Super Bowl 52 – 8. Tag – 4. Februar

Ich bin drin! Wirklich drin!

Ich bin drin! Wirklich drin!

Lange habe ich überlegt, wie ich Euch den schönsten Tag meines Berufslebens, oh ja, das war er, schildern soll: Mit Bildern? Einem durchgeschriebenen Text? Stichworten?

Am besten geht das, wie ich finde, mit einem Zeitraffer. Und so nehme ich Euch mit auf die Reise nach Minneapolis, ins US Bank Stadium, zum Super Bowl LII. Zur 52. Auflage des größten Einzelsportereignisses der Welt. Ich hoffe, die Schilderung der Ereignisse ist annähernd so kurzweilig wie das Ereignis selbst für mich.

11.40 Uhr: Am frühen Morgen habe ich getrödelt. Wieder ausgeschlafen, danach wahllos YouTube-Videos angeschaut, ein paar Spielchen gespielt, doppelt so lang geduscht. Ich verlasse erst spät mein Hotelzimmer. Hatte gehofft, bis zwölf Uhr noch ein Frühstück im Hotel-Bistro zu bekommen – vergeblich. Also noch schnell in die Mall of America, bei Carlos Bäckerei zwei Croissants und eine Flasche Wasser für den Weg kaufen. Schlange, hilfe. Sechs Dollar. Noch knapp fünfeinhalb Stunden bis zum Kick-off.

Ein unfassbares Stadion!

Ein unfassbares Stadion!

12.30 Uhr: Pünktlich sitze ich im Shuttlebus. Selbstverständlich im ersten Richtung US Bank Stadium – man kann nie früh genug dran und drin sein. Eine halbe Stunde Busfahrt nach Minneapolis Downtown, das bedeutet: Einmal noch ins endlose Weiß schauen; draußen sind‘s wieder knackige minus 20 Grad. Coach Esume von Pro7 sprach in seinem endlosesten Facebook-live-Video am Vormittag sogar von minus 26 Grad. Ohne Balsam würden die Lippen explodieren. Nanaaa, das ist dann doch übertrieben.

Nur damit es jeder weiß!

Nur damit es jeder weiß!

13 Uhr: Oder doch nicht? Die 50 Meter von der Bushaltestelle zum Security-Check für Journalisten fühlen sich an wie 5000. Und dann ist da auch noch eine Riesenschlange wie vor der Achterbahn im Phantasialand bei 25 Grad. Plus wohlgemerkt. Die Erleichterung kommt nach drei Minuten in der Schlange. Nur die Fotografen und TV-Teams müssen länger stehen bleiben, die „Normalos“ können links vorbei. Sorry, tut mir leid, sorry, sorry, excuse me. Noch viereinhalb Stunden bis zum Kick-off.

13.15 Uhr: Ein Mann, der so aussieht wie der Sänger von ZZ Top, filzt mich von oben bis unten – schlimmer als in der Gästekurve vor einem Revierderby. Verwunderlich, dass ich mich nicht entkleiden muss. Okay, ich nehme es hin, ist ja für einen guten Zweck. Nach knapp drei Minuten Check erfahre ich, dass der Mann aus Tampa kommt, ihm schnurzpiepegal ist, wer gleich das Spiel gewinnt, und darf rein. Rein! Das Spiel rückt näher. Mittlerweile bin ich sogar wieder etwas skeptisch geworden. Irgendwas muss doch noch schief gehen.

Das Überlebenspaket!

Das Überlebenspaket!

13.25 Uhr: In einem Nebengebäude des Stadions ist das große Super-Bowl-Medienzentrum untergebracht, noch viel größer als das Zentrum in der Mall of America. Ich bin wirklich einer der ersten Journalisten hier. Die TV-Teams haben bereits ihre Boxen im Stadion bezogen, von den Fotografen und „Schreibenden“ schlafen viele offenbar noch. Das finde ich saugut, denn am Journalisten-Büffet kann ich mich reichlich bedienen. Und, liebe Freunde, ein solches Büffet habe ich bei einem Sportereignis noch NIE gesehen. Station eins: Pulled-Pork-Burger. Station zwei: Self-Service-Wraps mit Zutaten aller Wahl. Station drei: Salat und Soße, ob nur als Salat oder für den Wrap. Station vier: Süßigkeiten. Station fünf: Getränke aller Art. Junge! Hab mich erst einmal satt gegessen. Das würde bis zum Kick-off genügen.

Der etwas andere Aufstellungsbogen.

Der etwas andere Aufstellungsbogen.

14 Uhr: Noch dreieinhalb Stunden bis zum Kick-off. Ich bin satt und könnte ein Schläfchen vertragen. Inzwischen ist es etwas voller geworden, gegenüber sitzen TV-Reporter aus Philadelphia, die offenbar nicht so ganz glauben können, dass sie wirklich hier sind. Viele, viele Fernseher laufen selbst in den verwinkeltsten Ecken nonstop und zeigen – natürlich – NFL Network. Bin schon froh, zu Hause wieder ganz normale Netflix-Sendungen schauen zu dürfen. Hall-of-Famer Michael Irvin, im NFL Network die ganz große Nummer, diskutiert mit Arizona-Cardinals-Receiver Larry Fitzgerald (der aus Minneapolis kommt), was die größten Problemzonen der beiden Teams sind. Als ob er das nicht acht Tage lang mit 200 anderen Experten schon gemacht hätte. Trotzdem hören viele zu. Ich auch.

14.02 Uhr: Breaking News. Die Patriots treffen am US Bank Stadium ein! Dreieinhalb Stunden vor dem Kick-off. Wäre in der Bundesliga unmöglich. Da öffnen die Stadiontore ja erst zwei Stunden vor dem Anpfiff.

Der blinkende Budweiser-Becher!

Der blinkende Budweiser-Becher!

14.40 Uhr: Die Zeit verfliegt mit bloggen, Michael Irvin zuhören, Unterhalten mit Kollegen und Kekse essen wie im Flug. Ich bemerke, dass Irvin und Fitzgerald nur im Anzug im Stadion sitzen. Hatte gedacht, dass das Dach die Temperatur von minus 20 auf minus zwei Grad runterheizt – aber so warm? Ich erkundige mich und erfahre: Nee, eine Heizung, die Wärme von 67.000 Zuschauern und noch ein paar Tricks sorgen für angenehme 20 Grad plus. Haha, dann hätte ich die lange Unterwäsche gar nicht anziehen müssen. Fuck, sind zwar noch 2:50 Stunden bis zum Kick-off, aber ich gehe jetzt rein und suche meinen Platz. Keine Ahnung, wie lang das dauert.

15.05 Uhr: Ich! Bin! Drin!!! Ich sitze in Sektion 327, Reihe 13 auf Platz 6. Jaaaaa! Der Traum ist in Erfüllung gegangen, der kleine Andi Ernst aus Mülheim-Broich hat‘s zum Super Bowl 52 nach Minneapolis geschafft. Niemand nimmt mir das mehr! Niemand! Jaaaaaa! Zeitmaschine: Ein paar Minuten vorher. Der Weg vom Presseraum bis zum Platz ist nicht ganz unproblematisch. Ihn zu finden: kein Problem. Raus aus dem Medienzentrum, rein ins Stadion. Nur zehn Meter durch minus zwanzig Grad, auszuhalten. Doch dann beginnt das Warten. Waaarten. Waaaaaaarten. Doch der Aufzug kommt einfach nicht. „Du kannst auch die Treppe nehmen“, sagt ein freundlicher Mann in einem sündhaft teuren Anzug. Alles klar, wird schon nicht weit sein. Wo geht‘s entlang? Ach, da geht‘s entlang. Und wer schon einmal im Mönchengladbacher Stadion vom Presseraum bis zur Pressetribüne die Treppen benutzt hat, der weiß, warum ich jetzt sage: ALTER, WAR DAS STEIL! Mein konditionell desaströser Zustand gab mir natürlich den Rest. Und als ich Section 327 erreichte, war ich erst einmal eins: nee, nicht glücklich, sondern außer Puste. Doch mein Dopaminspiegel war noch hoch genug, um endlich DAS Stadion sehen zu wollen. Also ging ich rein und …

Pink singt die Nationalhymne.

Pink singt die Nationalhymne.

15.05 bis 16.15 Uhr: … genoss erst einmal. Ich setzte mich auf meinen Platz, zwischen chinesischen und italienischen Reportern, und schaute über eine Stunde in dieses Wahnsinnsteil. Erst einmal musste ich mich in der Tat meiner Jacke und meines Schals entledigen. Die Kollegen hatten nicht gelogen. Angenehme 20 Grad machten die Super-Bowl-Arbeit zu einem Vergnügen. In Deutschland hatte ich noch von „Ice Bowl“ gesprochen und wie schlimm doch alles wäre. Ein Stadion mit vier Rängen – hab ich noch nie gesehen. Ein Stadion mit einer Glasfront und zur Hälfte einem Glasdach – hab ich noch nie gesehen. Ein Stadion, das so steil ist – hab ich schon gesehen, damals am alten Bökelberg. Ein Stadion mit zwei Anzeigetafeln, die so groß sind wie ein Fußballfeld – hab ich noch nie gesehen. Der Moderator unternimmt immer wieder Fan-Soundchecks – und direkt der erste ergibt: Die Fans der Philadelphia Eagles werden in der Überzahl sein. „Fight Eagles fight“, „Fly Eagles fly“ – im Wechsel, immer wieder, laut. Schon ab 15.30 Uhr wärmen sich die ersten Spieler, nach welchem System auch immer. Als Tom Brady kommt, buhen viele Fans.

