren.
"1000 Tipps für Auswärtsspiele" hat mir Möglichkeiten verraten, ins Stadion zu kommen. Eine davon: Vom Hauptbahnhof laufen - fällt aber aus, der Bahnhof ist zu weit weg. Bleiben Bahnlinie "7" bis zur Endstation Sandow oder Bus "15" bis Vorpark. Der Bus fährt direkt vor dem Hotel ab, an der Karl-Marx-Straße (Haltestelle heißt "Lessingstraße"), die es hier also noch gibt. Für 1,20 Euro besorge ich mir ein Ticket. Die Tour führt eine Viertelstunde lang durch die Cottbuser Vororte. Die Cottbuser Bronx!? Kaum aus der Innenstadt entkommen, steht eine Siedlung hinter den nächsten. Siedlung... also Plattenbau... vielleicht ist es auch nur ein gewollter Eindruck, aber vielmehr eine Feststellung, nicht negativ, aber auch nicht besonders positiv. Immerhin: Die Energie-Profis sollen auch in einer Multikulti-Siedlung leben... bestätigen kann ichs nicht. Über "August-Bebel-Straße", "Stadtpromenade", "Freiheitsstraße", "Sandow-Mitte", "Schlesinger-Straße" geht es bis "Vorpark" - die Haltestelle an Messe, BuGa-Park und Stadion. Ich steige als Einziger aus, ist eben noch früh, gerade einmal 14 Uhr. Ich spaziere am Messe-Gelände entlang (so etwas gibt es wirklich hier), am Gelände der Bundesgartenschau 1995 (so etwas gab es wirklich hier) und erblicke die Flutlichtmasten des Stadions der Freundschaft.
Es ist ein Schock. So ein bisschen. Am Dienstag sah ich noch die Allianz-Arena in München, Deutschlands modernstes Stadion mit allem Schnickschnack. Überdacht, drei Ränge, viele VIPs, noch mehr Fressbuden, Komfort. Und jetzt? Maximum 200 Bochumer werden hier erwartet, für alle dauert die Anreise zwischen sechs und sieben Stunden. Berlin ist 90 Minuten mit der Bahn entfernt. Berlin! Im "1000 Tipps"-Buch steht, dass der Name "Stadion der Freundschaft" hier äußerst selten zutrifft. Die Ordner werden dort als "willkürlich" bezeichnet. Austesten um 14.05 Uhr. Ich stöbere in meinem Portmonee, finde die Eintrittskarte für Block N, und erblicke 14 Ordner (!) am Eingang. 14! Ich bin im Moment der Einzige, der durch diese Securitymühle muss. Ein erster Ordner prüft zehn Sekunden lang meine Karte, schaut mir in die Augen, reißt sie ein und lässt mich durch. "Halt", sagt der nächste, durchsucht alles. Alles!! Naja, besonders ist das nicht. Weiter geht es zum dritten, der von mir verlangt, die Schuhe auszuziehen. DIE SCHUHE AUSZIEHEN!!!!! Wieder mal etwas Neues erlebt. Musste ich noch nie... Danach ists vorbei, ich darf rein.
Drinnen folgt das nächste Erdbeben. Für alle Gästefans stehen nur wenige Klos zur Verfügung. Ganz wenige, die schon jetzt - knapp eine Stunde vor dem Anpfiff - nicht mehr wirklich sauber erscheinen. Punkt Luxus: Platz 18 in der Liga. Es existiert nur eine Bruchbude als Verpflegungsstand mit zwei mehr als unmotivierten Mitarbeitern, die lustlos Glühwein, Cola und Bier ausschenken - und wer möchte, bekommt schrammelige Frikadellen und nicht schmeckende halbwarme Bockwürstchen. "Eine Currywurst", sagt ein mehr als betrunkener Jugendlicher neben mir. "Hamm wa nich", antwortet einer der Verkäufer ohne jegliche Motivation. Innerhalb von fünf Tagen beide Liga-Extreme. Heftig.
Es ist doch kälter als ich dachte. Ein eisenharter Wind fegt durch die Arena. "Wo ist die Klimaerwärmung, wenn man sie braucht?", fragt einer der Fans, die ich bei jedem Auswärtsspiel sehe... es bleibt Zeit, ein wenig auf die Besonderheiten der Aufwärmphase zu achten. Um kurz vor drei ertönen die "Hells Bells"-Glocken von AC/DC. Der Stadionsprecher erhebt seine Stimme und brüllt: "Herzlich Willkommen..." Und weiter: "Wir rufen..." Und Schluss: "Unseren FIGHT CLUB!" Hahahahahaha.... Da sind sie, die Spieler, die ich ein paar Stunden lang im Hotel erlebte. Auf der Vereinshomepage haben die Fans die Stadion-Top-5 gewählt. Mit dabei zum Beispiel: "Should I stay or should I go?" - und auch der "Blitzkrieg-Bop" von den Ramones (sogar auf Platz zwei). Eigentlich keine schlechte Idee, doch aufgrund der Nähe zu Polen und der teilweise berüchtigten Energie-Fans weiß ich nicht, ob ich darüber lachen soll. Ein Vereinslied am Ende ist sogar auf Sorbisch und um 15.25 Uhr folgt ein unerträglicher Fahnenkult. "Begrüßt die Fahne des FC Energie Cottbus!", schmaucht der Stadionsprecher ins Mikro - und Cottbuser Fans und Jugendliche tragen die Fahne aufs Spielfeld. Kann nicht sein, oder?
Hier ist Abstiegskampf. Hier ist AbstiegsKAMPF!!! V-F-L, V-F-L, die Creme de la Creme aller Fans ist scheinbar hier, jeder brüllt. Um sich wach und warm zu halten, um die Punkte zu sichern. Los gehts. In einem solchen Stadion kann kein technisch perfekter Fußball geboten werden. Passt nicht hierhin. Der Rasen ist natürlich auch noch holprig, der Eindruck perfekt. Koller hat unsere Startelf nicht geändert. Am Anfang ists ganz munter, etwa nach einer Viertelstunde vergeben wir gleich zwei Riesenchancen innerhalb von zehn Sekunden. Erst scheitert Gekas freistehend an Piplica, dann schießt Trojan erbärmlich vorbei. Das MUSSTE das 1:0 sein! Treffen wir die Bude nicht mehr??? Es entwickelt sich 90 Minuten lang ein furchtbares Fußballspiel (Anmerkung: "War das wirklich Bundesliga?", titelte Bild am nächsten Tag) mit der gefühlten Spielnote 5,5 bei Temperaturen unter Null. Unglaublich, dass ich mir das antue. Häufiger in Ballbesitz sind wir, die zwingenderen Aktionen hat Cottbus. Strafraumszenen gibt es nur bei Ecken (9:4 für Energie) und Freistößen in Strafraumnähe (wenn ich mich richtig erinnere: ungefähr 4:1 für Energie) - also einige Herzinfarkt-Situationen. Aber richtig knapp wirds nur bei Rosts Schuss in der Nachspielzeit, der Zentimeter vorbeistreicht. Sonst ist Drobny formidabel sicher auf dem Posten und fischt alle Bälle sicher aus der Luft und dem Eck. Unsere Abwehr mit Maltritz, Yahia, Bönig und Schröder steht passabel bis gut. Vorn läuft nach der zwölften Minute NICHTS. Gekas steht neben völlig neben sich und verliert fast jeden Ball, Misimovic hat keine Lust, steht nur rum und wird sehr früh ausgewechselt, Trojan bleibt einfach blamabel torungefährlich und Epalle glücklos. Buh. Das 0:0 ist die logische Konsequenz. Schon nach 70 Minuten scheinen sich beide Teams einig zu sein. Nicht einmal besonders aggressiv geht es zur Sache - nur zwei Gelbe Karten, und die auch noch in der Schlussphase. Mit Abstand am häufigsten foult wie immer unser Käptn Zdebel - diesmal lerne ich die "Lektion eins" zu unserer aktuellen VfL-Mannschaft. Lest gut mit: "Der Zdebel spielt immer den Ball!" Merkts Euch, hihi...
Um 17.18 Uhr ist es zum Glück endlich, endlich vorbei. 0:0 endet dieses mehr als fürchterliche, katastrophale, erbärmliche Gekicke. 20 Punkte haben wir, zweimal ohne Gegentor, bravo, wieder auf Platz 14, erstmals seit dem ersten Spieltag vor Aachen. Bis zum Dank der Mannschaft bleibe ich nicht mehr, muss mich beeilen. Wie ich im Internetcafé festgestellt habe, wird es verdammt eng. Ich sprinte vom Stadion zum Bahnhof, fahre um 17.35 Uhr mit dem Taxi Richtung Hotel, hole mein Gepäck und fahre sofort zurück zum Bahnhof. Es ist voll auf den kleinen Straßen - klar, die 11.800 Zuschauer müssen ja auch nach Hause. Schnell noch eine Fahrkarte holen - von Cottbus zum Flughafen Schönefeld. Wenn alles gut geht, bin ich um 20.01 Uhr da - um 20.30 Uhr schließt der Schalter... Der Regionalexpress, der um 18.16 Uhr abfährt, ist berüchtigt, und schon nach wenigen Sekunden weiß ich warum. Es ist der reinste Horror. Trikot und Schal habe ich glücklicherweise verstaut, sehe aus wie ein ganz normaler Tourist. Ich gehöre zu einem explosiven Gemisch. Energie-Fans, VfL-Fans (einige der Kategorie B - also unter Alkoholeinfluss gewaltbereit) und auch etliche mit BFC-Dynamo-Schal sind da - und mindestens zehn Polizisten als Zugbegleitung. Oft rennen die Polizisten quer durch die Wagen, müssen Streit schlichten. Zu mir sagt einer: "Sie haben Glück. Sie sitzen im ruhigsten Waggon." Auch als normaler Touri dreht sich manchmal mein Magen um. Zum Beispiel, als eine Gruppe 14- bis 15-Jähriger vorbeischlendert. Mit T-Shirts "Freiheit für alle nationalen Gefangenen" und Stickern "Deutschland den..." (ich wills nicht zu Ende schreiben). Vorbei geht es an Kunersdorf, Vetschau, Raddusch und Lübbenau. Kurz vor Lübben spricht der Polizei-Einsatzleiter in sein Funkgerät: "Die Situation ist unter Kontrolle. In Lübben steigen die meisten aus. Wir können die Begleitung nun beenden." Der Zug hat schon 25 Minuten Verspätung, meinen Anschluss in Königs Wusterhausen werde ich verpassen, den Flieger wohl auch. SCHEISSE!!! Lübben zieht vorbei, der Zug wird tatsächlich leerer, aber nur eine einzige Minute nach der Abfahrt dort und dem Ausstieg der Polizisten kommt es zu einer Wemmserei zehn Meter eine Etage über mir. Willkommen im Fight Club. Die Schaffnerin holt eilig den Erste-Hilfe-Kasten. Die beteiligten Fans kommen erst ein paar Minuten später zu sich, flüstern sich zu, dass die Polizisten schon zuvor ihre Personalien aufgenommen haben. Uiuiui, wo bin ich hier bloß reingeraten? Es ist unendlich aggressiv, von den besoffenen B-Fans werden zwei weitere Touris, die neben mir sitzen, und ich, dauernd von der Seite angequatscht: "Eyyyy, wo kommt iiiiihr heeer?" Unangenehm. Unmittelbar vor Königs Wusterhausen beschließe ich, bis "Berlin Ostbahnhof" weiterzufahren und es dann mit dem Taxi zu versuchen. Um 20.10 Uhr kommen wir - mit 40 Minuten Verspätung (aus verschiedensten Gründen) - in Berlin an. Ich suche ein Taxi, der Festpreis beträgt 28 Euro. "Es wird knapp", berlinert der Taxifahrer, der mich in einer sensationellen Geschwindigkeit durch den Osten bis zum Flughafen Schönefeld kutschiert. Unterwegs rufe ich zweimal die Germanwings-Hotline an, die können den laufenden Check-In-Prozess aber nicht mehr stoppen. Wie lang dauert das denn noch?? Wenn ich den Flieger nicht kriege, bekomme ich auch den letzten ICE Richtung Ruhrpott nicht mehr. Dann MUSS ich über Nacht hier bleiben, mir ein Hotel suchen. Scheiße! Es wird 20.30 Uhr, der Schalter schließt. Zu spät. Der Taximann hat alles gegeben. Alles. Um 20.40 Uhr bin ich am Terminal D, halt, ein Germanwings-Infopoint ist noch geöffnet. Ich sprinte. "Köln-Bonn. Gleich. Flug. Ich", japse ich. Schnell geleitet mich jemand zum Gepäckschalter, zum Abflug-Gate - und in allerallerallerletzter Sekunde erreiche ich den Flieger. Wie schon beim Hinflug. Hinsetzen, anschnallen und los. Unglaublich. Geschafft. Yeah.
45 Minuten Flug, wir drehen sogar wegen zu starken Rückenwinds noch eine Extrarunde über Köln ("Genießen Sie den Ausblick", sagte der Pilot) - um 22.30 Uhr werde ich von Freunden abgeholt. Der Urlaub? Futsch, aus, finito. Zweimal nullnull. Eine Lesung. Ein neuer Berufswunsch als Autor, der sich wohl nie erfüllen lässt. Eine Stunde dauert es mit dem Auto bis zu meiner Wohnung, mit dem Zug wäre ich jetzt noch zwei Stunden unterwegs. Ich packe gemütlich meine Sachen aus, stelle die ersten Homepage-Texte "online", blättere die Zeitungen der letzten Tage durch, und verschwinde um 0.30 Uhr für zwei Stunden ins Schräge Eck.
Und erzähle. Von München. Linz. Dem Fight Club. Cottbus.
 
