VFL-TAGEBUCH: BUNDESLIGA 2008 / 2009 - TEIL 4
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Die ersten Utensilien

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VfL Bochum - Hannover 96 0:2 (1.5.2009)

folgt

Angst
 

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Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 2:0 (9.5.2009)

Kurve
Schlusspfiff, Teil 1: Die Mannschaft kommt sehr halbherzig in die Kurve!

Als Beton-VfL fahren wir hin, als Sparringspartner zurück. Über einen sportlich sinnlos verplemperten, aber dennoch hübschen Tag

Spieler in Kurve
Schlusspfiff, Teil 2: Imhof, Bönig und Azaouagh trauen sich ganz nah ran!

Jetzt mal Tacheles

Kurve
Schlusspfiff, Teil 3: Auf Befehl von wem auch immer kommen dann doch noch alle

Es sind Film-Bilder, die entstehen, wenn ich in einem ICE im Gang zwischen zwei Wagen sitze. Die "Neon" in der Hand haltend, einen Wuppi von Kamps auf dem Schoß, die 0,5-l-Fanta auf dem Zugboden, die Stecker in den Ohren, "Everlong" hörend. Es sind die Momente, die in Tausenden von Musikvideos auftauchen könnten. Videos jeder Musikrichtung. Irgendwas von Prodigy, Roxette oder irgendwas Metallica-until-it-sleepsiges. Okay, AC/DC passt vielleicht grad nicht. Hab mir sogar eine Reservierung beschafft für diese Hinfahrt von Dortmund nach Berlin, aber der Wagen ist voll und ich will mich in einen Sitz zwingen. Will lieber hier sein, im Gang, allein, die Einsamkeit eines Auswärtsspiels genießen, eines Spiels in Berlin. Wieder so eine Stadt, in der ich noch nie einen Sieg des VfL erleben durfte.
Bin schon zum sieben Mal hier, also nur zum Fußball. Letztmals weilte ich im Oktober an der Spree, zwei Wochen zur Arbeit im WAZ-Büro, seither hat Kaiserbase "Berlin, du bist so wunderbar" in die Charts gebracht, während Peter Fox mit "Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein" dagegen hielt. Ich lehne meinen Kopf gegen die Wand und lasse bei 220 km/h die Landschaft an mir vorbeiziehen. Die Landschaft und die Bahnhöfe Hamm, Bielefeld und Hannover. Da finde ich dann doch noch einen Sitzplatz, lege meinen Kopf ins sanfte ICE-Kissen und denke ein bisschen an das, was heute kommt. Ich treffe in Berlin einen Mit-Volo, den wir den "Doc" nennen, und der jetzt gerade im Korrespondentenbüro arbeitet, so wie ich im Oktober. Und ich werde, ja doch, ein Fußballspiel sehen, von dem ich mir ganz und gar nichts erhoffe. Es ist so ein VfL-Bochum-Gefühl. Ich weiß, dass ich aus sportlichen Gründen sinnlos einen Tag meines Lebens verplempere und will es doch als Bereicherung empfinden. Muss nur noch feststellen, was für eine Bereicherung das sein soll.
Erst einmal wird's auf jeden Fall ein verzögerter Ausflug. 13.08 Uhr sollte der ICE ankommen, es wird 13.14 Uhr, sechs Minuten, okay, suche den "Doc", vergeblich. Der Treffpunkt ist schon länger vereinbart, okay, rufe ich ihn eben an. "Hatte gestern in Kreuzberg ein paar Biere zu viel", sagt er. "Ich fahre jetzt los, brauche aber noch eine halbe Stunde. Mindestens." Er ist eben auch als Doktor der Unpünktlichkeits-Wissenschaft bekannt. Ich nutze die Zeit, alte Gebäude zu sehen. Naja, ich fahre erst meinen Kalorienhaushalt in ungeahnte Höhen, indem ich irgendeinen Snack bei McDonalds beschaffe. Ich benutze die Rolltreppe Richtung Hauptein/-ausgang, wäre was für eine fünfte Staffel von "Berlin Berlin", stelle mich in die Sonne, hätte gern eine Sonnenbrille wie Morpheus in der Matrix-Trilogie, die ich mir simpel auf die Augen hefte, und blicke mich um. Sehe geradeaus das Kanzleramt, links den Turm am Alexanderplatz und rechts eine Kleingruppe, die "Berlin by bike" erkunden will. Von zwei Touristen werde ich gefragt, wo das Brandenburger Tor ist, schön, dass man mich für einen Berliner hält. Gibt Schlimmeres. Von Minute zu Minute ziehen mehr Hertha-Fans an mir vorbei. So viele wie noch nie.
Denn die Vorverkaufszahlen sind gigantisch. Über 70.000 Zuschauer erwarten die Berliner - und das zu einem Spiel gegen Bochum. Irgendwelche Berliner haben ein komisches Lied gedichtet: "Hey das geht ab! Wir holen die Meisterschaft!" Das läuft schon jetzt in einer Tour - und wird wohl den ganzen Tag auf und ab dröhnen, wenn wir das Ding in den Sand setzen. Gegen zwei taucht der Doc auf, wir nehmen direkt eine S75-Sonder-S-Bahn, die über "Bellevue", "Tiergarten", "Charlottenburg" und "Westkreuz" Richtung Olympiastadion fährt und dabei die Haltepunkte "Messe" und "Heerstraße" auslässt. Dabei schildert der Doc, dass er noch nie im Olympiastadion war (erstaunlich). Ich kann ihn mit dem nutzlosen Fakt beeindrucken, dass Teile von "Equilibrium" am Olympiastadion gedreht wurden, weil's immer noch so schön nach Diktatur aussieht. Also von außen, innen ist's ja ganz schmuck, zugegeben.
Wir betreten's pünktlich eine Stunde vor Spielbeginn, wie vermutet, läuft das Meisterschafts-Liedteil nahezu nonstop, ein halber Liter Spezi kostet 3,50 Euro. Am Eingang wurde ich auf Aufkleber abgetastet, noch so eine Premiere. Koller setzt, das ist weder eine Premiere noch eine Überraschung, auf den Schafstall-Beton. Vor Fernandes stehen - von rechts - Pfertzel, Maltritz, Mavraj, Yahia und Bönig fast in einer Art Fünferkette nebeneinander, die Herthas Offensive mit Ebert, Raffael, Pantelic und Voronin möglichst zweikampfstark begegnen sollen. Und dann wären da noch Imhof und Dabrowski, unsere defensiven Feldspieler Nummer sechs und sieben, die sich auch zumeist in unserer eigenen Hälfte aufhalten. Unsere Offensive besteht aus dem angeschlagenen Azauoagh, der es meist mit drei, vier Spielern aufnimmt und das gar nicht mal so schlecht macht sowie aus Freier und Hashemian, die beide zusammen null Saisontore erzielt haben und das nun gegen Simunic versuchen sollen, den zurzeit formstärksten Innenverteidiger der Liga. Glückwunsch.
