Links:
Startseite Beruf | Startseite Uni-Leben | Startseite VfL Bochum |
Startseite Konzerte | Startseite Reisen | Startseite Privates |
Montag, 29. Januar 2007 bis Samstag, 3. Februar 2007
Südost-Rundreise
1. Tag (Montag, 29. Januar 2007): Mülheim - München
Alles knapp
Es ist Urlaub. Mein erster
im Jahr 2007. Oder? Nee, es ist eigentlich ein Viertel Urlaub, ein Viertel
Dienst, ein Viertel Leute treffen und ein Viertel VfL-Tour... aber egal:
Ich bin weg, zum ersten Mal länger als drei Tage seit New York im
Herbst 2005. Ein alter Backpacker wie ich - so lange nicht raus dem Ruhrpott
- wer von Euch Rucksackreisen kennt und mag, der weiß, wie groß
das Fernweh wird, wenn Monat um Monat davonzieht.
Die Planung für diese
Mini-Tour quer durchs Land mit Ausflug nach Österreich machte in den
letzten Tagen irren Spaß und rettete mich durch die anstrengenden
Dezember- und Januartage. Drei fixe Daten waren der Hauptgrund für
diese Tour. Erstens: Das Spiel FC Bayern gegen VfL am Dienstag, dann die
Lese-Performance meines Bruders Thommy im österreichischen Linz am
Donnerstag und schließlich das Spiel Energie Cottbus gegen VfL am
Samstag. Wie das Ganze verbinden? Klar, mit einem Besuch - wie immer -
bei Thommys und meinem Freund Dirk und seiner liebreizenden Gattin Manu
mit drei Übernachtungen - und danach zwei Hotelaufenthalten. Züge
buchen, zwei Flüge von Köln nach München und von Berlin
nach Köln - ist das herrlich!? Und was ist nun daran Dienst? Mal schauen,
ob es in München irgendwo einen Praktikumsplatz für einen späteren
gibt, dazu sind natürlich einige WAZ-Pflichten zu erledigen, meine
Homepage hat zudem etliche Lücken. "Ich bin dann mal weg" - frei nach
Hape Kerkeling habe ich mich in meiner Stammkneipe "Zum Schrägen Eck"
verabschiedet. Und "Bis Samstagabend" ergänzt. Die Schar schüttelte
natürlich den Kopf, konnte und kann sich nicht erklären, wie
ein Fan des VfL Bochum so bekloppt sein kann, seine Mannschaft nach München
und Cottbus zu begleiten. Die Lesung meines Bruders war da auch keine Beruhigung.
Ist es für mich aber. Ich sehe ihn eher selten länger als zwei
Stunden und wenn, dann im Ausland. Beispiele? Zahlreiche Brüssel-Besuche
und die New-York-Woche im Herbst 2005. Montagmorgen, noch einmal Stress.
Der Arbeitssonntag war anstrengend, musste noch ein wenig für die
Woche vorarbeiten, war erst spät zu Hause. Am Morgen noch eben Zeitungen
lesen, Taschen packen (habe ich gestern nicht ganz geschafft), kurz ins
Büro des Medienservice fahren, der mir den Auftrag zum Sportmagazin
überlassen hat. Mein Fach leeren, kurz ein paar Sachen klären.
12.56 Uhr geht es los, Regionalexpress Richtung Köln. Außer
Puste erreiche ich den Mülheimer Hauptbahnhof, hätte mir auch
Zeit lassen können. Der Regionalexpress hat Verspätung. Am Kölner
Hauptbahnhof verpasse ich die S-Bahn Richtung Flughafen, die nächste
hat natürlich auch 20 Minuten "delay". Das wird knapp. Der Germanwings-Schalter
schließt um 15 Uhr, um 14.58 Uhr erreiche ich den S-Bahnhof. Sprinten
mit Schlafsack, Arbeitstasche und Riesenrucksack auf dem Rücken, bestimmt
15 Kilo sind das. Verlaufe mich total, renne einmal quer durchs Terminal,
um 14.58 Uhr rufe ich "Halt" und hindere die Germanwings-Leute daran, den
Laden dichtzumachen. Warum ist alles bei mir immer so verdammt knapp? (Zitat
aus welchem Film? Auflösung unten!) Es klappt und der Anschluss
ist nun natürlich grandios. Schnell Abflug-Gate suchen, sofort einsteigen,
kaum eingecheckt, schon hebt der Flieger ab. Etwa 45 Minuten beträgt
die Flugzeit, das reicht gerade dazu, um den Kicker zu lesen, was ich auch
genüsslich mache. Den Discman oder Laptop packe ich gar nicht erst
aus. Der befürchtete Schneesturm und Kälteschock bleibt wohl
aus - das Wetter in München wird mit "5 Grad" angegeben, kälter
wirds wohl in den nächsten Tagen auch nicht. Thommy kommt um 19.38
Uhr mit einem ICE aus Nürnberg - er verbrachte die vergangene Woche
bei einem Seminar in Berlin. Um 19.38 Uhr sind wir mit Dirk am Hauptbahnhof
verabredet. Gestern teilte er uns per Mail mit, dass wir bei Ania essen
werden, das ist eine ehemalige Mitbewohnerin von Dirk, die auch Thommy
gut kennt. Wunderbar. Ankunft um 16.25 Uhr, schnell Gepäck holen,
hab noch Zeit. Will meine Jack... HEY... WO IST MEINE JACKE??? Ach du scheiße,
hab mein wunderschönes schwarzes Jack-Wolfskin-Teil irgendwo liegen
lassen. Ist das furchtbar, ist das furchtbar, ist das furchtbar. Mist.
Und wenns nun doch einen Wintereinbruch gibt? Rufe ein paar Mülheimer
Freunde an, klage mein Leid, es hat etwas von Zeitvertreib. Um 17.05 Uhr
nehme ich eine S-Bahn Richtung Hauptbahnhof. Das kann dauern. Etwa 45 Minuten.