Toilette Büdchen
Vergleicht diese Bilder mit der Allianz-Arena, Teil 1: Das sind die Toiletten für die Gästefans im "Stadion der Freundschaft". Unglaublich, oder? Schon in der Halbzeitpause - wurde mir berichtet, sahen sie ganz, ganz dreckig und schäbig aus. Vergleicht diese Bilder mit der Allianz-Arena, Teil 2: Während in München Dutzende an Fressständen zur Verfügung standen, gab es in Cottbus diese runtergekommene Bruchbude mit wenig genießbaren Frikadellen und Bockwürsten als einziger Speise. Getränke: Bier, Cola, Fanta, Glühwein. Buh.
Warmlaufen Fahnen
Ein wunderschöner Sommertag... Äh, mitnichten. Es fegte ein kalter Wind durchs "Stadion der Freundschaft", wenigstens sah es ganz idyllisch aus. Kaum zu glauben, aber die Cottbuser pflegen einen Fahnenkult. Stets zehn Minuten vor Spielbeginn tragen Energie-Fans eine riesige Fahne ins Stadion. Peinlich.
Einlaufen Auswärtsfans
Schon besser. Das sind die Hauptdarsteller, die 11.000 Zuschauern zuwinken. Darunter sind ziemlich wenige aus Bochum, etwa 250, die den weiten Weg auf sich genommen haben.
Ecke Freistoß
Eine von wenigen brenzligen Szenen, Teil 1: Nach einer Ecke fliegt der Ball in unseren Strafraum, aber Drobny und/oder die Innenverteidiger Yahia und Maltritz konnten immer klären. Eine von wenigen brenzligen Szenen, Teil 2: Dieser Freistoß für Cottbus brachte nichts ein. Endstand: 0:0.

Cottbus (sorbisch Chosebuz)

Ein paar Fakten über Cottbus - aus unterschiedlichsten Quellen: Mal ehrlich, wer von Euch hatte eine positive Meinung über Cottbus? Mal ehrlich, was hättet Ihr spontan gesagt, wenn ich Euch den Begriff "Cottbus" genannt hätte? Nichts Gutes, mutmaßlich. Einen Tag verbrachte ich in dieser Stadt, um mir selbst ein Bild zu machen - das Resultat habt Ihr gerade im Text durchgelesen. An dieser Stelle möchte ich Euch noch ein paar Daten und Fakten zu dieser Stadt nennen.
Geschichte
Cottbus hat 120.000 Einwohner - und ist damit viel, viel, viel kleiner als Mülheim. Die Stadt liegt an der Spree. Im dritten und vierten Jahrhundert nach Christi siedelten sich im Altstadtbereich germanische Siedler an, seit dem sechsten Jahrhundert wanderten slawische Stämme in das Gebiet zwischen Elbe/Saale und Oder ein. Im achten Jahrhundert folgten die Lusitzi, ein westslawischer Stamm. Im Jahr 1156 (30. November) wurde Cottbus erstmals als Siedlung erwähnt. Cottbus entwickelte sich zunächst zu einer bedeutenden Stadt der Textilherstellung (Tuchmacher, Leineweber). Im Dreißigjährigen Krieg wurde Cottbus völlig zerstört. 1648 lebten nur noch wenige hundert Menschen in Cottbus. 1701 wurde Cottbus von Pfälzern und Hugenotten neu aufgebaut. Den Aufschwung brachten die Einführung der Seidenspinnerei, Strumpfwirkerei und die Tabakverarbeitung. Die deutsche Weltkriegsgeschichte erlebte auch Cottbus: Am 1. August 1914 nahmen auch die Cottbuser den Beginn des 1. Weltkriegs jubelnd auf. In der Stadt gab es zwei Gefangenenlager. Am 9. November 1938 brannte während der Reichskristallnacht auch die Cottbuser Synagoge nieder (die jüdische Gemeinde wurde erst am 15. Juli 1998 neu gegründet, hat 350 Mitglieder, aber keine Synagoge). Ab 1940 wurde in Cottbus für den 2. Weltkrieg produziert. Rund 4.000 Sprengbomben fielen auf das Bahnhofsgelände sowie die östlichen und südlichen Stadtbezirke. Am 22. April 1945 nahmen sowjetische Streitkräfte die Stadt ein. Vor allem direkt nach dem 2. Weltkrieg wurde die Braunkohle des Umlands in großem Stil abgebaut. Ab 1957 wurde Cottbus zum wichtigsten Kohle- und Energielieferanten der DDR. Nach der Einheit begann die Privatisierung der Wirtschaft.
Politik
Die Stadtverordnetenversammlung hat derzeit 50 Mitglieder, nämlich von der CDU/DSU (14 Sitze), Linkspartei (13), SPD (9), Aktive Unabhängige Bürger (6), Bündnis 90/Die Grüne (3), FDP (2), Frauenliste Cottbus (2) und ein Fraktionsloser (ehemals Aktiver Unabhängige Bürger). Es ist also NICHT so, dass die Cottbuser Nazis wählen... Ergebnis bei der Bundestagswahl 2005: SPD 39,3 %, Linkspartei 27,4 %, CDU 17,5 %, Bündnis 90/Die Grüne 5,3 %, FDP 6,3 %, Sonstige 4,2 % - Wahlbeteiligung 72 %. Übrigens: Cottbus unterhält eine Städtepartnerschaft zu Gelsenkirchen.
Bildung
Jaja, auch in Cottbus kann "man" sich weiterbilden, und zwar an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) mit den Fakultäten Mathe, Naturwissenschaft, Informatik (1), Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung (2), Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen (3) sowie Umweltwissenschaft und Verfahrenstechnik (4) - und der Fachhochschule Lausitz. Mal ehrlich: Studieren will ich in Cottbus nicht. Das einzig Gute am Studentenleben dort wäre der Zug nach Berlin - der leider aber anderthalb Stunden braucht...
Bundesgartenschau
1995 fand in Cottbus die Bundesgartenschau statt, die einen kleinen Park "hinterlassen" hat. Ein Eingang lag direkt hinter dem Stadion der Freundschaft, der Park erstreckte sich bis zum Messegelände.
Strich drunter
Einige meiner Vorurteile muss ich zurücknehmen - allerdings werde ich trotzdem nun keinen Sommerurlaub in der Lausitz verbringen (vor allem nach den Erlebnissen - siehe oben - im Regionalexpress von Cottbus nach Berlin). Die Stadt hat schon allein aufgrund der Zweisprachigkeit seine unübersehbaren Reize. Das Stadtgebiet bietet einige nette Erholungs-Höhepunkte - aber auch viele Plattenbausiedlungen im Umland. Das große Leben läuft an Cottbus vorbei und ist in mindestens einer Stunde Fahrtzeit erst in Berlin zu entdecken.
 
