WAZ: VOLONTARIAT (1.7.07 bis 30.6.09)
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Meine Volo-Stationen und -seminare
im Juli 2007: 1. Grundseminar: Layout- und Technik-Schulung (5 Tage, in der WAZ-Zentrale in Essen)
1. Juli bis 27. September 2007:1. STATION: WAZ/WR-Lokalredaktion Castrop-Rauxel
August 2007: "Informationen erfolgreich beschaffen" - Recherchetechniken, Gesprächsführung (3 Tage, in der Journalistenschule Ruhr bei M. Brendel)
September 2007: 2. Grundseminar "Markt, Mächte und Medienpolitik" (in der JSR, u. a. Exkursion zum WDR nach Köln / Gespräch mit B. Hombach)
September 2007: 3. Grundseminar "Polizeiberichterstattung" (in der JSR, dazu Exkursionen ins Polizeipräsidium Essen und in die JVA Werl)
28. September 2007 bis 30. November 2007: 2. STATION: WAZ-Lokalredaktion Essen (zuständig für die Stadtteilausgabe Essen-Nord und im November auch Essen-Süd)
11. bis 13. Oktober 2007: Seminar "Rechtsextremismus und Medien" (in Wuppertal, mit Exkursion ins Innenministerium nach Düsseldorf)
1. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008: 3. STATION: WAZ-Lokalredaktion Duisburg-Nord
Januar 2008: 4. Grundseminar: "Reportage" (5 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: U. Fey)
Januar 2008: "Kommentartraining" (2 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: A. Marinos)
1. Februar bis 29. Februar 2008: 4. STATION: ONLINE - DerWesten.de (internes WAZ-Praktikum)
März 2008: 5. Grundseminar "Politikberichterstattung" (5 Tage, davon drei in Brüssel, u.a. mit Besuch der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments)
1. April bis 30. April 2008: 5. STATION: ONLINE - www.jetzt.de, München (externes Praktikum)
1. Mai bis 31. Mai 2008: 6. STATION: WAZ-Lokalredaktion "Unser Vest" (Redaktionssitz Recklinghausen - Termine in Marl, Waltrop, Datteln, Herten, Recklinghausen - "Foto-Monat" - Fotoproben darf ich Euch leider nicht auf dieser Seite anbieten)
1. Juni bis 30. Juni 2008: 7. STATION: WAZ-Mantel - Redaktion "Sport", EM-Team
1. Juli bis 31. Juli 2008: 8. STATION: WAZ-Lokalsportredaktion Oberhausen
11. bis 13. Juli 2008: Teilnahme am "J-Cup 2008", Fußball-DM der Journalistenschulen - in Berlin (Endstand: 3. von 13)
1. August bis 31. August 2008: 9. STATION: WAZ-Lokalredaktion Velbert (1. Woche: Velbert-Mitte, danach Velbert-Langenberg)
August 2008: 6. Grundseminar "Das Verhältnis von Bild und Text" (in der Journalistenschule Ruhr)
1. September bis 30. September 2008:10. STATION: WAZ-Mantel - Redaktion "Rhein-Ruhr / Vermischtes"
23. und 24. September 2008: "Interviewtraining" (2 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: U. Fey)
1. sowie 29. bis 31. Oktober 2008:11. STATION: WAZ-Mantel - Redaktion "Politik"
6. bis 17. Oktober 2008: 12. STATION: WAZ-Korrespondentenbüro Berlin (intern-externes Praktikum)
20. bis 24. Oktober 2008: Informationsreise der JSR nach Istanbul (Leiter: M. Spletter, R. Tayfur)
27./28. Oktober 2008: "Nachrichtentraining" (2 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: I. Lehnert)
1. November bis 31. Dezember 2008:13. STATION: WAZ - Mantel - Redaktion "Wochenende / Kultur"
1. bis 31. Januar 2009: 14. STATION: WAZ - Mantel - Ressort "CvD / Newsdesk"
29. Januar 2009: "Überschriftentraining" (1 Tag, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiterin: B. Schaarschmidt)
1. bis 28. Februar 2009: 15. STATION: WAZ - Mantel - Ressort "Rhein-Ruhr / Vermischtes"
1. bis 31. März 2009:16. STATION: WAZ - Mantel - Redaktion "Sport"
9. bis 13. März 2009: "Video fürs Web" (5 Tage, in der Journalistenschule Ruhr, Seminarleiter: R. Mischel)
seit 1. April 2009: 17. STATION: WAZ - Mantel - Ressort "Reportage"
22. April 2009: Drei Stunden "unter Tage", 1000 Meter Tiefe - im Bergwerk "Prosper Haniel" in Bottrop

