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ZUM 1. TEIL DES TAGEBUCHS DER AKTUELLEN SAISON 2004 / 2005 ----
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ZUM 2. TEIL DES TAGEBUCHS DER AKTUELLEN SAISON 2004 / 2005 ----
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ZUM 3. TEIL DES TAGEBUCHS DER AKTUELLEN SAISON 2004 / 2005 ----
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ZUM 4. TEIL DES TAGEBUCHS DER AKTUELLEN SAISON 2004 / 2005 ----
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ZUM 5. TEIL DES TAGEBUCHS DER AKTUELLEN SAISON 2004 / 2005 ----
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ZUM TAGEBUCH DER SAISON 2001 / 2002
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FC Bayern München - VfL Bochum 3:1 (23.4.2005)
Zum letzten Mal. Im Olympiastadion. Und überhaupt?
Ein abgeschenktes Spiel, ein schöner Frühlingstag, ein mehr als verdusselter Torwart, ein Treffen im Olympia-Biergarten
Alle Ängste alle Sorgen sagt man liegen darunter verborgen
Wie ein Pfeil zieht sie vorbei
Wie verstümpert man eine Riesenchance, Teil 1
- München, zum 1. Tag,
HIER
-
- München, zum 2. Tag,
HIER
-
Und der 3. Tag?
HIER:
Ich sitz jetzt nicht wirklich
im Flieger, oder? Ich beende diesen Ausflug, diesen Kurz-Urlaub, dieses
Auswärtsspiel nicht mit einem Flug!?!
"Ich fühle mich ganz
schön abgehoben", lache ich Tina und Helmut per Mobilfunkgespräch
zu, mitten im Münchner Airport. Rechter Hand liegt das "Hotel Kempinski",
aus dem jeden Sonntagmorgen der "DSF-Fußballstammtisch" gesendet
wird, eine der liebsten Sendungen des medienbewussten Lederballfreundes.
Warum gerade hier? München, die Medienstadt. Sowohl Premiere (in den
Fußball-Fernsehrechten auf Platz 1) als auch das DSF (in eben diesen
Fernsehrechten auf Platz 3) haben in Vororten von München (in der
Fußball-Bundesliga im Moment auf Platz 1) ihren Sitz. Soso, da also.
Hat ganz schön lange gedauert, die Tour vom Hauptbahnhof bis hier.
45 Minuten mit der S-Bahn, das ist fast wie von Mülheim bis nach Bochum-Langendreer,
also bis zur Matrix. Matrix, Matrix. Ne Runde abfeiern, das könnte
einiges, das würde das Wochenende toppen. Aber nein, ich muss noch
den Vorsitzenden des VfB Speldorf anrufen, um mir beruflich eine Mitfahrgelegenheit
für das VfB-Spiel morgen bei Viktoria Goch zu besorgen. In meiner
rechten Hand die Bordkarte. Ey Bordkarte! Ich bin in meinem 15. richtig
dicken VfL-Jahr und immer was Neues. Ich bin mit dem Auto selbst zu Auswärtsspielen
gefahren, gefahren wurden, mit dem Zug, mit dem Bus, mit dem Linienbus.
Aber Flugzeug? Das hat noch gefehlt. Ich tapere durch das heute sogar recht
leere Terminal 2 des Münchner Franz-Josef-Strauss-Flughafens, suche
Gate G08.
Noch ein paar Minuten. In
der völlig überteuerten Flughafen-Pizzeria hocken drei Bochum-Fans.
Also noch drei Bekloppte, die auf die Idee mit dem Flugzeug gekommen sind.
Teuer, egal, ich bestell mir trotzdem ne Pizza Schinken. Dazu noch ne Cola
und ein Mars, möcht nicht wissen, wieviel ich dafür bezahlt habe.
"Pssst", tuschelt jemand am Tisch hinter mir zu seinem Nachbarn/seiner
Nachbarin, so, dass ich es eigentlich nicht mitkriegen soll. "Das sind
wohl die Edelfans." Oh je, so weit ist es schon gekommen. Edelfan. Ich
krame meine Digitalkamera aus meinem Handgepäck, verteile die restlichen
Papiere auf dem Boden (hab ganz schön viel Mist eingepackt) und gehe
die Bilder des Tages durch. Meine Bilder des Tages.
Bild eins... der
Balkon... Mogääään! Auch Nacht Nummer zwei habe ich
nicht so ruhig verbracht, wie ich es eigentlich wollte. Streckreckstreckdich,
Andi. Und es knicktknacktknuckt auch, aber es schmerzt. Mensch, alles sprach
doch für ein angenehmes Ausschlafen. Allein in der Wohnung, kein Stress,
eine ruhige Umgebung, keine störende Kirche, kein Straßenlärm.
Und doch? Dreimal wach geworden, dreimal wieder eingeschlafen; das macht
mich ganz kirre! Ich schlurfe mit geschlossenen Augen Richtung Küche,
laufe natürlich vor die Wand (bei geschlossenen Augen kein Wunder).
Natürlich ist heute nicht mehr in den Schränken als gestern,
und natürlich esse ich Manuela und Dirk auch heute nichts weg. Na
gut, bis auf eine Knäckebrotscheibe. Mein linkes Auge fluppt auf,
das rechte, und HEY, den Balkon habe ich ja bislang gar nicht bemerkt.
Ein klitzekleiner, winziger, zweieinhalb Quadratmeter-Balkon. Zwei Stühle
und ein Mini-Tisch gehen darauf. Das ist nichts für einen Samstagvormittag
um 11 Uhr im April, aber für laue Sommernächte...? Kerzenschein,
ne Flasche Wein, Musik ertönt aus der Küche... Lasst mich träumen.
Bild zwei... Olympiapark...
Doch mit Träumen ist das so eine Sache. KostBar hin oder her, deutsches
Museum hin oder her, Viktualienmarkt, Englischer Garten, LMU undsoweiter
- deshalb bin ich nämlich eigentlich nicht wirklich gekommen. Hauptgründe
Nummer eins und zwei für diesen Kurz-Urlaub sind Dirk und selbstverständlich
der VfL. Ich konnte in den letzten Tagen nicht verhindern, dass dieses
Spiel unweigerlich näher rückte, auch wenn ich es so gewollt
hätte. Das Spiel haben wir nämlich schon längst verloren.
Trojan und Madsen sind sowieso verletzt. Lokvenc und Maltritz haben sich
vor einer Woche in Lautern - super übrigens, dass ich ausnahmsweise
mal ein Auswärtsspiel verpasse und das gewinnen die Trottel direkt
- Gelbsperren abgeholt. Und Knavs und Kalla, jeweils angeschlagen, bleiben
auch ganz in Bochum. Mit ein paar Amateurspielern im Kader wirds schon
gut gehen - lasst die Bayern doch ein Schützenfest veranstalten -
was soll´s, die wichtigen Spiele kommen wann anders. Und - äääh,
Fragezeichen überm Kopf - warum bin ich hier? Weil ich einfach mal
wieder dieses Frust-Erlebnis brauche. VfL ohne Frust, das wär ja noch
schöner. "Die Kacke is, datte getz widder am hoffen biss", hat jemand
auf dem Ruhrstadion-Klo laut VfL-Fanforum gesagt. Kacke, wirklich. Ich
schalte mein Handy an und das bimmeliert. Nachricht von Jens,
der Bruder vom Finnen, der mit seiner
Freundin Martina in ihrer Heimat gerade urlaubt. Heimat? München,
natürlich. "Haben das schöne Wetter genutzt und sind am O-Park."
O-Park. Oh je, so allmählich sollte ich aufhören rumzugammeln.
Wird Zeit. Will nicht den Anstoß versäumen! Ich dusche, ziehe
mein Kalla-Trikot an, meinen Schal drüber, antworte: "Bin am Rotkreuzplatz.
Wenn ich da bin, schreibe ich eine sms." Den Weg zum Olympiastadion habe
ich mir gestern schon rausgesucht. Ich wage es, nicht über den Hauptbahnhof
zu fahren, sondern den direkten Weg zu suchen. Mit der U1 bis "Westfriedhof"
und dann querdurch laufen. Etwas komplizierter, aber des passt scho. Los.