Rathaus Kirche
Beispiel eins für die Zweisprachigkeit: Das Rathaus steht in unmittelbarer Nähe der Stadthalle. "Den Charakter der Stadt", so habe ich überall gelesen, "prägt das Nebeneinander von Deutschen und Sorben." Und noch ein paar Meter weiter erhebt sich die dreischiffige Oberkirche aus dem 14. Jahrhundert, das größte Gotteshaus der Niederlausitz. Sie besitzt einen 11 Meter hohen Altar von 1664. Vor der Oberkirche gibt es - scheinbar - jeden Tag einen kleinen Markt mit Gemüse- und Obstständen.
Altmark Altmarkt 2
Das schaut doch ganz nett aus, oder? Der Altmarkt ist das Zentrum der Cottbuser Innenstadt. Bis 1945 stand hier das Rathaus. Am Altmarkt stehen barocke Bürgerhäuser und schlichte Traufhäuser. Besonderheit ist das Niederlausitzer Apothekenmuseum. Ganz auf "West" getrimmt ist die Fußgängerzone in der Spremberger Straße, die vom Altmarkt abgeht. Kein Geschäft fehlt von Kaufhof über Burger King und McDonalds bis zu sämtlichen Handy-Anbietern. Besonderheiten in dieser Straße: Die kleine Schlosskirche und der Spremberger Turm.
Neumarkt Park
Beispiel zwei für die Zweisprachigkeit: Das Straßenschild am weniger sehenswerten Neumarkt. Ein Park von vielen. Dieser hier am Rande der Innenstadt ist aber nicht so sehenswert wie der "Branitzer Park" etwas außerhalb - den ich in der Kürze der Zeit nicht bereiste. Mit dem Bau des Branitzer Parks wurde 1846 begonnen. In der Seepyramide liegen Fürst Pücklers Frau Lucie und des Fürsten Herz bestattet.
Messe Stadion
Ist es zu glauben? Cottbus hat sogar eine Messe! Mein erster Gedanke: "Keine Perlen vor die Säue". Laut Reiseführern aller Art ist Cottbus mit seinen 120.000 Einwohnern das Wirtschafts-, Wissenschafts- und Messezentrum der Südbrandenburgs und Hauptort der Niederlausitz. Der moderne Komplex hat multifunktionale Ausstellungsflächen auf einer Fläche von 6500 Quadratmetern. Veranstaltungen mit bis zu 3000 Teilnehmern und Konzerte bis zu 5000 Besuchern haben hier Tradition. Besucherstärkste Messe der letzten Jahre war "Cars&Bikes" mit 27.000 Gästen. Werbeträger Nummer eins: Das "Stadion der Freundschaft". Es hat ein Fassungsvermögen von 22.450 Zuschauern - 6970 überdachte Sitzplätze, 4405 überdachte und 11.205 unüberdachte Stehplätze. Den Gästen stehen zwei Blöcke mit insgesamt 2420 Plätzen zur Verfügung. Das Stadion wurde im Frühjahr 1930 eingeweiht. Erst Ende der 70er wurde es die Heimat von Energie Cottbus. Erst die Erfolge dieses Fußballklubs in den 90ern haben Cottbus bundesweit bekannt gemacht.

Der Ausklang im Schrägen Eck

... einige der netten Gestalten in meiner Stammkneipe in Mülheim-Eppinghofen.
 
Zarko Die Drei Manni
Der Wirt Zarko, der gern auch mal selbst zur Gitarre greift und kroatische Lieder spielt... ... die Drei von der Theke, von links: Klaus, Hartwig und Klaus... ... und Manni singt wie kein anderer Pink-Floyd-Lieder.

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VfL Bochum - 1. FC Nürnberg 0:2 (11.2.2007)

FolterSo sieht Folter aus: "Bochum" läuft - und ich steh noch vor dem Stadion...

Elf Tage nach dem Abpfiff bringe ich es endlich zu Papier. Sensationelles Spiel - unnötig verloren. Eigene Gedanken und zwei Splitter

Horrorfilm

Mülheim, 22.2.2007
Elf Tage sind seit dem Abpfiff unseres Heimspiels gegen Nürnberg vergangen. Elf Tage, an denen sich allein das Wörtchen "folgt" an dieser Stelle befand. Nichts ist mir zu diesem verflichten Abend eingefallen - und wie Ihr an meiner Homepage seht, bin ich äußérst selten sprachlos (im VfL-Tagebuch letztmals beim unsäglichen Zweitliga-0:1 gegen Offenbach). Ich weiß noch, wie sehr ich mich angestrengt habe, an diesem Sonntagmittag rechtzeitig zum Spiel zu kommen. "Mittagspause" habe ich das in der Redaktion genannt. Ich weiß noch, wie ernüchtert ich zurückkehrte, lustlos meine letzten WAZ-Zeilen reinhämmerte, und zu meinen Kollegen lediglich flüsterte: "0:2 verloren. Saenko. 89. und 92. Minute. Aber sensationelle Leistung von uns." Es war unmöglich, dieses Spiel zu verlieren... Der VfL hat es geschafft.
Elf Tage sind vergangen. Das grandiose 3:1 in Bielefeld war eine Fortsetzung der tollen zweiten Halbzeit des Nürnberg-Spiels - also eine logische Konsequenz. Die DSF-Videoaufzeichnung habe ich mir inzwischen zehnmal angeschaut und ich werde sie archivieren. Wer weiß... wenn wir drinbleiben, war dieses 3:1 vielleicht der entscheidende Schritt!! Die Nürnberg-Aufnahme ist längst verschwunden. Ich habe "24" drübergelegt, diese Serie mit Kiefer Sutherland als gnadenloser Agent Jack Bauer, der in einer Tour Terroristen umnietet. Jaja, umgenietet hätte ich am liebsten auch einige an diesem Abend...
Elf Tage. Was schreibe ich jetzt bloß an dieser Stelle? Wenig. Ich belasse es bei ein paar Splittern. Denn wenn meine Sprache versagt, dann gibt es immer noch die viel besser formulierten Sätze des Kolumnisten und VfL-Fans Biermann, der in der "taz" seine Eindrücke schildert. Und das herrlich. Genau so wars...