Touchdown - oder nicht?

Touchdown – oder nicht?

16.15 bis 17.15 Uhr: Okay, genug geschwärmt. Ist ja auch Arbeit hier. Gefordert ist ein aktueller Super-Bowl-Bericht möglichst mit Spielende – und beim American Football mache ich das nicht oft. Also durchforste ich die zahlreichen Unterlagen, die vor mir liegen. Da wäre der Aufstellungsbogen – darauf stehen nicht 18 Spieler pro Mannschaft, wie beim Fußball, sondern 53. Mit Aussprachehilfe. Das twittere ich, kommt gut an. Das dicke Super-Bowl-Programmheft kann ich bei der Vielzahl der Informationen nur durchblättern. Zwischendurch unterhalte ich mich Kollege Patrick von den Ruhr Nachrichten, der auch in Reihe 13 sitzt, verputze ich einen Apfel und ein Sandwich. Ein Survivalpack steht ebenfalls für jeden bereit. Soll ja niemand umfallen. Für zwei kühle Getränke muss ich aber einmal die Treppe hinunter – doch da stehen zwei Eistruhen bereit. Zwei Dosen Pepsi – bitte, danke, wieder hinauf.

Timberlake - und ein Prince-Hologramm.

Timberlake – und ein Prince-Hologramm.

17.15 bis 17.30 Uhr: In Minneapolis geht die Sonne unter. Das ergibt ein prächtiges Farbenbild auf dem Glasdach. Pünktlich dazu fällt das Presse-WLAN aus – doch das ist mir scheißegal. Es wird ernst. Beide Mannschaften stürmen den Platz, HILFE, ist das laut. Die Eagles-Fans haben immer noch ganz eindeutig die Oberhand. Leslie Odom betritt das Feld. Stille. Alle stehen auf. Der Grammy-Gewinner singt formidabel „America the beautiful“. Die Gewissheit zu haben, dass da draußen 900 Millionen Menschen weltweit dieses Ereignis sehen, und ich zu den 67.000 im Stadion gehöre – das ist unbezahlbar. Der Applaus für Odom ist kaum verstummt, da wird es noch lauter. Pink betritt den Platz. „Oh say can you seeee…“ Die amerikanische Nationalhymne. Mehr Pathos geht nicht. Ja, es gibt viel zu kritisieren an der amerikanischen Politik, an Trump, an den Leuten hier, jajaja, ich weiß das doch alles. Doch scheiße nochmal, sowas ist ein Gänsehaut-Moment – und ja, ich muss schwer schlucken. Die Gewissheit, das miterleben zu dürfen: Dieses Gefühl geht nie wieder weg. Ein Veteran des zweiten Weltkrieges übernimmt den „coin toss“, also den Münzwurf, der bestimmt, welches Team zuerst den Ball erhält. Naja.

FUMBLE! Und die Eagles jubeln!

FUMBLE! Und die Eagles jubeln!

17.30 bis 19 Uhr: Auch wenn vor dem TV Football-Spiele wegen der vielen Pausen manchmal etwas langatmig erscheinen: Ich genieße jeden Moment und will am liebsten, dass es endlos weitergeht. Dazu trägt natürlich ein sensationell geiles Spiel bei. Noch nie in einem NFL-Spiel wurde der Ball über so viele Yards bewegt – es sind 1151. Tom Brady knackt seinen eigenen Super-Bowl-Rekord mit 505 erworfenen Yards – und das mit 40. Nick Foles schreibt seine eigene Cinderella-Story, ist der erste Quarterback, der einen Touchdown wirft und selbst fängt. Doch der Reihe nach – erst einmal zur ersten Hälfte: Es beginnt ausgeglichen. Ein Field Goal für die Eagles, eins für die Patriots – 3:3 nach acht Minuten. Dann kann die Show starten. Wahnsinnspass von Foles, Wahnsinnscatch von Alshon Jeffery – Touchdown. Jake Elliott verpatzt den Extra Kick, egal. Einen Drive später verschießt Stephen Gostkowski ein Field Goal – 9:3 nach dem ersten Viertel. Dabei bleibt es nicht: LeGarette Blount läuft in die Endzone – es steht aber nur 15:3, da die Two-Point-Conversion der Eagles nicht sitzt. Brady, wo bleibt Brady? Ja, man, Brady kommt und liefert. Zuerst gelingt Gostkowski ein Field Goal, dann läuft James White zum Touchdown. Philadelphia führt mit 15:12 und hat nur noch zwei Minuten, um zu erhöhen. Da gibt Headcoach Doug Pederson einen riskanten Playcall aus – die Eagles tricksen. Foles fängt den Ball selbst in der Endzone: 22:12 zur Pause. Damit hatte Titelverteidiger New England nicht gerechnet.

Die Eagles haben erstmals gewonnen!

Die Eagles haben erstmals gewonnen!

19 bis 19.30 Uhr: Puh, Pause. Durchatmen. Langsam ein und aus. Spinne ich oder ist das hier ein Offensiv-Feuerwerk? Ich klappe mein iPad auf, tippe ein paar Zeilen für den Spielbericht – doch keine Chance: Das Licht geht aus. Hunderte Helfer haben die Spielfläche in eine Riesendisko verwandelt. Justin Timberlake kommt, 30 Minuten Pepsi-Halftime-Show mit allem Brimborium. Ist nicht meine Musik, aber das Prince-Hologramm als Hommage an den berühmtesten Sohn der Stadt Minneapolis ist schon ganz schick.

19.30 bis 20.45 Uhr: Zweite Halbzeit. Es wird episch. Die bei jedem Touchdown blinkenden Becher von Budweiser, die auch jeder Journalist erhalten hat, leuchten ununterbrochen. Brady findet Rob „Gronk“ Gronkowski – 19:22. Die Zuschauer denken an ein Revival des Super Bowl 51, als die Patriots ein 3:28 gegen die Atlanta Falcons noch aufholen konnten. Doch weit gefehlt: Foles ist während der Pause nicht eingeschlafen. Ein 22-Yards-Pass auf Corey Clement – schon sind es wieder zehn Punkte Vorsprung: 29:19. Der Schiedsrichter überprüft den Touchdown am Bildschirm – und auch die Zuschauer sehen alle Zeitlupen. Interessantes Konzept. Müsste man mal in der Bundesliga bei Schalke gegen Dortmund ausprobieren. Und weiter im Punkte-Fest: Brady auf Hogan – Touchdown. Gegenzug: Elliott – Field Goal. Es wird knapper, die Eagles führen nur noch mit 32:26. Wird Brady wieder der Held? Sieht so aus: Nur Augenblicke später findet Brady Gronk zum zweiten Mal, Gostkowski trifft souverän den „Point after Touchdown“ – die erste Patriots-Führung. 33:32. Neun Minuten sind noch zu spielen. Es ist laut, keiner steht mehr, die Eagles-Fans zittern: Für sie wäre es der erste Super-Bowl-Sieg! Die 53 Spieler und der Coaching Staff wären Könige von Pennsylvania. Das weiß Foles, doch nervös wird er nicht. Geduldig führt er die Eagles Stück für Stück an die Patriots-Endzone heran – und findet dann Tight End Zach Ertz. TOUCHDOWN, 2:21 Minuten vor dem Ende. Der Versuch einer Two-Point-Conversion misslingt erneut; trotzdem führen die Eagles mit 38:33.

MVP Nick Foles

MVP Nick Foles

20.45 bis 21.55 Uhr: Die letzten zweieinhalb Minuten netto dauern 30 Minuten brutto. Es ist ein Spielverlauf wie für den Hollywood-Helden Brady gemacht. In 141 Sekunden das Feld überwinden, einen Touchdown werfen, den sechsten Ring holen. Die meisten im Stadion und die meisten der 900 Millionen Zuschauer wünschen sich, dass die „Pats“ einmal nicht gewinnen, aber klappt das auch? Twitter explodiert. Und Brady? Bisher spielt er, das bezweifelt niemand, sensationell gut, doch dann… lässt er sich den Ball von Brandon Graham aus der Hand schlagen. FUMBLE! Irre Szenen spielen sich ab, die Eagles laufen kreuz und quer über den Platz. War‘s das? Jake Elliott trifft zum Field Goal; jetzt steht‘s 41:33. In 58 Sekunden muss Brady das Feld überwinden, einen Touchdown werfen, mit anschließend gelungener Two-Point-Conversion. Wer wenn nicht Brady sollte dieses Wunder schaffen? Und mit dem letzten Wurf bekommt Brady die Chance einer „Hail Mary“. Das ist die Verzweiflungs-Bogenlampe in die Endzone – Tausend Arme strecken sich in die Luft, und irgendeiner fängt. Das führt schon mal zu einem Touchdown.