Bilder drei bis sechs...
davor... Zweimal war ich bisher beim Fußball in München, denke
ich, als ich am "Westfriedhof" aussteige, einen Blick auf den Stadtplan
werfe, der seit vorhin in meiner linken Arschbacken-Jeanshosentasche lagert,
und zweimal gabs böse was auf die Nuss. Hier einen einen Sieg zu glauben,
ist so utopisch, so lächerlich, so unrealistisch. Aber gegen den VfL
zu wetten, gegen meine Prinzipien - neee, das mache ich auch bei solchen
Voraussetzungen nicht. Ich habe wieder auf meinen bevorzugten Tipp gesetzt:
Mehr als zwei Tore. Der Olympiapark rückt näher, und damit der
Olympiaturm. Eigentlich wollte und will ich da noch drauf, nein, aber nicht
jetzt. Jetzt ist es bestimmt zu voll, und außerdem bleibt mir noch
das nächste Mal München, irgendwann. Die wirklich immer wieder
beeindruckende Dach-Konstruktion über dem 70er Jahre Stadion taucht
am Horizont auf, und immer mehr Bayern-Fans kreuzen den Weg. 13.20 Uhr,
noch zwei Stunden und zehn Minuten bis zum Abpfiff. Martina und Jens treffe
ich am "Olympia-Biergarten" direkt vor dem Gäste-Eingang. Hui, steht
die Sonne schief, das ist ja ääätzend. Ich knibble mit meinen
Augen wie ein neugeborenes Küken ohne Glubscher, und vermisse meine
Sonnenbrille. Wir drei beschließen, über den Eingang hinter
der Bayern-Kurve das Stadion zu betreten und eine Runde zu drehen. Denn
im Olympiastadion ist es AOL-Arena-mäßig möglich, das zu
tun. Aber das ist zum vorletzten Mal drin. Dann gehts in die Allianz-Arena.
Ab 14.30 Uhr brüllt der Stadionsprecher, irgendein Radioreporter,
der als Fernsehmann irgendwann mal kläglich gescheitert ist (ich komm
nicht auf seinen Namen, kenne aber das Gesicht), dauernd was von "Herrschaftszeiten".
Er grinst bei jeder Gelegenheit in die Kamera - bei wem kommt das an? Ich
verdrückte eine Schnitzel-Semmel (Brötchen mit Schnitzel drin),
dazu noch ne Cola. 14.30 Uhr, Tschüss. Ein etwas ungewöhnlicher
Treffpunkt. Am Donnerstagabend hätte ich mit Jens und seiner Fußballrunde
in einer Soccerhalle noch zocken können. Ging aber nicht. Und heute
sehen wir uns schon in München. Die beiden haben einen Sitzplatz.
"Schönes Spiel", "Schönes Spiel", "Also ich mach mir gar keine
Hoffnung. Mein offizieller Tipp ist 2:1 für den VfL. Aber realistisch
ist ein 4:1 für Bayern. Oder so." "Sei mal nicht so pessimistisch.
Warte ab, wie es läuft, wenn es lange 0:0 steht."
Bilder sieben bis zehn...
DAS
SPIEL... Spiele im Olympiastadion bei den Bayern sind Stimmungskiller Nummer
eins. Schon immer ist das so gewesen und heute selbstverständlich
auch. Die Akustik in dem Laden ist wirklich schlecht. Schlimmer als in
Gladbach. Die Kurve wiederum ist so groß, dass sich die 1000-köpfige
Bochumer Fraktion wirr verteilt. Mittendrin stehen dann auch noch etliche
Bayern-Fans, die froh sind, überhaupt noch an Karten gekommen zu sein,
denn das scheint heute ein ausverkauftes Haus zu werden. Leider sind 85
Prozent aller Bayern-Fans "unter 12" und deshalb hat jedes Kind auch noch
einen Erziehungsberechtigten, meist natürlich Vater, dabei. Wir Bochumer
verhalten uns ruhig, geben uns neutral, wenn fünf Kinners gleichzeitig
die rot-weiße Fahne schwenken. Stimmung schlecht bis miserabel. "Sitze
grad in Köln in der Sonne und denke an die drei Punkte, die du mitnehmen
musst", smst Dirk. Wenn das so leicht wäre. Das Drumherum finde ich
einfach nur affig, eine reine Promotion-Sache. Olli Kahn kommt zum Warmlaufen.
Für ihn ist sogar ein eigenes Lied komponiert worden. Dann noch "FC
Bayern - forever Number one", "FC Bayern - Stern des Südens" undundund,
der ganze Schmarrn halt. Ich als Bochum-Fan darf mich wie alle anderen
nicht auf die Stehstufen setzen und werde dafür sofort ganz schön
angeblafft. Anfang der ersten Halbzeit sitzen alle - stehen zwecklos. Einlaufen,
zur Musik von "Fluch der Karibik". Transparente. "Sogenannte Fans on tour"
steht auf einem, "Bochum siegt - der Mosi hätts so gewollt", auf dem
nächsten, "Heute ist ein guter Tag, um Geschichte zu schreiben", auf
einem weiteren. Heute ist ein...? Hatten wir doch schon in Bremen,
gell? Stimmt, hatten wir. Anpfiff. Los gehts. Zwei Minuten rum. Jemand
parkt falsch. Der Sprecher gibt das Kennzeichen durch: "Ohhhh, das steht
für Nordhorn. Nordhorn bei Bochum." Schallendes Gelächter. Manmanman,
rege ich mich auf. Der Stimmungsfaktor ist bei MINUS 1!!
Unsere Aufstellung ist ein
schlechter Witz. Die Innenverteidigung bilden Meichelbeck und Tapalovic.
Zwei, die eigentlich schon aussortiert waren. Die Zeit vergeht nicht und
vergeht nich. Waaaaaas - noch 82 Minuten?? "Denke an die drei Punkte, die
Du mitnehmen musst." Ich versuchs. Sieben Minuten später, erste sms
zurück. "Läuft super", schreibe ich. So lange wie möglich
ein 0:0 halten und dann kontern. Ein großer Plan. Grroooooooß.
Doch dann vernascht Pizarro in Minute neun Tapalovic und schießt
zum 1:0 ein. Plopp, im nächsten Moment eine Info auf der Anzeigetafel:
"Wenn Bayern führt, hat das in den letzten 68 Spielen keiner mehr
gedreht." Und heute wirds auch so sein. Minute 17, Makaay frei vor van
Duijnhoven, ein Reflex, HAND!! HAND??? Oh shit, war außerhalb. Was
kommt? "Rot". 0:1 und Unterzahl, das wird immer besser. Jetzt haben wir
verlorener als verloren. Bayern hat weitere Chancen, trifft dann durch
Ballacks Fernschuss endlich zum 2:0. Unsere laufen nur kreuz und quer übern
Platz. 30 Minuten lang. Dann schalten die Bayern alle sechs Gänge
zurück. Das sind zwei Gänge zuviel. Denn auf einmal, hoppla,
spielen wir mit, drängen die Gladbacher in die Defensive. Nachdem
Olli Kahn einen Rückpass von Lucio unerlaubterweise in die Hand genommen
hat, versemmelt Meichelbeck auf übelste Weise einen indirekten Freistoß
im Strafraum. Und Diabaaaaang?? PFOSTEN!! Halbzeit, 0:2. Die Schnitzel-Semmel
liegt mir etwas flau im Magen, hmm, doch wahrscheinlich ist das nicht das
einzige. 0:2, Unterzahl. Gut, sie waren nicht schlecht in den letzten Minuten
und die Bayern haben keine Lust mehr. Aber vor ausverkauftem Haus wollen
die doch sicher noch was zeigen!? 45 Minuten noch überleben, überstehen,
irgendwie. 45 Minuten Fußball, die ich noch in diesem Stadion sehen
werde. Last time Olympiastadion. Unfassbar eigentlich. Zweite Halbzeit;
Minute 53; Eckball Zwetschge, Kopfball Tapalovic, drin. Nur noch 1:2. Hoppla.