Splitter 1, taz, 22.2.2007, Von C. Biermann
"Am liebsten wäre ich aufgestanden, gegangen und nie mehr wiedergekommen. (...) Dennoch dauerte es ein wenig, bis der Wunsch nach einem Ausstieg verflogen war und sich in die normale Benommenheit nach einer Niederlage verwandelte. Denn meine Mannschaft war trotz einer tollen Leistung in der zweiten Halbzeit, in der angesichts einiger sehr guter Torchancen gegen das Überraschungsteam der Saison sogar ein Sieg möglich schien, durch zwei Gegentore in den letzten drei Minuten plötzlich ins Nichts gestürzt. Sie hatte verloren und bei mir für einen Moment den Wunsch nach einem theatralischen Abgang aufkommen lassen. Und, dass es endlich aufhört mit diesen verdammten Niederlagen. Mit ein paar Tagen Abstand fand ich diese Anwandlung erstaunlich, denn beim VfL Bochum ist das verlorene Spiel wahrscheinlicher als das gewonnene. Dazu braucht man nur die Ewige Tabelle der Bundesliga anzuschauen, wo in 31 Spielzeiten knapp 130 Niederlagen mehr als Siege verzeichnet sind; und bei Niederlagen im eigenen Stadion hatte der Klub seinen eigenen Ligarekord auf 140 Heimpleiten ausgebaut. Was jammerte ich also herum, wo ich das Verlieren doch gewohnt bin? Gibt es etwa einen Punkt, wo man der Niederlagen einfach müde wird, oder was war eigentlich los? (...) Analog zum gesellschaftlichen Wandel gibt es inzwischen auch in der Bundesliga eine kleine Oberschicht, eine gesicherte obere Mittelschicht und den vom Absturz bedrohten Rest. (...) Es gibt für die Bochums und Bielefelds, Duisburgs und Freiburgs dieser Welt nur noch wenig Aussicht auf große Tage. Sie werden auch in Zukunft sporadisch bleiben, denn dazu fehlen schicke WM-Stadien, reiche Sponsoren und ein großes Einzugsgebiet. (...) Das ist gerade für langjährige Zuschauer schwer zu akzeptieren, weil es früher leichter war, sich mit Pfiffigkeit und Geschick unter die Großen zu mischen. Doch zu groß sind die wirtschaftlichen Unterschiede geworden." (taz, 22.2.2007)

Ergänzung am 26.2.2007
Das Spiel gegen Nürnberg scheint bei den bekanntesten VfL-Fans tiefe Narben hinterlassen zu haben. Im KICKER äußerte sich Schriftsteller Frank Goosen ("Liegen Lernen") über seine Eindrücke. Auszüge daraus möchte ich Euch nicht vorenthalten
Splitter 3, kicker, 26.2.2007, Von F. Goosen
"Stell' Dir vor, dein Verein hat genau 25 gute Minuten in der Saison, und die kriegst du nicht mit. Ganz so schlimm steht es um meinen VfL Bochum nicht, aber dennoch habe ich den Eindruck, dass die Mannschaft sehr oft besonders gut ist, wenn ich gerade nicht hinsehe. Zum Beispiel gegen Nürnberg am 11. Februar. Die erste Hälfte war die übliche verschnarchte Veranstaltung. Auch der FCN riss keine Grashalme aus. Nach etwa zehn Minuten in der zweiten Hälfte legt der VfL plötzlich den berühmten Schalter um. In einer leidenschaftlichen Kraftanstrengung bestürmt man das Nürnberger Tor - und ich kriegte fast nichts mit.
Zuerst sah ich mich gezwungen, das aufzusuchen, was im Ruhrstadion unter dem Begriff "Herrentoilette" firmiert. (...) Kaum hatte ich wieder Platz genommen, meldete sich der fünfjährige Thronfolger, der sich einen halben Liter Apfelschorle einverleibt hatte, mit dem gleichen Bedürfnis, und allein will man den Jungen da einfach nicht hingehen lassen. Die "Ahs!" und "Ohs!", die mittlerweile von der Begeisterung der übrigen Zuschauer zeugen, machen uns ganz rappelig. Bei der Rückkehr stelle ich fest, dass ich beim Rausgehen vorhin offenbar mein fast volles, auf dem Boden abgestelltes Bier umgeworfen habe. Das Spiel ist, wie die meisten Spiele dieses Vereins, nüchtern nicht durchzustehen. (...) Das Personal an der Bierbude in Block B ist jedes Mal erstaunt, wenn einige der 20.000 Zuschauer plötzlich vor ihnen stehen und Bier bestellen. (...) Das Gestöhne auf den Rängen bekommt etwas Sexuelles.
Die Biere werden dankbar in Empfang genommen - mit den Worten: "Hass echt wat verpasst!" (...) "Papa, ich muss noch mal aufs Klo", ist nicht das, was ich jetzt hören will. Also noch mal nach unten gehastet, ausgespackt, gepieselt, eingepackt. Diesmal sind wir rechtzeitig wieder am Platz - für das Nürnberger Führungstor. Und das 0:2 kriegen wir auch mit. Spätestens da wünsche ich mir, wir wären einfach auf dem Klo geblieben. Oder am Bierstand. Oder auf einer einsamen Insel."

Biermann, der Journalisten-Held, Goosen, olé. Ich muss noch viel, viel lernen... Doch bei zwei Splittern soll es nicht bleiben. Spannend war nicht nur das Spiel selbst. Nein, spannend war auch ein A5-Blättchen, dass ich mir nach dem Abpfiff am Würstchen-Stand vor der Ostkurve schnappte. Jemand hatte es liegenlassen, ich sammelte es auf. Ich fand den Infobrief der von mir so oft kritisierten und nur selten verteidigten Ultras - und die drei Texte geben einen guten Eindruck, wie sich die Ultras sehen, worauf sie achten und was für sie zählt...

Splitter 3, UB-Infoblatt
1. Artikel Durchblick: "(...) Wer den VfL nicht geil findet, ist selber schuld! Schweres Spiel auch für uns Fans, da die Nürnberger einen sangesfreudigen Anhang dabeihaben werden. Also Vollgas!" 2. Artikel VfL-Mainz: "(...) Leichtes Spiel. Weghauen, drei Punkte, und die Welt sieht schöner aus. Nein, wir sind Bochum. Wir bauen jeden auch noch so toten Gegner wieder auf und fabrizieren ein peinliches 0:1 gegen den Tabellenletzten. Hat ja auch was... Vor dem Spiel kasperten die Mainzer, unterstützt von Duisburgern... oder waren es Duisburger, unterstützt von Mainzern... vorm Oblomov rum, aber unsere glorreiche Staatsmacht verhinderte schlimmeres. Knapp 2000 Mainzer bevölkerten dann den Gästebereich und boten ein Intro mit Luftballons. Auf Bochumer Seite wurden die üblichen Doppelhalter gezückt. Könnte aber noch mehr sein. Nicht vergessen: Fahnen in die Kurve, damit die Kurve lebt! Die Stimmung passte sich dem Geschehen auf dem Rasen an und flachte merklich ab. Mainz feierte den zweiten Saisonsieg. Gegen wen gabs den ersten? Richtig, gegen den VfL..." 3. Artikel Cottbus-VfL: "(...) Nach relativ ereignisloser Fahrt wurde gegen halb drei die Landschaft immer trostloser... das musste Cottbus sein! Eine Stunde bis zum Spiel, kein Problem. Doch die Staatsmacht hatte anderes vor, und so wurde der Bus auf einen abgelegenen Parkplatz gelotst, wo es erstmal eine Ansprache des Bochumer Zivis gab, der sich mal wieder ganz besonders schick gemacht hatte. Es hätte Vorfälle beim letzten Spiel Cottbus - Gladbach gegeben, deshalb jetzt die ausführliche Kontrolle unseres Busses. Wer den Sinn versteht, hat gewonnen... Jeder wurde einzeln aufgerufen, durfte in die Kamera lächeln, dazu wurde in lustigem Akzent der dazugehörige Sitzplatz ins Mikro diktiert. Dann aussteigen, Ausweis abgeben, diesen filmen lassen, aber danach trotzdem nicht wiederbekommen, sich unter blöden Kommentaren durchsuchen lassen, und vor allem warten... Denn sie hatten Zeit. Viel Zeit. Und so wurde es nach halb vier, bis es vom entlegenen Parkplatz losging Richtung Stadion. Dort zehn Minuten später angekommen, man glaubt es kaum, wurde man endlich mal wieder richtig durchsucht! Schön! Und so begann das Spiel für einige halt etwas später. Der UB-Haufen supportete die erste Hälfte gang gut und auch abwechslungsreich durch, wobei auchmal neueres Liedgut zum Einsatz kam. Der restliche Block hüllte sich meist in vornehmes Schweigen. Sehr schade, dass noch nichtmal ein so kleiner Auswärtsanhang es auf die Reihe bekommt, geschlossen zu singen. Guckt heute mal Richtung Gästeblock und Ihr werdet sehen, es geht! Das Spiel war eher eins der Marke "Not gegen Elend", und so blieb mal zwar 2007 ohne Tor, aber auch auswärts ungeschlagen. Die Spieler kamen brav zum Block, die Sandros und Ronnys in den roten Ordnerjäckchen nervten und sahen es als ihr oberstes Ziel, Zaunbesteigung zu unterbinden. Wenn man sonst nichts hat im Leben... es sei ihnen gegönnt. (Blick in die Kurve Nr. 8, Nürnberg, 11.2.2007)
Die Abkürzungen: "Oblomov" ist eine Kneipe am Bochumer Ostring - "Staatsmacht" ist die Polizei, "Support" und "supporten" sind die Fan-Modewörter für Unterstützung und anfeuern, "Zivi" ist (glaube ich) der begleitende Zivilpolizist oder ein Fanprojekt-Betreuer, der von den Fans wie ein "Zivildienstleistender" behandelt und betrachtet wird, "Intro" ist die Choreographie der Fans beim Einlaufen der Mannschaften.