Diesmal nicht.

Dafür bekam ich ein RT von LeGarette Blount.

Dafür bekam ich ein RT von LeGarette Blount.

Ende. Die Eagles gewinnen. Fly Eagles fly. Konfettiregen, Jubel, noch mehr Jubel, Tom Brady schleicht geschlagen vom Feld. Nick Foles, dieser schüchterne, unscheinbare Typ, ist der Held. Er wird zum most valuable player (MVP), also zum wertvollsten Spieler, gewählt. Verdient. Ich genieße die Augenblicke der Siegerehrung, hören mir die ersten Interviews an, sammle alle Momente ein und verstecke sie für dunkle Arbeitsstunden. Dann schicke ich meinen Spielbericht um 21.53 Uhr amerikanischer Zeit – also um 4.53 Uhr deutscher Zeit. Das wundervolle Stadion ist da schon wieder halbleer.

21.55 bis 22.45 Uhr: Durchs Treppenhaus geht‘s hinab auf Rasenebene zu den „Postgame Interviews“. Eagles-Trainer Pederson und MVP Foles bekommen eine eigene Pressekonferenz, die wichtigsten sechs Spieler sitzen auf einem Podium. Feuer frei für alle Fragen, kein Aufpasser einer Presseabteilung sitzt daneben. LeGarette Blount hat seine Kinder dabei. Ich switche von Spieler zu Spieler, schreibe nichts mit – das Wichtigste bekomme ich ohnehin online bzw. kann es mir merken. Brandon Graham, der Mann, der Brady schlug, steht unmittelbar neben mir. Als der wirklich letzte Spieler wieder im Kabinengang verschwindet, einen Zugang zur Umkleide habe ich leider nicht, treffe ich Kollege Stefan vom Huddle. Schön, ein bekanntes Gesicht zu sehen und über das gerade Geschehene zu reden. Ich plaudere vor mich hin, er ist da gelassener. Für ihn war es der vierte Super Bowl. Aber auch er muss gestehen: Stadion großartig, Spiel großartig – unvergesslich.

Der Matchwinner: Brandon Graham.

Der Matchwinner: Brandon Graham.

22.45 bis 23 Uhr: Für ein Kaltgetränk in Minneapolis Downtown habe ich aber keine Zeit mehr. Stefan und ich schlendern ein wenig ums Stadion herum, journalistisch gibt es jetzt nichts mehr zu holen. Dann gehen wir unserer Wege. Ich ziehe mir meinen Kragen nach ganz oben, aus plus 20 sind wieder minus 20 Grad geworden und laufe etwas verwirrt, weil geflasht, durch die Gegend. Schließlich finde ich den Busshuttle, steige ein und verabschiede mich leise vom US Bank Stadium. Mag sein, dass die NFL eine Krise hat. Mag sein, dass die TV-Quoten sinken. Mag sein, dass die Anti-Rassismus-Diskussionen die Mehrheit der US-Bürger nervt, die schweren Kopf-Verletzungen abschrecken – ja, erwähne ich alles in meinen Artikeln, wenn ich mich wieder gefangen habe. Jetzt bin ich emotional aufgeladen.

23 bis 23.30 Uhr: Im Shuttlebus zurück zum Hotel versuche ich bereits, meine Emotionen zu kanalisieren. Geschichten gibt es genug zu erzählen. Die große Frage ist: Welches Funke-Haus will welche geliefert bekommen? Ich schnappe mir mein iPad, notiere mir erste Formulierungen – und dann schmeißt mich der Busfahrer auch schon vor dem Marriott-Hotel am Airport hinaus.

23.30 bis 0.30 Uhr: Auf Zimmer 216 checke ich erst einmal alle sozialen Netzwerke. Wer hat wie auf meine Einträge bei Twitter, Facebook und Instagram reagiert? Steht mein Text schon online? Steht er, gut. Dann schnappe ich mir mein iPad, klappe es auf – und direkt wieder zu. Ich drücke den „Stopp“-Knopf. Wenigstens für heute. Jetzt will ich emotional ins Bett gehen, nicht nüchtern. Der schönste Tag meines Berufslebens geht vorbei. Um halb eins knipse ich das Licht aus.

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Super Bowl 52 – 7. Tag – 3. Februar

Beim Blick auf den Kalender kommt die Gewissheit: Die Zeit hier in den Staaten geht zu Ende. Nur noch einmal schlafen, dann packe ich meinen Koffer, nur noch zweimal schlafen, dann kaufe ich Souvenirs und steige in den Flieger nach Hause. Das alles fühlt sich einerseits sensationell an, weil ich endlich meine Frau und meine Tochter wiedersehen kann – andererseits aber komisch, weil der Höhepunkt dieser großartigen Reise noch bevorsteht.

F084AE6B-C09D-4BB3-9DDA-443E4E6D6277Morgen! Super Bowl 52! Zweifelsohne DAS Highlight meiner bisherigen Berufslaufbahn – dagegen waren das Champions-League-Halbfinale Schalke gegen ManUnited, das DFB-Pokalfinale Schalke gegen MSV Duisburg oder das 4:4 zwischen Deutschland und Schweden nichts.

Der letzte Tag vor dem „SB LII“ stand im Zeichen der Vorbereitung. Als ich heute Morgen um 8.40 Uhr aufwachte (endlich mal ohne Wecker, ohne App „Sleep Cycle“) merkte ich, wie gut mir der Freitagnachmittag ohne Sport getan hatte. Einmal das Gehirn durchzupusten mit Sightseeing, Fernsehen und einem Film – das war eine gute Idee. Okay, es hätte etwas wärmer sein können…

Bahnfahrt bis Nicolett Mall!

Bahnfahrt bis Nicolett Mall!

Ich checkte nach dem Aufstehen noch einmal, ob ich für die Online-Portale der Gruppe und unser ePaper-Produkt „WAZ am Sonntag“ genug SB52-Stoff geliefert habe – und ja, manchmal zahlt sich Vorbereitung aus. Den Text über Coach Esume für das Abendblatt arbeitete ich in ein 4700-Zeichen-Interview für die NRW-Leser um (die ja die Hamburg-Variante nicht kennen), formulierte dazu noch ein 1300-Zeichen-Stück über Eagles-Quarterback Nick Foles – und mein bereits vor dem Abflug vorbereitetes Stück „Die Positionen im Football“, für das ich Pro7-Experte Roman Motzkus befragt hatte, ging ebenfalls heute aufs Portal.

Die Patriots-Cheerleader bis minus 7 Grad...

Die Patriots-Cheerleader bis minus 7 Grad…

Mehr benötigten die Produkte der Funke-Gruppe heute nicht – denn an Samstagen geht es nie, niemals, nie um Football – auch nicht am Super-Bowl-Wochenende. Und so schaltete auch ich nach dem Aufstehen mein iPad auf Bundesliga-Modus und verfolgte die aktuellen Spiele bis 10.25 Uhr amerikanischer Zeit. Zwischendurch skypte ich ein wenig mit der Familie. Als ich anfing, führte Schalke noch mit 1:0, als ich aufhörte, stand es 2:1 für Werder Bremen. Au weia, da wird die Redaktion wohl brennen.

Das ist mal ein Donut, woll?

Das ist mal ein Donut, woll?

Nach einer heißen Dusche ließ ich ein wenig Tageslicht ins Zimmer und dachte nur: Och nöööö, nicht schon wieder. Wenn ich eins, liebe Freunde, wirklich nicht mehr sehen kann, dann: Schneeflocken und Schnee. Wieder einmal begrüßte mich am Morgen heftiges Schneetreiben; das würde ja ein schöner Tag werden.

Die Texte hatte ich bereits geschrieben, allerdings hatte ich mir vorgenommen, heute nicht footballfrei zu chillen wie gestern Nachmittag. Zunächst stand Football-Vokabeltraining auf meinem Unterrichtsplan, am Nachmittag wollte ich mich unter das Super-Bowl-Fanvolk mischen, mit Leuten sprechen, mir anschauen, ob Super Bowl wirklich ein Festival ist.

„Super Bowl live“ - der Plan der Fanmeile!

„Super Bowl live“ – der Plan der Fanmeile!

Vokabeltraining, was heißt das? Naja, wie das Spiel geht, weiß ich natürlich. Wie die einzelnen Positionen heißen und was die Aufgaben sind: Ja, das weiß ich natürlich auch bestens. Die wichtigsten Spieler der beteiligten Mannschaften kenne ich selbstverständlich ebenfalls. Aber was genau sind die Saison-Statistiken? Was sind die Karriere-Statistiken? Das schrieb ich mir heraus, prügelte es in mein Hirn. Ich kann morgen bei angesagten minus 15 Grad nicht garantieren, dass mein iPad mitspielt – deshalb sollte ich es schriftlich haben. Das notierte ich mir nach einem extrem kalorienhaltigen Frühstück.