Doppelt Hoppla. Man ist das jetzt überraschend. Fast schon eingeschlafen
reagieren wir Bochumer und brüllen im Anmut der Verzweiflung ganz
laut "V-F-L", zum ersten Mal so laut, dass es im ganzen Stadionrund zu
hören sein muss. Und die Bayern pfeifen. Was haben die denn? Schalke
kriegt bei Hertha einen nach dem anderen rein, die eigene Mannschaft führt
2:1 und hat bald neun Punkte Vorsprung und steht zudem im Pokalfinale.
Aber die pfeifen. Die pfeifen ernsthaft! Ich mag sie einfach nicht. Fünf
Minuten später... Eeeeeduuuuuuuuu... PFOSTEN!!!! Scheeeeeiße...
na gut, selbst wenn wir das 2:2 geschossen hätten, wären wir
nicht mit etwas Zählbarem nach Hause gefahren, aber die Bayern hatten
nicht so wie sonst "jederzeit alles im Griff". Nein. Sie sind eingeschlafen,
und fast hätten wir das ausgenutzt. Aber nur fast. So ist in Minute
66 ein letztes Mal das Lied "Music was my first love" in der Instrumental-Version
zu hören. Das läuft nämlich nach jedem Torerfolg der Bayern,
so auch nach dem 3:1 durch Rheuma-Kai nach einem schlimmen, schlimmen,
schlimmen Fehlpass von Colding. Dann läuft die Zeit runter. Nichts
passiert, Ende, Spielnote 3. Wenigstens ist es kein Debakel geworden und
die Stimmung bei uns allen eher gestiegen als gesunken. Mit zehn Mann das
Spiel offen halten - Hut ab. Leider fehlt der dusselige van Duijnhoven
nun gegen Mainz. Was für ein Trottel.
Wind Nordost Startbahn Nulldrei,
bis hier hör ich die Motoren.
Bilder elf und zwölf...
Flughafen.
Ich beende diesen Ausflug,
diesen Kurz-Urlaub, dieses Auswärtsspiel. Mit einem Flug.
Man, bin ich gelassen geworden
mit der Zeit. Mit dem Abpfiff hake ich das Spiel, diesen Ausflug ab. Ziel?
Möglichst schnell zum Flughafen. Wie ein Automat, ein Roboter laufe
ich durch den Olympiapark, sehe eine Straßenbahn am "Bildrand" die
Haltestelle "Olympiapark West" anfahren. Ich spring rein, die wird mich
schon irgendwo richtig hinbringen. Bringt sie auch. Umsteigen am "Westfriedhof",
mich per sms bei Dirk entschuldigen, dass ich die drei Punkte vergessen
habe. Am "Rotkreuzplatz" raus, schnell in der Ruffinistraße die Taschen
holen, pinkeln, der Wohnung und der Knäckebrot-Packung "Lebwohl" sagen,
zurück zum "Rotkreuzplatz". Ganz schön kompliziert, aber es klappt.
Ab zum Hauptbahnhof, ne Fahrkarte am Automaten ziehen; jaaa, und der Rest
ist Routine. Dauert ganz schön lang, die Tour vom Hauptbahnhof bis
zum Flughafen. 45 Minuten mit der S-Bahn, sogar fast doppelt so lang wie
von Mülheim nach Bochum. Am Germanwings-Schalter gibts meine Bordkarte,
in der Pizzeria Pizza und der Flughafen sieht ganz nach München aus.
So schick, so neu, so übertrieben. Der Flug ist ein noch viel schlechterer
Witz. Kurz nach dem Start meldet sich der Kapitän und plärrt
was von 7300 Metern Flughöhe. Dann erlischt das Zeichen des "Anschnallens".
Stewardessen kommen vorbei und versuchen, völlig überteuerte
Snacks an den Mann zu bringen (klappt bei mir: Ich ordere einen heeeiiißen
Kakao, dabei ist mir gar nicht kalt). Ich trinke aus, und muss mich dann
schon wieder anschnallen. "Wir befinden uns im Anflug auf Köln/Bonn".
Aus Spaß an der Freude hab ich meinen roten Mini-Rucksack bei der
Gepäckabgabe gelassen. Hihi, ich steige aus, erblicke das Teil inmitten
der Koffer und Reisetaschen, steige in einen ICE, der zufällig im
Köln/Bonner Bahnhof einfährt, und eile davon. München 2005
ist Geschichte.
Am Schluss, jawohl, ganz
am Schluss sitze ich im Bus 124 vom Mülheimer Hauptbahnhof bis zu
"meiner" Haltestelle Josefstraße. Im Handgepäck ganz oben liegt
meine Digitalkamera. Noch einmal, ein letzten Mal für heute nehme
ich sie in die Hand und schaue alle Fotos durch. Mein erster Urlaub 2005.
Drei Tage lang. Drei Tage München. Ich möcht´s nicht missen.
München 2005...
... zum 1. Tag (21.4.) gehts HIER
!
... zum 2. Tag (22.4.) gehts HIER
!
Ein Morgen auf dem Balkon? München-Neuhausen, Samstagfrüh! | Olympiastadion, Olympiapark! Olympiasee
liegt rechter Hand, der Olympiaturm ist im Hintergrund, aber hier nicht
zu sehen, die Olympia-Schwimmhalle liegt gerade hinter mir.
Kurz zum Olympiapark: Vor 1972 war das der königlich-bayerische Truppenübungsplatz Oberwiesenfeld! |
Einlaufen. FC Bayern gegen VfL Bochum, zum letzten Mal im Olympiastadion, zum letzten Mal überhaupt? Es sieht schlecht aus... |
Plakate Teil 1: "Sogenannte Fans on Tour" auf der linken, "Heute ist ein guter Tag, um Geschichte zu schreiben" auf der rechten. Häää, das hatten wir doch schon in Bremen, das zweite Plakat... Klickt HIER! | Und noch ein Plakat: "Bochum siegt - der Mosi hätts so gewollt!" | Spielstand 2:0, Bayern hat einen Mann mehr, und jetzt auch noch das. Zé Roberto schlägt einen Freistoß von der rechten Angriffsseite in den Strafraum. Aber es passiert nix! |
Da stehts - FC Bayern gegen VfL ganz locker und souverän 3:1. Wenigstens meine "over"-Wette ist durch! | Das vorletzte Heimspiel im Olympiastadion. Dem 1972-Olympia-Stadion, dem 1974-er-WM-Final-Stadion. Ein letzter Blick auf die zugegeben beeindruckende Dach-Konstruktion und die Haupttribüne, auf der auch heute wieder Bomber Gerd Müller saß. | Da will man doch sofort in den Urlaub fliegen, auch wenns auf dieser Tafel zugegeben ein wenig zu europäisch abgeht. |
Sechs Stiche ins ohne schon stark blutende VfL-Herz - und den City-Grill gibts auch nicht mehr
Lehren und Leeren
Lehre 1:
Es ist vorbei.
Lehre 2:
Nein, wir sind nicht heute
abgestiegen. Es waren so viele Momente, die zu diesem Ereignis geführt
haben. Eine schlechte Einkaufsbilanz, Aufstellungsfehler des Trainers,
zu viele Abgänge vor der Saison, viel Pech mit falschen Schiedsrichterentscheidungen,
viel Pech mit Pfosten- und Lattentreffern. Das alles führte zu dem
"Fußball-Fatalismus", den unser Trainer heute im WAZ-Interview beklagte.
Und doch - mit einem Sieg heute wäre es knapp geworden, zu packen
gewesen. Doch verloren haben wir wohl in München, in dem Moment, in
dem van Duijnhoven seine Flossen nicht bei sich halten konnten und vom
Platz flog. Mit einem Torwart im Kasten wäre das ganz anders gelaufen.
Egal, die Lehre ist eine andere. Ich wiederhols nochmal: Abgestiegen sind
wir nicht heute.
Leere 1:
Nach dem Abpfiff. Wir alle
bleiben etwas länger als sonst. Sam, Gerd, der Rest; eigentlich, auch
nach Siegen, gehen alle immer unmittelbar, nachdem sich die Mannschaft
bedankt hat. Jetzt stehen wir alle noch in der Kurve, blicken auf die wild
verteilten Konfetti und Zeitungsschnipsel. Und auf die gegenüberliegende
Seite. Gut, sage ich mir, es sind ganz so viele Mainzer gekommen wie angekündigt.
