VFL-TAGEBUCH: BUNDESLIGA 2006 / 2007 - TEIL 2
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Die ersten Utensilien

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VfL Bochum - VfL Wolfsburg 0:1 (28.10.2006)

Einlaufen

"Jetzt ist gut" und andere zusammengebrannte Maxi-CDs an einem Pisswetter-Herbsttag

Weiter einlaufen

Armageddon kommt

Tafel

Ist das ein Pisswetter. Sind das Depressionen. Es reicht. Koller raus. Oder nicht? Mannschaft zu schlecht. Oder nicht? Regen, Tropfen, Klatschen, nein, nicht für die Mannschaft. Hab extra mein Uwe-Wegmann-Trikot aus dem Jahr 1993 angezogen, 13 Jahre alt, passt aber immer noch, und was hat es gebracht? Nichts. 0:1 verloren. Immer noch Letzter. Wir sind der FC Sunderland, olé.
Track 1: "Jetzt ist gut" / Such a Surge
Hab mir 'ne CD gebrannt, gestern Abend noch. Wollte mal was Frisches und Neues hören im Smart. In meinem CD-Regal lagern zahlreiche Maxis aus vergangenen Zeiten. Schnell zusammengesucht, hurra. Track 1... damals 1999, Herzschmerz. Herzschmerz wie jetzt. Ein Song, dessen Titel so gut passt wie kaum ein anderer. "Jetzt ist gut". "IST GUT JETZT! ES IST VORBEI!!!!", brülle ich laut, mitten im Smart, mitten im Stau kurz vor Gelsenkirchen-Süd auf der A40. Wieder nach Hause fahren. Wieder verloren. Wieder Frust. Immer wieder Frust. IST GUT JETZT! Leute rufen an. Leute, die Arena geguckt haben. "So dumm", sage ich. "So unnötig. Gegen wen wollen wir gewinnen, wenn nicht gegen WOLFSBURG!" Ich fluche. IST GUT JETZT. Aaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhh!!!!
Track 2 bis 4: "Entre dos tierras" und folgende / Heroes del Silencio
Nee, ich fahre noch gegen einen Baum. Nach 2:04 Minute breche ich Such a Surge ab und klicke weiter. Die Spanier von Heroes del Silencio haben außer "Entre dos tierras" noch andere Lieder auf ihre CD gezaubert. Gezaubert, ja, sie lassen sich sehr gut anhören. Die aggressive Stimmung weicht, der Stau löst sich bei Essen-Kray auf, alles wird ruhiger, ich analysiere. Trauere. Die Abstiegskampf-Phase, die sonst erst nach Spieltag 24 oder 25 greift, ist diesmal schon nach neun erreicht. Hoffnungslosigkeit. Die pure Verzweiflung. "Wir packen das nie"-Stimmung. Heute lief so viel daneben. Nach einer eigentlich wirklich annehmbaren Woche mit zwei "Okay"-Spielen war alles wieder alles weg. Beim Gegentor zum 0:1 durch Hanke (22.) patzte die Viererkette, die ich doch so gelobt hatte. Flanke Krzynowek, Hanke trifft - NUR SO schießt Wolfsburg Tore. Schröder ließ flanken, Maltritz verpasste, Butscher verschätzte sich, drin. Unfassbar. Und vorn? Die Schwäche bei Standardsituationen wird dramatisch. In 90 Minuten erspielten wir uns elf Ecken (gut!) und mindestens fünf Standards in unmittelbarer Strafraumnähe (sieben oder acht sind wahrscheinlicher). Und was passierte? NICHTS! Immer wieder hoffen, immer wieder "Vielleicht JETZT" rufen - und immer wieder ärgern, wenn ein Wolfsburger die Kugel problemlos aus dem Strafraum befördert. Als ob wir das noch nie trainiert hätten. Für die Wolfsburger ist es so leicht, auch mit einer sehr mageren Vorstellung bei uns drei Punkte zu entführen. Leistungsträger wie Zdebel, Maltritz oder Trojan - eigentlich im Aufwärtstrend - erlebten einen fürchterlichen Rückfall. Maltritz flog nach 52 Minuten völlig zurecht, völlig dämlich, vom Platz. Zdebel fand kaum statt, Trojan wurde nach einer Stunde ausgetauscht. War er bis dahin zu sehen? Nö. Einzige Lichtblicke: Bade, der zwei Hundertprozente vereitelte, Bönig, der Linksverteidiger, vom "Stadion-TV" zum "Spieler des Spiels" gekürt und unser Sturmduo Gekas/Fabio. Auf die Beiden verteilten sich unsere vier Chancen des Spiels, aber geborene Goalgetter sehen auch anders aus. Dass es 0:1 und nicht 0:6 wie vor zwei Wochen ausging, lag einzig und allein am Wolfsburger Unvermögen. Die Überzahl ließen sie vollkommen sausen - und die Ausbeute bei Kontern war miserabel. 0:1. Eins der schlechtesten Bundesligaspiele der Saison. Zeitgleich findet wohl gerade die Pressekonferenz statt. Ich möchte nicht hören, wie unser Trainer das alles wieder schönredet. Na klar hatten wir wieder Vorteile im Ballbesitz, natürlich haben wir uns viele Ecken und einige dicke Chancen erarbeitet. Aber WAS BRINGT DAS???
Track 1...
... tut mir Leid, ich springe noch einmal zurück zu Track 1. IST GUT JETZT! Aaaaaaaaah, sauersauersauer
Track 5: "Malibu" / Hole
Guter alter Rock, Ende der 90er, Hole, die Band von Cobain-Witwe Courtney Love. Herbst, Regen, nur 18.500 Zuschauer, Bundesliga-Minusrekord der letzten Jahre, schlechte bis ganz schlechte Stimmung. "Fly away to Malibu", singt Courtney Love. Oh ja, wie würde ich das gern.
Track 6: "Armageddon" / Söhne Mannheims
"Armageddon kommt oder ist in vollem Gange", flüstern die Söhne Mannheims, als ich die Ausfahrt "Mülheim-Winkhausen" wähle. Es ist das letzte Lied, das ich auf dieser Fahrt noch hören kann, bevor ich meine Haustür aufschließe und meinen VfL-Schal in die hinterste Ecke der Wohnung schmeiße. Für ein paar Minuten. IST GUT JETZT! Hab gestern noch "Star Wars Episode III" geguckt, zum ersten Mal in meinem Leben. Anakin Skywalker wird zu Darth Vader. War Armageddon nicht auch so ein Hollywood-Schinken? Gedankensalat. Armageddon, biblischer Ort für die letzte Entscheidungsschlacht, etwas zu dick aufgetragen für so einen Blog womöglich. Aber es trifft meine Laune. "Hast Du gehört, Armageddon ist da...!" Ich will nicht der FC Sunderland werden. Ich will nicht am Ende 23 Punkte Rückstand zum rettenden Ufer haben. Ich will nicht mehr, dass Marcel Koller Trainer beim VfL bleibt. Diesen Fußball bin ich so satt, er war schon in der zweiten Liga unattraktiv - und ist jetzt auch noch erfolglos, bäh. Ich will nicht mehr über die "Ultras" diskutieren müssen, die immer noch blind "Marcel Koller!" brüllen, sobald der leiseste Hauch von "Koller raus!" ertönt. "Diese Ochsen!", war der Tenor in den erfahrenen Fanklubs um mich herum. 10.000 brüllen "Koller raus", 500 "Marcel Koller". Und die 500, im Schnitt 22 Jahre alt, sind der "harte Kern", alle anderen gehen seit im Schnitt 22 Jahren zum VfL, und die zählen dann nicht, oder wie?
Der Blinker ist betätigt, es geht rechts ab. Ich schalte die CD aus, nehme das Bedienteil vom CD-Autoradio ab. Frust. 0:1 verloren, gegen Wolfsburg. Vier Punkte Rückstand. Nun nach Hannover. Berlin, Schalke, HSV, das sind unter anderem noch unsere Gegner. Wie soll es weitergehen? Sollen wir etwa jetzt schon resignieren und für die Zweite Liga planen? Sind wir so ratlos?
Ist in vollem Gange.

MegafonBitterer Abstieg des Megafon-Mannes kurz vor Schluss

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Hannover 96 - Tasm... äh VfL Bochum 0:2 (3.11.2006)

Erst: Eingang dann: Anzeige = geht das?

Uuuuh, das sind ja, das sind ja: DREI GESCHICHTEN auf einmal. Von Bergen-Belsen, Pfisters Mühle und einem Auswärtssieg

DankDie Helden eines meiner seltenen Erlebnisse: Auswärtssieg..

Friday I'm in love

Und tschüss Mülheim. Tschüss für einen Tag. Tschüss. Hape Kerkelings Buch steht immer noch auf dem ersten Platz der Bestseller-Liste. "Ich bin dann mal weg" heißt der Schinken, ich habe nicht vor, ihn zu lesen. Aber "Ich bin dann mal weg", das triffts. Es ist Freitag, ich werde das 94. Auswärtsspiel meiner VfL-Karriere sehen. Hab extra frei genommen. Stellt Euch das vor... lest Euch die Berichte aus der laufenden Saison durch, da steht alles drin von "schlecht" über "grausam" bis "fürchterlich" und "nicht bundesligareif" - und dafür nehme ich mir noch einen Tag frei! Naja, jetzt ists passiert, und dann kann ich ja auch glatt schon ein wenig früher losfahren. Schnell noch etwas am Sportjahrbuch rumgeschraubt, und dann los um 11.30 Uhr.

"Ich hatte sie nur verkauft - verkaufen müssen -, aber vier volle Sommerwochen war sie noch einmal mein Eigentum." In der AWD-Arena ist es kalt. Nicht sehr kalt, nicht eiskalt, nicht gefrierkühlkalt, aber kalt. Drei, vier Grad, schätze ich, ich muss mir schon den Kragen meiner Jacke bis zur Nase hochklappen. Noch 105 Minuten bis zum Anpfiff, ein kompletter Spielfilm fast. Die riesige runde Schüssel, die ich nicht wirklich schön und für packende Fußball-Stimmung geeignet finde, ist noch nicht einmal zu zwei Prozent gefüllt. Wie beschäftige ich mich nur? In meiner Tasche habe ich das Reclam-Heftchen "Pfisters Mühle" von Wilhelm Raabe, ein Dichter aus dem benachbarten Braunschweig übrigens, das ich für eine Hausarbeit brauche. Ich habe es zwar längst gelesen, aber warum es nicht nochmal tun? Auf dem Rasen passiert nichts, die Stadionsprecher bitten zum Soundcheck, niemand antwortet auf die "Könnt Ihr mich hören"-Rufe und ich verfolge die Rückkehr zur alten Mühle. Auf Seite acht.