Stimmt auch. 17.50 Uhr endlich Ankunft an diesem Kopfbahnhof, inzwischen
ist es nichts Besonderes mehr, München zu besuchen. Im "Nescafé"
bleibe ich von 17.50 Uhr bis 19.30 Uhr, die Verkäufer schauen mich
schon blöd an, da ich es bei einer heißen Schokolade für
2,40 Euro belasse, mich dafür aber mit all meinem Gepäck auf
vier Plätzen ausbreite. Die Zeit vergeht fix, ich vergrabe meinen
Kopf endlich einmal wieder in Büchern für die Uni, ist doch anstrengender
als ich dachte. Zwischendurch schickt eine Arbeitskollegin eine sms mit
der Aufforderung "Du bringst doch drei Punkte mit, oder?" Ich werd mir
alle Mühe geben.
Das Wiedersehen ist lang
und herzlich. Mit der U-Bahn reisen wir zu Ania, sie hat - gerade heimgekehrt
aus Indien - indisch gekocht (Reispfanne, verschiedene Beilagen, als Dessert
ein leckeres Mangozeug), es geht um anspruchsvolle Themen wie Thommys Dissertation
(nur Diss genannt), die Drei kennen sich viel, viel besser aus als ich.
Als Ania vor Müdigkeit fast einschläft, holt uns Manu ab und
kutschiert uns Richtung Wohnung. Zum ersten Mal richtig Ruhe, zum ersten
Mal ein weiches Bett - um 23 Uhr. Ein Wasser trinken wir noch in der Küche,
versuchen vergeblich, mein Laptop ans Internet anzuschließen (deshalb
wurde es auch nichts mit einer Live-Übertragung aus München).
Erster Tag Urlaub 2007. Kurz nach Ostern folgt Urlaub zwei - vier Tage
in Schleswig-Holstein mit meiner Familie und zum Schluss drei bis vier
Tage Rock am Ring im Juni. That's it.
Deshalb werde ich die kommende
Tage auch doppelt genießen. Versprochen!
Auflösung: Zurück
in die Zukunft III
2. Tag (Dienstag, 30. Januar 2007): München
FC Bayern München - VfL Bochum 0:0 - alles Weitere HIER
3. Tag (Mittwoch, 31. Januar 2007): München
Der Marienplatz - diesmal nur rein zufällig auf unserer Reiseroute
Magath, Mühe und
Marienplatz
Magath ist geflogen. Heynckes
ist gegangen. Yilmaz geht zum VfB Speldorf. Den neuesten Helge-Schneider-Film
haben wir gesehen. Und im "Jagdstüberl" und "Löwengarten" gegessen.
Zu schnell?
Teil 1
Thommy, könnntest
Du eigentlich in München wohnen?, lautet eine meiner ersten Fragen
an diesem Mittwochmorgen. Beim Blick aus dem Fenster, morgens um zehn,
sind noch immer Schneereste am Straßenrand zu sehen. Ende letzter
Woche, so hat Dirk erzählt, hats hier tierisch geschneit, aber seitdem
liegen die Temperaturen konstant bei 3 bis 5 Grad. Es ist viel weggeschmolzen,
aber eben nicht alles. Indes: Für eine Schneeballschlacht reichts
nicht mehr. In meinem Schlafsack hüpfe ich durch die Wohnung, "Auf
Dauer", antwortet Thommy, "würde ich hier bekloppt werden." Es ist
wie immer in den letzten Jahren, mein Eindruck von München ändert
sich wohl nie. Für zwei, drei Tage, meinetwegen auch eine Woche, ist
es durchaus möglich, mit den richtigen Freunden und/oder Ansprechpartnern
eine schöne, abwechslungsreiche Zeit zu verbringen. Es gibt viel Kunst,
Kultur, Unterhaltung, Ausflugmöglichkeiten. Aber das Leben? "München",
sagt Thommy, "hat etwas Konservatives." Okay, das ist keine brandneue Ansicht,
aber: "Wer etwas Sicheres haben will, der geht hierhin." Berlin dagegen,
sagt er, habe etwas Chaotisches, Anarchistisches behalten. Obwohl - wie
er aus eigener Erfahrung noch vor einer Woche weiß - auch der Prenzlauer
Berg inzwischen sehr, sehr viele versnobte Ecken hat ("Da sehe ich doch
einen Porsche auf der Straße langfahren, auf der ich vor zehn Jahren
gern gewohnt hätte.")
Heute lassen wir uns nicht
ganz so viel Zeit. Morgens verfolgen wir die Berichterstattung über
den zurückgetretenen Gladbacher Trainer Heynckes (was zu erwarten
war), mittags will Thommy in die Neue Pinakothek - das "neu" ist schon
wichtig, denn es gibt auch die "Alte" und die "... der Moderne". Geöffnet
haben alle von 10 bis 17 Uhr. Er war schon viel häufiger hier in München,
hat es aber nie in einen dieser Läden geschafft. Mein Interesse an
Malerei ist heute aber eher beschränkt, wir verabreden uns fürs
Kino am Hauptbahnhof um 14.50 Uhr. Gemütlich gehe ich duschen, setze
mich ans Laptop und beschließe, gegen 13 Uhr aufzubrechen, um was
zu Essen und danach durch die Stadt zu schlendern, als ich merke, dass
Thommy noch da ist. Er hat wohl etwas Wichtiges vergessen und durchsucht
alle seine Klamotten. Das Ganze dauert so lang, dass er um 12.25 Uhr noch
da ist und beschließt, die Pinakothek - mal wieder - sausen zu lassen.
So brechen wir gemeinsam auf. Ins "Jagdstüberl". Mittagessen. Frühstück.
Was auch immer.