"Mit 6000 Mann fahren wir nach Bochum", stand in diversen Internetforen,
und zwischen 3000 und 4000 sind hier. Aber die sind prächtigst gelaunt.
Die Mainzer Mannschaft, Trainer und Vorstandsmitglieder haben sich auf
den Hosenboden gesetzt. "Gebt mir ein H!!", und dann geht es los. "Humba-Humba-Tätärääää",
mit alle Mann. Es ist laut. Lupo klopft mir auf die Schulter, einer von
den alten Haudegen aus irgendeinem Fanklub, ich glaub der aus Herne. Er
sagt nichts. Er deutet nur auf den Boden. Auf die Verankerung für
die Sitzplätze, eigens eingebaut für den UEFA-Cup. Leere.
Leere 2:
Geduldig stehe ich in der
Schlange. "Wo? Voll! Schnell!", steht in der sms, die mir Gerd mitten an
den Ticket-Service-Stand geschickt hat. Er scheint seinen Arsch schon in
die Ostkurve bewegt zu haben. Zwei Spiele war er nicht da, sondern im Urlaub
in Syrien; Damaskus beim letzten Mal, ich erinnere mich daran. Halt, erst
muss ich mir noch Tickets für die Auswärtsspiele in Nürnberg
und Hamburg holen. Muss doch dabei sein, wenn es bis zum letzten Spieltag
spannend bleibt. Beim Herzschlagfinale, das es hundertprozentig geben wird.
Vom Ticketservice ist der VIP-Eingang zu sehen. Und ... stopp mal ... ist
das nicht ... ist das nicht ... Rolf Schafstall?? Yepp, samt Frau steht
Bochums Trainerlegende am Aufzug Richtung VIP-Raum. Und angesichts seiner
Lebensleistung bin ich kurz davor, vor Rolf Schafstall auf die Knie zu
sinken, als ich zu einem Schalter gebeten werde. Ein Suffkopp will sich
noch vordrängeln, aber die 50 Leute aus der Schlange protestieren
lautstark. Noch 45 Minuten bis zum Anpfiff. Weiter in die Kurve. Gerd hat
diesmal Anita mitgebracht, die auch ab und zu die Texte dieser Seite liest
(*singmodus an* "Und es weeeeerden immer mehr, halleeeeelllluuujaaaaa"
*singmodus aus*), Sam seine Frau und ... man, mir ist der Name schon wieder
entfallen. Christina? Na jedenfalls mit zwei hübschen Frauen. Alle
sind heiß. Alle Tipps enden irgendwie bei 3:1. "Drei müssen
wir schießen, weil wir zwei reinkriegen, bei dem Torwart", sage ich.
Auf der Anzeigetafel ein Interview mit Vander. Oha, wenn uns die Rote für
Rein vor einer Woche nicht zum Verhängnis wird. Unter den Klängen
von AC/DCs "Thunderstruck", das Gerd und Sam direkt umdichten wollen, läuft
Vander ein. Mutmachendes "Vander"-Gebrülle, aber auch "Raus"-Rufe
und einigen wenigen. Start. Tolle blau-weiße Chereographie. Hoffnung.
Auer, 5. Minute, 0:1. Leere.
Lehre 3:
Wir Fans müssen massiv
über uns selbst nachdenken. Diese Saison hat tiefe Risse hinterlassen.
Pro Neururer, contra Neururer. Pro Ultras, contra Ultras. Nach dem Abstieg
wird sich alles normalisieren, und nur noch die 10.000 wirklich Treuen
kommen Heimspiel für Heimspiel. Vorteil? Nachteil? Es ist typisch
VfL! Darum lieben wir den Verein doch so sehr... wenn alle denken: Jetzt
haben wir's geschafft, jetzt sind wir unten raus, keine "graue Maus" mehr,
UEFA-Cup, wir werden Stammgast, wenn alle sagen "Wir halten uns über
Jahre oben" - dann steigen wir halt wieder ab! Rummsssss... rein ins Gesicht,
rein in die Fresse mit dem Schock.
Leere 3:
Das Spiel ist gut, intensiv.
Unsere Jungs sind nach dem 0:1 kurz geschockt, bis zur 20. Minute. Dann
gehts. Kämpferisch, fleißig, aggressiv, angetrieben von Wosz.
Edu, 21. Minute, Innenpfosten nach Wetklo-Parade. Mainz-Trainer Klopp hüpft
an der Seitenlinie pausenlos auf und ab, rennt rauf und runter. Kein Weltklasse-Spiel,
aber ein hochinteressantes. Minute 27: Misimovic auf Preuß. Preuß
auf Lokvenc - Toooooooooooooooooor!!!!! 1:1!!!! Gladbach führt längst,
aber JAAAA, wir sind wieder da. Weiter. Es hagelt Gelbe Karten. Pause.
Stationettes. Rumgetanze. Noch 45 Minuten Zeit für ein beschissenes
Tor. Zweite Halbzeit beginnt, auf die eigene Kurve. Edu über links,
den kriegen die Mainzer gar nicht zu packen. Freistoßflanke, ein
Mainzer testet per Kopf den eigenen Schnapper; Wetklo hält. Pech.
Es geht hin und her. Keinen hälts mehr hinten. Auch nicht Knavs. Ein
Abwehrspieler vorn, Minute 61. Er vertändelt.... hiiiillllfeeee...
Schockzustand... alle schweigen... alle wissen, was kommt... ein Riiiiiesenkonter...
Thurk-Kopfball; der zweite Mainzer Schuss auf das Bochumer Tor... 2:1.
Wieder Rückstand. Mund steht offen. Gedanken sind? Leer!
Lehre 4:
Das Gerüst für
die Zweitligamannschaft steht schon. Van Duijnhoven, Wosz, Colding und
Drsek werden die Köpfe der Mannschaft sein. Trainer bleibt Neururer,
das hat der Vorstand festgelegt. Fehlt das Drumherum. Wen behalten? Auf
jeden Fall Edu. Der wird - das sage ich blind, ohne Gegner und Mitspieler
zu kennen - Torschützenkönig. Trojan, Diabang, Misimovic, Grote
- junge, gute Leute. Meichelbeck wäre wichtig für die Fans und
die Abwehr. Und von den Neuen, die vor der Saison kamen? Lokvenc und Knavs
werden gehen, Preuß nach Frankfurt. Madsen? Tschüss! Vander?
Tschüss! Bönig? Tschüss! Bechmann, Zdebel, Tapalovic - Wackelkandidaten.
Wahrscheinlich werden die mit Bemben wieder verlängern. Ein typischer
Zweitliga-Füllspieler, der nix kaputt macht, aber auch keine Bäume
ausreißt. Einen Innenverteidiger, einen Linksverteidiger, einen Ersatztorwart.
einen Knallerstürmer und so'n paar Ergänzungsspieler brauchen
wir noch. Wir werden eine Mannschaft haben, die sofort wieder aufsteigen
kann. Noch so eine Lehre.
Leere 4:
Die letzten Minuten, nur
ein kurzer Wahn, möchte ich wie vor einer Woche wieder bei Westernhagens
"Giselher" klauen. Es ist die bitterste, höchste, blödeste, ach
was weiß, schlimmste Heimniederlage in meiner 15-jährigen VfL-Karriere.
Neururer wechselt zweimal, setzt alles auf eine Karte. "Entweder wir gewinnen
noch oder wir kriegen fünf Stück", sage ich zu Sam. 66. Minute,
Konter, Gerber, 3:1. Das wars. Die ersten gehen, die ersten brüllen
"Vander raus!", obwohl der gar nichts dafür kann. Okay, er hat keinen
Ball gehalten und der Rein ist eben ein anderer Rückhalt. Aber wer
ist vom Platz geflogen? Vander oder Rein? Dann wirds bitter. Da Silvas
Freistoß geht direkt rein. Riesentorwartfehler. "Vander RAUS!" wird
lauter. Weigelt flankt harmlos, Vander total nervös, lässt ihn
durchrutschen. 5:1. Dann noch Casey. 6:1. Fünf Gegentore in 22 Minuten.
"Vander RAUS!" Wetklo hält einen Ball. "Siehst Du Vander, so wird
das gemacht!" "Niiiie mehr erste Liiiiiga!" "Zuuuuuuugabe!" Das blanke
Entsetzen. Fühle mich wie bei einem Black-Out. Mit allem war zu rechnen.