Hab mir eine CD gebrannt, wieder einmal. Schnell noch alle Sachen zusammensuchen, Tasche packen, yes yeah, was muss alles mit? Natürlich, "1000 Tipps für Auswärtsspiele", das darf nicht fehlen. "Deutschland 2000", der aktuelle Baedeker, keine Ahnung, wo ich vorbeikomme, hab geplant, die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen zu besuchen, wenn die Autobahn es zulässt. Der VfL-Schal, logisch, Digitalkamera, Handy, Block, und "Pfisters Mühle" von Wilhelm Raabe, muss es für die Uni durchblättern. Und die neue CD, bloß nicht vergessen. Alles gepackt? Ach scheiße, Strecke ausdrucken. So schwer ist es gar nicht. Einfach auf die A3, die wird zur A2, die fährt an Bielefeld vorbei bis Hannover, noch ein-/zweimal kurz die Autobahn wechseln, und dann kommt schon Bergen-Belsen.

Wir sind ja eigentlich Tasmania Bochum. Zu Hause verlieren wir alles, auswärts werden wir auch schon irgendwann verlieren, wahrscheinlich heute. Hannover hat seit März zu Hause nicht mehr gewonnen, und wir als VfL Bochum sind ja ohnehin gut dafür, solche Serien zu beenden. Unser Trainer ist auch in der letzten Woche nicht rausgeflogen, das lässt mich und all die anderen Bochumer ein wenig verzweifeln. Warum? Wieder einmal diese Frage, aber noch nie so früh in dieser Saison. Tasmania Bochum. Hauptsache wir holen mehr als 20 Punkte. Alles andere wäre überaus peinlich.

"In den Wald hinein rauschte das Wasser nicht, das die Räder meiner Mühle in meinen Kindheits- und Jugendtagen trieb. In einer hellen, weiten, wenn auch noch grünen, so doch von Wald und Gebüsch schon ziemlich kahl gerupften Ebene war sie, neben dem Dorfe, ungefähr eine Stunde von der Stadt gelegen." Ich hab zwischendurch das Buch beiseite gelegt, bin zum Catering-Service gegangen, der leider auch in Hannover nichts Typisches, nichts Besonderes an sich trägt, sondern nur diese Fast-Food-Arena-Maschinerie bietet. Ich bestelle eine Cola, lege einen 20-Euro-Schein auf die Theke (sonst nichts in der Geldbörse), aber da vor mir scheinbar noch niemand etwas bestellt hat, kriege ich die 17 Euro Wechselgeld in Ein- und Zwei-Euro-Stücken. Gute Nacht! Ich stürz das Getränk runter, kriege ein Euro Pfand, das Portmonee wird noch dicker und wandle zurück auf die Stehstufen. Zurück zu Pfisters Mühle. Zurück in die grüne, aber gerupfte Ebene. In eine andere Welt. Unsere Spieler betreten den Rasen. Sie sind scheinbar gerade mit dem Bus angekommen. Müssen noch knapp 60 Minuten bis zum Anpfiff sein. Auf Seite neun.

Drei Stunden Autofahrt. Viel Zeit zum Nachdenken. Viel Zeit. Auf der Autobahn ist es leer, Zeit für... die neue CD. Das erste Lied ist "Die Fans vom VfL", ein Heuler von Jo Hartmann. "Wir sind die Faaaaaaaaaaaans, die Faaaaaans vom VfL, wir gehörn zusammen und wir werden immer meeeeehr". Immer mehr? Wohl kaum; seit Koller Trainer ist, sackt die Zahl rapide ab. Schnell weiterskippen zu Song zwei. Ein fulminanter Beginn, und Robert Smiths unverwechselbare The-Cure-Stimme schmettert: "I don't care if monday's blue, tuesday's grey and wednesday too, thursday I don't care about you, it's friday I'm in love / Monday you can fall apart, tuesday wednesday break my heart, thursday doesn't even start, it's friday I'm in love / saturday wait, and sunday always comes too late, but friday never hesitate." Friday I'm in love. Heute ist Freitag.

Es ist kalt, muss es einfach noch einmal erwähnen. Die Kurve füllt sich nur langsam, am Ende werden es knapp 800 Bochumer, für einen kalten Freitagabend bei dem Tabellenstand und den zuletzt gezeigten Leistungen gar nicht schlecht. Leichter Applaus beim Einlaufen, mehr nicht. Wer spielt denn? Zwetschge? Unser Stehgeiger pausiert offiziell wegen einer Wadenverletzung, könnte aber auch ein Vorwand sein. Maltritz ist gesperrt, dafür spielt Schnecke Drsek in der Innenverteidigung, furchtbar. Grote ersetzt Trojan links vorn, ein Versuch, ein Experiment. Die zwei Lösungen all unserer Probleme stehen am Mittelkreis und umarmen fast jeden unserer Spieler. Frank Fahrenhorst sitzt bei 96 auf der Bank, Vahid Hashemian spielt immerhin. Es wirkt, als würden die Beiden lieber unser Trikot tragen als das der 96er. Egal. Bade hat die Nummer eins verteidigt, als ob es das ausmachen würde. Ich will einfach nur ein vernünftiges Fußballspiel sehen. In dem sich unsere wenigstens ein klitzekleines bisschen wehren.

Es wird 12 Uhr, 13 Uhr, 14 Uhr, die Autobahn ist immer noch leer, meine Müdigkeit besiege ich mit einem halben Liter Cola pur, also nix mit Light, Light Lemon, Zero. "Friday I'm in love" ist mein unangefochtener Liebling des Tages. "I don't care if monday's black, tuesday wednesday heart attack, thursday never looking back, It's friday i'm in love / monday you can hold your head, tuesday wednesday stay in bed, or thursday watch the walls instead, it's friday i'm in love". Autobahnabfahrt "Mellendorf", ein Hinweisschild "30 Kilometer bis Bergen-Belsen". 14.15 Uhr, in Gailhof gehts an eine Shell-Tankstelle. Und dann weiter. Es ist tiefstes Niedersachsen und das zwingt Gedanken wie "würde ich hier jemals wohnen können" geradezu in mein Hirn. Würde ich? Nein. Es geht durch Orte wie Fuhrberg und das unvergessliche Ovelgönne. Ein Hinweisschild geleitet die Autofahrer zu "Ovelgönne-Sportplatz" - nur wer spielt da? Winsen an der Aller wirkt fast schon wie eine Metropole. Da brauche ich schon eine Prise feinster Foo-Fighters- und Red-Hot-Chili-Peppers-Musik, um das gut gelaunt zu durchqueren. Um 14.45 Uhr erreiche ich die Gedenkstätte. Hab noch genug Zeit.

"Dutzende von nunmehr vermorschenden Tischen und Bänken unter unsern Kastanien und Linden, in Gebüsch und Lauben, auf auf behaglichen Rasenflecken zeugen noch davon. Heute haben Emmy und ich die Auswahl unter allen diesen haglichen Plätzen und das Reich allein an allen Tischen und auf allen Bänken." Nein, so richtig mag ich nicht vorankommen. Ein Reporter von Arena hat sich mit einem Kameremann und einem Kabelhalter in die Kurve verwirrt. Aber da selbst 55 Minuten vor dem Anpfiff nur knapp 20 Bochumer da sind - der Rest vergnügt sich wohl noch mit Glühwein in der Innenstadt, es ist niemandem zu verdenken - wird jeder gefragt, ob er nicht ein Statement abgeben will. Auch ich. Nee, da habe ich keine Lust. Ich sage einen komplett gelogenen Satz wie "Eigentlich gern. Darf aber keiner wissen, dass ich hier bin" und stelle den Typen damit zufrieden. Ich weiß doch selbst gut genug, was Totschlag-Argumente sind. Da befragt der Kerl eben die Trommelgruppe. Was hätte ich gesagt? Ich hätte in die Kamera geblickt und hätte Herrn Koller meine vielen Fragen gestellt. Erstens: Warum haben Sie so eingekauft? Zweitens: Trainieren Sie keine Standardsituationen? Drittens: Warum ist die Mannschaft nicht eingespielt? Viertens: Warum klappt es nur auswärts? Undsoweiter... Egal, Chance vertan. Ich kippe das Stadion-Fan-"Bild" wieder und krame aus meiner Jackentasche wieder das Reclam-Heftchen hervor. Und bewege mich wieder zurück in die Gründerzeit. Schnell auf die Uhr blicken. Noch 50 Minuten bis zum Anpfiff, auf der Anzeigetafel läuft inzwischen Arena-TV, also nicht Arena, sondern das stadioneigene. Auf Seite zehn.

Spielbeginn, erster Standard für uns, o la la, was geht denn hier ab? Grote flankt auf den zweiten Pfosten, Drsek steht freiiiiii, TOOOOOOOOOOOOOR!!! TOOOOOOOOOR!!! JAAAAAA!!! Nach vier Minuten!!! Jaaaaa!!! 1:0 für Bochum!! Optimal!!! Ruhig, Andi, ruhig, durchatmen. Es läuft gut. MSV-Fan Helmut fragt per sms an. "Bisher Riesenspiel von uns", funke ich etwas euphorisch zurück. In der Abwehr stehen wir gut. Drsek, Butscher, Pallas, Schröder - das sieht sehr ruhig aus. Hannover macht gar nichts. Null. Es ist für uns kein Problem, das 1:0 zu halten. Und wir müssten es sogar ausbauen. Misimovic vermisst hier keiner! Unser schneller Neueinkauf Gekas läuft gleich zweimal frei aufs Tor zu und verballert kläglich. "1:0, wir müssten höher führen", schreibe ich in der 40. Minute und befürchte, dass wir das Ding wie in Aachen noch mit 1:2 vergeigen. Es erinnert doch zu sehr daran. Zwei Minuten später ists so weit. Hannover ist zum ersten Mal im Strafraum, Stajner umdribbelt Bade, schiebt den Ball aufs Tor, jubelt fast, Drsek kratzt das Ding von der Linie. Bravissimo. Halbzeit 1:0.