Und doch, ja, Glückwunsch trifft's. Denn Kollers Taktik geht sogar einigermaßen auf. Wir stehen ziemlich solide, in der ersten halben Stunde muss Maltritz einmal auf der Linie retten, das isses an Berliner Torgefährlichkeit. Wir gehen sogar in der Torschussstatistik in Führung und das ist ein ziemlich großes Wunder. Und ja, wir holen sogar einen Freistoß am 16er heraus, könnten in Führung gehen. Könnten. Denn Hertha fängt den Ball ab, kontert, Voronin steht frei von Fernandes, der wehrt ab, Ebert flankt auf Pantelic, der köpft rein. 1:0 für Hertha, Jubel im mit 71.500 Zuschauern gefüllten Rund. Wir spielen eine Beton-Taktik und werden ausgekontert. Da muss man schon der VfL Bochum sein, um das hinzukriegen. Und weil wir der VfL sind, kriegen wir das sogar ein zweites Mal hin. 48. Minute: Ecke für uns durch Freier, schwach geschossen und deshalb schnell abgefangen. Piszcek läuft auf der rechten Seite dem bereits gelb-vorbelasteten Bönig davon, spielt auf Raffael, der versenkt souverän zum 2:0. Das Spiel ist gelaufen, jeder merkt das in diesem Moment, und das 42 Minuten vor Schluss. Der Rest des Spiels besteht aus fünf Dingen. Erstens: Wundern darüber, dass Mario Gomez beim Stuttgarter 4:1 gegen Wolfsburg alle vier Tore schießt, zweitens: Der Meinung des Doktors lauschen, dass er sich von einer Mannschaft, die so in Abstiegsgefahr ist, wesentlich mehr Gegenwehr erwartet hätte (ich auch, by the way), drittens: Der La-Ola-Welle zuschauen, die die Hertha-Fans selbst bei einem so unterdurchschnittlichen Spiel starten, viertens: Den restlichen Text von "Hey das geht ab" zu verstehen (vergeblich) und fünftens: Union Berlin zum Aufstieg gratulieren. Die Jungs aus dem weit entfernten Köpenick - nahezu 45 Minuten mit der S-Bahn - haben's heute geschafft, was im Olympiastadion aber ignoriert wird. Die feiern lieber "Vo-ro-nin", obwohl der ziemlich schlecht aussah gegen Mavraj. Ja, am Ende gewinnen wir sogar die Torschuss-Statistik, aber wen juckt das schon!? Als der Schiri das traurige Schauspiel zum Glück beendet, habe ich den Tag in der Tat sportlich verplempert, wenigstens sagt der Doc: "Danke! Hat Bock gemacht!" Ich schließe meine Augen, öffne sie ein paar Sekunden später, beobachte meine Mit-Fans und habe große Sorge. Das Wort "gemeinsam" trifft im Abstiegskampf auf den VfL nicht zu. Die Mannschaft wagt sich nach Schlusspfiff nur bis auf 25 Meter an die Fans heran und geht wieder. Dann kommen nur Imhof, Bönig und Azauoagh und werden beschimpft. Als die gehen, schickt irgendeiner - Koller, Gustl, wer auch immer - alle Spieler noch einmal in die Kurve. Gezwungen. Nur Maltritz kommt nicht. Die Atmosphäre zwischen Fans und Spielern ist im Arsch, ganz klar. Die Mannschaft selbst ist ersatzgeschwächt. Alles legen wir in das Frankfurt-Spiel nächste Woche. Nur dann sind Klimowicz und Sestak wieder fit, dann wird Epalle nicht mehr geschont. Leider fehlt Fuchs dann immer noch, wohl die schlimmste Verletzung für uns. Als der Doc und ich das Stadion verlassen, müssen wir das ernüchternde Fazit ziehen, dass wir nur ein ordentlicher Sparringspartner für eine kaum geforderte Hertha waren. Bitter.
Wir wollen es uns dafür etwas weniger bitter machen, sondern süß, herzhaft und lecker. Wir steigen in die S75 Richtung Lichtenberg, nehmen den gleichen Weg zurück, steigen eine Station hinter Hbf an der "Friedrichstraße" aus. In der Kneipe "Aufsturz" gibt es 100 Biersorten, da wird für den Doc was dabei sein, und für mich ne große Spezi für 2,80 Euro. Und ein Wiener Schnitzel auf Kartoffel-Gemüsepfanne. Es geht um die WAZ, den Job, Fußball, Privates (alles wunderbar!). Und wir setzen die Gespräche im "Tacheles" fort, einem Kulturhaus an der Oranienburger Straße. Dort, wo auch die Synagoge steht, dort, wo auch nachts die Nutten stehen. 1998, als ich schon einmal im "Tacheles" war, war es besetzt und sollte geräumt werden. Da wohnte mein Bruder noch in einer Altbauwohnung im Prenzlauer Berg. Jetzt steht es in sämtlichen Berlin-Reiseführern aller Sprachen als alternatives Vorzeigeprojekt und so wirken die alternativen Piercing-Schlabberhosenträger wie extra hingesetzte Staffage. Aber das klingt jetzt zu negativ. Das "Tacheles" ist trotz der mit teuren Nikon-Kameras ausgestatteten Touristenbesucher ein wunderschöner, kaputter Ort, in dem sich so mancher Abend verbringen lässt. "Hey was geht ab, wir holen die Meisterschaft", singen zwei betrunkene Hertha-Fans, als ich mich - die Sonne scheint immer noch, wie schon den ganzen Tag - um 20.30 Uhr wieder auf den Weg machen muss. Sage dem Doc "Tschüss", in zwei Wochen ist er wieder in Essen am Start.
Am Bahnhof Friedrichstraße fährt er Richtung Osten, ich Richtung Hauptbahnhof. Im ICE sitzt mir der Prototyp eines unsympathischen Menschen gegenüber. Er telefoniert pausenlos mit seinem "Putzelhäschen", nimmt zwischendurch sein gekauftes belegtes Brötchen aus einer Tüte, nimmt es aber auseinander und studiert Gurke für Gurke und die Putenscheibe, schmatzt so unangenehm, dass es auffällt und sagt so laut, dass es jeder im Wagen hört: "Ich muss mich dringend duschen. Ich rieche nur nach Bier." Als der Schaffner kommt, zückt er noch 'ne Bahncard 100. Vielleicht bin ich auch nur genervt, dass mich wieder so eine lange, einsame Rückfahrt von einem Auswärtsspiel erwartet, aber mir geht der Typ auf den Keks. Gut, dass er schon in Stendal wieder aussteigt, dem ersten Haltepunkt. Dem ersten von elf. Diesmal bleiben wir auch in Wolfsburg stehen, in Herford, ja sogar Gütersloh. Das verschlafe ich aber, schon kurz vor Herford falle ich in den typisch unruhigen, Rückenschmerzen verursachenden ICE-Schlaf. Gut, dass ich kurz vor Essen mehr zufällig wach werde.
Leider ist da das 0:2 immer noch das passierte Ergebnis. Reden wir Tacheles: Nur noch einen Punkt werden wir morgen Abend vor Platz 17 stehen und spielen nun in Hamburg, nicht sehr beruhigend, vor allem, weil die Konkurrenz einfache Aufgaben hat oder direkt aufeinander trifft. Doch um 1.35 Uhr, als ich meine Haustür aufschließe, will ich nur noch in mein Bett fallen. Good night world.
 