Damit nicht. Gladbach gewinnt. In meinem Portmonee liegen die Auswärtskarten.
Will sie bei ebay verticken. Aber wozu? Kauft eh keiner mehr. Zweite Liga,
Bochum ist dabei. Bechmann zum 2:6. Abpfiff, Pfiffe. Nur ein paar Spieler
kommen. Colding. Meichelbeck. Wosz. Die drei kriegen Sprechchöre.
Drei für das nächste Jahr. Die Buhmänner verziehen sich
schnell in die Kabine.
Wir stehen länger in
der Kurve als sonst. Ich verschwinde als erster. Um mir ne Currywurst reinzuziehen.
Ich verlasse die überfüllte U-Bahn, in der keiner auch nur einen
Mucks von sich gab, und suche meinen City-Grill. Doch vorbei. Es gibt ihn
nicht mehr. Das Gebäude ist ausgehöhlt, steht kurz vor dem Abriss.
15 Jahre lang war diese Bude mein treuester Begleiter. Jetzt nicht mehr.
Aus. Schluss. Finito.
Ich halte an der Baustelle
einen Moment inne. Fast kommen mir die Tränen.
Die letzte Leere für
heute.
Fast genau 60 Jahre nach Kriegsende geht alles schief: Andis Spurensuche im Nazi-Dreck, das Spiel sowieso und die Rückfahrt als Ganzes. Wir singen Bochum, Bochum, zweiiite Liiiga!
Auf der Spur eines kleinen, schnauzbärtigen Irren...
Say it isn´t so
"Sehr geehrte Damen und
Herren", krächzt es aus dem Zug-Lautsprecher. "Ich bitte um ihre Aufmerksamkeit."
Ich habe meinen Discman zwar an, aber nicht so laut, dass ich eine eventuell
wichtige Info des Schaffners nicht vernehmen könnte. Grad läuft
"Say it isn´t so" von den Bates. Sag, das es nicht so ist; jaja.
Vor mir liegt die WAZ von heute. Mit dem Tabellenstand vor dem Spiel in
Nürnberg. "Cold as a razorblade, love is so close to hate", heißt
es bei "Say it isn't so", und, nee, das ist mir doch zuviel des Umanalysierens
von Musiktexten auf VfL-Situationen, und ich drücke auf "Stop". Seit
einer Minute stehen wir am Frankfurter Hauptbahnhof, mensch, muss doch
gleich weitergehen, mein Anschlusszug fährt doch gleich. Will doch
vielleicht noch weggehen heute Abend. "Meine Damen und Herren, aufgrund
einer technischen Störung im Triebfahrzeug verschiebt sich unsere
Abfahrt um unbestimmte Zeit." Na toll. Meinen ICE ab Frankfurt Flughafen
kann ich dann wohl knicken. Mein Handy liegt vor mir. Ich greife es mir
und wähle erst die Nummer von Thommy in Trier und dann die von Tina
und Helmut in Mülheim. "Hab ich Euch vorhin nicht noch gesagt, wie
scheiße das alles gelaufen ist heute?" Und dann erzähle ich
die nächste Flop-Geschichte dieses 7. Mai 2005. Wäre ich doch...
Aus meiner Tasche lugt ein Block hervor. Prima, ich habe jetzt ja Zeit.
Dann kann ich doch glatt meine Erlebnisse des Tages mal notieren...
Ist das nicht eine zufällig
perfekte Planung? Morgen vor 60 Jahren war das Kriegsende - und ausgerechnet
heute geht meine Reise nach Nürnberg; eine Stadt, die nicht ganz unbeteiligt
am Aufstieg der NSDAP war. Stichwort "Reichsparteitage" zum Beispiel. Gestern
noch, da blätterte ich auf Internetseiten, die das Nürnberg der
20er Jahre als "Hochburg der Sozialdemokraten" anpriesen - pah, ein schlechter
und peinlicher Versuch. 60. Jahrestag des Kriegsendes. "Kaum ein Land",
schrieb die taz unter der Woche, "hat so viele zweifelhafte Sehenswürdigkeiten
zu bieten." Ich bin seit Wochen, ach was, seit Jahren auf der Suche danach.
Vor zwei Wochen noch München, mit Universität, Feldherrnhalle,
auf der Spur von den Scholl-Geschwistern. Berlin sowieso, Dachau, Bergen-Belsen,
die verbrannte Erde in Norwegen. Ich bin ein Nachkriegskind; der Krieg
war gerade einmal 33 Jahre vorbei, als ich geboren wurde. Eine verdammt
kurze Zeit. Gegen das Vergessen. Heute Nürnberg. Nur Fußball!?
Puuuuh, was ist das denn
für ein Wetter? In München, da vermisste
ich noch meine Sonnenbrille, versuchte, etwas Gesichtsbräune abzubekommen,
und jetzt spielen die Wassertropfen an der Zugscheibe Wettrennen. Es ist
- brrrrr - bitterkalt für diesen Monat, und mein Rock-am-Ring-Kapuzenpulli
reicht kaum aus. Kaum für die Temperaturen, kaum für den Niederschlag.
Nun gut, jetzt sitze ich ja drin im Zug, halb zehn ists. Die Sonderzug-Bochumer
sind schon seit zwei Stunden unterwegs, aber (der Bahn sei gedankt) ich
hab noch ein Frühlings-Sparpreis-Ticket für 58 Euro (hin und
zurück, ein Spottpreis) ergattert und komme in den Genuss, direkt
im ICE von Mülheim bis Nürnberg durchfahren zu können. Heeeeerrlich!
Mein vorletztes Auswärtsspiel. Oder mein letztes? Habe ich noch Lust
auf Hamburg, wenn alles feststehen sollte? Schlage die WAZ auf, die Tabelle,
och nöö, schau besser doch nicht drauf. Gestern Abend hab ich
noch bis spät gearbeitet, bis spät an meinem Turan-Isleyen-Porträt
rumgeschraubt. Heute schon Nürnberg. Gestern Nacht noch, da besuchte
ich die Examensparty eines alten Freundes. Und alle erklärten mich
für vollends verrückt, diese Tortur auf mich zu nehmen. "Bis
zum bitteren Ende", war meine einzige Antwort. Und in den ganzen letzten
Tagen musste ich über die äußerst seltsame Entscheidung,
sich von Neururer im Falle des Abstiegs zu trennen, diskutieren. "Faktischer
Rausschmiss" - ein von der WAZ Bochum gebrauchter, und von Neururer dementierter
Begriff, triffts wohl am besten. Typische VfL-Wischiwaschi-Lösung,
sag ich nur. Der Großteil des Umfelds jubiliert und grübelt
schon mal: Wer wirds denn nun?!? Die Möglichkeit des Klassenerhalts
wird gar nicht mehr in Erwägung gezogen, was die Vorbereitung auf
Nürnberg nicht wesentlich einfacher macht. Die Bahnhöfe in Düsseldorf,
Köln und Frankfurt fliegen an mir vorbei, ich beobachte die Mitreisenden,
wie immer, höre tolle Musik, wie immer, lese die aktuelle Zeitung,
wie immer, und schlafe zwischendurch ab und zu, wie immer. Klingt alles
furchtbar langweilig, ist es aber nicht. Zugfahren ist toll, Zugfahren
ist mein Leben, wenigstens heute, wenigstens in diesem Moment. "297 km/h"
steht auf der roten Anzeigetafel, die am Kopf jedes ICE-Waggons hängt.
297!
Während Herbert "Tief
im Westöööhööööön" anstimmt - auch
auswärts muss das sein - stelle ich fest, dass Nürnberg das einzige
WM-Stadion ist, in dem ich noch nie war. Passenderweise ist der Umbau auch
gerade erst frisch fertig. In Nürnberg beim Fußball? Hatte ich
noch nicht. Aber Nürnberg... da war doch was... richtig, genau, zweimal
bin ich hier schon umgestiegen. Vom Auswärtsspiel in Fürth ging
es aus Nürnberg zurück in den Pott, und die Wochenend-Ticket-Tour
aus München nach Mülheim führte über Nürnberg.