Auf dem Weg zum Stüberl
passieren wir einen dieser Zeitungskästen am Straßenrand, die
es hier in München in großen Mengen gibt - die im Ruhrgebiet
aber ausgestorben scheinen. "Grotten-0:0! Was nun, Felix Magath?" titelt
die Blöd-Zeitung heute. Hihi. In der "Süddeutschen" stand nur
ein eiligst zusammengeschusterter Text für die Post-Ausgabe, der vermutlich
schon eine Minute nach dem Abpfiff fertig war. Zum Frühstück
Gulasch mit Knödel - das hatte ich schon lang nicht mehr. Her damit.
Das "Jagdstüberl" ist auch am Mittag eine krachlederne Gaststätte,
die Angestellten werden wohl nach Grad des bayerischen Akzents ausgesucht.
Schmeckt gut.
Wir beschließen, diesmal
nicht die U-Bahn ab "Rotkreuzplatz" zu benutzen. Es ist ein so schöner,
klarer Wintertag, dass wir den Weg zum Hauptbahnhof auch zu Fuß zurücklegen
können. Ab 13.40 Uhr brechen wir auf, unterhalten uns über Fußball
und Uni - Sachen, die im Brüsseler und Mülheimer Alltagsleben
und am Telefon etwas zu kurz kommen. Zwischendurch erreicht mich ein Anruf
der WAZ: Der VfB holt Birkan Yilmaz zurück, aha. Schnell beim Kicker
anrufen, die Nachricht telefonisch weitergeben, so ist das Leben wichtig.
Die Strecke ziiiiieht sich und ziiiieht sich, wir kommen an den Bahngleisen
vorbei, müssen zur "Bayerstraße 5". Bayer wie Bayer Leverkusen.
Bei einer Sparkasse halten wir kurz an, die Geldreserven sind fast zu Ende,
um 14.55 Uhr erreichen wir das Kino "Mathäser" (oder so ähnlich),
das Manu als "schönstes Kino Münchens" bezeichnet hat. Es ist
eins von den Kommerziellen, aber netter als die Cinemaxx-Reihe. Wie auch
immer.
Teil 2
Zweimal Mein Führer,
sagen wir zur hübschen Angestellten an der Kasse. Ich bin nach wie
vor der Meinung, dass es kaum möglich ist, mit einem korrekten Satz
anzukündigen, diesen Film zu besuchen. "Doch", sagt Thommy. "Ich gehe
in den neuen Helge-Schneider-Film". Stimmt. Ein 300-Mann-Kino-Saal ist
fast komplett leer. Lediglich ein einsamer Mann, eine Mutter mit etwa 14-jähriger
Tochter und ein Pärchen in der letzten Reihe sind gekommen. Macht
mit Thommy und mir sieben Leute... Die Trailer gehen vorbei, der Film geht
vorbei, es ist 17 Uhr, zwischendurch sind drei Anrufe gekommen.
Teil 3
Und? Wie fandest Du den
Film?, frage ich Thommy. Mir fehlen ein bisschen die Worte, die er
dann auch für mich findet. "Es gab einige lustige Stellen und nette
intertextuelle Anspielungen", sagt er. "Aber er hat sich eindeutig am Thema
verhoben, weil er es jeder Gruppe recht machen wollte." Exakt so habe ichs
auch empfunden. Ulrich Mühe als Adolf Grünbaum ist noch etwas
beeindruckende als Helges Hitler-Version. Ich rufe meine Mailbox ab - mal
schauen, wer's so war, und höre MSV-Fan Helmuts Nachricht: "Ich wollte
den Magath-Töter sprechen". Ich verstehe nicht ganz, melde mich danach
bei Dirk, um den Treffpunkt für den Abend abzustimmen. "Schon gehört?",
fragt er, "Magath ist rausgeflogen" und lacht danach unnachahmlich laut.
Wieder ein Trainer, der gehen muss, weil er es nicht geschafft hat, zu
Hause den VfL Bochum zu schlagen... Wir verabreden uns um 18.30 Uhr in
einer kleinen Bar, in der Dirk wohl seinen 30. Geburtstag feierte, nicht
weit vom Stachus entfernt. Anderthalb Stunden Zeit. Wir schlendern durch
die Fußgängerzone, vorbei an der Frauenkirche, suchen bei Saturn
verschiedenste technische Geräte, fotografieren am Marienplatz und
Viktualienmarkt, alles touristische Sehenswürdigkeiten, die uns schon
oft begegnet sind. In einem der Zeitungskästen liegt eine frische
Abendzeitung. Die Schlagzeile lautet schon "Bayern feuern Magath". Nach
einer Fleischpflanzerlsemmel (Frikadellenbrötchen) kehren wir im "Bon
Valeur" (oder so ähnlich, kann kein Französisch) ein, bestellen
Latte Macchiato. Eine halbe Stunde zu spät kommt Dirk, erzählt
von einem anstrengenden Arbeitstag. Bewundernd stellt er fest, dass wir
tatsächlich vom Rotkreuzplatz bis zum Kino gelaufen sind, den Weg
vom "Sendlinger Tor" zurück legen wir zur Belohnung mit der U-Bahn
zurück. In Dirks und Manus Stammkneipe "Löwengarten" klingt der
Abend aus. Mit Nürnberger Würst'l auf Sauerkraut (heute mal richtig
ungesund gelebt), netten Gesprächen.
Teil 4
Sollen wir noch Fußball
gucken?, ist die letzte Frage des Abends. Wir gucken die "Sportschau"
mit den übrigen Partien des 19. Spieltags. Der HSV spielt 1:1 gegen
Cottbus, da wird wohl morgen der nächste Trainer fliegen. Wahnsinn,
dass die Klubs alle feuern - wie oft hätte da der Koller schon rausgeschmissen
werden müssen?? Mainz gewinnt, scheiße, dafür verliert
Aachen. Cottbus können wir am Samstag überholen, wenn wir gewinnen.
Das nenne ich Perspektive. Die Laune nach dem 0:0 gestern Abend ist immer
noch blendend, immer und immer wieder sehe ich mir die Bilder an, schreibe
mit genüsslich den Blog-Eintrag
zu Ende. Sportschau, dann noch Harald Schmidt, ein bisschen Internet -
ab Donnerstagmittag wird es schwer, viel Zeit im Netz zu verbringen - und
ab in den Schlafsack.