Es soll heute kalt werden. Hab deshalb auch eine Jacke mitgenommen. Ich nehme sie direkt mit. Bergen-Belsen, das ist auch ein Ausflug in meine Vergangenheit. 1992, als 14-Jähriger, weilte ich in der Lüneburger Heide auf meiner ersten zweiwöchigen Solo-Jugendfreizeit. Hanstedt hieß das Örtchen, ein Ovelgönne-Verschnitt mit weniger als 1000 Einwohnern. Es waren wirklich wunderschöne Tage, ich verpasste einen 4:0-Sieg des VfL gegen Saarbrücken und ein 2:2 gegen Dortmund, verfolgte es aber live am Radio. Die Mitreisenden und das wirklich sensationelle Programm vertrieben meine VfL-Sehnsucht und bei "Wetten, dass..." holten wir abends um 20 Uhr sogar den örtlichen Pfarrer in unser Haus. Programmpunkte waren auch Ausflüge nach Celle (toll!), Uelzen (hervorragend!), ins Schwimmbad Uelzen (yippiyeah!) und eben Bergen-Belsen. Richtig viel Ahnung von der NS-Zeit hatte ich noch nicht und mit den zahlreichen Schautafeln konnte ich nicht wirklich etwas anfangen. Den großen Park nutzten wir eher zum Herumtollen als zum Nachdenken. Der Parkplatz ist leer, fünf/sechs Autos stehen dort. Vor 14 Jahren hielt hier einst unser Bus. 14 volle Jahre ist das wirklich schon her!! 14!! Zuerst Schautafeln? Zuerst Park? Zuerst Park! Das Wetter ist wirklich kalt, so kalt, dass ich meine Mütze in der rechten Jackentasche suche und finde und bis über die Ohren ziehe. Es ist ein Riesengelände, wirklich und kurz hinter dem Eingang begegnet mir das erste Schild "Hier ruhen 2500 Tote". Es ist die knallharte Konfrontation mit der Realität von einst, mit der 1945-Realität, vor 61 Jahren. Ein Uni-Prof ist hier in der Nähe aufgewachsen und er erzählt immer Geschichten aus der Nachkriegszeit, wie er hier auf dem Gelände spielte, auf den gerade frisch zugeschütteten Massengräbern. Schließt die Augen, stellt Euch vor, wie es damals an diesem Ort abging. Könnt Ihrs? Ich kanns, ich höre die Schreie, irgendwie. Für mich ist es nicht einfach nicht nur plattes Land. Nein. Ein paar Gedenkstein erinnern an in Bergen-Belsen Verstorbene, dazu gehört Anne Frank, die Tagebuch-Schreiberin. Ein Schild weist auf den außerhalb gelegenen russischen Friedhof hin, direkt neben einem weiteren Hinweis auf das "militärische Sperrgebiet". Dort, wo einst das Krematorium stand, ist jetzt ein Modell. Und immer wieder: Massengräber. Die Kälte schmerzt gar nicht mehr so sehr, hier in diese vollständigen Ruhe, in der kompletten Stille. 15.30 Uhr ist es, als ich in die Schautafel-Halle gehe, auch daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Die Bilder, die Vitrine, die Informationen. Nichts, was mir jetzt noch neu wäre, aber kann man es oft genug sehen? Der VfL ist so weit weg im Moment.

"Berlin ist eine große Stadt, und man kann es darin zu vielem bringen, wenn man die Augen offen und auch seine übrigen vier Sinne beisammen behält und nicht ganz ohne Grütze im Kopf ist." Nein, um richtig intensiv zu lesen, ist dies nicht der geeignete Ort. Frag mich, wie mein Bruder das immer anstellt, der die dicken Wälzer stets bis kurz vor dem Anpfiff zu lesen pflegt. Wenigstens ein bisschen komme ich noch voran. Es geht um Berlin, da bin ich nächste Woche, wenn der VfL dort spielt. Als ob sich das noch lohnt. Wir sind ja bald Tasmania Bochum, holen doch keine 20 Punkte in dieser Saison. Keine Grütze im Kopf, Berlin. Jaja. Gleich geht es los. Berlin. Nächste Woche. Die Spieler sind bereits zum Aufwärmen auf dem Feld. Auf Seite 14.

Was habe ich denn da gerade gesehen? Warum läuft es auswärts und zu Hause nicht? Kann das sein? Zu Hause stehen elf Anti-Fußballer auf dem Platz, die mit der runden Kugel nichts anzufangen verstehen. Und auswärts läuft alles wie geschmiert. Die zweite Halbzeit beginnt und erstmals in dieser Saison habe ich das beruhigende Gefühl, dass nichts mehr schiefgehen kann. Nichts mehr. Irgendwann fällt schon das zweite Tor. In Minute 72 ist Gekas wieder frei durch. MACH ES! MACH ES! MACH ES! Er schießt, Enke wehrt ab, Nachschuss, TOOOOOOOOOOOOOORRRR!!! 2:0! DIE ENTSCHEIDUNG! Nicht mehr Letzter! Der Abend klingt aus, wie ich es nie vermutet hätte. Mit drei Punkten, einem seltenen Erlebnis, einem Auswärtssieg. Das Spielniveau in der zweiten Halbzeit? Geschenkt! Nicht wirklich hoch. Wenn wir international mitspielen würden, hieß es bestimmt: "Ganz souverän nach Hause gespielt". Jetzt sind wir für alle wohl nur die "bessere von zwei schlechten Mannschaften". Nein, das trifft es nicht. Wir haben für unsere Verhältnisse ein astreines, perfektes Spiel gezeigt.

Um 16.15 Uhr steige ich wieder in den Smart und fahre weiter. Höre noch keine Musik, erst einmal, stelle die Heizung auf "volle Pulle". Soll ich jetzt noch den Hanstedt-Revival-Trip mit Celle komplettieren? Ist nur noch elf Kilometer weg! Nee, ich machs nicht. Vielleicht ist Stau auf der Autobahn und ich komme noch zu spät. Langsam fahre ich auf der Landstraße zurück, lasse mich von den vielen Autos überholen, die mit 120 km/h hier langbrettern, noch einmal Winsen an der Aller, Ovelgönne, es wird allmählich dunkel. Ein Hungergefühl überfällt meinen Magen, ich suche ein Fast-Food-Laden. Aber erst einmal - warm ists wieder - kommt "Friday I'm in love" zum Einsatz. "Saturday wait, and sunday always comes too late, but friday never hesitate... / dressed up to the eyes, It's a wonderful surprise, To see your shoes and your spirits rise, Throwing out your frown, and just smiling at the sound, and as sleek as a shriek, spinning round and round, always take a big bite, it's such a gorgeous sight / to see you eat in the middle of the night, you can never get enough, enough of this stuff, it's friday I'm in love". In Gailhof neben der Shell-Tankstelle halte ich beim Döner-Mann, schmeckt sogar. Auf der Autobahn ist Stau, als hätte ich es gewusst, aber gegen 17.45 Uhr schon fahre ich am "Hannover"-Eingangsschild vorbei. Die AWD-Arena ist gut ausgeschildert, aber die Parkplätze öffnen erst um 18 Uhr. Ich fahre noch ein bisschen rum, durch die Innenstadt, durch die Vororte und fahre um 18.05 Uhr den Schützenplatz an. Bei meinen letzten beiden Auswärtsspielen hier war dort gerade Kirmes, Schützenfest, was auch immer. Nur ein paar Autos stehen schon dort, ich habe die freie Auswahl. Schnell parken und langsam zum Stadion spazieren. Die Jacke ist an, die Temperaturen haben noch einmal nachgelassen. Bei einem Pizza-Stand gibt es die Rock-am-Ring-gefüllte-Gedächtnispizza. Hunger habe ich doch noch, für eine solche Pizza reicht es immer. 2:10 Stunden bis zum Anpfiff, jetzt öffnet so allmählich die Gäste-Kurve. Ich muss dafür einmal ums Stadion laufen, und schleiche fast. Angekommen, noch zwei Stunden, schnell die Eintrittskarte suchen, mich selbst abtasten lassen - demnächst ziehe ich mich wohl nackt aus am Eingang. Sicherheitsprobleme gibt es nur in der Oberliga, aber nur in der Bundesliga wird nun schlimmer kontrolliert. Jede Jackentasche, jede Hosentasche, unter der Mütze, hilfe, wenigstens gehen weitere zehn Minuten drauf. Um 18.40 Uhr gehts rein in die Kurve, das Stadion ist leer.

Abpfiff. Das Buch verknickt schon lange wieder in einer Jackentasche. Bis auf Seite 17 habe ich es geschafft, keine besonders herausragende Bilanz.

Scheiße, Koller bleibt noch eine Woche länger. Wir haben nun zwei Spiele in fünf Tagen, selbst wenn wir gegen Leverkusen wieder blamabel spielen sollten, bleibt Koller bis Berlin. Leiden kann ich ihn immer noch nicht, obwohl er zugegeben diesmal alles richtig gemacht hat. Grote für Trojan: korrekt, siehe erstes Tor! Drsek in der Innenverteidigung: korrekt! Tor eins gemacht, hinten eins verhindert. Bade als Nummer eins: korrekt! Hat einen sicheren Eindruck hinterlassen. Auf Misimovic verzichten: korrekt! Die Spieler kommen in die Kurve, bedanken sich artig. Der Support war gut, unerwartet gut. Die Kälte spielt keine Rolle mehr.

Spiel ist zu Ende, ein Anruf in Mülheim zwecks Abendgestaltung, es wird wohl im "Schrägen Eck" bei 'ner Runde Billard enden. Das Auto finde ich sogar wieder, obwohl inzwischen viel, viel, viiiiiel mehr Autos auf dem Schützenplatz stehen. Doch diese viel, viel, viiiiiel mehr Autos wollen natürlich auch den Platz und Hannover verlassen - und am Freitagabend gegen 22.30 Uhr ist die Stadt ohnehin schon pickepackevoll. Im Schrittempo geht es voran, und erst gegen 23.35 Uhr geht es zurück auf die Autobahn. Eigentlich wollte ich um 1 Uhr schon wieder zurück in Mülheim sein. Klappt wohl nicht. Die Bahn ist leer, ich quäle den Smart zum ersten Mal in seiner kurzen Auto-Geschichte. Ich hole alles aus ihm raus, fahre ein, zwei Minuten nonstop am 135-km/h-Limit und erreiche um 1.45 Uhr Mülheim. Zwischendurch "Wir sind die Fans vom VfL" - das passt ja jetzt - und dann "Friday I'm in love". Oh ja, das stimmt. Das "Schräge Eck" hat noch auf, mit einem lauten "GEWONNEN"-Schrei betrete ich die Kneipe, spiele noch ein wenig Dart, ein wenig Billard. Es war ein schöner Tag. Ein Urlaubstag.

Gut, dass ich dem Arena-Reporter kein Interview gegeben habe.
Gewonnen. Kanns kaum glauben.
Ja, Friday I'm in love.
 
Verkehrsszene Gailhof
Wer an einem Freitagabend quer durch Niedersachsen fährt, der kommt an solch seltsamen Schildern vorbei, die den Weg nach Celle, Nienburg und andere komische Orte weisen. Und wer dann noch am Autohof in Gailhof hält, der begegnet diesem Dönergeschäft. Lecker, doch.

Das Spiel
 
Arena Vorher
Anderthalb Stunden vor dem Anpfiff, die AWD-Arena in Hannover ist noch leer. Über 40..., ach wahrscheinlich sogar über 50.000 Leute fasst diese Schüssel, und - oh ja - das ist es. Eine Schüssel, in der nicht so recht Stimmung aufkommt. Eine Stunde vor dem Anpfiff betreten erstmals unsere Spieler und das Schiedsrichtergespann den Rasen.
Fahne Einlaufen
Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff heißt es "Warmlaufen". Doch HALT, wer steht da an der Mittellinie? Genau, das ist Frank "Fahne" Fahrenhorst, der fast jeden Bochumer mit einer Umarmung begrüßte. Fahne hatte sich seinen Wechsel nach Hannover wohl ganz anders vorgestellt... Zwei Minuten vor dem Anpfiff: Die Mannschaften laufen ein.
Teil eins Fans
Ein paar Minuten nach dem Anpfiff: Die Anzeigetafel zeigt ein ungewohntes und vor allem nicht erwartetes Ergebnis... ... das uns Fans natürlich bis zum Schlusspfiff jubeln lässt!