Immer wieder zu sehen: Super Bowl live!

Immer wieder zu sehen: Super Bowl live!

Gegen 12.40 Uhr machte ich mich dann auf den Weg, zum dritten Mal sollte mein Ziel Minneapolis Downtown sein. Ich durchquerte die Mall of America, zum vorletzten Mal in diesem Urlaub, zahlte vier Euro für den Tages-Bahnpass (50 Cent günstiger als gestern! Günstiger!!) und bemerkte schon auf dem Bahnsteig: Puh, das könnte voll werden. Wurde es dann auch – wie in der 308 vor einem VfL-Spiel gegen den FC Bayern. Ich bekam mit viel Glück einen Sitzplatz und schaute 35 Minuten lang auf dem Weg von der Mall bis zur Haltestelle „Nicolett Mall“ aufs Schneetreiben da draußen.

Mit Spaß inne Backen beim Ski-Langlauf!

Mit Spaß inne Backen beim Ski-Langlauf!

Ganz so kalt war es heute nicht, selten habe ich mich über minus sieben Grad so gefreut. Am Morgen hatte ich noch irgendwo im Lokalfernsehen gehört: „It is a typical Minnesota snowstorm – but an atypical Minnesota event!“ Und zweitens den Begriff: „Super Saturday!“ Und zwei mal eins ergibt: Party-Stimmung.

Wow. Wirklich wow. Von der Haltestelle „Nicolett Mall“ lief ich einmal die Fanmeile von der 5th bis zur 12th street hinab – und für diese sieben Häuserblocks auf der Fanmeile, die „Super Bowl Live“ heißt (wie ich heute herausfand) benötigte ich knapp zweieinhalb Stunden hin und zurück. Am Mittwochmittag, als ich hier zum ersten Mal entlangspazierte, hätte ich es noch in zehn geschafft. Auf der Hauptstraße in der Innenstadt von Minneapolis war mehr los als am vierten Advent auf dem Kennedyplatz in Essen. Wieder einmal fiel mir die hohe Frustrationstoleranz der Amerikaner in Warteschlangen auf. Vor nahezu jedem Geschäft, vom Five-Guys-Burgerladen bis zum Starbucks, vor jeder Bar oder vor jedem Stand: nur Menschen; Wartezeit mindestens 15 Minuten. Die Maxi-Preise am „Super Saturday“ waren allen völlig wumpe. Das günstigste Getränk, eine 0,5-Liter-Flasche Budweiser, kostete neun Dollar. Es gab auch Cocktails – und auf dem Grill Bratwürste.

Grillen können sie auch in den USA.

Grillen können sie auch in den USA.

Auf Musik im Ohr verzichtete ich, da ein dumpfer Bass sowieso alles übertönte. Auf der Bühne auf Höhe der 7th Street war ständig Programm. Als ich dort stehenblieb, tanzten gerade die Cheerleader der New England Patriots. Ich unterhielt mich ein wenig mit David aus Minneapolis, einer, der für die Patriots ist, weil die Philadelphia Eagles die einheimischen Minnesota Vikings aus dem Rennen geworfen haben. Dass die Patriots ihren sechsten Titel in 18 Jahren gewinnen können, macht sie nicht übermütig. „We‘re not done“, das heißt: „Wir sind noch nicht fertig“, brüllten sie tausendfach. Da war der Bass dann doch einmal nicht zu hören. Als mir zwischenzeitlich doch ein wenig kalt wurde, stellte ich mich in einer der vielen Shopping Malls unter und verdrückte drei riesengroße Donuts. Wieder ein bisschen Smalltalk mit Football-Fans – diesmal trugen sie Trikots der New Orleans Saints.

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Gesperrt: die Haltestelle „US Bank Stadium“.

Wie gestern fiel mir auf, dass dieses Event nicht nur eine große TV-Veranstaltung, die bis zu 900 Millionen Menschen weltweit verfolgen, ist. Es ist ein friedliches Sport-Fest und in der jeweiligen Ausrichtungsstadt eine große Sache. Ich bin gewiss nicht blauäugig und sehe nach wie vor die zahlreichen Probleme in den USA, zum Beispiel die von Colin Kaepernick initiierten Anti-Rassismus-Proteste oder natürlich Trump oder, oder, oder; aber diese Stimmung habe ich als sehr friedlich empfunden. Alle Patriots-Fans, die ich gesprochen habe, haben die Eagles als „großartiges Football-Team gelobt“. Umgekehrt genauso.

Gegen 16 Uhr kehrte ich zur Haltestelle „Nicolett Mall“ zurück. Ich hatte mir vorgenommen, das Football-Fieber auch in der zweiten Stadt der „Twin Cities“ genannten Region zu checken: St. Paul. Die grüne Straßenbahn-Linie verbindet die beiden Innenstädte. Leider kam erst nach 20 endlos langen Warteminuten eine Bahn – und die benötigte nach St. Paul viel länger als ich vermutet hatte. 40 Minuten dauert eine Fahrt, die mit den Haltestellen „West Bank“ und „East Bank“ die Universität von Minnesota ans Netz anschließt. Eigentlich habe ich mir die Uni-Viertel der Städte während meiner USA-Aufenthalte genauer angeschaut, aber nicht am Samstagabend bei diesem Schweinewetter…

Rechts: Mall mit Medienzentrum. Links: Patriots-Hotel.

Rechts: Mall mit Medienzentrum.
Links: Patriots-Hotel.

Ich fuhr bis zur vorletzten Haltestelle „Central“, bemerkte aber gegen 17 Uhr, dass es nicht mehr lang bis zur Dämmerung dauert. Ich spazierte noch zu einer Mississippi-Brücke, schaute einmal bis zum Horizont und spazierte dann zur Haltestelle zurück. Von Super-Bowl-Fieber war in St. Paul nicht viel zu spüren – vielleicht fährt die Straßenbahn auch nicht dort entlang, wo die Post abgeht.

In einer leeren Bahn ging‘s zurück nach Minneapolis, als ich gegen 18 Uhr den Umsteigebahnhof „Governmant Plaza“ erreichte, war es schon stockfinster. Es schneite natürlich immer noch. Die Straßen waren noch voller als am Nachmittag, Wahnsinn, dass das noch ging. Wieder musste ich 20 Minuten auf die blaue Linie warten, diesmal blieb mir nur ein Stehplatz im dichten Bahn-Gedränge. Smalltalk unmöglich. Nach fast zwei Stunden in der Bahn stand ich um 18.45 Uhr an meinem Stamm-Burger-King und bestellte einen Crispy Chicken, diesmal ohne Pommes. Die kann ich nach sieben Tagen in den USA nicht mehr sehen…

Im fast komplett leeren Medienzentrum – außer mir waren noch zehn Kollegen da und gefühlt 990 Stühle leer – trank ich eine Pepsi-Dose ex, steckte eine weitere Pepsi-Dose für den Abend in meine Arbeitstasche und notierte meine Beobachtungen. Beim Blick auf NFL Network fiel mir auf, dass um 20 Uhr die Veranstaltung „NFL Honors“ beginnt. Dort werden die Spieler des Jahres ausgezeichnet. Die Veranstaltung steigt im Auditorium der Universität von Minnesota – da hätte ich doch gerade aussteigen können, um die großen Stars sehen zu können, auch Quarterback Russell Wilson von den Seahawks.

Doch auf einen Akkreditierungsantrag hatte ich nach einem Rat eines erfahrenen Kollegen verzichtet. Die Plätze dort sind sehr, sehr, seeeehr begrenzt, ein Smoking ist Pflicht und einfach nur eine Zulassung für den Roten Teppich ist gewiss nicht attraktiv bis minus sieben Grad. Da hatte er Recht. Trotzdem wollte ich mir die Veranstaltung nicht entgehen lassen und ging gegen 19.40 Uhr zurück zum Hotel. Inzwischen hatte der Wind wieder zugenommen, was das Unternehmen Spaziergang zum Hotel nicht vereinfachte.

Von 20 bis 22 Uhr setzte ich mein Vokabeltraining mit einem Rückblick auf die NFL-Saison fort. Ich sah die Stars, die besten Spielzüge, konnte sehen, dass Tom Brady schon vor dem Super Bowl zum wertvollsten Spieler der kompletten Saison gewählt wurde. Danach bloggte ich – und jetzt lege ich das iPad zur Seite, stellte den „Sleep-Cycle“-Wecker auf 8.30 Uhr, damit ich bloß nicht verschlafe, und schlummerte nach einem ruhigen, aber gewiss nicht faulen, Samstag sanft ein.

Morgen ist endlich der große Tag. Ihr könnt Euch gar nicht ausmalen, wie sehr ich mich darauf freue.

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Super Bowl 52 in Minneapolis – 6. Tag – 2. Februar

Meistens kommt es ja nicht so wie geplant. Der Freitag sollte eigentlich unter dem Oberbegriff „Entschleunigung“ stehen. Deshalb wollte ich gestern Abend ganz, ganz viel vorarbeiten.