Bei den "Ultras" zählen vier Dinge: 1. Bei Heimspielen: Wie viele Gäste sind da?, 2. Allgemein: Wie verhalten sich die Fans beim Einlaufen? Welche Choreographie bieten beide Fangruppen?, 3. Wie laut ist es im Stadion?, 4. (ganz wichtig) Wie verhalten sich die Polizisten? Gewürzt wird das Ganze mit negativen Äußerungen über die Gegner (zum Beispiel im Cottbus-Text "trostlos", "Sandros und Ronnys", erstaunlich die Bezeichnung "sangesfreudig" für die Nürnberger). Das eigene Verhalten: 90 Minuten durchsingen, egal, wie das Spiel läuft, beim Einlaufen so viele Fahnen wie möglich schwenken, nach dem Spiel den Zaun besteigen (und - vermutlich - pausenlos "All cops are bastards" und "Fußballfans sind keine Verbrecher" brüllen). Kein einziger Spielername erscheint auf den beiden Seiten, der Trainer wird nicht erwähnt, keine fußballtaktischen Besonderheiten, die Spielverläufe auf zwei bis vier Zeilen beschränkt. Die übrigen eigenen Fans werden scheinbar zum wiederholten Mal nur negativ erwähnt (Cottbus-Text: "noch nichtmal ein so kleiner usw."). Mein Misstrauen gegenüber dieser Fangruppe hat sich nicht geändert, mein Eindruck, die Ultras würden sich als "Fan-Elite" des VfL fühlen, besteht nach wie vor. Naja, auch das Verhalten der Polizisten und Ordner ist kein Ruhmesblatt und die Behandlung der Ultras zuweilen mehr als übertrieben (sie in Cottbus zu spät zum Spiel zu lassen - ein starkes Stück!)... Die wahren Krawalle passierten in Cottbus schließlich im Zug, ich habs live gesehen.

Splitter 4, Nachtrag
Wer mich irgendwann foltern will, dem sei folgender Tipp mit auf den Weg gegeben: Sorgt dafür, dass ich erst pünktlich zum Anpfiff im Stadion sein kann. Das führt dazu, dass ich Grönemeyers "Bochum" zwar höre, aber nur auf dem Weg vom Parkplatz zum Stadion. Ich stehe nicht mittendrin. So geschehen am Nürnberg-Sonntag. Dieses Spiel begann wie ein Horrorfilm - und endete wie einer.

Elf. Wisst Ihr jetzt, warum?

Spruch des Tages
"Was sind das denn für Töne! Wir sind doch hier im Intellektuellen-Block!"
(Gerd in etwa der 60. Minute, als Lupo in den Sprechchor "Arbeitslose Hurensöhne, 100 Jahre S'04" einstimmte - ich gebe zu: Situationskomik, aber wir haben alle seeehr gelacht, Anmerkung: Schalke 04 und den 1. FC Nürnberg verbindet eine Fan-Freundschaft)

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Arminia Bielefeld - VfL Bochum 1:3 (18.2.2007)

WelleBielefelder Glücksgefühle: Drei Punkte auf 'nem Bauernhof

Bielefeld ist und bleibt für den VfL ein sensationell gutes Pflaster. Eine entspannende Autofahrt, ein tolles Spiel, ein treffsicherer Grieche. Macht: 3:1 und Platz 14

RauchbombeWie immer in Bielefeld: Rauchbomben-Alarm

Ostwestfalen Helaaaf

SitzplatzEndlich mal Sitzplatzfans, die auch richtig mitgehen!

Samstagmittag. Prolog.
Kreisliga-Fußball kann manchmal ganz schön grausam sein. Mülheim-Styrum, Moritzstraße, 1. FC Mülheim gegen SV Laar 21, 14.30 Uhr Anstoß - und dafür verpasse ich die Bundesliga-Konferenz! Vor 30 Jahren spielte der FC noch in der 2. Bundesliga, jaja, das waren noch Zeiten. Seitdem befindet sich der Mülheimer Fußball in einem Dämmerzustand. Vielleicht wird's mit dem Stadion anders, wer weiß. Das Spiel ist eine 90-minütige Quälerei, der FC setzt sich aus irgendwelchen Gründen mit 2:0 durch und ist nun sogar Zweiter. Schnell weg. Schnell ... wohin eigentlich?? Okay, zweite Halbzeit der Konferenz kriege ich noch mit, schnell zu Tina und Helmut fahren, den MSV-Fans, hab sie lang nicht mehr gesehn. Ich steuere mein Auto so fix wie möglich über Mülheims Straßen, komme an in Minute 48. Hinsetzen, abwarten, zwei Tore in Berlin. Mainz gewinnt mit 2:1. Meine Laune - nach dem Kreisliga-Spiel sowieso ganz unten - sinkt und siiiinkt und siiiiiinkt... Erst Mainz, dann schlägt Aachen die Bayern und der HSV siegt in Bremen. KANN NICHT SEIN!!! Wir sind Vorletzter - und wenn wir morgen verlieren, sogar Letzter. Einsam verharre ich vor dem TV, als die aktuelle Tabelle eingeblendet wird. Scheiße.

Sonntag. Vor dem Spiel.
Gestern Abend wurds spät. Oma feierte ihren Achtzigsten. Verwandte aus dem Sauerland kamen, die ich ewig nicht sah. Danach noch auf einen Absacker ins Schräge Eck, in den Ringlokschuppen. Super. Heute Bielefeld. Eine Stadt, mit der ich mich nie arrangieren konnte, obwohl ich eine sensationelle VfL-Auswärtsbilanz dort vorweisen kann (drei Siege in vier Spielen) und sogar Freunde dort hatte. Erst einmal arbeiten, den Text zum unsäglichen Kreisligaspiel gestern Mittag schreiben, wieder über die Bundesliga-Ergebnisse ärgern, das Auto volltanken, "1000 Tipps für Auswärtsspiele" einpacken. Es ist heute Auswärtsspiel Nummer 99 in meiner Bundesliga-Karriere. Das 100. werde ich standesgemäß in einer der schönsten Städte verbringen. Bremen. In zwei Wochen. 13.10 Uhr, Handy klingelt. Sam ist dran (Foto siehe unten). Erst ein Spiel hat er sich in der laufenden Saison angeschaut. Was will der denn? Er sagst mir gleich: Er hat Zeit, von seiner Frau Nicole frei bekommen und spielt mit dem Gedanken, nach Bielefeld zu fahren. Wunderbar!! Ich bestelle ihn zum Mülheimer Hauptbahnhof, Abfahrt 14.15 Uhr, besser zu zweit als allein über die Bahn brettern. Bielefeld also... grandiose Erinnerungen an das 3:1 vor vier Jahren, als wir den Klassenerhalt feierten... Zum ersten Mal fahre ich mit dem Auto dorthin - und, ja, doch, ich bin in dieser Saison etwas bequem geworden. Kein Gedränge mehr im Regionalexpress, kein halbstündiger Fußweg vom Bahnhof zum Stadion, begleitet von einer Hundertschaft. Neenee, das muss diesmal nicht sein. Dabei wäre die Zugfahrt sogar für lau gewesen. Irgendein Kasper im Vorstand ist auf die Idee gekommen, um das Spiel herum unter dem Stichwort "Almauftrieb" ein Riesen-Brimborium zu veranstalten. 600 Zugtickets umsonst, 2000 Schals mit der Aufschrift "Wir sind Bochum! Wir sind VfL!" werden verteilt, olé! Die Hinfahrt vergeht schnell. A40 bis Dortmund-West, A45 bis Dortmund-Nordwest, A2 bis Bielefeld-Sennestadt, über den Ostwestfalendamm zum Stadion. Bahnen leer, nette Unterhaltungen mit Sam, einen Super-Partkplatz finden, Einparken vor fünf Zuschauern, herrlich. Um 16.25 Uhr sind wir am Stadion. Der Wachschutz hier in Bielefeld heißt "Germania" und ich weiß nicht, ob ich der einzige bin, den das stört. Das Westfalen-Blatt und die Neue Westfälische sind scheinbar nicht wirklich eine kritische Begleitung der Vereinspolitik. Beide Blätter zählen zu den Sponsoren und entwerfen sogar das Stadionmagazin. Bielefelder Welt. Riecht ein bisschen komisch. Sam hat noch keine Karte und kriegt nur noch eine für den Sitzplatzblock. Ich werde mich wieder im kleinen Stehplatzkäfig direkt am Spielfeldrand vergnügen. Dort ist es in jedem Jahr ganz, ganz furchtbar eng, unendlich laut - aber die Sicht echt mies. Keine Frage: Die Alm (oder welchen Modenamen sie auch immer haben mag) hat noch etwas Ursprüngliches, diesen klassischen Fußball-Bundesliga-Charme. Rein ins Gedränge, bekomme noch einen Stehplatz im Gequetsche, Anspannung steigt. Wir sind Vorletzter, heute zählt's, ich trage meinen geschenkten Schal, den mir der Fanbeauftragte Moppel höchstpersönlich in die Hand drückte, und zittere. Mal vergrabe ich meine Hände in den Taschen meines Ärzte-statt-Böller-Kapuzenpullis, mal spiele ich an der Digitalkamera herum, schaue mir die auf dem Memorystick noch nicht gelöschten Fotos aus Cottbus und München an. Dann blicke ich aufs Feld, überprüfe, ob Koller die Aufstellung geändert hat (hat er: Maltritz für Drsek), versuche, einige Bielefelder Spieler zu erkennen (erfolgreich). Ich brülle noch ein paar Mal "V-F-L" oder "Heimspiel auf dem Bauernhof". Los.