Gedenkstätte Bergen-Belsen

Grab

Chronologie (Quelle: Faltblatt aus der Gedenkstätte)

1935: Errichtung des Truppenübungsplatzes Bergen im Zuge der deutschen Aufrüstung. Im Wald entstand ein Barackenlager für die Bauarbeiter
1940: Ausbau zum Kriegsgefangenenlager für französische und belgische Kriegsgefangene
1941: Das Stalag XI (Stalag ist eine Abkürzung für Stammlager, also Mannschafts-Stamm- und Straflager) für 20.000 sowjetische Kriegsgefangene wurde auf dem Gelände eingerichtet. Es gab noch keine Unterkünfte, da sich die fünf großen Steinbaracken noch im Bau befanden. Im Winter 1941/42 starben 14.000
 
Übersicht Übersicht zwei
Das große Gelände in der Übersicht. Einfach nur plattes Land und ein Parkgelände? Ich kann Stimmen hören.

April 1943: Das Lager für die sowjetischen Kriegsgefangenen wurde aufgelöst, die französischen und belgischen Kriegsgefangenen nach Fallingbostel verlegt und in diesem Lagerteil das sogenannte "Russenlager", ein Lazarett für sowjetische Kriegsgefangene, eingerichtet, das bis Januar 1945 bestehen blieb. Die Toten wurden in einiger Entfernung auf einem eigenen Friedhof begraben
 
Zwei Schilder Schild
Nanu, neben dem Hinweisschild auf den Sowjetischen Kriegsgefangenenfriedhof (... der - siehe Chronologie - in einiger Entfernung liegt), ist doch noch ein zweites Schild... ... und was steht da drauf? "Militärischer Sicherheitsbereich". Ich gebe zu, dass eine gewisse Ironie nicht zu übersehen ist. Finde ich.

auch April 1943: Übergabe des Lagerkomplexes an die SS und Einrichtung des "Aufenthaltslagers Bergen-Belsen": Sammellager für einige tausend Juden, die gegen im Ausland internierte Deutsche ausgetauscht werden sollten
März 1944: Das Häftlingslager wurde mit kranken Häftlingen aus anderen KZs (z.B. Dora-Mittelbau) belegt. Bergen-Belsen wurde zynisch als "Erholungslager" bezeichnet. Die meisten dieser Häftlinge starben

AnzugGedenkvitrine im Mini-Museum der Gedenkstätte

August 1944: Es entsteht ein Zeltlager für ca. 8000 Frauen aus dem KZ Auschwitz-Birkenau. Darunter auch Anne und Margot Frank. Die Zelte brachen in einem Novembersturm zusammen.
November 1944: Josef Kramer kommt mit vielen SS-AufseherInnen von Auschwitz-Birkenau nach Bergen-Belsen und wird Lagerkommandant. Umwandlung in ein "richtiges" Konzentrationslager
 
Krematorium 1 Krematorium 2
Auf dem Schild steht: "Sogar im Tod noch wurde den Menschen im Lager Bergen-Belsen der letzte Rest an Humanität abgesprochen, indem die nationalsozialistischen Machthaber und die Menschen, die deren Befehle ausführten, ihnen eine menschenwürdige Bestattung verweigerten. Gerade für Menschen jüdischen Glaubens war diese Form, mit den Toten umzugehen, eine weitere tiefe Erniedrigung. Daran erinnern wir mit unseren Informationen am Platz des ehemaligen Krematoriums. Wir erinnern an die vielen Tausende von Menschen, die elend zugrunde gingen und deren Tod wissentlich in Kauf genommen wurde. Wir erinnern an die Unzahl der Menschen, die im Lager Bergen-Belsen jenseits jeglicher Menschlichkeit dahinvegetierten und selbst im Tod noch verachtet wurden. Ursprünglich war das Krematorium geplant und gebaut für die "ordnungsgemäße" Verbrennung von zehn Leichen pro Tag. Es war nicht Teil einer - wie in anderen Lagern im großen Stil geplanten - Vernichtungs- und Todes-Maschinerie, sondern sollte nur die Toten aufnehmen, die im Lager "ganz normal" starben. Es bestand aus einem 3,50 Meter langen Ofen mit 1,30 Meter Durchmesser und einem etwa acht Meter hohen Kamin. Sogar Urnen für die Asche standen bereit... Fortsetzung: Seit Anfang 1945 wurde im Krematorium in zwei Schichten Tag und Nacht gearbeitet. Ab Anfang 1945 konnten die tausende von Toten nicht mehr im Krematorium verbrannt werden. Sie wurden auf freiem Feld, zunächst in der Nähe des Krematoriums, in Gruben aufgestapelt (je eine Lage Holz und eine Lage Leichen), mit Benzin übergossen und angezündet.
Wenig später erteilte die Forstverwaltung das Verbot, Holz für die Verbrennungen zu schlagen, die benachbarten Militärs beschwerten sich wegen des Gestanks. Die Leichen wurden nicht mehr verbrannt, sondern - vor allem wegen der heran nahenden englischen Armee - zum Teil in Gruben verscharrt.
Die meisten aber blieben auf freiem Feld oder in Baracken liegen. So kam es zu dem grauenvollen Anblick bei der Befreiung des Lagers.
Am 29. Juli 1945 wurde beschlossen, das Krematorium zu demontieren.

Januar 1945: Wegen der vielen Evakuierungstransporte aus frontnahen KZs wird das "Russenlager" aufgelöst und das große Frauenlager eingerichtet. Beginn des Infernos mit einer unerträglichen Überfüllung des Lagers. Allein im März sterben etwa 18.000 an Kälte, Hunger und Krankheiten
 
Grab 1 Grab 3

April 1945: Kurz vor der Befreiung schicken die Nazis noch drei Züge mit je 2500 "Austauschjuden" von der Rampe aus auf eine lange Irrfahrt kreuz und quer durch Deutschland Richtung Theresienstadt
15. April 1945: Befreiung Bergen-Belsens durch britische Truppen. Lagerstärke: etwa 60.000 Menschen
DP-Camp
Man brachte die Überlebenden in die Kasernen, die zu Notlazaretten wurden. Auch nach der Befreiung starben noch 13.000 Menschen. Man nannte es das DP-Camp (displaced persons camp), weil die Juden in kein Land zurück konnten. Schließlich wurde 1948 der Staat Israel gegründet. Nun durften sie in kleinen Kontingenten ausreisen. Das DP-Camp wurde erst Anfang 1951 geschlossen.
Bergen-Belsen-Prozess
17. September 1945: Beginn des Bergen-Belsen-Prozesses in Lüneburg: 44 Angeklagte, davon 33 SS-Angehörige und 11 Kapos
17. November 1945: 11 Todesurteile, 19 Freiheitsstrafen, 14 Freisprüche. Die meisten SS-Leute wurden nie vor Gericht gestellt
 
Gedenktafel Gedenktafel
Die große Gedenkwand steht mittendrin. Ein Ausschnitt: Inschrift für die Sinti und Roma und vorn Kränze für die zu Tode gekommenen Bürger der Niederlande Ein weiteres Denkmal - errichtet am ersten Jahrestag der Befreiung Bergen-Belsens.

... und was sagt Wikipedia?
"Zu den Häftlingen gehörten neben Anne Frank auch die Schriftsteller Jean Améry und Josef Capek, sowie Israel Shahak. Der Vater des Regisseurs Roberto Benigni war ebenfalls einige Zeit in dem Lager gefangen, der Film ,Das Leben ist schön' basiert unter anderem auf diesen Erlebnissen. Infolge der Überbelegung starben viele Gefangene an Seuchen, Unterernährung und Erschöpfung, allein zwischen Januar und April 1945 rund 35.000, darunter auch Anne Frank. Bei der Befreiung Bergen-Belsens am 15. April 1945 trafen die britischen Streitkräfte auf etwa 60.000 Überlebende, von denen noch 13.000 innerhalb der folgenden Tage und Wochen starben. In dem ehemaligen Konzentrationslager befindet sich heute eine Gedenkstätte."
 
Anne Frank Gedenkstein Gedenkstein
Ich sehe Schulklassen. Schulklassen, die wochenlang Anne Franks Tagebücher gelesen haben. Und die dann vor ihrem Gedenkstein stehen und Fotos niederlegen. Nur nicht heute Doch da sind noch weitere Gedenksteine. Für Dr. Georg Rosenbaum zum Beispiel... ... und für den Priester Zacharias de Korte.

... und was der Baedeker?
"Die 25 Kilometer nördlich von Celle gelegene Kleinstadt Bergen besitzt ein sehenswertes Heimatmuseum im Römstedthaus. Das ehemalige Konzentrationslager beim Stadtteil Bergen-Belsen (7 Kilometer südwestlich) ist heute Gedenkstätte (mit Dokumentensammlung). Unter den Zehntausenden, die hier ermordet und in Massengräbern beigesetzt wurden, befand sich die durch ihr Tagebuch weltberühmt gewordene Anne Frank."
 
Raum der Stille Stille
Der Stein im "Raum der Stille" - deutlich sichtbar: Das Bild von Anne Frank. Und hier von der anderen Seite: Der "Raum der Stille" auf dem Gelände der Gedenkstätte.