Anzeigetafel Plakat
Wie in der vergangenen Saison: Eine sehr, sehr schmucklose 0:2-Niederlage. Sehr, sehr schmucklos. Wer's nicht lesen kann: "Der Traum ist noch nicht ausgeträumt. Weiter kämpfen, wir glauben dran". Die Hertha-Fans hielten das beim Einlaufen in die Höhe - und ja, mit dieser durchschnittlichen Bundesligamannschaft droht Hertha wirklich den Titel zu gewinnen. Es wäre eine Idiotie der Bundesliga-Geschichte.
Einlaufen La Ola
Die Einlaufmelodie ist Frank Zanders "Nur nach Hause gehn wir nicht" - ziemlich blöde, weil lahme Nummer. Auf der Anzeigetafel ist der Spieler zu sehen, der Herthas personifizierte Meister-Hoffnung ist: Andrej Voronin. Ende der zweiten Hälfte sind die 71.500 Berliner mit ihrer biederen Hauruck-Elf zufrieden und proben "La Ola". Gegen Bochum.
Tacheles Tacheles
Das "Tacheles" an der Oranienburger Straße. Einst Teil der schon im frühen 20. Jahrhundert zum Leben erweckten "Friedrichstraßenpassage" - und in DDR-Zeiten dann verrottete Ruine... ... sollte nach der Vereinigung 1990 abgerissen werden, bis die gleichnamige Künstlerinitiative "Tacheles" das Haus besetzte. Im Jahr 1998 war ich mal dort, als es im Bezirk Prenzlauer Berg hieß: "Das Tacheles soll heute geräumt werden." Kam damals häufiger vor.
Tacheles Hauptbahnhof
Inzwischen ist das "Tacheles" ein Kunsthaus, der Hinterhof ist mit Sand ausgelegt, eine 0,2-l-Cola kostet zwei Euro und Klischee-Touristen folgen ihren Reiseführern in diesen Ort, der Touris und Alternative gleichermaßen anzuziehen vermag. Um 21 Uhr war ich dann aber wieder hier - am Berliner Hauptbahnhof, der am 26. Mai 2006 öffnete, der sechs Gleise oben und acht unten - also "tief" - hat. Unten hält alles: RE's, IC's, ICE's. Ich fuhr von oben zurück. Zurück in den Pott.

Weitere Berlin-Texte auf dieser Seite

Alex
Blick vom Hauptbahnhof Richtung Alexanderplatz

12. April 2003: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 1:0 (Spielbericht bitte HIER klicken)
14. bis 18. Juni 2003: Ein kurzer Familien-Trip mit drei Generationen (Fotos und Eindrücke bitte HIER klicken)
6. März 2004: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 1:1 (Spielbericht bitte HIER klicken)
7. August 2004: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 2:2 (Spielbericht bitte HIERklicken)
11. November 2006: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 3:3 (Spielbericht bitte HIER klicken)
27. Oktober 2007: Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 2:0 (Spielbericht bitte HIER klicken)
5. bis 17. Oktober 2008: Zwei Wochen Praktikum im WAZ-Korrespondentenbüro Berlin (bitte HIER klicken)

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VfL Bochum - Eintracht Frankfurt 2:0 (16.5.2009)

Ligaverbleib
Olli Schröder und Philipp "Standing Ovations" Bönig zeigen, was passiert ist!

Der Tag, an dem wir eine beschissene Saison retteten. Und die Symbolfigur des Tages ist ein Linksverteidiger!