Der ruhigste Tag dieses
Kurzurlaubs.
4. Tag (Donnerstag, 1. Februar 2007): München - Linz
Tagesthema: Der Autor und seine Veranstaltung in Linz
Süddeutsche Zeitung, 1. Februar
2007:
nach einem Vergleich der Stimmung beim
Bayern-Bochum-Spiel mit der Atmosphäre beim Handball-WM-Viertelfinalspiel
in Köln schreibt die SZ: (...) "In Köln lagen die 20.000 mit
den Handballern in einem schwarz-rot-goldenen Rausch, in München,
unter den 64.000, war in der Stille der zweiten Halbzeit nur die Kleingruppe
aus Bochum bei der Publikumsbeschimpfung ("Ihr seid leiser als Fortuna
Köln") zu hören - und am Ende die bitteren Pfiffe der Übrigen
für ein 0:0."
Kapu-Klemens und Frau Stirnima
Der Autor arbeitet an seinem Text
14.01 Uhr
"Häzzlich Wilkommn
im Äirozitti von Münchn noch Klaaaaaaagnfuart..." Dieser Dialekt
ist so verdammt witzig, heyaheya... Eigentlich sollten wir schon vor 36
Minuten losgefahren sein, naja, Deutsche Bahn. Ich begleite heute einen
AUTOR bei der Arbeit. Huuuui, das ist so aufregend! Wie ein Autor in ein
neues Land fährt, das er auf der Karte seiner Vortragsländer
hinzufügen kann (Belgien, Wales, USA, Niederlande, Deutschland). Er
hält eine Lesung in Linz, will im Zug seine Lese-Performance noch
ein wenig umarbeiten. Deshalb sitze ich ihm ganz still gegenüber,
tippe diese Zeilen ein, höre im Discman "Whatever" von Oasis und dann
"Dein Herz schlägt schneller" von Fünf Sterne Deluxe. Mein Bruder
- der Autor - hat derweil ein völlig anderes Lied auf den Lippen:
"Grüezi wohl Frau Stirnima" aus den legendären Filmen mit Heinz
Erhardt und Ralf Wolter. Das Original hat er bei youtube nicht gefunden.
Pech gehabt. Wie bisher immer an den Tagen in Süddeutschland haben
wir uns morgens keinen Stress gemacht. Wir beide schrieben Dutzende von
Mails, packten unsere Rucksäcke, räumten Dirks und Manus Wohnung
auf und brachen um 12.50 Uhr Richtung "Rotkreuzplatz" auf, zum vorletzten
Mal in diesem Jahr (wer weiß, vielleicht ist das nächste Spiel
Bayern gegen VfL in der Hinrunde der nächsten Saison, also noch 2007).
Es war ein kurzer, aber doch knackiger Besuch an der Isar, wie immer nett
mit tollen Leuten (gerade läuft "Tropfen" von Such a Surge im Discman,
während Thommy immer noch Frau Stirnima grüßt, ist so witzig...)
und nicht zu vergessen einem unverhofften Punkt in der Allianz-Arena. Um
13.26 Uhr fuhr eigentlich unser IC Richtung Klagenfurt. In Salzburg müssen
wir umsteigen. Wegen eines Fahrzeugschadens hatte der IC jedoch 35 Minuten
Verspätung, weshalb wir erst später als erhofft durch die verschneite
Grenzlandschaft tuckern. Kaum zu glauben, dass jetzt schon wieder über
die Hälfte meines sechstägigen Minitrips rum ist. Unfassbar.
So allmählich muss ich wieder an den Alltag denken. Am Sonntag werde
ich gegen 23 Uhr wieder in Mülheim sein, am Sonntag erwarten mich
gleich drei (!) Termine. Heute darf ich wohl noch einen längeren Text
für die Lokalredaktion verfassen, muss fürs Sportmagazin Fototermine
klären, so ganz lässt mich der Job auch in Österreich nicht
los. Deshalb - während "Crawling" und "In the end" von Linkin Park
(ich sag nur: Rock am Ring 2007!!!) - höre ich jetzt auf und wende
mich anderen Dateien dieses Laptops zu. Ich melde mich aus Linz wieder.
Hoffentlich sind wir rechtzeitig um 17.30 Uhr zum Handball-WM-Halbfinale
im Hotel...
15.37 Uhr
Umstieg hat erfolgreich
geklappt. Wir werden nur mit 19 Minuten Verspätung Linz erreichen.
Glück im Unglück. Unsere "normale" gebuchte Lösung sah in
Salzburg einen Anschluss mit Regionalexpress vor, nun dürfen wir einen
Eurocity benutzen, sogar ohne Zuschlag. Der Schaffner befindet unsere Tickets
für gut, sagt irgendetwas im undefinierbaren Dialekt, was meinen Bruder
und mich enorm belustigt. Unsere zweite Zugtour also: Von Salzburg über
Wels bis Linz. Wir durchqueren das Land, sehen die Alpen am Wegesrand,
große Seen, Bergromantik. Berchtesgaden liegt schon lange hinter
uns. Hier spielt Fußball hinter Wintersport nur die zweite Geige.
Die Temperaturen sind in Ordnung, auch hier fühlt sichs wie fünf
Grad an. Jacke offen tragen, heißt das wohl. Hab auf dem Bahnsteig
mit der Redaktion telefoniert, muss bis Samstag tatsächlich einen
150-Zeiler abliefern. Bloß: wie? Deshalb werde ich mich wohl jetzt
im Zug mit Mülheim beschäftigen müssen und mich aus diesem
heutigen Eintrag ausklinken. Sorry. Meld mich aus Linz wieder. Aus dem
Hotelzimmer. Während des Handballspiels.