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VfL Bochum - Bayer Leverkusen 1:3 (8.11.2006)

PippoDer einzige Spieler, der noch kam: Philipp Bönig

"Pipi dampft wieder" und andere Trostlosigkeiten

TristDer Herbst ist trist und wir sind so gut wie abgestiegen

Is ja hammer-hammer-hart

EinlaufenOstkurve, Flutlichtspiel, jawoll

Als es vorbei war, als ich die Stehstufen des Ruhrstadions zum 217. Mal nach einem Pflichtspiel hinabgestiegen war, als ich die Enttäuschung über eine abermalige Niederlage noch nicht heruntergeschluckt hatte, als ich all diese verstörten Gesichter wahrnahm, da machte ich das, was ein Fußballfan nach dem Abpfiff tun muss... pissen gehen. Oh man, wie das drückt! Und so wie ich da stand vor der Rinne, stellte sich ein etwas älterer Fan neben mich, Rentner mutmaßlich, Mitte 60, hat noch Jochen Abel und Jupp Kaczor hier spielen sehen. In seinem Gesicht: Enttäuschung, Ärger, ein bisschen Wut, wie bei allen hier. Er blickte mich an, schnaufte kurz und sagte: "Weißt Du, woran man merkt, dass es Winter wird?" Ich schaute etwas verdutzt und schüttelte den Kopf. "Pipi dampft wieder!"
Im Auto habe ich zurzeit einen Hit, der so richtig knallt. Ist schon etwas älter, wummert aber ganz schön in der Birne und bleibt richtig hängen. "Is ja hammer-hammer-haaaart", rappten die Absoluten Beginner rund um Denyo und Jan Eißfeldt alias Jan Delay einst in die Mikrofone, das Ganze geht dann in etwa: "Ihr seid Zeuge wie Denyo n' neuen Hit schreibt, Eißfeldt die fetten Beats holt aus dem Zip-Drive, Mad die neuesten Technik-Tricks zeigt" undsoweiter. Um 19 Uhr höre ich es, als ich ins Parkhaus einbiege. Auf den Lippen hab ichs, als ich mir den Dauerkartenbereich "6" abknipsen lasse, und nach sieben gespielten Minuten sag ichs dann. "Is ja hammer-hammer-hart". Wieder haben es unsere Jungs geschafft, die famose Aufholjagd-Stimmung nach dem 2:0 in Hannover in kürzester Zeit zu versauen. Barbarez köpft das 0:1 und danach ist alles ganz, ganz furchtbar. Wir sind bis auf Sam und meinen Bruder komplett in der Kurve vertreten, obwohl Lupo, einer der ganz alten, meint: "Ich wollte ja nach Wolfsburg nicht mehr. Mir von den Ultras den Stinkefinger zeigen zu lassen..." Ein anderer sagt: "Der Koller betont doch immer, dass er den Gegner selbst genau beobachtet hat und hat beobachten lassen. Und trotzdem liegen wir immer früh mit 0:1 zurück. Was guckt der Mann?" Es wird eine 90-minütige Brutalo-Quälerei. Eine Blamage wie gegen Cottbus. Eine Blamage wie gegen Bremen. Eine Blamage wie gegen Wolfsburg. Vier Blamagen in sechs Heimspielen. Wieder Letzter. Und der Trainer ist trotzdem unantastbar!? Was muss denn noch passieren? Leverkusen führt uns vor, erhöht durch Voronin irgendwann in den 20ern auf 2:0 und vergibt eine Chance nach der anderen. Anfang der zweiten Halbzeit - oh Wunder - wird es kurzzeitig spannend. Ilicevic verkürzt mit einem unglaublichen Freistoß auf 1:2 und danach zeigt sich, wer der einzige wahre Bochumer heute auf dem Platz ist: Paul Freier im Bayer-Trikot. Nach seinem abermaligsten überflüssigen Foul sieht er endlich Gelb-Rot, als hätte er Mitleid, und gönnt uns 37 Minuten Überzahl. Machen wir was draus? Nö. 1:3 durch Barnetta fällt noch. Leverkusen ist gnädig und schraubt es nicht in schwindelerregende Höhe á la Werder.
Schwach war schon vieles in dieser Saison. Doch das heutige Spiel ist die Krönung. Erstens: Selbst die Ultras weichen nach dem dritten Gegentor von ihrem Schmusekurs ab und drehen sich um 180 Prozent. Der Megafon-Mann springt ab vom Zaun, nix mehr mit "Unterstützt unsere Mannschaft! Wir sind der VfL!" Der Tonfall ändert sich in "Lutscher!", "Koller raus" (so laut wie selten), "Wir sind Bochumer und ihr nicht" oder "Wir haben die Schnauze voll." Zweitens: Lupo hat kein Bock mehr auf unseren Stammplatz, da er den Kappeskopp mit dem Megafon nicht mehr ertragen kann. Ein anderer aus dem Fanklub war schon in der zweiten Halbzeit abgeschwirrt. "Ich stell mich bald weiter nach links", sagt Lupo in Minute 88. Drittens: Unsere Spieler sind die feigsten überhaupt. Nach dem Schlusspfiff verziehen sich alle sofort in die Kabine. Alle? Nein, nur einer bleibt. Philipp Bönig. Der kriegt direkt "Außer Bönig könnt ihr alle gehen!"-Sprechchöre. Das ist wirklich das letzte Armutszeugnis. Nicht mal der Dank für die Unterstützung von 18.000 Leuten trotz der fünften Heimniederlage im sechsten Spiel. Viertens: Der Trainer. Ob Auf- oder Einstellung: Er hat das Stadion in seinen anderthalb Jahren komplett leer gespielt. Seit einem Jahrzehnt ging die Zuschauerzahl nicht mehr so steil nach unten, waren Fußball und Mannschaft so schlecht. Hört mir auf mit dem Hinweis auf die ach so schrecklichen finanziellen Bedingungen. Cottbus, Aachen und Bielefeld steht weniger Kohle zur Verfügung. Und die sind erfolgreich!
Abpfiff, endlich, nach völlig verkorksten Stunden, wieder einmal. Samstag Berlin - da sind wir trotzdem alle wieder da. Verrückte VfL-Fans eben. Abpfiff, Enttäuschung, Wut, Ärger, erneut. Es ist mein 200. Erstligaspiel mit dem VfL, meine Bilanz ist selbstverständlich überaus negativ. Hätte ich doch nur einen Hammer und könnte hart... Is ja hammer-hammer-hart. Das höre ich jetzt noch auf dem Rückweg und guck mir zu Hause auf DVD "Boyz n the hood", mit Larry Fishburne, eine Story aus South Central Los Angeles. Das brauch ich jetzt.
"Pipi dampft wieder" - in diesem Moment fiel alles von mir ab. Alles. Es ist doch nur ein Spiel. Auch wenn es eins ist, dass meine Jungs momentan nicht ganz so gut beherrschen.

Mal zweiOstkurve, Einlaufen, Teil zwei

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Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 3:3 (11.11.2006)

SpielerdankHabt gut gespielt. Bravo!

Bochum spielt in Berlin und ich bin dabei. Ein kalter Tag. Ein schöner Tag. Ein unverhoffter Punktgewinn. Ein sehr schönes Wiedersehen.

VorherGleich klingelt's... 15 Sekunden vor dem 1:3!

Was Sinn macht

Brandenburger TorJaja, solche Fotos macht "man" eben in Berlin. Seht Ihr den VfL-Fan links??