Nie mehr zweite Liga 3.0

Jubel

Im dritten Jahr hintereinander singe ich das jetzt. Und ich verspreche, ich werde nicht damit aufhören bis... bis... bis... irgendwann. "Nie meeeeeeeeehr zweite Liiiiiigaaaa, nie meeeehr, nie meeeehr, nie meeeeeeeehr zweite Ligaaaa!!" Auf diese Minuten arbeitet jeder Fan des VfL Bochum ein ganzes Jahr lang hin. Auf diese Minuten, die so erleichternd sind wie Pinkeln nach zehn Apfelschorlen im Schrägen Eck. Die so beglückend sind wie xxx *zu kitschig für diese Seite* xxx. Die so euphorisierend sind wie die ersten Takte von "Everlong" bei einem Foo-Fighters-Konzert oder wie die ersten Bruchstücke von "Read my mind" beim Killers-Konzert im März. Hey, wir haben's GESCHAFFT!!! GESCHAFFT!!! Wir haben diese verschissene, abtörnende, katastrophale, miese Saison glücklich beendet. Aber lasst mich diese Schreckens-Vokabeln für ein paar Zeilen vergessen. Lasst mich "Nie meeeeeeeeeehr zweite Ligaaaaaaaaaaaaaa" singen. Rufen. Brüllen. Schreien! JAAAA!
***
Heute kann es gut gehen. Und es kann schief gehen. Es wird heute so intensiv wie noch nie in den vergangenen zwei Jahren. Es ist ein Endspiel, ein Finale, das gegenseitige Assessment-Center. Mannschaft prüft Fans, Fans prüfen Mannschaft - und das gegenseitig auf Erstliga-Tauglichkeit. Das 33. Spiel flasht mich wie noch keins vorher in dieser Saison. Wache neben der Liebsten auf, mag die Augen nicht so richtig aufklappen. Gehe in Downtown Witten ein bisschen durch die Gassen und Straßen, mal in diesen Laden, mal in jenen, gehe gedanklich alle Varianten einer möglichen Aufstellung durch, erinnere mich an Mittwoch. Nach der Arbeit bin ich mit dem Regionalexpress ins Bermuda-Dreieck geeilt, habe mich in der kleinen Kneipe "Jedermann's" - gegenüber vom "Freibeuter" - in die erste Reihe geflazt und mir das deprimierende 1:3 in Hamburg reingezogen. Und hab mir den Kopp rot, wild, schmerzend und wund geredet, diskutiert. Ich war - oh Wunder - der Positive in unserer Runde, hab davon geredet, dass wir Frankfurt problemlos putzen, während Bielefeld und Cottbus nullen. Hieße: gerettet. Doch die anderen? Resigniert nach fünf saft- und kraftlos verlorenen Spiele in Folge. Ohne Vertrauen ins eigene Team. Wild um sich schlagend "Koller raus" rufend. Ja, ich spaziere an der Hand meiner Liebsten durch Witten, trage den blau-weißen VfL-Schal fest verknotet um den Hals, die Kamera in der Tasche des Kapuzenpullovers. Ruhig ist es, noch.
Bis 13.10 Uhr. Da fährt am Wittener Hauptbahnhof der Regionalexpress Richtung Essen ein, mit acht Minuten Verspätung. Warum, wird schnell klar. "Arbeitslos und die Alte im Bordell - das ist der VfL!", schallt's aus allen Ecken des Zuges, als wir VfLer den Zug betreten. Der Zug kommt leider aus Siegen - und ist eine der Möglichkeiten für Frankfurter Fans, mit dem Wochenend-Ticket in den Pott zu gelangen. Oh je. Dauert zum Glück nur zehn Minuten bis Bochum.
Und von dort nur fünf bis zum Ruhrstadion. Bin viel zu früh dran (viel zu früh!), als ich um kurz nach halbzwei hinter der Ostkurve entlanglaufe, ist das Stadion noch nicht mal geöffnet. Das ist der Saison-kurz-vor-dem-Ende-Moment, den alle Fußballfans um diese Uhrzeit empfinden. Zu aufgeregt, um still auf der Couch zu sitzen - und zu still, um jetzt schon aufgeregt genug zu sein. Ich gehe in den Fanshop, kaufe für zweimal 31 Euro Karten für das Spiel in Köln nächste Woche - da wird's ja allem Anschein nach um die Frage "Relegation ja oder nein?" gehen. Mein Bruder hat sein Kommen zugesagt. Er meldet sich passenderweise im gleichen Moment per sms und fordert Infos an, weil er gerade im IC von Linz Richtung Magdeburg sitzt. Mache mir keine Gedanken, was er sowohl in der einen als auch in der anderen Stadt macht. Egal. Da sind's immer noch 110 Minuten bis zum Anpfiff. Zum Glück gibt's keinen Arzt am Einlass, der jeden Fan untersucht und alle, die nicht 120:80 Blutdruck und einen gleichmäßigen Puls nachweisen können, nicht einlässt. Mich müsste er sofort einliefern. Wie vertreibe ich mir bloß die Zeit? Ich gehe ins 1848, Fankneipe im Stadioncenter, spaziere direkt durch auf die Terrasse. Wenn gegen zwei die Mannschaftsbusse kommen, sind Spieler und Trainer von hier zu sehen, auch Schweißperlen und Gelassenheit. Bei den Fans, die beobachten (so wie ich) und auch bei den Spielern. Kurz nach zwei kommen die Frankfurter, ich gucke kaum drauf, registriere nur die "Funkel-raus"-Rufe, als der Trainer kommt. Fünf Minuten später fährt der VfL-Bus vor. Weiß gar nicht, wer zuerst kommt, glaub Dabrowski. Es gibt Beifall, ja sogar Sprechchöre, als Epalle zu sehen ist. Doch als Koller kommt, brüllen ein paar Leute "Koller raus". Der registriert's mit extrem bösen Blicken Richtung Terrasse. Oh wei, ist das verkribbelt. Sekunden zwischen Buh und Beifall.
Wie wird's wohl, wenn ich in der Kurve steh? Buh? Beifall? Bin heute fast auf mich allein gestellt, weil Gerd schon urlaubt. Wenigstens ist ein Volo-Kumpel von seinem Praktikum beim DSF heimgekehrt, gestern Abend mit dem Auto. Er erzählt von MAZ, Bundesliga Aktuell und Thomas Herrmann, noch mehr Ablenkungskram. Die anderen sind vertreten, ich erfahre von Lupo, dem Prof und den anderen sogar mehr Privates als in meinen bisherigen 22 Kurvenjahren (nämlich die Vornamen!). Die Sekunden vergehen nur saumäßig langsam, aber ab drei glüht der Funk. Unser Trainer hat entschieden, Philipp Heerwagen anstelle von Fernandes in den Kasten zu stellen - so wie ich, so wie wir es seit Monaten fordern. Jetzt! Endlich! Mutig! So wie die ganze Aufstellung! Fernandes raus, dazu noch Yahia und Dabrowski - das aber weniger überraschend. Koller lässt so offensiv spielen wie lange nicht. Mit den zwei Stürmern Hashemian und Klimowicz und drei offensiv orientierten Mittelfeldspielern: Pfertzel, Azaouagh und Epalle. Schon um zehn nach drei brüllen wir alle "V-F-L! V-F-L!" und ich merke jetzt: Wenn es drauf ankommt, ist auf uns Bochumer Verlass! Dann vergessen wir Maltritz raus und Koller raus und alles andere! Aber kritisch bleiben wir: "Leitbild oder Leidbild?", fragt Block A und präsentiert die Stichworte des offiziellen Vereins-Leitbildes, zum Beispiel "professionell", "regionale Identität" und "unbeugsam". Clever! Die Ultras fordern und drohen zeitgleich: "Zerreißt Euch - sonst tun wir es!" Die Aufstellung: laut! Herbies "Bochum": lauter. Einlaufen: ganz, ganz laut. "AUF GEHT'S BOCHUM SCHIESST EIN TOOOOOOOOR!"