Sonntag. Das Spiel.
Kribbeln am Anschlag. Nichts könnte mich aus dem Rhythmus bringen, wenn jetzt mein Handy klingelt, schmeiße ich es aufs Spielfeld, spricht mich gerade einer an? Ich weiß es nicht. Los. Rauchbombe. Lang nicht mehr gehabt bei einem Auswärtsspiel, in Bielefeld gehört es wirklich dazu. Unglaublich eng, keine Arm- und Beinfreiheit. Auf geht's, Bochum schießt ein Tor. Souveräner Spielbeginn, der Ball kullert durchs Mittelfeld. Minute drei, Gekas kommt zum ersten Mal an den Ball, unser verhinderter Torjäger, MACH WAS!!! Gekas zieht - jawoooooolll - Westermann den Ball unglaublich geil und peinlich durch die Nase... läuft von halbrechts frei aufs Tor zu, schiiiieß, der Winkel ist doch zu spiiiiitz... durch die Beine von Hain...
JAAAAAAA!!! JAAAAAA!!!! Hüpfen, drei Stufen tiefer, zwei Stufen rechts, eine Stufe höher, abklatschen, umarmen, unglaublich laut, waaaaahnsinnig laut... Gekas läuft zu uns in die Kurve, 20 Leute springen an den Zaun... JAAAAAAA!!! YEEEEEEEESSS!!! 1:0 für uns! Unfassbar! Unfassbar! Unfassbar!
Führungstore in der Anfangsphase sind immer die schönsten. Du bist noch so angespannt vom Einlaufen, freust dich noch irre, dass es los geht - und dann löst sich die Verkrampfung direkt nach Spielbeginn. Super... "V-F-L!" schallt es laut, und selbst die VfL-Fans auf der Sitzplatztribüne gehen voll mit. Wechselspiele wie "Wen lieben wir?" "VfL!" gelingen formidabel. So kann es weitergehen. Bei Bielefeld hat der Trainerwechsel ja mal gar nichts gebracht. Ausnahmsweise (kommt bei uns höchst selten vor) hat ein Verein den Trainer VOR einem Spiel gegen uns gewechselt... Entspannen. Erste sms schreiben. Ergebnis verbreiten. Kollege Dirk aus München (Ihr erinnert Euch...) weilte bis gerade beim Zweitliga-Spiel 1860 gegen MSV Duisburg (2:2) und freut sich nun über meine Nachricht. Ganz, ganz sauber. Die Führung gibt Sicherheit. Die Minuten verstreichen... Minute zehn: Der Ball fliegt halbhoch auf Epalle, herrlich weitergeleitet auf Gekas... Der umspielt Korzynietz, ist WIEDER DURCH... VERSENK IHN!!!
JAAAAAAA!!! JAAAAAA!!!! Hüpfen, drei Stufen tiefer, zwei Stufen rechts, eine Stufe höher, abklatschen, umarmen, unglaublich laut, waaaaahnsinnig laut... Gekas läuft zu uns in die Kurve, 20 Leute springen an den Zaun... JAAAAAAA!!! YEEEEEEEESSS!!! 2:0 für uns! Unfassbar! Unfassbar! Unfassbar!
Zehn Minuten, 2:0! Gibts doch gar nicht. Bielefeld liegt uns einfach. "Ich hoffe für Dich, dass Du auf der Alm bist", lautet die nächste sms. Bin ich. Bleibt es dabei, sind wir Vierzehnter, haben ein Riesen-Ausrufezeichen gesetzt und mal ganz nebenbei Bielefeld an den Rand des Abgrunds geschubst. Unsere Jungs spielen echt gut. Sie bestätigen die zweite Halbzeit aus dem Nürnberg-Spiel. Die Abwehr steht klasse, ein paar Fernschüsse aus zweiter Reihe semmeln die Bielefelder Wichniarek und Co. erbärmlich weit daneben. Epalle wirbelt über rechts, vernascht seine Gegenspieler ein ums andere Mal. Zdebel und Dabrowski: super in der Balleroberung. Hier kann eigentlich nichts mehr anbrennen. Denken wir alle. 27. Minute. Der Ball fliegt hoch in den Mittelkreis, Dabrowski will zu unserem Innenverteidiger Yahia zurückköpfen. Aber... gelingt nicht. Der Kopf-Pass gerät viel zu kurz, Wichniarek geht dazwischen, überlupft Yahia und schießt souverän an Drobny vorbei ins Eck! Nur noch 1:2. Das war SOOO unnötig. Wieder zittern. Kann nicht sein. "Genau wie das bei uns gelaufen ist", smst MSV-Fan Helmut. Auch Duisburg führte bei 1860 mit 2:0. In der Viertelstunde vor der Pause schwimmen unsere Jungs. Zdebel und Dabrowski passen jetzt häufig fehl, die Befreiungsschläge von Yahia und Maltritz kommen nicht mehr an. Wenn das mal nicht schief geht. Mit einer 2:1-Führung geht es in die Pause. Aufregendes Spiel. Herzinfarkt-Spiel. Heiser machendes Spiel. Bielefeld... für VfL-Fans eine Reise wert? "Allein für den zweifachen Torpogo hat es sich gelohnt", funke ich in die Mülheimer Heimat, ergänze aber: "Ich habe eine böse 2:4-Vorahnung." Und das ist wirklich so.
Beruhigen. 15 Minuten lang. Mit dem Wiederanpfiff ist dieses unverkennbare Abstiegskampf-Gefühl wieder da. Existenzangst. Nächstes Jahr Allianz-Arena - oder Wehen? Auf Schalke oder auf Hoffenheim? Macht was draus, Jungs! Erst einmal passiert nichts in der zweiten Halbzeit. 51. Minute, kein Handspiel von Zdebel, trotzdem Freistoß für Arminia an der rechten Sechzehner-Kante. Riesenproteste von Spielern, Koller, Zuschauern. Gefährlich... das kann der Böhme bestimmt noch. Er schlägt die Kugel in den Strafraum - gerettet, puh, durchatmen. Zdebel bekommt außerhalb des Strafraums die Kugel und spielt sie weiter auf Schröder, der hat viel Platz, weitergeleitet auf Trojan - astreiner Konter. Trojan passt ganz schwach in die Mitte, aber Bielefelds Schuler schlägt den Ball nicht aus dem Strafraum, sondern stolpert. DABROWSKI sagt DANKEEEEE!!! TOOOOOOOOOORRRR!!! 3:1!!!! Meine Vorahnung bestätigt sich nicht. Torpogo gibt es diesmal nicht, denn das andere Tor ist aus uinserem Käfig kaum zu sehen, der Jubel kommt bei uns Stehplatzfans erst mit Verspätung an. Dafür bekommt meine linke Seite einen komplett gefüllten Bierbecher ab, egal, an einem solchen Tag ist es erlaubt. Das Spiel ist schon nach 52 Minuten gelaufen. Bis zum Schluss spielen wir das Ding locker nach Hause, feiern uns gegenseitig mit "Humba Tätäräää", "Heimspiel auf dem Bauernhof", "Arminia im Abstiegsjahr", "Wen lieben wir? VfL!", "Oh wie ist das schön", "Auswärtssieg! Auswärtssieg!" Chancen haben wir zwar nicht mehr, aber auch Bielefeld ist erschreckend ungefährlich. Insgesamt zehn Arminia-Ecken bleiben wirkungslos, nur einmal bei einem Schuss von Eigler kurz vor Schluss muss sich Drobny richtig strecken. Wir wechseln dreimal aus, kurz vor Schluss kommt Innenverteidiger Drsek für unseren einzigen Stürmer Gekas - alles klar, erhöhen will unser Trainer wohl nicht mehr. Es bleibt beim 3:1!!! YES!!! GANZ WICHTIG!!! Vierzehnter sind wir jetzt, die Voraussetzungen viel besser. Nächste Woche kommt Aachen ins Ruhrstadion, dann noch einmal dreifach punkten und wir können beruhigt nach Bremen fahren. SO WICHTIG!

Sonntag. Rückfahrt.
Wir feiern mit "La Ola", ich verdrücke für 3,50 Euro ein kleines, kaltes und nicht gerade wohlschmeckendes Steakbrötchen (Hunger!), warte vor dem Ausgang auf Sam. "Höchster Saisonsieg! Torflaute nach 407 Minuten beendet!", titelt der T-Mobile-VfL-Ticker. Das wollte ich lesen. Sam hatte genau wie ich eine Menge Spaß und sogar eine gute Sicht. Abklatschen, auf dem zehnminütigen Fußweg zum Auto eine kurze Spielanalyse. Wir bezeichnen unsere Leistung als "solide", die der Bielefelder als "grottenschlecht". Auf der Rückfahrt schlaf ich fast ein, mit Erzählungen über die USA unterhält mich Sam. Ich bringe ihn bis nach Essen-Werden vor die Haustür, trinke noch einen Absacker (so schließt sich der Kreis) im Schrägen Eck - dort hängen immer viele Gladbach-Fans ab. Gestern unkten sie noch, dass sie nur bis Sonntagabend Letzter sind.
Aber was heißt schon gestern?

Rosenmontag.
Der neue Schal ist eingeweiht. Ich hänge ihn auf die Gardinenstange, sodass ihn jeder sehen kann, der an meiner Wohnung vorbeigeht. Er riecht ein bisschen nach Rauchbombe, ein bisschen nach verschüttetem Bier. Wir sind Bochum! Jawoll! Zum fünften Mal habe ich mir jetzt gerade parallel zum Verfassen dieses Textes den DSF-Bericht angeschaut. Gekas hat nicht zwei, sondern schon zehn Tore heute geschossen... Draußen ist Rosenmontag. Verkleidete Menschen gehen zum kleinen Mülheimer Zug, im Fernsehen kommentiert Manni Breuckmann die Düsseldorfer Variante. Mein Karneval war gestern. Ostwestfalen Helaaaf!!!