Unter welches Motto stelle ich diesen Tag? Unter welches? "Berlin, Berlin, ich fahre nach Berlin"? Nein, zu alt, zu abgedroschen, zu falsch. War ja schon das ein oder andere Mal hier - zuletzt vor zwei Jahren, na klar, beim letzten VfL-Gastspiel im Olympiastadion. "Da simmer dabei, dat is pri-hi-ma"? Ganz 11.11.-like? Nein, bin kein Karnevalsfreak. Um kurz nach halbneun prasselt das heiße Duschwasser auf meine Birne, wechsle dann die Wassertemperatur in eisige Kälte, schon mal an den Tag gewöhnen? Naja, so kalt wirds nicht sein, ich nehm mal keine Jacke mit. Welches Motto? Erst einmal: Bloß nicht zu spät kommen. Ich fahre mit dem Smart zum Bahnhof (peinlich, eine Strecke von 700 Metern), suche und finde einen Parkplatz, steige aus und springe direkt in den Regionalexpress Richtung Essen. Hätte keine Sekunde später sein dürfen.
Es ist fast 9.30 Uhr, als ich den ICE Richtung Berlin Hauptbahnhof betrete. Es ist ein zwei-, nein sogar dreifach komisches, seltsames, ungewohntes, lang nicht gekanntes Gefühl. In der Magengegend, im Kopf, in den Beinen. Mir will einfach kein Motto einfallen. Aber warum muss es immer ein Motto sein? Diese heutige Fahrt wird meine Zug-Premiere in der Saison 2006/2007. Kaum zu glauben, aber alle Auswärtsspiele bereiste  ich bisher mit dem Auto. Ja, Berlin, meine heimliche, unheimliche Liebe. Ich sage immer, irgendwann werde ich dort mal wohnen, weiß man, ob's je passiert? Ich setze meinen Fuß in den ICE, weiß, dass ich ihn erst  in Berlin wieder verlassen werde, dieser Stadt, der ich viele Lebenserfahrungen verdanke, obwohl ich doch so verflucht selten dort weilte. Motto? Nein, ich denk nicht mehr drüber nach. Bin außerdem müde, lese kurz die Zeitung, schlürfe den bei Kamps in Essen erworbenen Kakao, blättere wieder in der WAZ und taz des Tages und schlafe ein wenig zwischen Hamm und Hannover. Ist ja nur Ostwestfalen, das ich schnarchend durchquere... Ich lerne es neu, mit dem Zug zu fahren. So viele Auswärtsspiele habe ich auf diesem Weg hinter mich gebracht, so viele Geschichten erlebt, so viel aufgeschrieben an dieser Stelle. Doch ein halbes Jahr ohne Bahnfahrt - das ist eine Ewigkeit. Was soll ich zuerst für Musik hören? Was zuerst lesen? Nochmal Zeitung? Für die Uni? "1000 TIpps für Auswärtsspiele?" Eigentlich bescheuert, das ich das bei mir trage, war doch schon fünfmal im Olympiastadion. Wurscht. Ich lese quer und bin dann auch schon da. In weniger als vier Stunden braust der ICE von Essen bis Berlin, zwischendurch leuchtet "250 km/h" minutenlang auf der Anzeige, Donnerwetter.
Ich treffe mich mit einer Bekannten aus alten Jugendzeiten. Darauf freue ich mich noch mehr als auf das Spiel, in dem wir wohl eine üble Packung zu erwarten haben.
Was hat sich in Berlin geändert seit August 2004? Meine vier Stunden, die ich netto außerhalb des Olympiastadions verbringen kann, reichen wohl kaum aus, um das festzustellen. Ich belasse es beim neuen Hauptbahnhof, seit kurzer Zeit am Netz, und erschrecke doch ein wenig. Der altehrwürdige "Bahnhof Zoo" ist zu einer Randfigur im öffentlichen Nahverkehrssystem Berlins verkommen, der Kudamm fast mit, nur noch S-Bahnen und ein paar doppelstöckige Regionalzüge halten dort. Es ist fast ein wenig traurig. Der neue Kasten ist ein wenig steril, ganz Konsumtempel eben, das auch noch in Sichtweite zu Kanzleramt und Reichstag, der ehemaliger "Lehrter Bahnhof" eben. Es ist die perfekte Welt für durchzuschleusende Touristen. Ich sehe schon die "Spaziergang vom Hauptbahnhof bis zum Holocaust-Mahnmal - mit Führung in zwei Stunden"-Schilder. Ich weigere mich, ein Foto vom Bahngebäude zu schießen. Beim nächsten Mal. Vielleicht.
Es regnet. Es ist dunkel. Es ist brrrrrr kalt. Schon beim ersten brrrrrrrrrrrr Schritt bibbere ich sooooooo sehr. Brrrrrrrr... ist das KALT in Berlin! Hätte ich doch eine JACKE mitgenommen. Wenigstens zu Schal und Mütze hat's gereicht. Ich spaziere vom Hauptbahnhof Richtung Holocaust-Mahnmal, das ist das Denkmal, das hinter Reichstag, Brandenburger Tor und Hotel Adlon liegt. Holocaust-Mahnmal, viel diskutiert. Gleich. Auf dem Weg dorthin rufe ich Björn an, Ihr wisst schon, der Arzt, der mit seiner Freundin in Aachen wohnt. Er hat heute Geburtstag. Mailbox. "Stehe gerade am Brandenburger Tor". Der denkt bestimmt auch, dass der Ernst bescheuert ist. Weshalb bin ich eigentlich genau hier? Weil ich Berlin mag. Weil ich nach neun Jahren Sie wiedersehen werde. Ach ja, und weil der VfL spielt. Pfui, diese verfluchte Söldnertruppe, bin noch verdammt angefressen wegen Mittwoch. Touristengruppen drängeln durchs Brandenburger Tor, und wieder einmal bestätigt sich: Jeder, der in Berlin wohnt, wird ab dem dritten Tag höchstens bei Besuchen von Freunden in dieses Viertel zurückkehren. Einheimische gibts hier nicht. Ich spaziere zum Holocaust-Mahnmal und bin etwas enttäuscht. Auf einer Platte auf dem Boden erhält jeder Besucher Vorschriften, wie er zu gedenken hat. Das geht wohl nur in Deutschland. Holocaust regt hier nicht zum Nachdenken an, Holocaust wird hier konsumierbar. Massen gehen entlang, am Rand sind wie ich das sonst nur in den USA gesehen habe,  Postkarten-Stände, Fast-Food-Restaurants mit Blick auf die Stelen, Kinder spielen ,Verstecken',. Schnell weg hier. Eine Woche nach Bergen-Belsen ist das nun wirklich keine gelungene Alternative. Halbzwei, inzwischen habe ich mit meiner Abendbegleitung das Prozedere abgesprochen und laufe zur S-Bahn-Station "Unter den Linden". Ich steige die Treppen hinab, ein junger Kerl, sieht nach Student aus, hockt auf dem Boden, nimmt seine Gitarre und stimmt "Where the streets have no name" von U2 an. Ist so schön. So nachdenklich. So passend für Berlin? Passend. Die Musik zum Herbst. Zum Tag. Zum VfL. Irgendwie. Motto? Möglich. Überschrift? Ich weiß nicht. Machts SInn?
Umsteigen Friedrichstraße. Rein in die S75. Ab zum Olympiastadion. Hab noch keine Karte, dürfte aber kein Problem werden. Wird es auch nicht. Hab eigentlich noch keinen Bock, die ganze Köppe in meiner Mannschaft wiederzusehen. Wobei es auswärts ja doch bisher ganz ordentlich funktioniert hat. Kalt ists immer noch, brrrr, ein wenig habe ich mich an die Kälte aber doch gewöhnt (oder ist bei mir schon alles abgestorben?), die Stadion-Bratwurst mundet nur ein wenig, und interessiert blättere ich im 100 Seiten dicken "Herthaner", ziemlich oft zur besten Stadionzeitung der Bundesliga gekürt. Irgendwie schlage ich die Stunde bis zum Anpfiff tot, soso, hier fand also das WM-Finale statt, hier versenkte Zidane so unnachahmlich den Elfer, hier versemmelte er ein glorreiches Karriereende, soso - erinnere ich mich - am Brandenburger Tor war also diese berühmte WM-Meile mit Hunderttausenden, Anpfiff. Nach neun Minuten verpatzt Butscher den Ball 25 Meter vor unserem Tor, ganz übler Fehler, Pantelic lupft, Tor, 1:0 für Hertha, heute Kinder wird's was geben. Etwa 600 unentwegte Bochumer sind dabei, einer verteilt immerzu Visitenkarten mit der Adresse des örtlichen Fanklubs ("Bochumer Botschaft in Berlin oder so ähnlich), die Ultras haben nicht wirklich Lust aufs Anfeuern, hat doch alles keinen Zweck, Hertha spielt seinen Stiefel herunter, noch nie war die Stimmung bei einem Auswärtsspiel so schlecht und die Partie selbst von beiden Seiten furchtbar. Alle Befürchtungen bestätigen sich leider und JEDER denkt wohl so wie ich: Warum? Warum hier? Warum ich? Die Frage aller Fragen für die VfL-Fans. Das Spiel ist laaaaaangweilig, ich spüre die Kälte wieder, hätte ich doch das Treffen vorgezogen. Grausam. In Minute 38 dann Ecke für uns, inzwischen halten unsere Jungs wenigstens etwas mit und kombinieren zuweilen ganz annehmbar, aber Ecken haben doch noch nie was gebracht in dieser Saison. Und wenn ich dann auch noch Misimovic sehe, dem bedeutet der Verein auch gar nichts. Sauer. Misimovic läuft an, Gekas köpft, Tor? TOR! 1:1!! Keiner kanns glauben! Keiner! Erst leichter Applaus, dann Jubelschreie, dann erstmals der laute "V-f-L", "V-f-L"-Chor und Pfiffe auf der anderen Seite des nur spärlich gefüllten Runds. 1:1! IN BERLIN!!! Muss mich an den Gedanken gewöhnen. Geht hier was? Hertha ist nervös. Chahed verliert den Ball so leichtfertig wie Butscher vor dem 0:1. Flanke Trojan, Misimovic - MACH IHN REIN! MACH IHN REIN! - TOOOOOOOOOR!!! Nachspielzeit der ersten Hälfte, 2:1 für den VfL, fast schon unbeschreibliche Jubelbilder, das gibts doch gar nicht. Unverhoffter kamen zwei Tore noch nie. 2:1-Führung, manmanman, dieser Verein, diese Mannschaft, alle machen mich fertig. So 'ne Scheiße, das heißt, dass wir den Koller noch eine Woche länger ertragen müssen. Pause. Pause vorbei. Zweite Halbzeit, Freistoß am 16-Meter-Raum. Schnell noch knipsen, vielleicht passiert ja was. Unser zuweilen zu genialen Momenten neigender Spielmacher läuft an, und heute ist er genial drauf. Anlauf, Winkel, TOOOOOOR, 3:1 in der 48. Minute. DREI ZU EINS!!! WIR! Wir sind LETZTER!!! Was für ein Spiel. Misimovic mit zwei Toren und einer Vorlage - bisher hat der eigentlich nur rumgestanden in dieser Saison. Und jetzt ist er die Super-Zwetschge. Was läuft da für ein Film? Bestimmt kein guter! Einer mit Haken. Die Jungs lassen uns zittern. Erst haben sie das Geschehen unter Kontrolle, nach van Buriks Kopfball zum 2:3 in der 62. Minute nach feiner Vorlage von Gilberto und Pallas-Stellungsfehler läuft aber nichts mehr. Hertha stürmt und stürmt und stürmt, erzielt durch Zecke Neuendorf sogar den Ausgleich (77.) und hat einen Mann mehr auf dem Feld, als unser David Pallas vom Platz fliegt (87.), aber aus mir unerfindlichen Gründen schaukeln wir wenigstens einen Punkt nach Hause. "Krass", funkt VfL-Fan Dirk per sms aus München, "Ist es beim 1:3 geblieben?", fragt MSV-Fan Helmut aus Wuppertal, wo seine Frau TIna gerade Handball spielt. Nee, ist es nicht. Einen 3:1-Vorsprung zu verspielen, das macht niemandem Spaß. Aber ein Punkt in Berlin ist auf jeden Fall ein Bonuspunkt. 3:3, sechs Tore, es ist doch ein spannendes Spiel geworden. Hätte ich nie geglaubt. Niiie und nimmer!
17.35 Uhr, schnell noch der Mannschaft applaudiert, zurück zur S-Bahn, Treffpunkt mit Ihr verabreden. "Bahnhof Friedrichstraße" - in einer halben Stunde. Gut, gesagt, getan, um kurz nach sechs treffen wir uns tatsächlich dort - und verleben noch einen tollen Abend. Okay, kalt ists immer noch. Aber schön! Danke! Um Zehn geht mein Zug zurück. Es ist nicht die schnellste Verbindung, sondern ein ICE, der an wirklich jeder Station hält. Ja, sogar Stendal, sogar Braunschweig, und - bääh - Wolfsburg. Aber auch Mülheim ist ja ein Bimmelbahnhof, es ist also eine direkte Verbindung. Bis 2.47 Uhr! Ich vertreibe mir die Zeit mit Zeitungen, Büchern, einem Telefon-Interview mit dem Trainer von Galatasaray Mülheim zum Fußball-Landesligaspiel bei Tura 88 Duisburg (Endstand 1:3 aus Mülheimer Sicht). Der Trainer stapelt gerade Zeitungen am Düsseldorfer Flughafen. Unterhaltung mit Klaus. Der fährt von Hannover bis Gütersloh, ist pickepickevoll mit Alkohol, und spricht dabei den Dittsche-Dialekt. Ich höre "Where the streets have no name" im Discman (hab's sogar mit), so etwas wie der Startschuss des Tages in Berlin. Hey, ich habe die Stadt schon wieder verlassen. 84 Euro Zugfahrt für sechs Tore und ein Treffen. Selten in diesem Jahr habe ich mein Geld so sinnvoll investiert. Das hatte alles Sinn. Ich mag den Anfang des Liedes "Der achte Ozean" von Tocotronic. Stelle ich kurz vor Essen fest. In Mülheim brause ich mit dem Smart gen Wohnung. Es ist kurz vor drei. Morgen muss ich arbeiten. Vier Termine. 10.30, 11.30, 14.30 und 17.30 Uhr. Alltag. Blöder. Hätte ich doch meinen Koffer in Berlin gelassen.
Meine Wohnungstür geht leicht auf. Diesmal - beschließe ich - wird der Homepage-Text mal ganz normal. Ohne Schnickschnack, ohne Erzählebenen, andere Textformen. Ein klassischer Auswärtsspiel-Tag, ein klassischer Text, und wieder einmal nicht gewonnen. Aber auch nicht verloren. Darauf eine Coke Zero.

Weitere Berlin-Besuche mit Texten und Bildern auf dieser Homepage

12. April 2003: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 1:0 (Spielbericht bitte HIER klicken)
14. bis 18. Juni 2003: Ein kurzer Familien-Trip mit drei Generationen (Fotos und Eindrücke bitte HIER klicken)
6. März 2004: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 1:1 (Spielbericht bitte HIER klicken)
7. August 2004: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 2:2 (Spielbericht bitte HIER klicken)

Das Spiel

Unscharfer JubelDer mehr als unscharfe Jubel nach dem 1:3 - aber immerhin noch deutlich identifizierbar...
 