In Linz im dunklen, kalten Busbahnhof. Wir warten auf den "45er"
17.46 Uhr
Angekommen im Hotel. Siehe
Foto unten. Gucke gerade Handball. Steht 6:7. Der Autor - also Thommy -
trifft die letzten Vorbereitung und hat auch von mir professionelles Verhalten
gefordert. Also gut, werde ich also im Kulturzentrum nicht "Hurra Hurra
die Bochumer sind da" oder "Hinsetzen! Hinsetzen!" brüllen... Es ist
ein Drei-Sterne-Mittelklassehotel in Linz/Oberösterreich, einer Stadt
mit 190.000 Einwohnern, die Hitler (soweit ich weiß) zu seinem Altersruhesitz
machen wollte. Wir wohnen in der Fußgängerzone im Hotel "Zum
Schwarzen Bären", gegenüber liegt ein Hutsalon - ja, so etwas
gibt es noch. Die zweite Zugfahrt haben wir problemlos hinter uns gebracht,
einziger Halt nach Salzburg war Wels. Am Bahnhof fanden wir nicht sofort,
aber nicht zu spät den richtigen Busbahnhof-Bahnsteig. Mit Linie "45"
Richtung Hafen fuhren wir bis "Neuer Dom" und pünktlich zum Anpfiff
des Handballspiels erreichten wir unser Zimmer 206. Nun - steht inzwischen
8:8, ist also gaaaanz hart umkämpft - werde ich mich wieder dem WAZ-Text
für die Samstag-Ausgabe widmen. Ich komm nicht drumherum, wie ich
in einem weiteren Telefonat abgeklärt habe. Keine Ahnung, wo ich einen
Internetanschluss herkriegen soll bis morgen. Naja, klappt schon irgendwie.
Inzwischen ists 17.55 Uhr, der Autor verschwindet zur Tonprobe und lässt
die Anschrift da. Kapuzinerstraße 36, der Laden heißt "Kapu".
Bin gespannt. Olé, ich darf mit Blitz fotografieren. Mal schauen.
Die einen feiern im Eck - unsereiner schaut im Hotelzimmer
19.23 Uhr
Thommy hat gerade angerufen.
Die Tonprobe war erfolgreich, alle CDs passen und funktionieren, der Weg
zum Kulturzentrum "Kapu" ist leicht. Problem: Hoffentlich ist bis dahin
das Handballspiel zu Ende... Meine Zeilen für die Lokalausgabe sind
längst formuliert, muss sie noch Korrektur lesen. "Du kannst sie von
hier schicken", hat Thommy gesagt. Hui, ist das spannend, lasst mich auf
den Bildschirm gucken. Die zweite Halbzeit der zweiten Verlängerung
läuft im Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich, es steht
29:29. Meine Arbeitskollegen gucken im "Schrägen Eck" - auf einem
Hotelzimmer in Linz: Das hat auch einen gewissen Charme... so, ich mach
mich jetzt mal fertig... Bis heute Nacht!
Hinweisschild zur Auffahrt "Kapu"
1.15 Uhr
Der Tag ist vorbei. Vorüber.
Ein Tag im Leben des Autors. Ein Tag in meinem Leben. Ein schöner
Tag, ein erlebnisreicher, einer, an dem ich viel gelernt habe. Um 20 Uhr
sollte Thommys Lesung beginnen. Er informierte mich per Handy über
den Fußweg - fünf Minuten, mehr nicht - ließ mich aber
noch den sensationellen 32:31-Sieg nach zweifacher Verlängerung zu
Ende gucken... Kapu... steht ganz einfach für Kapuzinerstraße
36. Raus aus dem Hotel, einmal rechts in die Steingasse, geradeaus eine
Auffahrt hinaufspazieren, es ist kurz vor acht. Schnell wird klar: Kapu
ist ein linksalternatives Kulturzentrum, mit einer Kneipe und Konzertsaal
im Erdgeschoss, dem Büro in der ersten Etage und dem "Dachstock" für
Lesungen und Filmaufführungen. Thommy befindet sich im Dachstock,
ich werde dort von Klemens begrüßt, der den Laden hauptamtlich
mit noch einer anderen Person schmeißt. Hier haben schon viele gelesen
und viele gespielt - unter anderem eine Band aus Seattle, die später
den Grunge prägen sollte. Doch als Nirvana noch nicht so bekannt waren,
rockten sie eben auch im Kapu in Linz. Aus Deutschland lasen hier vorher
Martin Sonneborn mit seiner WM-Programm (absoluter Kapu-Lesungsrekord:
70 Zuschauer!) und Gerhard Henschel. Zu Henschel kamen nur sechs Mann,
was Thommy doch leicht stutzen lässt. Mein Bruder lässt sich
schnell die öffentlichen Ankündigungen zeigen, ja doch, geworben
wurde fleißig, im Linzer Kultur-Monatsmagazin ist er sogar eine Art
"Geheimtipp". Da laut Klemens die Linzer eher zu spät kommen, haben
wir den Anfang auf 20.30 Uhr verschoben. Bleibt noch Zeit, um etwas zu
essen. Für den Autor und Anhang (also mich) gibt es frischen Salat
mit Bratkartoffeln und Spinatstrudel - himmlisch lecker, dazu Selbstbedienung
am Kühlschrank. Es ist unheimlich nett. Klemens erzählt etwas
von seiner Biografie, dass er ein Semester lang in Berlin studierte, nun
aber seit einiger Zeit im Kapu festhängt, um Fördergelder kämpft
- 2009 ist Linz Europas Kulturhauptstadt - und ein Buch übers Kapu
schreibt. Das Internet hat seine Arbeit erschwert, täglich erhält
er zahlreiche Mails von Bands, Autoren und Agenturen. Thommys Mail traf
genau seinen Geschmack, genau seinen Nerv: Mein Bruder hatte also schlicht
Glück, von jetzt auf gleich gebucht zu werden. Ich sitze schweigend
daneben, genieße den Moment (und das fantastische Essen). Zu Thommys
Lesung erscheinen immerhin 19 Leute, bravo. "Dreimal mehr als Henschel,
hihi", sagt er kurz. Sein zweimal 40-minütiges Programm mit zahlreichen
Ton-Ausschnitten und drei kurzen Videoschnipseln kenne ich zum größten
Teil - es ist aber immer wieder spannend. Das Publikum wirkt sehr, sehr
konzentriert. "19", sagt Thommy, "ist nicht viel. Aber okay." In Österreich
kennt ihn und sein Buch eben niemand. Vermutlich war deshalb auch freier
Eintritt... Es gibt keine Ovationen, aber doch Applaus und viel Lob. Nur
eine Person ist vorzeitig gegangen - laut Klemens ein bravouröser
Schnitt. Im Büro schaffe ich es sogar, meinen WAZ-Text an die Redaktion
zu mailen, habe ich morgen eine Sorge weniger. Von 23 bis 0.15 Uhr setzen
wir uns in die Kneipe. Okay, die Hardcore-Musik stört etwas. Aber
eins steht fest: Hier würde Thommy wohl gern noch einmal lesen. Irgendwann,
mit einem neuen Programm.