Klappte natürlich nicht.

Der erste Blick auf die Wetter-App.

Der erste Blick auf die Wetter-App am Morgen.

Um 22.30 Uhr hatte ich gestern leider festgestellt, dass mein Akku ziemlich leer ist und meine Finger nicht mehr die richtigen Buchstaben auf der Tastatur finden. Ich bat die App „Sleep Cycle“ deshalb, mich zwischen 6.15 und 6.45 Uhr zu wecken – dann würde ich aber leider am Vormittag eine ganz normale „Innendienst“-Session einlegen müssen. Nur eben nicht in Essen, sondern ein paar Tausend Kilometer weiter im Westen in Minneapolis, Minnesota, in einem Marriott-Hotelzimmer.

Meine Tom-Brady-Geschichte!

Meine Tom-Brady-Geschichte!

An meinen Traum konnte ich mich selbst nicht erinnern, als Sleep Cycle tatsächlich um 6.25 Uhr bemerkte, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, mich aus dem Bett zu schmeißen. Ich war sogar sofort und ohne Koffein-Dröhnung wach, twitterte das auch und fing mir von meinem Chef direkt die Hashtag-Retourkutsche „#tweetsdieerspäterbereut“ ein. Die Aufgabenstellung: klar wie kalte Winternächte! Angefordert hatten die Kollegen drei lange und drei kurze Texte. Die Abendblatt-Redaktion aus Hamburg wünschte sich eine Reportage über die Woche von Coach Esume, die Funke-Kollegen in NRW und Berlin eine 4500 Zeichen lange Geschichte über Tom Brady. Dazu kam noch das Interview mit Icke Dommisch für die Online-Redaktionen der Gruppe, die Pro7-Autorisierung war über Nacht gekommen, und jeweils kleine Texte als Beisteller zu den großen Texten.

Meine Super-Bowl-Akkreditierung.

Meine Super-Bowl-Akkreditierung.

Und so wurde der Vormittag der unspektakulärste der USA-Reise – und doch einer der anstrengendsten. Von 6.45 bis 12 Uhr saß ich hochkonzentriert in meinem Hotelzimmer am Schreibtisch, eingewickelt in eine Decke, die Gardinen ließ ich geschlossen (ich würde ohnehin nur auf Schnee schauen), sichtete die Unterlagen, tippte insgesamt 14.700 Zeichen nonstop in über fünf Stunden. Und das ohne Kaffee, ohne Cornflakes, ohne Spiegeleier. Kurz nach zwölf, oder anders: kurz nach 17 Uhr deutscher Zeit, konnte ich an die angeschlossenen Funke-Häuser melden: „FERTIG! Meldet Euch, wenn was ist, ich bin noch eine Stunde online.“

Fans vieler Vereine in der Mall of America.

Fans vieler Vereine in der Mall of America.

Ich sprang schnell unter die Dusche, unterhielt mich 20 Minuten via Skype mit Frau und Tochter (nur noch vier Tage, dann kann ich sie endlich wieder in die Arme schließen!!! Sie fehlen mir so sehr!!!) und bekam dann gegen 12.40 Uhr die Gewissheit: Keiner braucht mehr was, ich kann wirklich den Dienst für heute beenden und meinen ersten freien Nachmittag genießen.

Noch während ich den ersten Moment still feierte, fiel mir ein: Scheiße! So ganz Feierabend machen kann ich doch nicht! Denn meine aktuelle Akkreditierung gilt nur bis einschließlich Samstag. Für den Spieltag und für den Zugang zum Stadion benötige ich zwei weitere Akkreditierungen, die ich heute abholen soll. Okay, dann mal los.

In der Bahn auf dem Weg in die Stadt!

In der Bahn auf dem Weg in die Stadt!

Um 12.41 Uhr öffnete ich endlich die Gardine und sah zum ersten Mal heute Tageslicht – unverändert erblickte ich eine Menge Schnee im Hinterhof des Hotels. Das wird sich so schnell auch nicht ändern. Die Wetter-App hatte um 7.13 Uhr nichts Gutes verraten: minus 20 Grad. Inzwischen hatte es sich auf minus 17 Grad aufgewärmt, aber scheiße kalt ist und bleibt scheiße kalt.

Ich zog Jacke und Handschuhe an, so wie immer, zog mir aber Kapuze und Kragen noch tiefer ins Gesicht als sonst. Ein diesmal unangenehmer Wind – bisher war der ausgeblieben – sorgte dafür, dass aus minus 17 gefühlt minus 25 wurden. Eine solche Kälte habe ich noch nie am Körper gespürt. Nach 300 Metern kam ich in der Mall of America an, wärmte mich zehn Minuten auf und besuchte zum zweiten Mal in dieser Woche das Büro für Akkreditierungen. Und zum zweiten Mal hatte ich Erfolg! Jetzt bin ich im Besitz der entscheidenden Tickets und weiß: Die lassen mich wirklich ins US Bank Stadium am Sonntag! Jawoll! Ich vergaß fast, dass ich um 13 Uhr immer noch nichts gegessen hatte, nahm deshalb schnell zwei Rolltreppen, um auf die zweite Etage zur Fressmeile zu gelangen – und erschrak.

Die ersten Meter auf der „Stone Arch Bridge“.

Die ersten Meter auf der „Stone Arch Bridge“.

Über Nacht hat sich die Anzahl der Super-Bowl-Touristen gefühlt verachtfacht. Es geht nur noch im Gedrängel vorwärts, der Lärmpegel ist angestiegen, die Schlangen vor den Fast-Food-Läden sind lang. Ganz klar, dass sich alles in der „Mall of America“ ballt: Bei dem Schweinewetter will eben keiner raus. Ich schnappte mir ein Big-Bacon-Quarter-irgendwas-Menü bei Burger King, neun Dollar, und setzte mich an einen gerade frei gewordenen Tisch.

Und während ich den Burger-Berg verschlang, blickte ich mich um. Zwei Drittel der Touristen trugen Trikots – aber mindestens die Hälfte nicht von den New England Patriots, den Philadelphia Eagles oder den Minnesota Vikings. Trikots aus Seattle, Pittsburgh, Chicago, New York, Green Bay – einfach von jeder Mannschaft – waren zu sehen. Stellt Euch das vor: Es ist Pokalfinale zwischen dem FC Bayern und dem BVB in Berlin und durch die Stadt laufen wie selbstverständlich auch Köln-, Schalke-, HSV- und 1860-Fans. Der Super Bowl ist wirklich ein achttägiges Festival.

Schon interessant...

Schon interessant…

Als ich gegen 13.45 Uhr aufgegessen hatte, spürte ich erstmals so etwas wie Gelassenheit, Ruhe und Zufriedenheit nach inzwischen knapp sechs Reisetagen. Nach so vielen Stunden auf der Vorspultaste drückte ich zum ersten Mal „Pause“. Alle Ausgaben der Funke Mediengruppe haben in dieser Woche Texte von mir abgedruckt oder digital publiziert. Ich bin bisher selbst mit meiner Leistung einverstanden, da ich mich auch digital so austoben konnte wie nie zuvor – und nun kann ich guten Gewissens am Nachmittag entspannen. Ein Strand wäre jetzt schön.

Wie gestern schon vermutet, geht die Medienarbeit am Freitag und Samstag sowieso etwas zurück. Das liegt daran, dass sich die beteiligten Mannschaften an beiden Tagen nicht mehr in Pressekonferenzen stellen müssen, die Trainingssessions ohnehin tabu sind. Der NFL-Boss und der Künstler der Halftime-Show sind bereits aufgetreten, Medienparty und Opening Night längst gelaufen. Die Radioreporter räumen am Freitagmittag schon ihren Platz im Medienzentrum. Wie ich bei „Facebook live“ entnehmen konnte, waren die Pro7-Jungs an diesem Tag ohne Medienveranstaltung auch nur shoppen – Klamotten, Speisen und Getränke. Die Stimmung hier hat etwas von Aufbruch und Abschied, obwohl es noch 48 Stunden bis zum Kick-off sind.

Brücke: vereist. Mississippi: teilgefroren.

Brücke: vereist. Mississippi: teilgefroren.

Ich entschied mich an diesem Nachmittag für einen Spaziergang in Downtown Minneapolis. Ich wollte es bei minus 17 Grad wagen. Also lief ich einmal quer durch die Mall of America zur Bahn-Haltestelle, kaufte für 4,50 Dollar einen Tagespass (das sind Preise!) und stieg in die blaue Linie. Nach 35 Minuten mit Toten-Hosen-Musik im Ohr verließ ich die Bahn an der Haltestelle „Government Plaza“ und wirklich: Nach 50 Metern froren mir die Beine während des Spaziergangs ein. Diese unglaubliche Nordpol-Kälte werde ich nie in meinem Leben vergessen – die macht diese Reise erst richtig speziell. Oder wie es Coach Esume am Abend bei „Facebook live“ verkündete: „Hier ist es so kalt: Wenn du dich nicht eincremst, platzen dir die Lippen auf, man kriegt miesen Schorf auf der Stirn, der Hodensack wird extrem schrumpelig.“

Vorgenommen hatte ich mir, die historische „Stone Arch Bridge“ zu überqueren, die über den Mississippi führt, Minneapolis Downtown mit Minneapolis Riverside verbindet und tolle Blicke liefern soll. Das Problem: Zwischen der Haltestelle und der Brücke liegen fünf Straßenblocks. Eigentlich keine große Sache – leider aber doch bei den Temperaturen.