Alles schon zwei, drei Jahre her. Aber halt, Nürnberg, Nürnberg,
stimmt, 1999 oder so, da lernte ich im Internet Kerstin kennen, aus der
Fränkischen Schweiz, gleich um die Ecke. Ich besuchte sie und dann
gleich auch noch Bamberg und die "Bergkirchweih" in Erlangen, und wir waren
einen Abend mal in Nürnberg weg. Die Franken, oder auch "Franggen"
- so kommt das bei mir immer an. Die für "ein wenig" "a weng" sagen.
Uuuuuaaaahhhh! Ein Treffen mit Kerstin? Klappt leider nicht. Zeit ist zu
knapp bemessen. Ein Blick auf die Uhr meines Handys; wow, der ICE ist ja
überpünktlich. Um genau 13.29 Uhr, genau nach Fahrplan, landet
er am Nürnberger Hauptbahnhof.
Ich notiere und notiere.
Kracks, krächz, eine Durchsage!? "Sehr geehrte Damen und Herren",
sagt die Stimme nochmal, "ich bitte nochmal um ihre Aufmerksamkeit." Von
meinem Traum, um 0.05 Uhr Mülheimer Boden zu betreten, habe ich mich
längst verabschiedet. "Aufgrund der technischen Störung müssen
wir einen Loktausch vornehmen. Die Abfahrt verzögert sich um bis zu
eine Stunde!" Ohhh jeee... großes Stöhnen im Zug, aufstoßen,
raunen, super, Samstagabend und ich häng in Frankfurt fest. Weggehen
kann ich auch vergessen. Ich rufe meinen Arbeitskollegen an, der leider
auch noch mit dem Nürnberger 18 Euro bei 10 Euro Einsatz gewonnen
hat, und sage ihm ab. "Dir bleibt auch nichts erspart." Nee... "Für
alle Reisenden Richtung Köln", sagt die männliche Schaffnerstimme,
"folgender Hinweis: Die S-Bahn S21 fährt von Gleis 21 um 22.31 Uhr
Richtung Flughafen. Der ICE ab 23.09 Uhr fährt dann nach Köln.
Sie dürfen ihn selbstverständlich benutzen." Dreimal kurz überlegt,
und schon sprinte ich zur S-Bahn. Das kann ja heiter werden.
Hunger. Gefrühstückt
habe ich heute Morgen nicht, auch das mal wieder auswärtsspieltypisch.
Gerade einmal zur Dusche hats gereicht, bevor ich um 9.14 Uhr aus dem Haus
sprinten musste. Da ich nur magere zehn Euro im Portmonee vorfand, musste
ich mir das Frühstück im Zug auch knicken - da stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis
ganz und gar nicht. Und das ist äußerst milde formuliert. In
Nürnberg angekommen begegnen mir FCN-Fans, die mir "Scheiß VfL"
zubrüllen, und das, obwohl ich nicht einmal meinen Schal trage. Sehe
ich so sehr nach Ruhrpott aus? Von einem Bäcker lasse ich mir ein
Putenschnitzel-Baguette servieren, das ich in Ruhe verschlinge. Nachdem
ich etwa die Hälfte in mich reingestopft und mit Mineralwasser nachgefüllt
habe, taucht ein noch einigermaßen gut gekleideter Obdachloser auf.
Er geht von Tisch zu Tisch und mampft die Reste. Und beim Bäcker gegenüber
auch. Undsoweiter. Existenzen. Nürnberg. Zu jung für einen Alt-Nazi.
Ich steige in die S-Bahn S2, um 14 Uhr, und nach sieben Minuten taucht
das Frankenstadion auf. Am Zeppelinfeld. Hab mich vorbereitet, gestern
Abend noch, mir den Plan genau aufgezeichnet, nach Vorlagen des Nürnberger
Museums und von "Rock im Park". "Große Straße", "Dutzendteich",
"Kongresshalle", "Zeppelinfeld". Jaajaa, das will und muss ich alles sehen!
Dringend! Je länger die S-Bahn fährt, je länger ich in die
Gesichter der Nürnberger Fans schaue, desto größer, desto
stärker wird das Gefühl der Bestrafung, das ich empfinde. Eine
Bestrafung, weil ich meinen Trümmerhaufen-Verein zu einem Auswärtsspiel
begleite? Eine Bestrafung fürs Leben, weil ich VfL-Bochum-Fan bin?
Das wird doch sowieso nix! Es regnet. Immer noch. Der Kapuzenpulli trieft
schon. Vor mir läuft eine große Bochumer Gruppe. Ich laufe nebenher
und lausche den Gesprächen. Einmal im Jahr, so erzählen sie fragenden
Nürnbergern, machen sie eine Fußballfahrt in Verbindung mit
einem Feiertag. Hamburg, Berlin, Bremen - das war schon. Jetzt ist Nürnberg
dran. Einer aus der Gruppe ist 45 Jahre lang, zwei Meter groß, dick
wie Calmund, hat einen Vollbart, trägt eine irrwitzige Mütze
und raucht Pfeife. Was für ein Typ! Ich laufe ein paar Schritte und
rechts von mir baut sich bedrohlich groß die Zeppelintribüne
auf. Sofort schießt mir das Bild durch den Kopf, als die US-Soldaten
am 28. April 1945 das Hakenkreuz sprengten. Das zerschmetterte dann in
1000 Teile. Jeder sollte dieses Bild kennen. Und das war hier. Und die
Reichsparteitage waren hier. Hunderttausende von Leuten. Und jetzt? Parkplätze.
Fußballfelder. Und kaum einer schaut rechts rüber. Gegen das
Vergessen? Also wenn ich jedes Mal zum Heimspiel meiner Mannschaft an einem
solchen Bauwerk vorbei müsste, dann hätte ich längst meine
Dauerkarte zurückgegeben. Könnte ich nicht. Ich marschiere einmal
ums Stadion rum, aaaah, jaaa, Block 29B. Rein gehts. Riesenkontrolle am
ersten Eingang. Am zweiten dann zum Block echte Polizisten. Oh stimmt,
wir befinden uns in Bayern, da ist das mit den Kontrollen dreifach so scharf.
Und was ich in Nürnberg erlebe, ist der pure Wahnsinn. Alle Taschen
muss ich ausleeren, mein Portmonee öffnen, das Batteriefach meiner
Digitalkamera, und der Typ packt mir sogar mitten in den Arsch! Unfassbar!!!
Von weitem erkenne ich Tobias aus Mülheim. Smalltalk. Er ist mit dem
Ultra-Bus gekommen; der fuhr auch schon um 7 Uhr los (hihi, da war ich
noch mitten im Tiefschlaf, der Bahn sei Dank) und der hielt zwischendurch
bei einem Getränkehändler namens "Umsonst". Bravo! So würde
ich als Kaufmann auch gerne heißen. Das Stadion, ein WM-Stadion.
Find ich nicht schön. Vielleicht sogar das hässlichste von allen.
Und dafür haben die fast 50 Millionen Euro ausgegeben?? Erstens hat
das Teil eine Laufbahn, und das ist ohnehin der Tod jedes guten Fußballspiels.
Und dann auch noch die Tribünen, die nicht einmal ganz durchgehen.
Die Haupttribüne ist sogar relativ eigenständig. Und die Stadt
tut ihr übriges. Der bekannte Bochum-Fan Homer, den mittlerweile jeder
kennt, ist auch da. Und sonst vielleicht 450. Ausverkaufte Ostkurve gegen
Mainz, davor über 1000 in München - und heute? In unserem und
Peters Endspiel? Ein Zeichen der Resignation. "Say it isn´t so".
Der Nürnberger Stadionsprecher bedankt sich vor dem Anpfiff für
die sensationelle Unterstützung. Erstens ist die echt beschissen,
außer von 2000 auf der Stehplatztribüne sagt keiner einen Ton.
Und zweitens sind von den 44.000 Zuschauern über 10.000 im Besitz
einer Freikarte. Halloooo!!! FREIKARTE!!!! Propaganda hieß sowas
einmal. Macht die Nähe. Vermutlich.
Das Spiel. Hmm... ja, das
Spiel... es läuft, es läuft, es läuft, und eigentlich spielen
wir 90 Minuten lang nicht schlecht. Aber auch nicht gut. Und die Mannschaft
ist nicht wirklich gegen den Trainer, aber eben auch nicht dafür.