1.38 Uhr
Schluss, aus, müde,
Zähne putzen, einschlafen. HSV-Trainer Doll ist geflogen, Magath war
zu Verhandlungen in der AOL-Arena, die Handballer sind im WM-Endspiel.
Es sind außergewöhnliche Tage für den Sport in Deutschland.
Und ich gurke am Rand der Alpen vorbei, durchquere Salzburg, übernachte
in Linz, lerne den Autorenalltag kennen, genieße die Zeit mit meinem
Bruder.
Schön ist das.
Ich könnte mich dran
gewöhnen.
5. Tag (Freitag, 2. Februar 2007): Linz - Cottbus
Cottbus ist Weltstadt - oder: Fernsehen mit Sander
Cottbus am Abend: Große Ereignisse (der VfL-Bus vor einem Hotel am Hauptbahnhof) werfen ihre Schatten voraus
10.13 Uhr bis 13.28 Uhr
ICE von Linz nach Nürnberg
Guten Morgen! Jetzt habe
ich auch die letzte Lektion des Autorenlebens begriffen. Gerade höre
ich "You don't understand me" und "TV & me" von der großartigen
neuen Mando-Diao-Scheibe (Rock am Ring 2007!!!), blinzle ein wenig, weil
der Bildschirm im Akkubetrieb nicht wirklich gut zu erkennen ist, wenn
die Sonne prall draufscheint, schaue in die Hinterhöfe der Stadt Passau
und denke über den Vormittag nach. Ist ein Autor "auf Tour", kommt
er am späten Nachmittag in der jeweiligen Stadt an (so wie wir gestern),
geht direkt zur Tonprobe (so wie Thommy gestern), hat den Auftritt (genau),
bleibt danach noch in der Lokalität zum Essen und Trinken (richtig)
und schläft dann im Hotel. Früh am Morgen geht es dann weiter,
ohne die Stadt gut genug gewürdigt zu haben. Kein Wunder, dass manche
Künstler da vergessen, wo sie sich gerade genau befinden. Um dem wenigstens
ein bisschen gegenzusteuern, steht unser Wecker auf 8.20 Uhr, obwohl der
ICE für uns Beide Richtung Nürnberg (bei mir) und Koblenz (bei
Thommy) erst um kurz nach zehn geht. Wir frühstücken leckerlecker
im Hotel und leisten uns einen kurzen Spaziergang durch die Linzer Altstadt.
Von Klemens haben wir uns gestern den Weg erklären lassen - wobei
wir alles auch gut selbst gefunden hätten. Die Altstadt und die Fußgängerzone
mit allen wichtigen Geschäften (oder wie Klemens sagte: "Commercial
Zone", auf Dialekt: "Kommööööörschel Zooooun")
liegen zu Fuß knapp zwei Minuten vom Hotel weg, wir sind also mittendrin.
Viel Zeit bleibt nicht mehr, wir schaffen es zum Hauptplatz, zur Nibelungenbrücke,
die über die Donau führt. Passau bis Linz an der Donau entlang
ist eine beliebte Strecke für ältere Radfahrer, mein Opa absolvierte
diese Tour vor ein paar Jahren. Viel ist nicht los in dieser Stadt am frühen
Morgen. Wahnsinn, das ist eine der größten Städte Österreichs,
und hat kaum mehr Einwohner als Mülheim. "Mülheim", sagt Thommy,
"wäre in Belgien die fünftgrößte Stadt." Tja, und
in Deutschland zählt Mülheim nix - nicht mal im Ruhrgebiet. Im
Hotel holen wir unser Gepäck, laufen zu einer der scheinbar zentralsten
Straßenbahn-Haltestellen - die heißt "Taubenplatz". Die Linien
1, 2 und 3 (holla, moderne Wagen) fahren alle Richtung Hauptbahnhof, dauert
sieben Minuten. Da hätten wir mal gestern drauf kommen sollen. Thommy
holt schnell 'ne Fahrkarte, und dann ist unser Kurzbesuch in Österreich
schon wieder zu Ende. So schnell kann's gehen. Lesung gesehen, Linz so
ein bisserl kennengelernt, neue und nette Leute getroffen, ein bisschen
für die WAZ gearbeitet, das deutsche Halbfinal-Handball-WM-Spiel gesehen,
einen Autor (und selbstverständlich meinen Bruder) mit Stolz begleitet;
doch, es war sehr effektiv. Über Wels, Passau und Regensburg führt
dieser Zug. In Nürnberg trennen sich Thommys und meine Wege. Er fährt
über Trier zurück nach Brüssel, ich über Cottbus ins
Ruhrgebiet. Wann wir uns wiedersehen, ist offen. So ist das mit zwei gestressten
Menschen aus einer Familie... Ich klapp meinen kleinen Computer jetzt wieder
zu. und lausche wieder Mando Diao. "TV & me", zum dritten Mal heute.