Auf der anderen Seite: Riverside. Und Schnee.

Auf der anderen Seite: Riverside. Und Schnee.

Ich hatte die Brücke gerade erreicht, als mein iPhone vor der Kälte kapitulierte. Es sagte mir: Entweder du gibst mir Strom und wärmst mich damit auf – oder ich mache nicht mehr weiter. Ich ärgerte mich, weil ich Euch dann keine Fotos würde zeigen können, bis mir einfiel: Ich habe ja noch das iPad in der Tasche. Doch nach nur zwei Bildern streikte auch das iPad. Auch noch nie erlebt.

Also schaute ich ohne Musik im Ohr und Fotomotive im Kopf allein auf die Wasserfälle „Saint-Anthony-Falls“ und den teilweise zugefrorenen Mississippi. Im Sommer fahren hier die Schaufelraddampfer entlang. Jetzt geht da nix. Ich erinnerte mich an das in der Bahn gelesene: Bei der Eröffnung 1883 war die Brücke für den Eisenbahnbetrieb entstanden – und bis 1978 wurde sie auch so genutzt. Inzwischen ist sie nur noch für Fußgänger und Radfahrer freigegeben und in das Wegenetz der Stadt Minneapolis eingebunden. In der Nacht wird sie schick angestrahlt – aber wenn ich bis dahin warten würde, wäre ich dann ein 1,87 Meter großer Eiszapfen.

Ich bewegte meinen kalten Körper eilig wieder zurück zur Bahn, diesmal zur Haltestelle „US Bank Stadium“, schaute noch ein wenig bei den Aufbauarbeiten zu und fuhr wieder zurück in die Mall of America. Nach 20 Minuten in der Bahn funktionierten dann auch iPhone und iPad wieder; ich erfuhr über WhatsApp, dass der BVB mit 3:2 in Köln gewonnen hat und dass viele Redaktionsmitglieder einen Feier-Abend in Essen-Rüttenscheid veranstalten. Ohne mich, soso.

Um 17 Uhr kehrte ich in die Mall zurück, meine Beine hätten immer noch sofort heiße Gemüter kühlen können. Ich kämpfte mich durch die Menge und setzte mich ins Medienzentrum – um mich aufzuwärmen, um zwei Dosen Pepsi zu trinken, um zu bloggen, um meinen technischen Geräten die gewünschte Ladung Strom anzubieten. Inzwischen ist es so leer wie am ersten Tag.

Nach einem kurzen Abendessen kehrte ich gegen 20 Uhr zurück aufs Zimmer, nach nur knapp über sieben Stunden. Ich schaute amerikanisches Fernsehen, auf dem iPad „Interstellar“. Ich verzichtete darauf, deutsche Kollegen anzuschreiben, um ein Treffen am Abend auszumachen. Oder darauf, mich ins Hotel-Bistro zu setzen wie am ersten Abend. Wieder wickelte ich mich ganz dick in meine Decke ein und genoss am sechsten Abend einfach nur die Ruhe vor dem Super-Bowl-Sturm.

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Super Bowl 52 in Minneapolis – 5. Tag – 1. Februar

Ja, gestern Abend, als ich friedlich einschlummerte, hatte ich die Hoffnung, am Donnerstag etwas durchatmen zu können.

Pustekuchen.

Wieder klingelte mein Wecker um 6.45 Uhr. Wobei „Wecker“ die falsche Antwort ist. Ja, und jetzt kommt ein Geständnis, ich nutze die App „Sleep Cycle“, die mich nicht nur im richtigen Moment zu wecken versucht, sondern mir auch sagt, wie gut mein Schlaf war. Beim Blick aufs iPhone sehe ich: 76 Prozent. Das klingt gut.

Wirklich: Das ist Justin Timberlake.

Wirklich: Das ist Justin Timberlake.

Wenn ich dann die App geschlossen habe, öffne ich sofort WhatsApp. Und da ist dann in diesen Tagen viel mehr los als üblich. In Deutschland haben die Redaktionen dann längst getagt, sie warten gegen 13.45 Uhr darauf, dass der faule Hund da drüben in Amerika endlich aufsteht und die Wünsche umsetzt. Anforderungen diesmal: Eine 4700-Zeichen-Reportage über den „Wahnsinn American Football“ für die NRW-Ausgaben der Funke Mediengruppe – und eine 2800-Zeichen-Version für die Thüringer Zeitungen. Puh, eine so lange Reportage – so etwas schreibe ich nicht oft, und dann auch noch am frühen Morgen ohne Kaffee und Cornflakes. Eine Herausforderung.

Drüben bei Facebook: Coach Esume im Gespräch.

Drüben bei Facebook: Coach Esume im Gespräch.

Erst drei Stunden und Dutzende WhatsApps später um 9.45 Uhr konnte ich vermelden: Fertig, ich schicke den Text. Die Antworten gefiel mir: In NRW hatten die Kollegen rund um meine Reportage eine ganze Seite mit vielen Bildern gebaut (siehe unten im Bild). Zudem waren alle Kollegen mit der Qualität des Textes zufrieden – gut so. Topfit öffnete ich die Gardinen meines Hotelzimmers und erschrak: Hurra, wieder Neuschnee. Die dritte App, die ich an diesem Morgen öffnete, war deshalb die Wetter-App. Minus 18 Grad. Fast schon Hochsommer, angesagt waren minus 20. Ich ging schnell unter die wüstenhaft heiße Dusche, bestellte mir fast schon traditionell im Hotel-Bistro das „All American“-Frühstück und öffnete die vierte App – „NFL Comm“ heißt die. Die ist extra für die Super-Bowl-Journalisten und zeigt alle Termine des Tages, inklusive kurzfristiger Änderungen und Infos zu den Abfahrtszeiten der Shuttlebusse.

Meine große Super-Bowl-WAZ-Seite.

Meine Super-Bowl-WAZ-Seite.

Heute hatte ich mich für die Halftime-Show-Pressekonferenz entschieden, die im Hilton-Hotel in Minneapolis um 12.15 Uhr beginnen sollte. Um 10.50 Uhr sprang ich beim Frühstück auf, sprintete schnell zur Bushaltestelle, und um 11 Uhr ging‘s auf die halbstündige Fahrt. Ich hörte „Radio brennt“ von den Ärzten als Dauerschleife, keine Ahnung warum, fand den Weg in den „Ballroom“ im Hilton wie im Schlaf. Für die Facebook-Seiten der WAZ und von RevierSport nahm ich noch schnell ein zweiminütiges „Entweder / Oder“ mit Coach Esume auf – und um 12.15 Uhr begann die skurrilste, absurdeste Pressekonferenz meines Berufslebens.

Reportage in Thüringen!

Reportage in Thüringen!

Unter großem Gejohle betrat Justin Timberlake persönlich die Bühne. Der Saal war komplett voll – viel voller als am Tag zuvor bei NFL-Boss Roger Goodell. Viele Frauen hatten sich, und das ist kein Klischee, viel zu schick gemacht. Nahezu jede Antwort des zweifelsohne eloquenten Timberlake wurde mit Applaus bedacht. Der erste Fragensteller bat die Menge darum, „Happy birthday“ für Timberlake zu singen (der Geburtstag war gestern), die (natürlich) zufällig in der Menge weilende „Miss America“ durfte eine massiv belanglose Frage stellen, natürlich auch wieder Kinderreporter der US-Sportsender. Die Jungs von Sky Deutschland, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Timberlake irgendwie eine Frage zu stellen, kamen nicht durch. „Das ist doch eine Farce! Alles gescripted!“, schimpften die Jungs zurecht. Das hatten gestern schon die Pro7-Jungs bei der Goodell-PK gesagt. Pressekonferenzen mit den richtig wichtigen Leuten sind in den USA kein Spaß. Da wird ausgesiebt. Mitarbeiter aus dem jeweiligen Pressestab hören sich an, wer was fragen möchte und wählen dann aus, wer wirklich was fragen darf.

Patriots-Coach Bill Belichick

Patriots-Coach Bill Belichick

Auch Timberlake verschwand nach genau 30 Minuten von der Bühne, ich verzog mich ebenfalls wieder von der zweiten Etage des Hotels ins Erdgeschoss, um im Shuttlebus zurück ins Medienzentrum zu fahren. Nach fünfmal „Radio brennt“ kehrte ich gegen 14.05 Uhr wieder zur „Mall of America“ zurück. Ich verdrückte in einer halben Stunde in irgendeinem Nudelladen „Spagetti with Meatballs and Parmesan“. Neun Dollar, Preis/Leistung okay. Das weitere Programm: hart. Ich hatte es gestern nicht mehr geschafft, insgesamt 30 Minuten Interviews zu transkribieren, dafür war ich zu müde.