Zu Beginn läuft es ziemlich scheiße. Frankfurts Alex Meier schießt aufs kurze Eck, Maltritz klärt auf der Torlinie, in Minute fünf etwa. Die Frankfurter sind so laut, wie sie immer laut sind. Und wir? Wir pfeifen nicht mal! Wir sind alle körperlich so unendlich angespannt, dass beide Knie durchgedrückt sind, die Augen weit aufgerissen und dass Lupo anfängt zu rauchen. Mein Kumpel aus Wernigerode trägt seinen kleinen Sohn auf dem Arm - nur das hält ihn davon ab, auch übermäßig nervös zu gucken. Wir können gar nicht anders als laut "V-F-L", "V-F-L" zu brüllen. Bei einem kommt das ganz besonders an.
Philipp
Pippo
Bönig
Linksverteidiger.
Der ist genauso Bochumer wie Rüdiger Kauf Bielefelder ist. Der grätscht, kämpft, beißt, tritt und flankt, als würde seine Karriere an diesem Tag um 17.15 Uhr enden. Schon in Minute 20 bittet Koller Anthar Yahia zu sich, weil Bönig nicht mehr kann. Aber er kann doch noch. Weiter und weiter und weiter. Und wir greifen auch an, weiter und weiter und weiter. Über Bönig natürlich, der in bester Fuchs-Manier offensiv punktet. Bönig flankt auf Pfertzel, der hämmert die Kugel ins kurze Eck: Pröll ist da. Jawoll, 20 Minuten sind um, V-F-L, V-F-L. Kein Superspiel - aber wer hat schon damit gerechnet. Ich nicht. AUF GEHT'S BOCHUM! Yeah! Heerwagen steht gut hinten und glänzt durch superweite Abwürfe. Einen davon nimmt in Minute 27 Epalle an, er sprintet über rechts Richtung Eintracht-Tor. Spielt einen Doppelpass mit Bönig, dringt fast bis zur Grundlinie vor, FLAAAAAAANKEEEE, Hashemian - TOOOOOOOOOOOOOOOORRRRR!!!! Der Hubschraubeeeeeeer!!! TOOOOOORRRRR! Wu-huuuuu - Song2, Torpogo, der beste Torjubel der Saison bisher, eindeutig, hundertprozentig, TOOOOOOOOOORRRR!!! Jaaaaaaaaaaaa!!! Gerade noch gelästert, dass der vermutlich ausgerechnet heute trifft, und JAAAA, macht er. "Der Torschütze: Vahid?" "HASHEMIAN!" 1:0! Jawollja! Natürlich wissen wir auch, wie es auf anderen Plätzen steht. Nicht - wie früher - via Radio, sondern via iphone und sonstiger Internet-Handys, aber das "Stuttgart führt!" wirkt auf egal welche Weise. Smse meinem Bruder zur Pause: "Stand jetzt sind wir gerettet!" Bielefeld liegt in Dortmund 0:1 zurück, Cottbus in Stuttgart auch. "ABPFEIFEN!", brüllt Lupo. Genau.
Zweite Halbzeit, 45 Minuten vor der Rettung. 45 Minuten noch! Die Frankfurter spielen nach ordentlicher Anfangsphase inzwischen sehr schwach. Bönig macht nach wie vor ein Sensationsspiel, und das zweinull ist greifbar nahe. Bönig flankt auf Klimowicz in Minute 55, der köpft einmal, zweimal - Pröll hält super. Zweimal. Gibt's nicht. Gibt es GAR NICHT!!!! Das musses sein. Weiter zittern. Ist nichts normal in dieser Scheiß-Saison??? Vorn klappt es nicht und hinten? Meier steht völlig blank nach 'ner Stunde und schießt drüber. Hui, hui, hui, hui, hui, das war das zweite Riesending für die Eintracht. Wäre unverdient gewesen - aber doch das 1:1. Andere Seite, inzwischen 65., die entscheidende Phase. Atmen verboten. Freistoßflanke Epalle, Maltritz ganz frei, Pröll hält wieder riesig. Immer noch 1:0. Immer noch!!! MAAAAAAANNN!!! Wir greifen weiter an, wollen es mehr als die Eintracht. Bielefeld liegt inzwischen 0:5 zurück in Dortmund, Cottbus 0:2 in Stuttgart. Heißt: Die Frankfurter sind sicher durch, wir nur, wenn's beim Dreier bleibt. Wir Fans spüren das, es ist mit großer Sicherheit das emotionalste, lauteste Heimspiel der Saison.
73. Minute, 16.58 Uhr, wichtig, wichtig. Ein 60-Meter-Pass in den Eintracht-Strafraum, Hashemian steigt zum Kopfball hoch, köpft Richtung "Fünfer", dort steht Frankfurts Jung und will die Kugel weghauen, er schießt aber Hashemian an. Der Ball kullert Epalle vor die Füße, SCHIESS, SCHIESS, SCHIESS EIN TOOOOOORRRR, neeein, er schießt Pröll an, Abpraller, Klimowicz köpft aus sieben Metern
rein
TOOOOOOOOOOOOORRRRRRR
TOOOOOOOOOOOOORRRRRRR
wuhuuuwuhuuuu
Song2
Poooogooooooooo
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
"Torschütze die 14: Diego?" "KLIMOWICZ!" Jetzt wissen wir's. Jetzt singen wir's. "Nie meeeeeeeeehr zweite Ligaaaaa, nie meeeeeehr nie meeeeehr nie meeeeeeeehr zweite Ligaaaaaa!" Einer der leiseren von uns nimmt allen Mut zusammen und schreit's raus: "JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA" Wir schauen ihn an, er schaut uns an, lacht und sagt dann: "Tschuldigung, musste raus." So geht's allen. Wir knicken unsere Beine wieder ein, strecken uns wieder und überstehen sogar noch einen Tränen-Moment. In Minute 75 wechselt Koller den komplett ausgelaugten Bönig aus, welch Wunder, dass der noch selbst gehen kann. "Phiiiiiiiilipp Bööönig", brüllt die Ostkurve, brüllt Block A, und ja, selbst die faule Haupttribüne steht gesammelt auf. Für einen Linksverteidiger! Unfassbar! Da schießt mir die Suppe fast in die Augen, die gesamte verschissene Saison sehe ich in den Sekunden vor mir, die Bönig braucht, um den Rasen zu verlassen. Viel passiert nicht mehr. "Marcel Maltritz"-Rufe, als Versöhnungsangebot gedacht, Verabredungen fürs Bermuda-Dreieck heute Abend, die Durchsage, dass Bier und Cola nach dem Abpfiff vor dem Stadion nur einen Euro kosten, viele Glückwunsch-sms, viele Steine, die von allen möglichen Herzen plumpsen. Abpfiff, hey, geschafft. Klassenerhalt, zum Dritten unter Koller. Nie mehr zweite Liga 3.0. Wir spielen ein viertes Jahr in Folge in der Bundesliga. Kaum zu glauben. Wirklich kaum zu glauben!
***
Und so begießen wir dieses sportlich sicher nur durchschnittliche, aber doch ungemein emotionale Spiel mit Applaus und 'ner "Humba", die der solide Heerwagen via Megaphon anstimmt. Und doch bleibt der Eindruck: Über geschaffte Klassenerhalte haben wir schon ausgiebiger und ausgelassener gefeiert. Die Mauer zwischen Mannschaft, Vereinsführung und Fans ist gebröckelt, aber noch nicht gefallen. Niemand darf vergessen, dass wir nur fürchterlich magere 31 Punkte geholt haben. Niemand sollte die Saison mit einem mageren "Ziel erreicht" abhaken. Ziel waren einmal 45 Punkte.
So bleibt am Tag danach, während ich diesen Text schreibe, nur das Gefühl, dass wir diese beschissene Saison voller Anfeindungen, Contras und miesen Spielen mit dem Minimalziel abschließen. Nicht weniger. Aber weißgott auch nicht mehr. Und an diesen zweifelsohne wunderbaren gestrigen Tag erinnern heute nur noch ein youtube-Schnipsel - und eine leise Melodie in meinem Hinterkopf.
Die geht so:
"Nie mehr nie meeeeeeeeeeeeeeeeehr zweite Ligaaaaaaaaaaa..."