SchottlandDer Mitreisende: Sam! (Foto: Ernst, Archiv)

Bielefeld

Saison 2004/2005: Arminia Bielefeld - VfL Bochum 1:2 (28.8.2004). Zum Text geht es HIER !
Saison 2002/2003: Arminia Bielefeld - VfL Bochum 1:3 (11.5.2003). Zum Text geht es HIER !
Saison 2001/2002: Arminia Bielefeld - VfL Bochum 3:0 (7.4.2002). Zum Text geht es HIER !

Was mich mit Bielefeld verbindet: Ganz klar, fünf Auswärtsspiele des VfL (vier Siege, eine Niederlage), außerdem zwei gemeinsame Urlaube mit dem CVJM Bielefeld in den 90ern. Das führte zu jeweils einem Vor- und Nachtreffen, Begegnungen mit jungen Bielefeldern außerhalb der Freizeiten... mein Bruder hatte mal was mit der Uni zu tun und führte mich rum - also ich kenne mich schon so ein bisschen aus in dieser Stadt...

Die Stadt

Einwohnerzahl: 325.000

Lage: Bielefeld ist der wirtschaftliche und auch der kulturelle Mittelpunkt Ostwestfalens. Die Altstadt hat durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg schwer gelitten. Wahrzeichen ist der hohe Turm der Sparrenburg im Süden der Innenstadt.

Geschichte: 1015 wurde Bielefeld erstmals urkundlich erwähnt, 1214 von Graf Hermann von Ravensburg zur Stadt erhoben. Wenig später errichteten die Grafen die Sparrenburg zum Schutz der Stadt. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts war Bielefeld Mitglied der Hanse. 1647 fiel das Ravensburger Land an Preußen.

Sehenswürdigkeiten

Altstadt: Die Bielefelder Innenstadt ist von den Wallstraßen ringförmig umgeben, die an die alte Stadtbefestigung erinnern. Zentrum der Altstadt ist der Alte Markt mit dem Merkurbrunnen. Außerdem in Reiseführern zum Thema "Bielefelder Altstadt" erwähnt: Nikolaikirche, St. Jodokus, Kunsthalle

Außerhalb der Wallstraßen: Die Stadthalle nahe beim Hauptbahnhof dient als Veranstaltungszentrum. Geläufig ist mir außerdem noch der Bielefelder Ringlokschuppen, ein ähnliches Kulturzentrum wie das Pendant in Mülheim. Bei der zu besichtigenden Sparrenburg sind die 300 Meter langen unterirdischen Gänge und der 37 Meter hohe Aussichtsturm besonders beeindruckend.

Bethel: Südöstlich der Sparrenburg erlangte der Stadtteil "Bethel" Berühmtheit. In Bethel gibt es eine Anstalt für Epileptiker und psychisch Kranke.

Universität: Bielefeld war also eine völlig langweilige und bedeutungslose Stadt, durch die nicht einmal ein Fluss seine Bahnen zog (was selbst Bielefelder bemängeln, fragt mal nach - dadurch fehlen so manche romantische Eckchen). Dann kam 1969 die Universität (sie ist also genauso "jung" wie die in Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund). Sie hatte im Wintersemester 2006/2007 18.000 Studierende. Im Uni-Ranking von Focus belegte die Uni den zehnten von insgesamt 86 Plätzen, in den Fachbereichen Erziehungswissenschaft und Soziologie sogar den ersten. An der bundesweit einzigen Fakultät für Soziologie arbeiteten unter anderem Norbert Elias und Niklas Luhmann. Das Uni-Leben mit all' seinen Facetten von Bücherläden über Wohnheime bis zur Kneipenkultur macht die Stadt wenigstens etwas spannender. Die Campus-Uni gehört zwar nicht zu den Hübschesten des Landes - und zur klassischen Studentenstadt hat sich Bielefeld auch nicht entwickelt, aber die Stadt ist sicherlich liebenswerter. Übrigens: Zu Fuß liegt die Uni etwa zwanzig Minuten von der Alm entfernt.

Alm: Arminia Bielefeld zählt genauso wie der VfL, Duisburg, Köln, Aachen und Freiburg zu den "gefühlten Anderthalbligisten" (sensationelles Zitat von Jörg Schmadtke) - zu gut für die Zweite, zu schlecht für die Erste Liga. Arminia trägt den zweifelhaften Titel des "Rekordabsteigers" - heißt: keine Mannschaft ist so oft aus der 1. Bundesliga abgestiegen... Also, Historie der "Alm": Der Überlieferung nach soll ein damaliger Arminia-Spieler (Gründungsdatum 1905) nach der Auswahl des Stadionstandorts Mitte der 1920er Jahre bei der Begutachtung der holprigen Baustelle geäußert haben, dass nur noch ein paar Kühe fehlten und man befände sich auf einer Alm... Errichtet wurde die "Alm" 1926. Erst 1957 erhielt der Platz eine Rasendecke und Stehstufenränge. Mit dem ersten Bundesligaaufstieg 1971 wurde eine Sitzplatztribüne geschaffen. Seit 1978 war das Stadion an den drei anderen Seiten von Stahlrohrtribünen umbaut. Das Stadion fasste 34.222 Zuschauer. 1985 wurden Sicherheitsmängel festgestellt - die Kapizität sank (18.500). Mit der Rückkehr in die 1. Bundesliga 1996 wurde das Stadion nach und nach renoviert und ausgebaut, fasst jetzt 26.601 Besucher und heißt "Schüco-Arena". Positiv: Das Stadion liegt in Bielefeld sehr zentral und ist sowohl zu Fuß (30 Minuten vom Hbf entfernt) als auch mit zwei Bahnlinien hervorragend zu erreichen.

Sport in Bielefeld: Außer der Arminia sind mir keine prominenten Bielefelder Sportler oder Vereine bekannt. In Ostwestfalen gibt es viele, viele gute Handballvereine (zum Beispiel TBV Lemgo mit etlichen Weltmeistern) und jedes Jahr ein gut besetztes Rasen-Tennisturnier in Halle/Westfalen. Die "Nachbarn" der Arminia sind der SC Paderborn 07 (2. Bundesliga), Rot-Weiß Ahlen (Regionalliga) sowie FC Gütersloh und Preußen Münster (Oberliga).

Umgebung von Bielefeld

Wer es in Bielefeld nicht mehr aushält (könnte mir schnell passieren), kann sich im angrenzenden Teutoburger Wald erholen oder - ACHTUNG - Ausflüge in die Weltstädte Herford (66.000 Einwohner), Detmold, Bad Salzuflen oder Gütersloh unternehmen. Entfernung zum Ruhrgebiet: Mit Bahn oder Auto etwa anderthalb Stunden.

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VfL Bochum - Alemannia Aachen 2:2 (24.2.2007)

TafelZu wenig. Fünf Punkte verschenkt.

Spiele zwischen Bochum uind Aachen sind immer extrem. 90 Minuten zwischen Regen und Sonne, Euphorie und Schubsereien. Das Resultat: Wir fallen von Platz 14 auf 15 zurück

SchalDie Arminia-Schals gabs in Bielefeld für lau - heute kosteten sie einen Tenner!

K's Choice hilft extrem

SonneErst extrem tiefstehende Sonne...