Wieder da: Rob „Gronk“ Gronkowski.

Wieder da: Rob „Gronk“ Gronkowski.

Also suchte ich mir im Medienzentrum einen Sitzplatz – was deutlich schwieriger war als noch am Montag. Alle 6000 akkreditierten Journalisten scheinen inzwischen angereist zu sein. Und so hörte ich in einer lauten Menge ab und ab und ab. Zwischen 16 und 17 Uhr verfolgte ich noch vergnügt die letzte Pressekonferenz der New England Patriots vor dem Spiel. Zum vierten Mal in vier Tagen stellten sich Headcoach Bill Belichick, Quarterback Tom Brady und alle Spieler – und wieder erzählten sie das gleiche Zeug. Die meisten Kameras standen diesmal nicht bei Brady, sondern bei Tight End Rob Gronkowski. „Gronk“ meldete sich nach einer Gehirnerschütterung fit zurück, das ist in den USA eine Breaking News wert.

Als ich um 17 Uhr ins Medienzentrum zurückkehrte, waren immer noch zehn Minuten zu transkribieren – für Abwechslung sorgten zwischendurch der deutsche Kollege Patrick, Nachos mit Käsesoße, M&Ms mit „LII“-Aufdruck, zwei Dosen Pepsi und das in Dauerschleife auf Dutzenden Fernsehern laufende NFL Network. Ein spektakulär-unspektakulärer Nachmittag – viel Arbeit eben. Eigentlich hatte ich überlegt, mir am Abend das NBA-Spiel der Minnesota Timberwolves gegen die Milwaukee Bucks anzuschauen; aber: keine Chance. Zu kalt, zu weit weg, zu viel zu tun.

Immer noch eloquent: Tom Brady.

Immer noch eloquent: Tom Brady.

Als ich alle Interviews endlich zur Autorisierung nach Deutschland schicken konnte, war es 18.30 Uhr. Endlich konnte ich zur Entspannung ein wenig in den Facebook-Kommentaren lesen, Fotos sichten, am Blog weiterschreiben. Nach dem Abendessen – nach der Nacho-Party genügte mir diesmal ein Bäckerei-Croissant – ging‘s durch die Kälte zurück ins Hotel, auf dem Zimmer jedoch weiter: drei Texte müssen bis morgen, 11 Uhr, fertig sein. Und drei schaffe ich nicht am frühen Morgen, wenn mich „Sleep Cycle“ um 6.45 Uhr weckt.

Aber eins ist klar: Wenn morgen um 11 Uhr auf meine Nachfrage „Ist noch was?“ alle zufrieden mit „Nein!“ antworten, ja dann habe ich wirklich meinen ersten freien Nachmittag. Am sechsten Tag in den USA. Zwei Tage vor dem Super Bowl passiert im Medienzentrum und im Hilton nicht mehr viel. Es gibt keine Pressekonferenz mehr, die Teams stehen nicht mehr für Nachfragen bereit, Ruhe vor dem Sturm. Dann gehört die Zeit nur noch den anreisenden Fans. Auf der Fanmeile, in der Experience soll dann die Hölle los sein.

M&Ms in der Super-Bowl-Version.

M&Ms in der Super-Bowl-Version.

Werde ich das mal überprüfen? Hmm. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine freie Zeit nutzen werde. Erst einmal werde ich mit Sandra und meiner Tochter skypen – die Hälfte meiner Dienstreise ist schon geschafft. Bald sind wir wieder vereint. Vielleicht gehe ich einfach nur ins Hotel-Schwimmbad, drehe ein paar Runden und schalte dann stumpf amerikanisches Fernsehen ein. Vielleicht laufe ich bei minus 15 Grad (Ansage für morgen) bis zum Mississippi, der durch die Stadt fließt. Vielleicht schaue ich mir die Zwillingsstadt St. Paul auch mal bei Tageslicht an, nachdem ich sie bisher nur nachts bei der Opening Night kennenlernen durfte.

Was auch immer ich tue: Ihr werdet es an dieser Stelle erfahren. Und jetzt: Gute Nacht Ruhrpott!

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Super Bowl 52 in Minneapolis – 4. Tag – 31. Januar

Roger Goodell ist ein aalglatter Kerl. Im Fernsehen mache ich eine gute Figur. Facebook-Videos mit Icke sind super. Auch beim Super Bowl gibt es eine Fanmeile. Die Super-Bowl-Experience ist surreal. Das US Bank Stadium erschlägt jeden. Minneapolis ist für amerikanische Großstadt-Verhältnisse schnuckelig klein.

Das sind eigentlich Erkenntnisse für fünf Tage. Bei mir für einen.

Wenn Schnee nur so transportiert werden kann.

Neuschnee und ein Laster…

Klingeling, Wecker 7 Uhr. So wie immer hier. Nur: Hier macht mir das bisher kaum etwas aus! Ich weiß zwar, dass auch der folgende Tag wieder 12 bis 15 Stunden haben würde – aber hey: Super-Bowl-Woche, wahrscheinlich mache ich das nur einmal in meinem Berufsleben! Der einzige Luxus, den ich mir in meinem King-Size-Doppelbett gönnte: Heute setzte ich mich morgens nicht an den Schreibtisch, ich blieb im Bett. Mit iPad auf dem Schoß.

Heute hatten nicht die NRW-Zeitungstitel mein Textangebot bestellt, auch nicht Braunschweig, meinen Tom Brady/Nick Foles-Vergleich wollten die Funke-Kollegen aus Hamburg haben – NRW und Braunschweig nahmen den Text für Online. Dann auch die Themenwünsche für die kommenden Tage entgegennehmen, auf die Uhr schauen: Oh, schon 10 Uhr. Schnell duschen, frühstücken und los.

Andi im Fernsehen!

Andi im Fernsehen!

Auf meinem Terminkalender stand heute ganz oben: Pressekonferenz mit NFL-Boss Roger Goodell um 13 Uhr im Hilton Downtown Minneapolis. Der ist – um es mit der DFL zu vergleichen – so mächtig wie Rauball und Seifert zusammen. Der Chef spricht: Wieder so eine Super-Bowl-Tradition, die sich niemand entgehen lassen sollte. Zum zweiten Mal nach der Opening Night würde ich meinen kleinen Kosmos rund um die Mall of America verlassen und endlich Minneapolis selbst kennenlernen. Ich stapfte gegen 11.15 Uhr durch fünf Zentimeter Neuschnee, der mit Lastern weggefahren werden musste, genoss die Wintersonne und bemerkte: So kalt ist das gar nicht heute. Noch nie habe ich mich über minus zwei Grad so gefreut. Und doch war meine Schuhwahl falsch: Ich hatte mir fest vorgenommen, die festen Schuhe anzuziehen, aber ganz automatisch waren‘s dann doch wieder die Chucks. Hilfe.

Fanmeile! Eisskulptur!

Fanmeile! Eisskulptur!

Ich stieg vor der Mall in den Shuttlebus, dank meines Orientierungs-Spaziergangs am zweiten Tag kenne ich mich ja aus, schob mir die AirPods in die Ohren, lauschte feinster Musik, schaute aus dem Fenster auf verschneite Felder, weiße Dächer und die von der Sonne angestrahlte, niedliche Skyline von Minneapolis – eine Stadt, die kaum größer ist als Bochum. Um kurz nach zwölf erreichten wir das Hilton-Hotel der Stadt, nach diversen Securitychecks ging’s in der zweiten Etage in den „Ballroom“. Das ist ein riesengroßer Saal, hier könnte ich ganz Mülheim-Broich bei einer Geburtstagsfeier unterbringen. Noch 55 Minuten blieben bis zum Auftritt von Roger Goodell und damit genug Zeit, mich in die Biografie des NFL-Commissioners zu vertiefen. Doch schon nach knapp zehn Minuten trafen sich wieder alle deutschen Kollegen. Tobi, der unter anderem für die WZ unterwegs ist, Freelancer Patrick aus Schwerte, Stephan vom Huddle – und natürlich wieder die Pro7-Jungs. Icke Dommisch kam extra zu mir und sagte: „Du bist drin. 19.45 Uhr, Pro7Maxx.“ Schnell zückte ich mein iPhone und schrieb meiner Frau: Dein Mann kommt ins Fernsehen! Ein Entweder-oder-Facebook-Video mit Icke stand noch auf meiner Wunschliste – er sagte zu, zufrieden spazierte ich zur im Hilton-Ballroom ausgestellten Vince Lombardi Trophy für den Super-Bowl-Sieger, trank einen Becher Sodawasser, setzte mich wieder hin.

Das US Bank Stadium!

Das US Bank Stadium!