Das Vorgeplänkel
 
Funkel Fans
Noch 80 Minuten bis zum Anpfiff: Der Frankfurter Bus ist gerade angekommen, Trainer Friedhelm Funkel bewegt sich treppab Richtung Kabinengang, begleitet von zwei, drei "Funkel raus"-Rufen. Funkel selbst guckt die Rufer aus. Noch 75 Minuten bis zum Anpfiff: So sieht Anspannung aus, und zwar auf der Terrasse der Kneipe "1848" im Stadioncenter. Viele VfLer vertreiben sich die Zeit bis zum Anpfiff, indem sie auf die Mannschaftsbusse warten.
Dabro Koller
Noch 73 Minuten bis zum Anpfiff: Christoph Dabrowski kommt. Zu diesem Zeitpunkt weiß er schon, dass er nicht spielt. Noch 72 Minuten bis zum Anpfiff: Jetzt kommt Trainer Marcel Koller. Auch er - wie kurz zuvor Funkel - muss mit "RAUS"-Rufen leben, und auch er schaut sich die Rufer an. Dahinter voll konzentriert: Philipp Bönig. Für ihn wird's ein denkwürdiger Nachmittag.
Schal Wosz
Noch 10 Minuten bis zum Anpfiff: "Mein VfL" läuft über die Lautsprecher, im Hintergrund sind die Opelaner in ihren gelben Shirts zu erkennen. Noch 9 Minuten bis zum Anpfiff: Immer noch "Mein VfL" und ein Blick auf den Dariusz-Wosz-Doppelhalter, den ich schon immer fotografieren wollte.
Block A Block A
Noch 4 Minuten bis zum Anpfiff: Die Aufstellung wird gerade verkündet, da erheben einige in Block A die ersten Transparente für eine sehr nachdenkliche Choreo. "Regionale Identität" steht auf einem, "Professionell" auf dem nächsten, dann noch "unbeugsam"... ... und während "Bochum" läuft - 3 Minuten vor dem Anpfiff - wird der Sinn deutlich. "Leitbild oder Leidbild" fragen die Fans, bezogen auf das selbst verordnete Vereinsleitbild des VfL. Hut ab, sehr gut nachgedacht. Etwas drastischer formulieren das die Ultras: "Zerreißt Euch - sonst tun wir es"!
Opel Einlaufen
1 1/2 Minuten vor dem Anpfiff: Jetzt sind die Opelaner auch für jeden Zuschauer erkennbar - aufgrund eines "Wir sind Opel"-Plakats. 30 Sekunden vor dem Anpfiff: Genug abgelenkt. Jetzt gilt's! Klassenerhalt oder das Stadioncenter fliegt nach dem Abpfiff auseinander!

Das Spiel und der Jubel
 
Vadder und Son Tafel
Ein Familienvater aus Wernigerode hat seinen Sohn dabei - und trägt ihn von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Arm. Was für eine Saisonpremiere für den jungen Mann... 55 Minuten gespielt - zu diesem Zeitpunkt sind wir gerettet. Wir führen, Gladbach liegt 0:2 zurück, die beiden anderen Mitkonkurrenten jeweils 0:1. Abpfeifen!!!
Tafel zwei Heerwagen
Zwei Minuten nach Klimowicz' Tor isses geschafft: Wir führen zweinull, Bielefeld liegt inzwischen 0:5 hinten, Cottbus 0:2. Noch 15 Minuten Spiel gucken, bevor wir feiern können. "Nie meeeeeeehr zweite Ligaaaaaaaaaaaaaaaa!" Okay, eine Ecke bekommen die Frankfurter noch - aber wir haben ja einen sicheren Torwart im Tor. Heerwagen, heißt der, Philipp mit Vornamen.
Jubel Jubel
17.19 Uhr, geschafft: KLASSENERHALT!!! Nach einer so verschissenen Saison. Es wird gefeiert in Bochum, aber es bleibt doch etwas holprig... ... wie an diesen Bildern zu sehen ist. Ein paar hüpfen, ein paar nicht, alle klatschen, aber es keine "La Ola"...
Jubel Epalle
... nur Heerwagen hat Spaß und sagt die "Humba" an (nicht im Bild)... ... und zwei Spieler werden gefeiert bis der Arzt kommt. Der eine ist (hier im Bild) Joel Epalle, der andere Philipp Bönig (nicht im Bild). "Pippo" Bönig ist, doch, ich muss es so sagen, der uneinholbare Held des Tages.

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1. FC Köln - VfL Bochum 1:1 (23.5.2009)

Abschied
Der allerletzte Akt, bevor der Vorhang fällt...