Linz again: Blick Richtung Hauptplatz
13.40 Uhr bis 16.42 Uhr:
ICE von Nürnberg nach Leipzig
Es ist passiert. Nun bringe
ich meine Reise allein zu Ende. In genau einem Tag ertönt der Anpfiff
zum VfL-Spiel in Cottbus. Jetzt gehts erst einmal weiter mit Einsamkeit
im Zug. Noch ist mir nicht langweilig. Vereinzelte Telefonate mit Mülheimer
Freunden (eine Frage lautete: "Hast Du heute Abend Zeit zum Fußball
in der Soccerhalle?" - natürlich nein...), Diskussionen über
die Fuß- und Handballereignisse der Woche (drei Trainerwechsel innerhalb
von 24 Stunden gab es noch nie), die Bahnzeitung "mobil" lesen, den Abend
planen (wenn es geht: 19.15 Uhr am Hotel, danach surfen, ab 20.30 Uhr irgendwo
Fußball gucken), Discman hören, zwischendurch rausgucken, die
Zughalte Erlangen, Lichtenfels und Jena so vorbeifliegen lassen wie die
Landschaft, ein bisschen herumdösen, bin doch etwas müde nach
den unruhigen Nächten der letzten Tage (mein Bett daheim ist eben
doch gemütlicher als Schlafcouch und Hotelzimmer). Auf ein Foto von
mir müsst Ihr an dieser Stelle auch verzichten, ich sehe viel zu kaputt
aus. In meinem Zugabteil ists glücklicherweise sehr, sehr leer, die
Bahn ist auf die Idee gekommen, zwei ICE's aneinander zu koppeln - freitags
von München über Nürnberg und Leipzig nach Berlin - das
soll eine beliebte Strecke sein. Vielleicht, weil der Bahnhof in Jena nicht
Jena, sondern "Jena Paradies" heißt!? Mal rausgucken... nee, so schön
ist das nicht. Mehr habe ich aus dem zweiten Zug des Tages nicht zu erzählen.
Wirklich nicht.
"Schöne Stadt", habe ich von allen gehört. Ich verbrachte meine 20 Minuten aber ausschließlich unter diesem Schild
17.07 Uhr bis 19.01 Uhr:
Regionalexpress von Leipzig Hbf bis Cottbus
Heute kommt irgendwie alles
pünktlich. Also dass alle Züge wirklich GENAU zur geplanten Uhrzeit
eintrafen - das kam in meiner Fußball-Karriere höchst selten
vor. 25 Minuten Zeit bleiben mir, um mit Riesenrucksack und drei Beitaschen
Leipzig zu erobern. 16.42 Uhr bis 17.07 Uhr. "Schöne Stadt", haben
mir alle Freunde mal gesagt. Ich belasse es jedoch bei einem Blick auf
das Bahnhofsschild, sonst streikt mein Rücken wirklich bald. Wie habe
ich das nur in Vietnam vier Wochen überlebt?? Ich frags mich immer
und immer wieder. Thommy kann ich ja jetzt nicht mehr fragen, er ist schon
fast in Koblenz. Nächste Strecke: Regionalexpress von Leipzig nach
Cottbus. Ich telefoniere in meiner Langeweile mit ein paar Mülheimer
Freunden. Für die klingt das wie eine fremde Welt - Leipzig nach Cottbus.
Das ist fast Tschechien, fast Polen, quer durch Sachsen-Anhalt, Sachsen
und Brandenburg. Ab in die Lausitz. In dieser Ecke Deutschlands bin ich
noch nie gewesen. Wieder muss ich mich an neue Dialekte gewöhnen,
zum xten Mal seit Montag. Macht aber nix. Der Zug ist pickepackevoll, dennoch
gelingt es mir, ein paar Sekunden die Äuglein zu schließen.
Es ist wie verhext: Du sitzt neun Stunden im Zug, machst eigentlich gar
nichts, und bist trotzdem tierisch geschlaucht. Wo wir genau anhalten,
merke ich mir gar nicht, ich schlags vielleicht in Mülheim mal nach.
Tief in der Provinz, meistens steigt niemand aus - und niemand ein. Hier
war bis vor 16 Jahren DDR. In meiner Arbeitstasche liegt das Buch "Zonenkinder"
mit viiiiiel Sekundärliteratur - wenn ich das jetzt rausholen würde.
Zuweilen ist am Streckenrand eine Plattenbausiedlung zu sehen - aber sonst
nichts weiter. Um kurz vor Sieben werde ich doch etwas zittriger, denn
im Gegensatz zu allen anderen Reisen habe ich KEINEN Stadtplan von Cottbus,
KEINE Ahnung, wo das Hotel ansatzweise liegen könnte, KEINEN Baedeker
dabei. Es ist ein Blindflug - naja, die Stadt soll auch nicht viel hergeben.
Meine einzige Hilfe wird morgen "1000 Tipps für Auswärtsspiele"
sein. 19.01 Uhr, natürlich überpünktlich hält der Zug,
der Bahnhof in Cottbus ist natürlich sehr, sehr klein, alle Schilder
sind zweisprachig, ich befinde mich zweifelsfrei in einer Grenzregion,
die ist wahrscheinlich noch näher, als ich dachte. Nach wenigen Sekunden
erreiche ich den Bahnhofsvorplatz, es ist stockfinster, der Stadtplan gibt
wenig Aufschluss. Vor dem Hotel am Bahnhof erkenne ich... erkenne ich...
das ist doch... der MANNSCHAFTSBUS DES VFL! Ich überquere sofort die
Straße, schieße ein Erinnerungsfoto, will sofort "WEN LIEBEN
WIR???" brüllen... aber ich störe die Helden des morgigen Tages
doch lieber nicht. Inzwischen schlägts 19.15 Uhr, irgendwie muss ich
jetzt zum Lindner-Congresshotel kommen. Ich nehm' ein Taxi und lerne direkt
die Cottbusser Freundlichkeit kennen. Der Taxifahrer hat eine verdammt
raue Schale. "Ich fahr auch nicht weit", sage ich zu ihm fatalerweise,
als ich mich vergnügt auf den Beifahrersitz schwinge. "Hörn se
auf. Sie sagen doch auch nicht dem Straßenbahnfahrer, dass sie nur
eine Haltestelle mitfahren." Okayokay, bin ja schon ruhig. Während
der Fahrt Richtung Zentrum flucht er unentwegt über die miesen Autofahrer,
fragt mich dann nach 5,10 Euro, ob ich zu einer Weiterbildung in der Stadt
wäre... WEITERBILDUNG? IN COTTBUS? Nee, ich sage direkt die Wahrheit.