Um punkt 13 Uhr kam Goodell, um punkt 13.30 Uhr verschwand er wieder. Wie alles in dieser Woche war auch diese Veranstaltung 50 Prozent Event und nur 50 Prozent Sport. Icke und Coach Esume wedelten die ganze Zeit mit ihrem Arm, wollten auf sich aufmerksam machen, eine Frage stellen – unmöglich kann das jemand übersehen haben; Fragen von europäischen Reportern waren aber nicht vorgesehen. Drei mexikanische Journalisten durften Fragen zum Mexiko-Game stellen, der Rest kam von US-Reportern, darunter zwei Kids. Vieles davon wirkte „skripted“, wie der Coach nachher anmerkte. Goodell redete viel, antwortete auf alles so ausführlich wie nur möglich – nur wenn es kritisch wurde, blieb er plötzlich einsilbig. Ob er mit Präsident Trump über dessen unmöglichen Spruch „You‘re fired“ nach den Anti-Rassismus-Protesten gesprochen habe, wollte ein Kollege wissen. „No!“ Ende. Was er dazu sagen würde, dass Protest-Initiator Colin Kaepernick keinen Verein gefunden habe. „Die Liga hat nichts damit zu tun, wie die Vereine ihren Kader zusammenstellen.“ Nichts hören, nichts lesen, nicht sehen.

Super-Bowl-Experience!

Super-Bowl-Experience!

Meine gute Laune konnte auch Goodell nicht versauen. Noch während der PK hatte ich etliche Screenshots von der Pro7Maxx-Sendung bekommen. Nach der Pressekonferenz setzte ich mich mit Icke zusammen, das Facebook-Video ist echt okay geworden (zum Video geht es hier), danach plauderten wir eine Weile weiter. Um 14.25 Uhr trennten sich die Wege der deutschen Reporter. Einige verzogen sich mit Shuttlebussen oder Mietwagen zum Mediennachmittag der Patriots in die Mall weiter – diesmal verzichtete ich; die Patriots habe ich schon zweimal gesehen.

Für eine Reportage hatte ich mir an diesem Nachmittag Minneapolis Downtown vorgenommen. Einmal das US Bank Stadium von außen betrachten, einmal die Fanmeile entlangflanieren, einmal im Convention Center die Super Bowl Experience besuchen.

Häuserschlucht!

Häuserschlucht!

Insgesamt lief ich an diesem Nachmittag 13.000 Schritte, das sagte mit die „Health“-App. Und davon die Hälfte mit Tobi, der hier bei Freunden untergebracht ist. Mein erster Eindruck von der City neben der amerikatypischen Hochhäusern waren die Verbindungsbrücken dazwischen. Ganz Minneapolis ist durchzogen von sogenannten Skywalks – das heißt: Es gibt einen Bürgersteig draußen und einen drinnen. Im Winter ist das sehr praktisch. Da in Minnesota im Januar aber minus zwei Grad bereits Hochsommer bedeuten, blieben wir draußen, unterhielten uns mit Amerikanern, schauten uns die an der Fanmeile stehenden Eisskulpturen an. Dabei begegneten wir den Sky-Reportern. Ein Zufall. Ja, es gibt auch beim Super Bowl eine Fanmeile, angeschaut haben sich die Amerikaner das in, tataaa, Deutschland.  Leider hatten die Buden noch geschlossen.

Wir nutzten deshalb die Zeit und spazierten zum US Bank Stadium. Die Vorbereitungen auf das große Spiel am Sonntag laufen längst, keiner, der nicht dreifach gefilzt wurde und eine große Wumme trägt, darf noch rein. Die Straßen um das Stadion sind längst abgesperrt, von Freitag bis Sonntag darf keine einzige Straßenbahn vorbeifahren.

Nach 30 Minuten Fußmarsch vom Hilton via Fanmeile zum Stadion stieg meine Vorfreude – und WOW! Was für ein Teil! 875 Millionen Euro hat das Stadion gekostet, ist das modernste der Welt und hat eine spannende Architektur. Das Dach ist geschlossen, doch damit war die Bevölkerung Minnesotas nicht einverstanden. Der ausgehandelte Kompromiss: Überdachung ja, aber eine Seite des Stadions ist eine riesengroße Glasfassade. Stellen wir uns mal kurz an der Veltins-Arena vor…

Gouvernment Plaza.

Gouvernment Plaza.

Gesehen, fotografiert – und dann ging‘s den gleichen Fußweg vom Stadion zurück in die nahe Stadt. Wir verdrückten zwischendurch ein Sandwich, und um vier öffneten endlich die Buden. Ja, auch die Amerikaner können Fanmeile! Eine Straße in der Innenstadt ist extra abgesperrt und im Drei-Meter-Takt können Fans, Einheimische und Touristen teure NFL-Utensilien kaufen, essen und trinken. Sogar eine große Bühne steht auf einem großen Platz, irgendwann in den kommenden Tagen kommen Soul Asylum.

Wir liefen an der 5. Straße los. Mein Ziel: die 12. Straße. An der zehnten hatte Tobi keine Lust mehr und verabschiedete sich zur Bahn. Ich zog das volle Programm aber durch. Das Motto hieß: Bekloppte Menschen in der noch viel bekloppteren Super Bowl Experience beobachten. Die Experience, das zur Erklärung, ist so etwas wie das Dortmunder Fußballmuseum des DFB. Nur dass sie eben nicht an 365 Tagen pro Jahr angeschaut werden kann, sondern nur eine Woche – in der Super-Bowl-Woche natürlich. Zudem ist sie viel sportlicher.

In Minneapolis ist die Experience im Convention Center untergebracht, das ist ein Komplex mit vier Etagen, der einem Messegelände ähnelt. Auf allen Etagen gibt es große Hallen – und oh ja, glaubt mir, die NFL weiß die Fläche komplett zu nutzen. Überall können die Fans selbst ein Kicker sein, als Runningback Stoff-Gegenspieler umflexen, als Quarterback Pässe über 30 Yards werfen, an vielen Konsolen daddeln. Gedacht ist dies vor allem für Kinder, aber auch Erwachsene fühlen sich wohl. Die Schlangen sind so lang wie vor den Achterbahnen in Disney World.

In den ruhigeren Ecken wird an Schautafeln die Geschichte des Sports erklärt, Super-Bowl-Ringe aus allen 51 Jahren sind ausgestellt, ein Spieler aus jedem NFL-Team hat eine Original-Kluft zur Verfügung gestellt, die in einem „Locker Room“ (Kabine) genannten Bereich angeschaut werden kann; von meinen Seahawks Quarterback Russell Wilson. Die Hersteller-Firma zeigt in einer Ecke, wie die Bälle hergestellt werden. Natürlich können die direkt käuflich erworben werden – und das kostet dann weit über 100 Dollar. Zu sehen sind nicht nur Patriots- oder Eagles-Fans, auch Anhänger fast aller anderen Vereine sind nach Minneapolis gereist. Eine Familie mit zwei Kindern, die sich im riesengroßen „Food Court“ kulinarisch versorgt, den üppigen Eintritt (35 Dollar für Erwachsene, 25 für Kinder) bezahlt und sich pro Person ein Souvenir kauft, ist locker 300 bis 500 Dollar los. Bunte NFL-Welt.

Um 17.45 Uhr schaute ich auf mein iPhone, allmählich wurden meine Beine müde. Ich setzte mich kurz an die „Charging“-Station mit 20 Steckdosen für aufzuladende Smartphones (tolle Erfindung) und lud mein iPhone für die lange Rückfahrt.

In der Dunkelheit spazierte ich dann sieben Häuserblocks quer durch die Innenstadt bis zur „Gouvernment Plaza“ an der 5. Straße zurück. Dort hält die blaue Linie der Straßenbahn, vor ein paar Jahren eröffnet, die Downtown in 40 Minuten mit dem Stadion, dem Flughafen und der „Mall of America“ verbindet. Ich genoss jeden Schritt durch die Hochhaus-Schlucht der Stadt, jede Minute der Fahrt – und das mit feinster Musik im Ohr, wie schon am Vormittag.

Um 18.55 Uhr hielt ich schließlich wieder in der Mall, endlich mal wieder Tram mit der einheimischen Bevölkerung und nicht ein überklimatisierter Shuttlebus mit Kollegen. Mit einem unspektakulären Take-away-Snack beendete ich den Tag außerhalb des Hotels, da ich beim Blick aus dem Fenster einsetzenden Schnee bemerkt hatte. Morgen soll es hier eiskalt werden, das sagt der Wetterbericht, das sagen die Einheimischen – in den Beginn des Schneesturms will ich da nicht geraten.

Und so schlitterte ich zurück zum Hotel – wo jetzt der Arbeitstag weitergeht. Der Blog muss weitergeführt werden, eine Reportage, die morgen um 9.30, 10 Uhr in Deutschland sein muss, will ich beginnen – und viele Minuten Interviews muss ich noch transkribieren. Damit fange ich aber nur an und mache es, soweit meine Konzentration es zulässt.

Um 22 Uhr, das habe ich mir fest vorgenommen, ist Schluss. Der vierte 15-Stunden-Tag hier, wieder ein denkwürdiger. Und noch immer gilt: Das ist der angenehmste Stress meines Berufslebens.

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