Mit einem komplett lustlosen Aufritt endet diese miese Saison. Im Gedächtnis verbleiben fast ausschließlich negative Ereignisse

Tafel

... und alle Fragen offen

Dom
Der Dom im Mai-Sommer

Wisst Ihr, eigentlich ist es nie leicht, eine Saison zu beenden. Abzuschließen, den Deckel draufzumachen, einen Strich drunter zu ziehen, vielleicht fallen Euch noch weitere Sprichwörter, Metaphern, Phrasen etc. ein, die im meist unerträglichen DSF-"Doppelpass" drei Euro kosten würden. Doch diesmal klatsche ich um 17.18 Uhr an diesem wundervollen Samstagmittag in die Hände, applaudiere meiner Mannschaft, die auf zweifelhafte Weise in Köln einen Punkt ergaunert hat, schaue meinen Bruder an, die neben mir steht, und sage einfach nur: "Endlich!" Jetzt beginnt die eigentlich schrecklichste Zeit für jeden Fußballfan, jetzt regiert das Wort, das jeder Anhänger so unerträglich findet wie Jürgen Klinsmann Lothar Matthäus.
SOMMERPAUSE!
Doch diesmal fühle ich mich gar nicht schlecht. Ist mir überhaupt nicht schwindelig, ist mir überhaupt nicht nach Heulen zumute. Ich brauche die kommenden drei Monate. Um zu vergessen. Um die Schublade mit dem Etikett "Saison 2008/2009" in meinem Gehirn leerzuräumen und das Etikett erst mit einem schwarzen Edding durchzustreichen und dann abzureißen. Wir haben uns mit 32 Punkten gerettet. Mit 32! Vor einer Woche habe ich Euch mit den beiden Wörtern "Magere Punktzahl" eigentlich schon genug gequält. Eigentlich.
Denn bleibt von dieser Saison irgendetwas Positives? Lasst mich zurückblicken, in verschiedenen Punkten.

Das beste Spiel: Und lasst mich mit einem kleinen positiven Lichtblick beginnen, vielleicht auch im Vorgriff auf die kommende Saison. Denn was vor einer Woche beim 2:0 gegen Eintracht Frankfurt abging, das macht wirklich Mut. Eine solche Zusammenarbeit zwischen Mannschaft und Fans: So würden sich das alle Beteiligten immer wünschen - und es hat gezeigt, dass alle funktionieren können, wenn es drauf ankommt.
Das schlechteste Spiel: Da fällt die Auswahl schwer. Richtig schwer. Das 0:2 gegen Hannover war richtig schlimm, eine klassische Apocalypse-Bochum-Situation. Sportlich grauenhaft ging's zu Hause gegen die Bayern (0:3) und gegen Borussia Dortmund (0:2) zu. Glücklos, risikolos, wehrlos, chancenlos. Die erste Halbzeit beim 2:3 im Heimspiel gegen Hertha BSC - unendlich schmerzhafte Minuten mit drei Gegentoren. Und bleiben wir bei Hertha: Das Rückspiel im Olympiastadion (0:2) habe ich nur noch deshalb in positiver Erinnerung, weil ich in Berlin einen schönen Kneipenabend mit einem Mit-Volontär verbringen konnte.
Das schönste Auswärtsspiel: Wobei in dieser Saison wirklich alle Auswärtsspiele echt schön waren - vor allem das bei Werder Bremen, trotz der unglücklichen 2:3-Niederlage. Schließlich konnte ich meine Liebste dazu gewinnen, mich in den Norden zu begleiten. Wir verlebten einen herrlichen Samstagabend.
Das größte Zitterspiel: Wieder auswärts. 1:0 in Mönchengladbach. Jubelpogo beim Abpfiff. Selten so erlebt.
Beste Spieler: Mein Spieler der Saison ist Philipp Heerwagen, obwohl er nur dreimal spielen durfte. Völlig unverständlich, dass unser Trainer erst nach dem 32. Spieltag gemerkt hat, dass Heerwagen viel besser ist als der womöglich nette, aber doch schusselige Fernandes. Okay, Christian Fuchs darf ich auch nicht vergessen. Wirklich ein toller Linksverteidiger. Und was für ein sensationelles Spiel Philipp Bönig gegen Frankfurt gemacht hat, werde ich wohl in Jahrzehnten noch nicht begreifen. Von meinen persönlich "schlechtesten Spielern" mag ich hier nicht reden. Zu große Auswahl. Von Fernandes über Maltritz und Yahia bis zu Freier und Hashemian.
Der schwierigste Homepage-Moment: Nach dem 2:2 gegen Mönchengladbach und meiner Kritik gegen die Ultras auf dieser Seite ging es flugs in die andere Richtung. Aber überhaupt nicht konstruktiv, sondern eigentlich ausschließlich auf unsachlicher Beschimpfungsebene. Da fehlte mir wochenlang der Antrieb, mich weiter hier zu äußern, hier weiter meine Geschichten zu erzählen. Ich konnte viel über Macht, Folgen und Bedeutung des Internets nachdenken.
Der schwierigste Fan-Moment: Der Rausschmiss von Thomas Zdebel in der Winterpause ist immer noch nicht vollständig aufgeklärt und uns allen ein Rätsel. Kaum auszudenken, wenn wir das erste Prä-Rausschmiss-Spiel gegen Karlsruhe verloren hätten.
Der beeindruckendste Fan-Moment: Die Pro-Zdebel-Demo in eben diesem Spiel gegen den KSC war sensationell. Gänsehaut.
Fans gegen Fans gegen Fans gegen Trainer gegen Spieler gegen Mannschaft: Dass wir Bochumer keine Ja-Sager-Fans sind, die alles immer toll finden, weiß in Deutschland spätestens seit dieser Saison jeder. Finde ich gut, denn jene Fangruppen, die alles immer unkritisch hinnehmen, sind vielleicht vom Boulevard gewollt und werden stets als "hingebungsvoll" bezeichnet, sind nichts für mich. Aber übertrieben haben wir es in dieser Saison schon ein wenig. Zuerst traf es - meint die Öffentlichkeit - Oliver Schröder beim Heimspiel gegen Hertha. Ich meine immer noch: Damit war der Trainer gemeint, der beim Rückstand für einen Defensiven einen Defensiven brachte. Dann war's immer "Koller raus", bis zum letzten Moment. Was auch - trotz des dritten Klassenerhalts in Folge - nach wie vor meine Meinung ist, weil ich diesen Fußball nicht mehr sehen kann. Und was ich diese Saison im Oktober 2008 auch öffentlich bei DerWesten geäußert habe. Dann lieber einen - wie Calmund sagen würde - "positiv Bekloppten" wie Pele Wollitz. Das gäbe zwar nur zehn Punkte, aber wenigstens Spaß inne Backen. Und dann noch "Maltritz raus" beim Hannover-Spiel und die Weigerung der Mannschaft, in die Kurve zu kommen. Es wären noch die Fans-gegen-Fans-Momente aus der Hinrunde zu erwähnen, wenn's um "Koller raus" ging. Potenzial nach oben, auf allen Seiten. Diese Saison darf sich auf allen Seite niemals wiederholen. NIEMALS, NIEMALS, NIEMALS. Doch wie das anstellen? Den Trainer will der Vorstand nicht tauschen, die Mannschaft auszutauschen geht aus finanziellen Gründen nicht und wir Fans bleiben auch. Sprich: fast in der gleichen Besetzung auf allen Seiten geht's in drei Monaten in die Saison 2009/2010. Der Vorhang zu, und alle Fragen offen.