Sie investiert viel, aber eben nicht genug, nicht genug, um die allerletzte
winzige Chance zu suchen. Haben sich da schon welche aufgegeben? 15.30
Uhr bis 17.20 Uhr - eine weitere einzige Qual. Dass wir drei Ecken und
fünf Riesenchancen bekommen würden, war jedem klar. Und so wird
es auch. Hajto köpft in Minute 33 an den eigenen Innenpfosten. Edu
segelt in Halbzeit zwei am Ball vorbei und vergibt kurz darauf freistehend
aus drei Metern eine ganz, ganz, ganz, ganz dicke Schangs. Und Diabang
in der 80.?? Ein Heber?? Vorbei! Tja, Nachspielzeit: Flanke Misimovic,
Kopfball Meichelbeck, drin!
Doch das ist zu spät.
Die Nürnberger spielen zwar in einem biederen Durchschnittskick nicht
besser, aber effektiver und glücklicher. Torschuss Nummer eins nach
Solo Daun - Innenpfosten, drin. Pfosten drin, Pfosten raus - es ist sooo
typisch. 1:0 steht's ne ganze Weile, und das ist für Nürnberg
echt schmeichelhaft. Knavs hält bei uns längst nichts mehr hinten,
die klassische Brechstange soll's richten. In der 85. Minute kontert Nürnberg
und Mintal macht das 2:0. Der Rest - auch Meichelbecks Tor - gehen im Jubelrausch
unter. Nürnbergs Trainer Wolf schnappt sich das Mikrofon und brüllt
laut: "Niiiiieeee mehr zweite Liga!!!" Und wir kriegen nur noch Schmährufe
ab. "Bochum-Fans, Bochum-Fans, nehmt euch montags frei. Denn dann kommt
im DSF die Bundesliga zwei", ist einer dieser Sprechchöre. Ich kanns
nicht mehr hören. Etliche der 450 Bochumer sitzen mit ihrem Arsch
auf dem kalten Tribünenboden, können es genau wie ich kaum fassen.
1:2 verloren, Abstieg endgültig besiegelt, Ende, Gelände, Schluss,
Aus, Mickymaus, das war's. Eine Ära geht zu Ende. Ära Neururer.
Nächstes Jahr zweite Liga. Ich lasse mir nichts anmerken, bei Telefongesprächen
nicht und überhaupt, aber das tut schon brutal weh. Wieder Pech. Wieder
Unvermögen. So ein verkorkstes Jahr nach so riesengroßen Erwartungen.
Bitter. Say it isn't so.
Noch ein paar Meter bis
zum Fernbahnhof am Flughafen. Fern? Gibts da noch einen zweiten? Ricktick,
nämlich den Regionalbahnhof am Flughafen. Für die S-Bahn. Der
ist fünf Fußminuten weg. Noch ein paar Meter. Der Block baumelt
in meiner linken vorderen Seiten-Hosentasche. Wartet darauf, weiter gefüllt
zu werden. Um kurz nach eins, ergibt meine nächste Hochrechnung, bin
ich in Mülheim. Dr Zoch kütt. Pünktlich diesmal. Prima,
dann kann ich mit meinen Nürnberger Erinnerungen fortfahren.
Abpfiff. Es ist aus. "Wir
singen BOCHUM, BOCHUM, ZWEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIITE LIIIIIIIIIGGGGGAAAAAAAA!!!"
Das ist so laut, so hart, so verdient. Pünktlich fängt es an
zu schütten. Der Regen prasselt auf den Asphalt, auf dem einst die
Nazis marschierten. Und ich bin nass von oben bis unten, bis zu den Boxershorts.
Es will einfach nichts gelingen. Hunger. Auf Nürnberger Würstchen.
Ich steuere zielgerichtet einen Stand an - doch der schließt gerade.
Soviel Pech geht nicht mehr. Um 17.45 Uhr hat sich`s ausgeregnet. Knapp
zwei Stunden bleiben mir noch, um dem Besuch wenigstens einen historischen
Anstrich zu verpassen. Ich spaziere ziellos durch den Wald, irgendwo wird
schon der Dutzendteich sein, trete in eine ungezählte Anzahl von Pfützen,
ärgere mich über den fränggischen Dialeggt, und finde das
Halle. Und den Torso der Kongresshalle, dem einstigen Vorzeigeprojekt der
Nazis, das heute ein Doku-Zentrum beherbergt. Ich kehre zurück zum
Zeppelinfeld, stelle mich auf Adolfs Rednerpult. Und rufe Thommy an. "Pissen
muss ich", sage ich. "Das wär doch was. Beim Pissen gegen Nazi-Mauern
festgenommen werden." Ich trau mich nicht. Da, wo einst 200.000 aufmarschierten,
ist heute die größte Halle Nürnbergs. Und sind vier Fußballfelder.
Und Parkplätze. Morgen vor 60 Jahren Kriegsende. Ein bisschen was
hat überlebt. Mit der S2 gehts ruck, zuck zurück zum Hauptbahnhof.
"Lass uns ein Bier trinken", sagt ein Nürnberger zu einem Bochumer.
"Gönn Euch den Wiederaufstieg." Und das kommt sogar von Herzen. BOZ
und Ultra-Bus sind längst schon wieder auf dem Weg Richtung Ruhrpott.
Die Königstraße verbindet den Bahnhof mit der Altstadt. Gemächlichen
Schrittes bewege ich mich vorwärts, doch, der Charme des Christkindlmarktes
hält sich sogar bis in den Mai. Hübsche, alte Häuser und
Kopfsteinpflaster reichen, um dem ganzen einen eigenwilligen Charme zu
verpassen. Überall hängen Schilder. "Die blaue Nacht". Hui, heute
geht hier was Besonderes ab, in der Franken-Metropole, die sogar Uni- und
Messe-Sitz ist. Keine Ahnung, was das ist. Am Hauptmarkt vor dem sogenannten
"Schönen Brunnen" verputze ich endlich meine Nürnberger Wurst.
Punks laufen mir über den Weg. Das überrascht mich. Und am Bahnhof
bei Pizza Hut lege ich eine Salami-Pizzaecke oben drauf. 19.30 Uhr. Nürnberg
2005 ist Geschichte. Nächstes Jahr kehre ich nicht zurück. Kehre
ich überhaupt zurück? Oder habe ich genug gesehen? Gedanken.
Say it isn't so wieder im Ohr. Vielleicht steigt "mein" Heimatverein VfB
Speldorf schon morgen in die Oberliga Nordrhein auf. Fänd ich großartig.
0.06 Uhr. Ankunft in
Köln. Neben mir saß eine Dreier-Familie, und der Vater hat tierisch
geschnarcht. Boah ich sag Euch. Tiiierisch!! 0.06 Uhr in Köln. Aufenthalt
bis 0.51 Uhr. Hunger! Ich stratze umher, auf der Suche nach was Essbarem,
und lande in den untersten Katakomben. Eine Kneipe mit dem Charme von "Charly's
Bummelzug" hat noch auf, und dort scheint "Viva Colonia" als Endlos-Schleife
zu laufen. Oh je. Nebenan, in der Pizzeria, kostet eine 28-cm-Pizza Salami
mit Cola nur 6 Euro. Ein Schnäppchen. Ich bestells, beiß rein
und weiß sofort, warum das nur 6 Euro kostet. Buuuuuaaaaaäääääh!
Ich würge es runter, so gut ich kann und steigt in den Regionalexpress.
Das wird sogar 1.45 Uhr!!! Eine Stunde und 40 Minuten später als geplant.
Und anstatt des ruhigen ICEs hängen lauter Besoffskis aus Dülmen
um mich herum ab. Und sie lallen.
Die Rückfahrt ist einzigartig.
Die untergehende Sonne, die Abenddämmerung und die Regenwolken spielen
miteinander wie beste Freunde, sorgen für ein fantastisches Himmelbild
und fabrizieren kurz vor Würzburg sogar einen Regenbogen. Einen solch
schönen hatte ich lang nicht mehr. Der Sonne entgegen. Bei einem Sieg
wäre das die perfekte Überschrift. Wäre. Say it isn't so
hat ausgedient. Die neue CD von Farin Urlaub liegt im Discman. "Wie ich
den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor" ist sofort mein
Highlight. Alles läuft perfekt.