Einlaufen Torjubel
"Mit unsrer Stimme und Eurer Kraft wird Bochum heute platt gemacht" - so steht's auf dem Plakat der Hertha-Fans beim Einlaufen. Gibt es noch Fragen bezüglich der Erwartungshaltung?? Es stand längst 0:1 und alle VfLer hatten das Spiel abgehakt, da passierte DAS! 1:1 durch Fanis Gekas, das ist der junge Mann, der im Hintergrund den Arm hebt.
Torjubel zwei
45. Minute... und auf einmal 1:2. Das war doch des Guten zu viel für so einige... ... die dann in der eher spärlich gefüllten, eiskalten Gäste-Kurve leicht durchdrehten.
Gut Nicht so gut
Kurz nach der Pause dann dieser Zwischenstand, den ich unbedingt archivieren musste! Am Ende durfte ich dann froh sein, mit einem 3:3 nach Hause fahren zu können.

Berlin

Holocaust-Mahnmal (Wie bei Bergen-Belsen mach ichs mal "wikipedia"-neutral):
Das "Denkmal für die ermordeten Juden Europas, kurz ,Holocaust-Mahnmal' genannt, soll als Mahnmal für die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus im Holocaust ermordeten Juden dienen. Zwischen 2003 und Frühjahr 2005 wurde das Bauwerk im Zentrum Berlins auf einer etwa 19.000 Quadratmeter großen Fläche in der Nähe des Brandenburger Tores der Öffentlichkeit zugänglich. Im ersten Jahr kamen über 3,5 Millionen Besucher. Für den Bau wurden 27,6 Millionen Euro aus Mitteln des Bundeshaushalts ausgegeben. 25,3 Millionen Euro für das Stelenfeld und den Ort der Information, 2,3 Millionen Euro für den Ausstellungsbau. Die Stiftung, die das Denkmal trägt, hat einen laufenden Jahresetat von 2,1 Millionen Euro.

Deutungsversuche (nach Wikipedia):
- Die 2711 Stelen erinnern an Grabsteine. Es bestehen Ähnlichkeiten zwischen dem Mahnmal und den Sarkophag-Gräbern jüdischer Friedhöfe
- Die Stiftung sieht laut Webseite in der kaum merklichen Neigung der Pfeiler die Möglichkeit, ein "Gefühl der Verunsicherung" zu erzeugen
- Der Architekt Peter Eisenman sieht im strukturellen Aufbau des Denkmals die einem scheinbaren System inhärente Instabilität. Andere Äußerungen, insbesondere in seiner Wettbewerbsbegründung, deuten darauf hin, dass er das Denkmal als Platzhalter sieht, aus dem etwas Neues entsteht. Dies würde auch sein Zitat anlässlich der Eröffnung erklären: "Graffiti wären gut!"
- Der Förderkreis von Lea Rosh erklärt das Denkmal zum Kenotaph und vergleicht es mit Kriegerdenkmälern und Soldatenfriedhöfen. Es sei nötig, weil die meisten ermordeten Juden kein eigenes Grab hätten.
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Reichstag Vorschriften
Was sah ich Neues in Berlin? Den Berliner Hauptbahnhof, den ich zum Gedenken an den Bahnhof Zoo nicht bildlich verewigt habe. Beim nächsten Mal - versprochen. Auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Holocaust-Mahnmal kam ich zu Fuß am Reichstag vorbei. Ist doch auch was. Angekommen am Holocaust-Mahnmal nur wenige Meter hinter Reichstag und Brandenburger Tor (Regierungsviertel sozusagen) liegt diese Platte mit der Besucherordnung auf dem Boden. Sowas fällt auch nur uns Deutschen ein: Vorschriften, wie wir denken sollen. Ausschnitt: "Das Stelenfeld darf grundsätzlich nur zu Fuß und im Schritt-Tempo durchquert werden. (...) Nicht gestattet ist: Lärmen, lautes Rufen, das Mitführen von Hunden, Fahrrädern, Skateboards, Roller-Blades, Rauchen, Grillen usw."
Gedenken Nachgedacht
Noch einmal die Platte: "Sämtliche Längs- und Querachsen sind lediglich 95 Zentimeter breit. Die kreuzenden Wegachsen sind in nur wenigen Teilbereichen einsehbar. Für Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer sind 13 gekennzeichnete Wege geeignet. Diese Gänge haben ein maximales Gefälle von acht Prozent." Soso. Jedenfalls war außer dem Hauptbahnhof auch das Holocaust-Mahnmal "neu" in meinem Berlin-Kalender...

- FORTSETZUNG HOLOCAUST-MAHNMAL -
Geschichte
1988 regte Lea Rosh den Bau des Denkmals an, gründete einen Förderkreis und fand Unterstützung. Im Mai 1994 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, die erste Idee (Juni 1995) lehnte Kanzler Kohl ab. Im Juli 1997 wurden erneut Entwürfe eingeholt, der Entwurf des New Yorker Architekten Peter Eisenman und des Bildhauers Richard Serra wurde angenommen, aber im Lauf der Zeit mehrfach verändert und ergänzt. Deshalb zog sich Serra 1998 zurück. Am 25. Juni 1999 beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit den Bau des Denkmals. Der Bau begann am 1. April 2003
Kritik
Es gab und gibt kontroverse Diskussionen um Form und Größe des Denkmals.
- Vom ,Zentralrat Deutscher Sinti und Roma' wurde kritisiert, dass zwar der ermordeten Juden gedacht werde, nicht aber anderer Opfer des NS-Regimes. Die Trennung der Mahnmale wird als Separation und Hierarchisierung kritisiert
- Kritisiert wurde die Formensprache als künstlerische Beliebigkeit, die keine offensichtliche Beziehung zum Holocaust erweckt.
- Von Berliner Seite wurde kritisiert, dass der Ort des Mahnmals in das Stadtleben eingreift, und es wurde befürchtet, dass sich ein passiver Punkt an zentraler Stelle herausbildet.
- Die Kritik wurde aber im Verlauf des Planvorhabens abgeschwächt, es bleibt aber laut Wikipedia "unklar, wie sich der Mahnmalskomplex entwickelt und regional wie international angenommen wird"

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VfL Bochum - Eintracht Frankfurt 4:3 (17.11.2006)

JubelMein heutiges "Aufmacher"-Foto: Bravo für ein grandioses Spiel!

Die Reihenfolge: "Wir haben die Schnauze voll" (2.), "Wir sind hier! Wo seid Ihr?" (6.), "Oh wie ist das schön" (36.), "Ihr habt gekämpft, wir hams geseeehn" (nach dem Spiel)

MisimovicDer Knackpunkt des Spiels: Misimovic kurz vor dem Elfmeter in der 29. Minute

Ein geiler Abend

GekasGekas! Gekas! Gekas! Gekas! Gekas! Gekas!

Das sind die Abende, für die du ein ganzes Jahr alle Fußballplätze Deutschlands bereist. Das sind die Abende, die so geil sind, dass du dein ganzes Leben lang davon erzählst. "Weißte noch, damals, im November 2006, wir gegen Frankfurt, 4:3?" Das sind die Abende, die einfach nur geil sind, weil du alles durchlebst, verpackt in zwei Zeitstunden, 90 Fußballminuten: Wut, Trauer, Aggression, Enttäuschung, aber auch Euphorie, Begeisterung, Leidenschaft, du kannst alles vergessen, und das ganz ohne Drogen. 0:2 zurück, 4:3 gewonnen. Eben neun Punkte, jetzt zwölf. Eben auf einem Abstiegsplatz, jetzt nicht mehr. Eben noch erschüttert, jetzt voller Hoffnung. Eben noch die Schnauze voll, jetzt schon aufgestanden für den VfL. Eben noch sauer auf alle Spieler, jetzt sirtakitanzend "Gekas! Gekas! Gekas!" brüllen. War das geil? War das abgefahren? Lasst mich schwärmen!

2. Minute: "Wir haben die SCHNAUZE voll!"
Alle haben gesagt, dass es heute rummst. Oder "knallt" wie unser Kapitän Zdebel. Alle haben sie uns heiß gemacht auf dieses Freitagspiel, auf dieses Flutlichtspiel. Heute wird alles anders, alles! Auch mal zu Hause, punkten, gewinnen. Die A40 ist leer an diesem Freitagabend, komisch eigentlich, im Auto habe ich mehr die melancholischen Sachen drauf, wie "Hello and Goodbye" von Fury (ewig nicht gehört), "Caribbean blue" von Enya (passt eigentlich so gar nicht in meinen Musikgeschmack), "The Road to Hell" von Chris Rea (passende Überschrift für heute?), "Wie am ersten Tag" von den Ärzten (so gehts mir mit dem VfL, irgendwie). Dritte Etage, Parkhausdeck, Gerd steht heute nicht mit in der Kurve, Lupo hat angekündigt, unseren Stammplatz zu bestreiken, von Sam habe ich ewig nix gehört, mein Bruder sitzt allenfalls am Live-Ticker - so eine Niederlagenserie schlägt eben doch ein paar Wunden. Ich bin da, natürlich, ohne jede Diskussion. Dafür ziehe ich meine Arbeit sogar im extraschnellen Sauseschritt durch. Um 19.50 Uhr laufen sich die Spieler warm, und ich formuliere schon die erste sms an die ergebnisinteressierten Fußballfans Dirk und Helmut: "Hab jetzt schon den Kaffee auf. Skov-Jensen spielt". Warum wieder ein Torwartwechsel? Es gibt vereinzelt Pfiffe, nur wenige "Skov-Jensen"-Rufe. Peter Neururer ist heute Experte beim Fernsehen, wenig sensibel, sich zehn Meter vor der Ostkurve zu postieren - bei uns wünschen sich nicht wenige Fans den guten alten Schnauzbart-Pedder zurück. Zdebel heizt via Anzeigetafel an, der mehr als umstrittene Stadionsprecher (ein Plakat: "Borgmann - geh von Bord, Mann") spricht ein wenig lauter, Wolfgang Niedecken von BAP gibt ein Interview. Heiß sind wir alle schon irgendwie - aber vielleicht ist das auch nur der Flutlichtspiel-Adrenalinspiegel. Grönemeyers "Bochum" kommt wie immer grandios (ich kriege immer noch eine Gänsehaut und bin während dieser dreieinhalb Minuten kaum ansprechbar, ehrlich) - Aufstellung: Skov-Jensen für Bade, Lense für Pallas, Drsek für Dabrowski. Mal schauen. Anpfiff, Frankfurt greift an, erste Szene, Foul an Amanatidis nach 20 Sekunden, Freistoß aus 28 Metern Entfernung. Streit läuft an, schlenzt, Tor, 0:1 nach gefühlten 35 Sekunden, Skov-Jensen sieht schlecht aus. Kanns schlimmer losgehen? Auflösungserscheinung nach nur einer Minute, das haben wir beim VfL noch nie geschafft. "WIR HABEN DIE SCHNAUZE VOLL!"-Gebrülle, unglaublich laut. Das blanke Entsetzen.