Erst scheint die Sonne. Dann regnets. Erst feuern alle an. Dann gibt es Schubsereien. Erst führen wir 1:0. Es folgt der Ausgleich. Dann führen wir 2:1. Es folgt der erneute Ausgleich.
Spiel der Extreme.
Bochum.
Sich vor einem Bundesligaspiel morgens anzuziehen, hat etwas Ritualhaftes. Mein Wohnzimmer wird in dieser Phase zu einer Umkleidekabine, meine Socken zu Stutzen, meine Jeans zu einer Fußballhose. Das VfL-Trikot trage ich sowieso. Im Sommer offen, im Winter drunter. Stelle mir vor, in der VfL-Kabine zu sitzen. Neben Der-spielt-immer-den-Ball-Zdebel und all den anderen. Koller spricht, der Trainer. Aufstellung, Formation bei Standards, Taktik, Gegner. Meine Schuhe sitzen wie angegossen. Stollen haben sie nur in meiner Fantasie. Zuschnüren, aufstehen und rausgehen. Wichtig ist auffem Platz. Ritual.
Aachen kommt heute. Wieder einmal müssen wir nach einem guten Auswärtsspiel nachlegen, sicher bin ich nicht, wie es ausgeht. Wird es wie so oft in meinen 15 VfL-Jahren? Wenn wir eine Chance haben, uns abzusetzen, verstreicht sie zu 99 Prozent. Im Auto hin: K's Choice. Believe. 20.000 Seconds. "Cocoon Crash" ist schon eine gute CD. Egal, wie gut oder schlecht es dir geht; egal, wie aufgedreht oder deprimiert du bist, diese Scheibe bringt dich ins Erdgeschoss zurück, führt dich auf eine grüne Wiese, bringt dir eine Sonnenbrille und lässt dir einen Wind um die Nase wehen. Fühlst dich wie im New Yorker Central Park, im Boston Common, im Englischen Garten München, wo auch immer. Halbstündige Ruhe. Es regnet auf der Bahn. Leicht.
14.30 Uhr, Zeitplan optimal eingehalten, rein ins Stadion. Aachen also, schwarz-gelb. Abstiegskampf. Beide Mannschaft sind punktgleich, haben die gleiche Tordifferenz, absolut gleichstark. Eigentlich ein Unentschieden-Spiel. An die Hinrunde erinnere ich mich nur äußerst ungern. 1:2 verloren, völlig unverdient, wir waren 88 Minuten lang feldüberlegen. In den beiden anderen fielen beide Gegentore. Pech. Auf dem anderthalbstündigen Rückweg habe ich nicht mal Musik gehört. Na gut, nur, weil ich die "Cocoon crash" nicht dabei hatte. Nur "Believe" hätte meine Laune noch retten können. Aachen. Immer Spiele der Extreme. Zu Hause zwei klare Siege (5:0, 5:3), eine haushohe Niederlage vor einem Jahr (1:4). Auswärts auf dem Tivoli sind wir zweimal aufgestiegen. Die Aachener Torhüter kommen schon 50 Minuten vor dem Anpfiff zum Warmlaufen, dann die Feldspieler samt Co-Trainer Erik Meijer, der den Pfiffen des Stadions mit einem freudigen Winkewinke begegnet.
Meine Jungs sind - bis auf Sam - alle vertreten. Das Ultra-Blättchen liegt auch diesmal in meinen Händen, Unterhaltung mit Gerd, er hat nach der Lektüre die gleichen Eindrücke wie ich. Die "Staatsmacht" zählt, die Choreographie, was die Gäste-Fans so machen. Siehe oben. Zwei Dinge überraschen mich diesmal: Mit Fanis (gemeint ist Gekas) wird diesmal sogar ein Spieler erwähnt, und die Unterstützung aller Fans in Bielefeld gelobt. Während wir uns darüber unterhalten, wird Zdebel auf der Videoleinwand gezeigt - auch er lobt die Fans. Hurra. Die "Almauftrieb"-Schals, vor einer Woche noch für lau, kosten jetzt zehn Euro, als "Fanartikel des Spieltags". Bravo. Mist, wollte mir noch eine Karte fürs Wolfsburg-Spiel holen. Verpennt, leider. 15.26 Uhr, "Tief im Westöööhööön" brüllt Grönemeyer. Gänsehaut auch beim 323. Spiel, Adrenalin, hoffentlich hört das nie auf. Spüre meine Socken (also die Stutzen), meine Jeans (also meine Fußballhose). Habe die Videofunktion meines Handys entdeckt. Ab der letzten Strophe (ab "Du bist das Himmelbett für Tauben") zeichne ich die Atmosphäre live auf - damit ich etwas greifbar habe, falls ich einen Euphorieschub brauche, gute Laune, Gröltherapie.
Die Sonne steht tief. Ganz tief. Im Westen. Zdebel gewinnt die Seitenwahl. Zuerst spielen wir auf unsere Kurve, damit Drobny nicht in die Sonne schauen muss. Warm ists. Vermisse meine in Köln/Bonn verloren gegangene Jacke kein Stück. Das Spiel ist - selbstverständlich - ausgeglichen. WIr sind zwar ganz leicht feldüberlegen, aber noch nicht zwingend genug. In Minute 26 stürmt Bönig über links auf und davon. Die Sonne ist inzwischen hinter dicksten Wolken verschwunden, egal. Flanke auf den zweiten Pfosten, suuuper, wusste nicht, dass der Bönig so etwas kann, Dabrowski köpft den Ball zurück an den Fünfmeterraum, Gekas steht völlig frei und machts per Flugkopfball. SUPER herausgespielt, GROSSER Jubel, eine FÜHRUNG, das ist das, was wir brauchen. Tanzeinlagen auf der Tribüne während der "Sirtaki", laute "Gekas! Gekas! Gekas!"-Rufe, herrlich. FUSSBAAAAAALLL!!! Halten. Das 1:0 bloß halten. Selbstverständlich klappt das nur ein paar Minuten lang. Bönig verstümpert links hinten erbärmlich den Ball, Aachens Rösler lupft den Ball aufs Tor, aber so schwach, dass Drobny den Ball sicher halten MUSS. Hey, den halt ICH sogar. Doch Drobny lässt die Kugel fallen, Fehler, Ibisevic staubt ab, 1:1. Da deutete NICHTS drauf hin. NICHTS! SCHEISSE!!! Stadionkumpel Gerd erhält eine sms von einem Kumpel, der arena in der Bochumer Bar "Threesixty" guckt. "Kauft euch endlich einen vernünftigen Torwart", steht drin. Spott. Zurecht. Pausenpfiff 1:1. Gleich beginnts zu regnen.
Die Aachener kommen schon nach acht Minuten wieder auf den Platz, Erik Meijer spricht mit jedem Spieler (was hat der Frontzeck eigentlich für eine Funktion? Prügelknabe?). Jeder im Stadion weiß: Jetzt ist Abstiegskampf. Es nieselt, regnet, Wind, heftig, selbst wir in der überdachten Ostkurve werden nass. Jede Grätsche endet erst nach zwanzig Metern, es macht jedem Spieler richtig, richtig Spaß, das ist zu sehen. Ecke für uns, kurz ausgeführt, Misimovic auf Trojan. Flanke in den Strafraum, abgewehrt, Epalle steht am Sechzehner, undurchsichtig, doch plötzlich zappelt das Netz! TOOOOOR! 2:1! Epalle jubelt, feiert mit einem Handstand-Überschlag und Salto hintendran. Die Aachener protestieren wegen einer angeblichen Abseitsposition, der Schiri gibt das Tor. Schalalalalalalalala!! Halten!!! 52. Minute. Es regnet und regnet und regnet. Vier Minuten später der Schock. Auf einmal steht Lehmann 20 Meter vor unserem Tor ganz frei und schlenzt den Ball an den rechten Innenpfosten, halbhoch. Drin. Wieder Jubel gegenüber. SCHEISSE. Kann nicht wahr sein. Aachen stürmt weiter. Zwei Minuten später köpft Dum an die Latte. Glüüüüüück!
Wechselbad geht weiter, Stimmung ist überall aufgeladen. Auf dem Zaun hat sich außer dem Megafon-Mann noch ein zweiter aus dem Ultra-Umfeld postiert. Er wird etwas belächelt und provoziert. Auf einmal steigt er ab vom Zaun und will sich mit einem älteren Fan aus meinem Umfeld prügeln. Provokationen, Schubsereien, schlichten, ein Ordner kommt. Mittlerweile ists wieder trocken, auf dem Rasen passiert nur noch wenig, beide Mannschaften sind scheinbar zufrieden mit dem Punkt. Abpfiff, aus, vorbei, zweimal in Folge ungeschlagen, doch was heißt das schon? Hamburg gewinnt, Mainz gewinnt, Cottbus gewinnt. Wieder nur auf Platz 15.
In einer leisen Vorahnung sage ich direkt nach dem Abpfiff: Das war's.
Schnell flüchte ich aus der Kurve. Wieder nicht nachgelegt. Brause über die A40. Höre K's Choice. I'm not an Addict. 20.000 Seconds. Etwas umgedichtet: "20.000 Seconds since I left and I'm still counting." Flüchte in den Central Park. Zu Hause, während der Sportschau, weicht die Skepsis wenigstens etwas Realität. Wenn wir absteigen, sind wir erstens zu Hause abgestiegen (zu viele Spiele verloren) und zweitens gegen Aachen. Fünf Punkte verschenkt!! FÜNF!! Die können fehlen. Am Ende. Umkleidekabine Wohnzimmer. Hole die Mineralwasser-Flasche, kippe sie mir ins Gesicht. Schnüre die Schuhe auf, ziehe das Trikot aus. Lege meinen Kopf in beide Hände. Bin traurig. Unentschieden.
Noch ist's nicht vorbei. Fünf Spiele müssen wir noch gewinnen. Höchstens. Nächste Woche in Bremen wirds wohl nichts, unsere schwarze Serie dort - noch nie gewonnen in drei Jahrzehnten - kennt schließlich jeder. Für mich ist es das 100. Auswärtsspiel meiner VfL-Karriere. Hundertmal reisen, hundertmal Gästekurve, hundertmal Kontrollen, hundertmal Polizisten, hundertmal den VfL repräsentieren.
Ich freu mich drauf.

Regen ... dann sintflutartiger Regen! Wetterkapriolen innerhalb von zwei Stunden!

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SV Werder Bremen - VfL Bochum 3:0 (3.3.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - Borussia Dortmund 2:0 (10.3.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Wolfsburg - VfL Bochum 3:1 (17.3.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - Hannover 96 2:0 (1.4.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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Bayer Leverkusen - VfL Bochum 1:4 (8.4.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - Hertha BSC Berlin 1:3 (14.4.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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Eintracht Frankfurt - VfL Bochum 0:3 (21.4.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Schalke 04 2:1 (27.4.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 6 nachzulesen !

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Hamburger SV - VfL Bochum 0:3 (5.5.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - VfB Stuttgart 2:3 (12.5.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 6 nachzulesen !

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Borussia Mönchengladbach - VfL Bochum 0:2 (19.5.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 6 nachzulesen !

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Diese Seite wurde zuletzt geändert am 21.5.2007
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