Natürlich ist diese Liste unvollständig.
So wie dieser Text unvollständig wäre, wenn ich nicht noch in einem kurzen Absatz auf dieses bedeutungs- und lustlose Spiel eingehen müsste. Was bleibt ist, dass ich selten so viel Geld für eine einzelne Eintrittskarte ausgegeben habe - nämlich 31 Euro. Machte aber nichts, denn mein Bruder (sein erst zweites Saisonspiel) und ich konnten uns prächtig unterhalten. Das Spiel war ganz, ganz furchtbar, ohne Leidenschaft, ohne Zweikämpfe, ohne alles, was zu einem vernünftigen Fußballspiel gehört. Okay, die Kölner Fans sind ziemlich wahnsinnig, und wenn 46.000 Personen "Mer stonn zo der, FC Kölle" brüllen, vermag das auch Auswärtsfans durchaus zu beeindrucken, aber das hat ja nichts mit dem zu tun, was auf dem Rasen passiert. Zwei Tore gab's, auf jeder Seite eins, und beide erzielten Bochumer Spieler. Das erste Klimowicz per Kopf nach schöner Flanke von Concha in der 22. Minute, das zweite kurze Zeit später Yahia. Nach einer Kölner Ecke brachte es der gute Anthar fertig, die Kugel unter die eigene Latte zu köpfen. Der Höhepunkt in diesem armen Spiel, in dem sich nur ein Spieler auszeichnen konnte: Philipp Heerwagen, unser Schnapper, der so manches Loch in unserer Abwehr zu stopfen verstand. 1:1, fertig, aus. Am Schluss applaudieren wir noch Matthias Scherz, der nach zehn Jahren in Köln seine Karriere beendet, weshalb ich nun von mir behaupten darf, nicht nur Frankfurts Kult-Verteidiger Uwe Bindewald mit in die Rente geschickt zu haben.

Ich sage "Endlich!" zu meinem Bruder, spaziere gemeinsam mit ihm zur Straßenbahn. Wir fahren zum S-Bahnhof "Weiden West", irgendwo am äußersten Rand von Köln. Köln-Weiden scheint nur aus eben diesem Bahnhof und dem nebenan liegenden Park+Ride-Parkplatz zu bestehen. Wir fahren bis zum "Hansaring", ziehen am Süßigkeiten-Automat eine gekühlte Zehner-Packung Yoghurette, die wir in fünf Minuten vertilgen (schönes Wetter!). Bei meinem Onkel in Köln-Mülheim gibt's Spargel-Quiche.

Es ist Minute 75 nach der Saison 2008/2009.

Rund um das Spiel
 
Dom ze dor
Mittagspause vor der drittgrößten Kirche der Welt: Schon im Jahr 873 stand an dieser Stelle eine große Kirche... Bei 30 Grad lassen sich's auf der Treppe zwischen Dom und Hauptbahnhof alle gutgehen: Touristen, Kölner, FC-Fans, VfLer. Köln-Müngersdorf, kurz vor dem Anpfiff: 46.000 Kölner unter 50.000 Zuschauern brüllen "Mer stonn zo dir - FC Kölle". Schon als ich auf der Pressetribüne saß, ein zugegeben beeindruckender Moment. Als Auswärtsfan ein nicht minder überragendes Schauspiel.
ze dir Einlaufen
Köln-Müngersdorf, kurz vor dem Anpfiff, Teil zwei: Abzüge in der B-Note muss ich allerdings verteilen. Der Text läuft auf der Anzeigetafel mit. Das muss in Bochum nicht sein. Da kennt "Mein VfL" und "Bochum" wirklich jeder. Köln-Müngersdorf, kurz vor dem Anpfiff, Teil drei: Eigentlich schmettern die Höhner "Viva Colonia" beim Einlaufen, diesmal aber fand parallel die Verabschiedung von drei Spielern statt. Zu dumm, es hätte den Eindruck eines FC-Heimspiels perfektioniert.
VfL Ultra
So, genug den bekloppten Kölner Anhang gelobt. Wir 4000 Bochumer befürchteten, ein Endspiel sehen zu müssen - bekamen aber einen lustlosen Sommerkick geboten, der uns nicht davon abhielt, "Schalalalalalalalalalalaaaa - BOCHUM!" zu schreien. Irgendwann in der zweiten Halbzeit: Ultras aller Stadien vereinigt Euch? Nicht nur die Kölner Ultras (die sich auf diesem Transparent gegen die Datensammlung in der Datei "Gewalttäter Sport" wehren) präsentierten Spruchbänder und Plakate, sondern auch unsere (das habe ich aber nicht im Bild).
Olli ist ein Bochumer Thommy
Abschied eines Bochumers: Für Marc Pfertzel (Nr. 21) kommt Oliver Schröder zu seinem letzten Einsatz im Trikot des VfL Bochum. Alles Gute Olli! Der verabschiedet sich ganz und gar nicht: Mein Bruder während seines zweiten Saisonspiels. 31 Euro für eine Eintrittskarte hat er vorher erst ein einziges Mal ausgegeben - bei unserem UEFA-Cup-Einzugsspiel gegen Hannover 96 noch unter Neururer.
Abpfiff Scherz
Schlusspfiff  Mit dem abermaligsten Unentschieden beenden wir die Saison. 32 Punkte reichen zum Klassenerhalt. 32! Ein Witz! Abschied eines Kölners: "Buenos Dias Matthias" Scherz verabschiedet sich von den Kölner Fans. Da haben auch einige Bochumer geklatscht, ich hab's genau gesehen. Konnte zwar nicht allzu gut Fußball spielen und war in der ersten Liga eigentlich immer überfordert - aber doch n' cooler Typ...
Scherz Weiden
... wissen auch die Kölner. Mit dem Spruchband "10 Jahre Kampf und Hingabe für den FC" sagten sie "Good Bye". Wir ließen das Stadion und die Saison 2008/2009 hinter uns, fuhren mit der Straßenbahnlinie 1 bis "Köln-Weiden West". Und - meine lieben Freunde - das liegt wirklich da, wo niemand hinkommt. Zum Glück kam schnell die S-Bahn, und via Köln-Hansaring und Köln-Stammheim landeten wir dann bei meinem Onkel in Köln-Mülheim.

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Diese Seite wurde zuletzt geändert am 24.5.2009
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