6. Minute: "Wir sind hier! Wo seid Ihr?"
0:1, manmanman, kann nicht wahr sein. Wir lassen es richtig knallen, jaja, diese Sprüche kennen wir. Gut, dass Gerd nicht gekommen ist. Der hat alles richtig gemacht. Und unsereiner? Wo ist Lupo eigentlich? Er hat seine Streikdrohung wahrgemacht - einmal kurz zur Seite gedreht, er hat sich einen Block weiter nach links verzogen. Unsere sind total von der Rolle. Verlieren den Ball schnell, passen im Sekundentakt fehl. In Minute vier kommt irgendwer über rechts, ich glaub Meier, Abseits? Nee, nicht, irgendwer hat es aufgehoben, Pass in die Mitte, Streit hat keine Schwierigkeiten. 0:2. Kurz auf die Anzeigetafel geguckt. Da steht "4:25". Knallen muss es. Und es knallt, aber nur in der Kurve. Fans winken ab, die Ultras räumen das Feld, mindestens 50, 60 Leute - auch in meiner Reihe - heben die Hand und sagen: "Tschöö!" Die gehen nach Hause! Nach Hause!! Es ist still, entsetzlich still. Alles sollte anders werden. Und dann steht es nach 4:25 Minuten 0:2. Furchtbar! Die nächste Heimblamage! Was tun? Erst einmal brüllen diejenigen, die noch bleiben: "WIR SIND HIER! WO SEID IHR?" In Minute zwölf ungefähr beschließt die Trommelgruppe, ein "Hinsetzen" anzustimmen. Und viele setzen sich, ich auch. Stiller Protest. Ganz kurz überlege ich, ob ich auch fahren soll, im "Schrägen Eck" vor der Videoleinwand ist es bestimmt wärmer und gemütlicher. 0:2, kann nicht sein. Die etwa 2000 Frankfurter hüpfen, sieht recht imposant aus, ihre gute Laune ist verständlich. 2:0-Führung, Auflösungserscheinungen beim schwachen Gegner. Die Frage ist: Wie hoch wird das hier?

36. Minute: "Oh wie ist das schöööööön! Sowas hat man lang nicht mehr gesehen!"
Was tun? Unterhalten? Nö. Hinsetzen und sms schreiben: bessere Idee. "0:2 nach vier Minuten" funke ich in die Weltgeschichte. Das Spiel wird ruhiger, die Frankfurter versuchen, es locker zu kontrollieren, werden sogar etwas nachlässig. Die Ultras sind immer noch nicht zu sehen, keiner sagt mehr was. "Wir haben Heimspiel in Bochum", brüllen die Frankfurter. Richtig. In Minute 29 eine Flanke, keine Ahnung, wer's war, Gekas ist auf einmal völlig frei, fällt, ELFER! Jawoll, der Schiri pfeift! Und wenn das Elfer ist... dann ist das doch auch... und schon zückt der Schiedsrichter ROT! Rot für Vasoski. Berechtigt oder nicht - das ist mir scheißegal. Auf einmal kehren alle blitzschnell zurück auf ihre Plätze. Zwetschge Misimovic, vor drei Minuten noch als "Traumtänzer" beschimpft, verwandelt sicher rechts unten. 1:2. Vor 60 Sekunden noch sauer, enttäuscht und aggressiv, jetzt 1:2, mutig und Überzahl. Eintracht-Trainer Funkel schickt Abwehrmann Kyrgiakos zum Warmlaufen, wechselt aber nicht. Eintracht ist konfus. Minute 32, Freistoß für uns von halblinks. Misimovic läuft an, Kopfball Maltritz - TOOOOOOOOOR! 2:2!!! Mit einem Standard, bisher unsere große Schwäche. Was läuft hier für ein Film?? Chaos im Frankfurter Strafraum.. Kyrgiakos kommt, ein Stürmer, nämlich Takahara, geht. 36. Minute, wieder Freistoß für uns aus halbrechter Position. Erste Szene mit Kyrgiakos. Trojan läuft an, mit Effeeeeeet, wer ist da? Butscher ist da! TOOOOOOOOOR!!! GEDREHT!!! WAS FÜR EIN SPIIIIEL!!! 3:2! "Der Torschütze mit der Nummer 17", sagt der Stadionsprecher. "Heiko..." "BUTSCHER!" "Heiko..." "BUTSCHER!" "Heiko..." "BUTSCHER!" Meine Fresse, hallt das sensationell! "Oh wie ist das schöööön, sowas hat man lang nicht mehr geseeeeehn" rufen wir schon seit ein paar Minuten, als ob es die Anfangsphase nicht gegeben hätte. "Ja", sagt ein Fußball-Philosoph hinter mir, "ein Spiel hat eben 90 Minuten, nicht nur sechs." Pausenpfiff. 3:2. Ein paar sms schreiben, erneut. Dirk sitzt in einem Pub in Londons Chinatown und bibbert mit.

47. Minute: SIRTAKI IN BOCHUM!
In der zweiten Hälfte kann das unmöglich wieder so geil werden. Hab bei "bwin" meine letzten 10 Euro auf den VfL gesetzt, Quote 2,3. Würde 23 Euro geben! Spiel beginnt, keine Wechsel, 90 Sekunden gespielt, Trojan erobert im Mittelfeld großartig den Ball, Pass auf Gekas, der ist durch, vernascht Nikolov großartig und schiebt die Kugel rein - 4:2, jetzt ist niemand mehr zu halten. Sirtaki-Klänge im Ruhrstadion, Sirtaki! GROSS! GRÖSSER! GANZ GROSS!!! Riesenjubel, "Gekas! Gekas! Gekas!"-Rufe, nicht zum letzten Mal in diesem Spiel. Da kann nix mehr anbrennen. Nix mehr! Flanke in Minute 59, Amanatidis köpft rein zum 3:4. Skov-Jensen diesmal machtlos. Noch über eine halbe Stunde zittern, das kann heiter werden. Es wird eine spannende Schlussphase. Frankfurt wirft alles nach vorn, für uns ergeben sich mehrfach großartige Kontermöglichkeiten. Drsek schlenzt, Nikolov pariert den fast unhaltbaren Schuss. Gekas ist saugefährlich, läuft noch dreimal frei aufs Tor zu - scheitert aber immer. Trotzdem laute "Gekas! Gekas! Gekas!"-Rufe nach jedem Schuss. Insgesamt elf Ecken holen wir raus - nix passiert. Misimovic hat einige gute Ideen, ein fünftes Tor gelingt nicht. Auf der anderen Seite Frankfurt. Einige Torschüsse, einige gefährliche Flanken und in Minute 89 ein Schuss, den ich schon drin sehe, doch der Ball geht vorbei. Drei Minuten Nachspielzeit sind angezeigt. Gerd, bist Du blöd, dass Du nicht hier bist. Lupo kommt rüber und freut sich: "Hat doch was gebracht!" Teile der Ultras sind zurückgekehrt, alle versöhnt. Dann: ABPFIFF! 4:3 GEWONNEN!!! Ist das eine Erleichterung.

Nach dem Spiel: "Ihr habt gekämpft, wir hams geseeeehn!"
Es folgen großartige Versöhnungsszenen. Wir sind weg vom Abstiegsplatz. Lieber Marcel Koller! Haben Sie jetzt endlich geschnallt, was wir Bochumer sehen möchten?? Eine nie aufsteckende Mannschaft, die in der Offensive etwas zu bieten hat. Die Spieler tanzen im Kreis, haben diesen Heimsieg gebraucht. Genau wie wir. Dann "La Ola" zum Sprechchor "Ihr habt gekämpft, wir hams geseeeeehn". Keiner hat mehr die Schnauze voll. 4:3. Unfassbar. Mit einer Kneipen- und Discotour in Mülheim feiere ich mit sechs, sieben Leuten den Dreier. Erst im "Schrägen Eck", dann in "Murphys Kleeblatt" (der unterschätzte Irish-Pub) mit Live-Musik einer Cover-Gitarrenband von "Shine on you crazy diamond" bis "Highway to hell", schließlich im "Freeland" mit ungewohnter House-Musik und zum Abschluss mit Dart und Billard im "Bunten Bär". So gehts. Ihr habt gekämpft, wir hams geseeeehn.
Wenn Ihr Euch fragt, wie ein perfekter Fußball-Abend aussieht: Dann lest Euch ab sofort immer wieder diesen VfL-Tagebuch-Eintrag durch. Verrückter kanns kaum werden.

Der verrückte Spielverlauf
 
Tafel 1 Tafel 2
So etwas habe ich - siehe VfL-Statistik - beim VfL noch nie erlebt. Aus 0:2 mach... ... 4:3, das Ganze in weniger als 25 Minuten! Das erste 4:3 in meiner VfL-Geschichte.

Der Jubel
 
Jubel 1 Jubel 2 Jubel 3
Und weil es so selten vorkommt, gibt es diesmal gleich drei Jubelfotos... ... der Sprechchor zu diesen Bildern lautete: "Ihr habt gekämpft, wir hams geseeehn!" Und die "La Ola"-Orgie hörte nicht auf und traf sogar Block A. Ja, so etwas kann man getrost die große Versöhnung nennen.

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FC Schalke 04 - VfL Bochum 2:1 (24.11.2006)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 3 nachzulesen !

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VfL Bochum - Hamburger SV 2:1 (2.12.2006)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 3 nachzulesen !

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VfL Bochum - Borussia Mönchengladbach 2:0 (15.12.2006)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 3 nachzulesen !

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VfL Bochum - VfB Stuttgart 1:4 (DFB-Pokal/19.12.2006)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 3 nachzulesen !

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VfL Bochum - FSV Mainz 05 0:1 (27.1.2007)

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FC Bayern München - VfL Bochum 0:0 (30.1.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 4 nachzulesen !

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FC Energie Cottbus - VfL Bochum 0:0 (3.2.2007)

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VfL Bochum - 1. FC Nürnberg 0:2 (11.2.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 4 nachzulesen !

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Arminia Bielefeld - VfL Bochum 1:3 (18.2.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 4 nachzulesen !

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VfL Bochum - Alemannia Aachen 2:2 (24.2.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 4 nachzulesen !

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SV Werder Bremen - VfL Bochum 3:0 (3.3.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - Borussia Dortmund 2:0 (10.3.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Wolfsburg - VfL Bochum 3:1 (17.3.2007)

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VfL Bochum - Hannover 96 2:0 (1.4.2007)

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Bayer Leverkusen - VfL Bochum 1:4 (8.4.2007)

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VfL Bochum - Hertha BSC Berlin 1:3 (14.4.2007)

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Eintracht Frankfurt - VfL Bochum 0:3 (21.4.2007)

... ist im VfL-Tagebuch 2006/2007 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Schalke 04 2:1 (27.4.2007)

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Hamburger SV - VfL Bochum 0:3 (5.5.2007)

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VfL Bochum - VfB Stuttgart 2:3 (12.5.2007)

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Borussia Mönchengladbach - VfL Bochum 0:2 (19.5.2007)

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Diese Seite wurde zuletzt geändert am 21.5.2007
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