Dann eine Durchsage. "Meine
Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir Frankfurt am Main Hauptbahnhof."
Gesichter
Das Spiel
Das Reichstagsparteitagsgelände
Das Nürnberger Frankenstadion
liegt mitten im "Zeppelinpark"; ein großes Areal rund um den Dutzendteich,
das die Nazis zwischen 1933 und 1945 als "Reichsparteitagsgelände"
benutzten. Ausgestaltet wurde es von Albert Speer, zu den einwöchigen
Parteitags-Veranstaltungen jeweils im September kamen bis zu einer Million
Menschen. In der Nähe des Parks liegen zudem die Messe-Gebäude
Nürnbergs und die Uni Nürnberg/Erlangen.
Quelle: museen.nuernberg.de
Die Bestimmung Nürnbergs
zur “Stadt der Reichsparteitage" durch die Nationalsozialisten hatte mehrere
Gründe. Nürnberg galt als traditions-reiche Stadt. Die Lage innerhalb
Deutschlands war günstig, die Verkehrsanbindung ebenfalls. Nürnberg
selbst war eine Industrie- und Arbeiterstadt und eine Hochburg der Sozialdemokratie.
Trotzdem stand die örtliche (staatliche) Polizeibehörde der NSDAP
wohlwollend gegenüber. In Nürnberg konnte die NSDAP zudem aufgrund
der Agitation des “Frankenführers” Julius Streicher, dem Herausgeber
des antisemitischen Hetzblattes “Der Stürmer”, früh Fuß
fassen und Wahlerfolge erzielen.
All dies waren wichtige
Gründe für Hitler, Nürnberg 1933 zur “Stadt der Reichsparteitage”
zu erklären. Später instrumentalisierte die Propaganda auch die
Rolle Nürnbergs als Handels-, Kunst- und Kulturzentrum des Mittelalters,
Ort kaiserlicher Reichstage, und – in vermeintlicher Kontinuität –
auch der Reichsparteitage.
Die ersten Parteitage der
NSDAP fanden 1927 und 1929 auf dem Luitpoldhain vor jenem einst für
das Gedenken an die Gefallenen des I. Weltkrieg gebauten Ehrenmal in einer
Parklandschaft statt. An anderen Orten trafen sich die Nationalsozialisten
nur zweimal für ihren Parteitag: 1923 in München zum ersten Mal
überhaupt und 1926 in Weimar.
Von 1933 bis 1938 fanden
die Reichsparteitage regelmäßig einmal im Jahr für eine
Woche im September in Nürnberg statt.
1934 ordnete Hitler an,
das Gebiet zum “Reichsparteitagsgelände" umzugestalten. Was im Wege
stand, wurde beseitigt. So musste der Tiergarten an einen anderen Ort verlegt
werden. Hitlers Architekt Albert Speer übernahm die Gesamtleitung
der Bauten. Er setzte das Parteitagsareal in Bezug zur mittelalterlichen
Silhouette der Altstadt mit der Kaiserburg. Zur Durchführung und Finanzierung
der “Reichsparteitage" sowie des Bauprogramms entstand 1935 der “Zweckverband
Reichsparteitage Nürnberg" (ZRN), dem die NSDAP, das Deutsche Reich,
das Land Bayern und die Stadt Nürnberg angehörten.
Mit dem Beginn des Zweiten
Weltkrieges am 1. September 1939 wurden die rasch fortschreitenden Bauarbeiten
auf dem Gelände eingestellt, die erforderliche Beschaffung von Naturstein
sowie weitere Planungs- und Projektierungsarbeiten aber fortgesetzt. Nach
Abschluß des Frankreich-Feldzuges 1941 erfolgte die Wiederaufnahme
der Bautätigkeit auch unter Rückgriff auf Kriegsgefangene, die
an der Kongresshalle und an der Fundamentierung des Deutschen Stadions
arbeiten mußten. Gewaltige Mengen Granit aus über achtzig Steinbrüchen
wurden nach Nürnberg geliefert. Beim Brechen von Steinen zum Bau der
Kongreßhalle und des Deutschen Stadions wurden KZ-Häftlinge
nach dem Prinzip “Vernichtung durch Arbeit" zu Tode geschunden. Die Fortsetzung
des Krieges brachte die Bauarbeiten auf dem Gelände Ende 1942 zum
Stillstand. Die Administration des Unternehmens “NS-Reichsparteitage" lief
jedoch bis zum März 1945 unter der Federführung des Reichsfinanzministeriums
weiter.
Das einstige SA- und HJ-Lager
südlich des Märzfelds wurde 1939 bis 1945 Kriegsgefangenen- und
Zwangsarbeiterlager. Am 17./18. April 1945 befreiten es amerikanische Truppen
und nutzten es bis 1949 als Internierungslager für führende NSDAP-
und SS-Mitglieder.
Am 20. April 1945, Hitlers
Geburtstag, nahm die US-Armee nach heftigen Kämpfen Nürnberg
ein. Drei Tage später hielt sie eine Siegesparade vor der Zeppelintribüne
ab und sprengte anschließend das Hakenkreuz auf dem Mittelbau der
Haupttribüne.
Quelle: Baedeker Deutschland
Im Südosten der Stadt
liegen der Luitpoldhain mit der Meistersingerhalle (Anmerkung: Aufgrund
des miesen Wetters habe ich mir das geschenkt) und weiter südlich
der ausgedehnte Volkspark Dutzendteich mit einer Anzahl von kleinen Seen
und dem Frankenstadion. Auch die Überreste des einstigen "Reichsparteitagsgeländes"
sind hier zu finden, im wesentlichen der Torso der in den Dutzendteich
hineinragenden Kongresshalle, die Große Straße und vor allem
die Tribüne am Zeppelinfeld, von der die Naziprominenz die Aufmärsche
abnahm.
Heutige Nutzung?
"Rock im Park" als dreitägige
Analog-Veranstaltung zu "Rock am Ring". Im Frankenstadion finden die Heimspiele
des 1. FC Nürnberg statt, in der daneben frisch gebauten Halle sonstige
Sport- und Konzertveranstaltungen. Auf dem Zeppelinfeld, auf dem einst
die Nazis marschierten, befinden sich jetzt Park- und Fußballplätze.
Nürnberg-Innenstadt
Rückfahrt
GEPLANT:
19.35 Uhr bis 21.57 Uhr:
EC von Nürnberg Hbf bis Frankfurt Flughafen
22.09 Uhr bis 23.46 Uhr:
ICE von Frankfurt Flughafen bis Duisburg Hbf
23.57 Uhr bis 0.04 Uhr:
S1 von Duisburg Hbf bis Mülheim Hbf
UND DAS WURDE ES:
19.35 Uhr bis 21.46 Uhr:
EC von Nürnberg Hbf bis Frankfurt Hbf
über: Würzburg
Hbf - Aschaffenburg Hbf Ankunft mit 10 Minuten Verspätung
22.31 Uhr bis 22.46 Uhr:
S21 von Frankfurt Hbf bis Frankfurt Flughafen Regionalbahnhof
über: Frankfurt-Niederrad,
Frankfurt Sportfeld
23.09 Uhr bis 0.06 Uhr:
ICE von Frankfurt Flughafen Fernbahnhof bis Köln Hbf
über: Siegburg/Bonn
0.51 Uhr bis 1.45 Uhr: RE
von Köln Hbf bis Mülheim Hbf
über: Köln-Messe/Deutz,
Köln-Mülheim, Leverkusen Mitte, Düsseldorf-Benrath, Düsseldorf
Hbf, Düsseldorf-Flughafen, Duisburg Hbf
FAZIT
1.45 Uhr statt 0.04 Uhr!
HUT AB!
Abstiegskampf, ganz am Ende der allerletzten Phase: Vergeblich gehofft - der Patient starb mit einem fetten Grinsen im Gesicht
Ein seltsamer Abschied
Ein letztes Mal Einlaufen in der 1. Bundesliga
folgt
Ein
letztes Mal VfB Stuttgart
Zu diesem Spiel fällt
mir auch drei Monate danach nichts ein.