"Fußballfan aus Bochum." Klingt doch etwas ehrlicher. Oder auch bekloppter,
je nach Sichtweise. Ich checke ein, bekomme in der 3. Etage Zimmer 307.
Es ist halbacht. Tag fünf meiner Reise ist so gut wie rum.
Heimat für eine Nacht - Lindner-Hotel in Cottbus
20.25 Uhr bis 22.35 Uhr:
Lindner-Congress-Hotel Cottbus - Fernsehen: 1. FC Nürnberg - Bayern
München 3:0
Was...? WAS??? WAS IST DAS
DENN??? Mit meinem Gepäck steige ich in einen der drei Aufzüge
- das Hotel hat zwölf Etagen - und erblicke vor den anderen Aufzügen...
Leute im Energie-Cottbus-Trainingsanzug. Und dazu Trainer Petrik Sander
höchstpersönlich. In Cottbus gibt es scheinbar nur zwei gute
Hotels. Im einen ist der VfL abgestiegen. Das andere - meins - ist "Revier"
des FC Energie. Ich werde UNTER EINEM DACH mit den Cottbusser Spielern
pennen. Direkt rufe ich die MSV-Fans Tina und Helmut an, die sich über
den Duisburger 1:0-Sieg in Aue freuen (zweite Liga... haha!), die vorschlagen,
nachts um zwei im ganzen Hotel "IHR SCHLAFT HEUT KEINE SEKUNDE!" (nach
der Melodie "Wir singen scheiß Millionäre!") zu brüllen.
Okayokay, wieder Luft holen. Was wolltest du heute noch machen? Essen,
klar. Dafür Geld holen (wieder nix mehr im Portmonee, buh). Wenn möglich,
zum Schluss noch Nürnberg gegen Bayern gucken, in irgendeiner Sportbar.
Schnell Zimmer 307 finden, kurz aufs (weiche) Bett werfen - Erholung fürn
Rücken. Die Gegend rund um das Hotel ist irgendwie tot. Es ist Freitagabend
in Cottbus, und kein Mensch spaziert auf der Straße. Direkt nebenan
sind
die "Spree-Arkaden", vergleichbar mit dem Forum in Mülheim oder dem
Forum-Verschnitt in Linz heute Vormittag. Niemand ist dort. Niemand!! Thommy
hat mir heute noch sehr populistisch mit auf den Weg gegeben, angesichts
meiner Haarpracht doch nur mit Kapuze rumzulaufen, aber hier habe ich vor
niemandem Angst. Mein Mini-Rundgang endet an einem Geldautomaten. Mit ein
paar Euro mehr in de Täsch kehre ich um und will im Hotel noch kurz
im Internet surfen. Will... es gibt aber nur einen onlinefähigen PC
im Haus. Und der ist - wie ich erfahre - KAPUTT! "Wo ist denn das nächste
Internet-Cafe?", frage ich. Die Dame an der Rezeption gibt sich wirklich
Mühe, muss mich dann aber enttäuschen. "Hier in der Nähe
ist nur eins, aber das hat schon geschlossen. Jaja, Cottbus ist da noch
..." Sie spricht nicht zu Ende. Sollte etwa das Wort "Weltstadt" kommen?
Kurz vor halb, direkt neben dem Hotel gibts eine Sportbar. Schnell hinein,
eine Cola und einen Burger mit Kartoffelecken bestellen, auf den Anpfiff
warten. Was passiert? Nacheinander kommen Trainer Sander, fünf Energie-Spieler
von Skela über McKenna bis Shao, und Vorstandsmitglieder hinein. Ich
lausche ein bisschen den Unterhaltungen, aber in all der Öffentlichkeit
lassen die Profis natürlich keine Geheimnisse raus. Interessant, dass
sich nur ein Drittel des Teams für das Freitagabendspiel interessiert.
Der Rest ist auf dem Hotelzimmer verschwunden. "Fernsehen mit Sander" -
ein etwas anderes Motto des Abends. Nürnberg fegt die Bayern mit 3:0
weg - was unser Unentschieden am Dienstag ein wenig wertloser erscheinen
lässt. Wie auch immer. Morgen holen wir uns die Punkte. Während
alle anderen Hotelgäste den Cottbussern beim Hinausgehen "Viel Erfolg
morgen" wünsche, schweige ich. Auch ein Statement. Das Hotelzimmer
ist luxuriös, Frühstück morgen von 6.30 Uhr bis 10.30 Uhr
- Check-Out dann um spätestens 12 Uhr. Hoffentlich kann ich mein Gepäck
hier lassen - sonst gibts ein Problem. Mit vier Taschen gehe ich nicht
ins Stadion der Freundschaft, das laut "1000 Tipps für Auswärtsspiele"
seinem Namen nur sehr selten alle Ehre macht... Weitermachen im Hotelleben.
Weiterziehen von Stadt zu Stadt. Angenehm. "Schreib ein Buch, und du machst
das auch hauptberuflich", hat ein Kumpel aus Mülheim heute am Telefon
zu mir gesagt. Es ist heiß hier im Zimmer. Richtig heiß.
Mal eben die Klimaanlage
ausschalten.
Klick.
Linz am Vormittag
6. Tag (Samstag, 3. Februar 2007): Cottbus - Mülheim
FC Energie Cottbus - VfL Bochum 0:0 - alles Weitere HIER