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Nach elf Jahren als freier Mitarbeiter bei der WAZ Mülheim wechselte ich am 1. Juli 2007 zur Journalistenschule Ruhr (JSR) nach Essen. Als Volontär durchlaufe ich zwei Jahre lang sämtliche Stationen der WAZ und absolviere eine journalistische Ausbildung. Am 30. Juni 2009 darf ich mich - sofern ich durchhalte - "Redakteur" nennen.
Elf Jahre lang war Andreas Ernst (29) freier Mitarbeiter bei der WAZ-Lokalredaktion Mülheim an der Ruhr. Seit 1. Juli 2007 ist er Volontär an der Journalistenschule Ruhr. Seine erste Station: Castrop-Rauxel.
Im Blog schildert der "Volo" seine Eindrücke aus einer für ihn bisher unbekannten Stadt. Ganz langsam lernt er die Eigenheiten Castrop-Rauxels kennen.

Blog aus Castrop-Rauxel, Teil 1 - 12.7.2007
Mein erster Tag

Castrop-Rauxel also. Elf Jahre als freier Mitarbeiter bei der WAZ Mülheim sind ‘rum – und nun soll ich als Volontär in die ganz andere Ecke des Ruhrgebiets. Da war ich doch noch niiiie! Schließe die Wohnungstür ab, steige in Mülheim ins Auto, früh am Morgen, 45 lange Kilometer liegen vor mir. 45! Zur Mülheimer Redaktion waren’s 500 Meter.
Hab’ die Mail im Kopf, die mir mein Bruder gestern noch schickte. Er zitierte Sibylle Berg. „Ich weiß nicht, was für einen Scheiß ich gebaut habe, denn nach Castrop-Rauxel zu müssen ist so was, wie nach Sibirien ins Gulag zu müssen. (...) Überall, wo nicht Castrop-Rauxel ist, ist Castrop-Rauxel das Synonym für Hässlichkeit und Beschränktheit”, schrieb Frau Berg einst – und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ist so früh am Morgen, ich brauche feinsten 90er-Jahre-Punkrock der Band Blink 182, um die Augen offen zu halten. Und ‘ne Dose Redbull zum Frühstück.
Die neuen Arbeitskollegen empfahlen die A 40 bis Dortmund-Lütgendortmund als kürzesten und schnellsten Weg. So soll es sein. Doch ab Mülheim-Winkhausen ist die A 40 gesperrt. Ich denke über Frau Bergs Worte nach. Scheiß gebaut? Castrop-Rauxel? Was weiß ich über diese Stadt? Dortmund ist in der Nähe, Bochum, Herne und – bei Wikipedia nachgeschlagen – sie hat 77 263 Einwohner. Mülheim ist doppelt so groß! Mülheim!!! Blink 182 hämmern gerade „What’s my age again?” (mein Alter? 29!) durch meine Boxen, als ich nach einem Umweg über die A 52 erreiche ich am Dreieck Essen-Ost die A 40. Puh, kein Stau. Kommt selten vor auf dieser Strecke.
Die Autobahnausfahrten ziehen vorbei. Essen-Kray, Gelsenkirchen-Süd, Bochum-Zentrum, Bochum-Ruhrstadion (als VfL-Fan kenne ich diese Ausfahrt ziemlich genau!) und immer weiter und weiter. Boah, wie lange dauuuert das denn noch? Nachdenken. Kannte ich vor meinem Ausflug in die virtuellen „Vereinigten Einträge von Wikipedia” irgendeinen Stadtteil? Sheriff, ich gestehe: nein! Ickern, Henrichenburg – das kann ich mir merken. Schwerin, genau, das auch – aber nur, weil ich das prima mit einer Stadt im Osten verbinden kann.
Endlich, Ausfahrt Lütgendortmund. Rechts geht’s nach Bochum-Langendreer, Richtung Opel-Werk und „Matrix” (’ne Disco) und links nach Castrop-Rauxel. „7 km” steht auf einem gelben Schild. 7000 Meter trennen mich von einem völlig neuen Teil meines Berufslebens. Ich zähl nicht mit, weil ich richtigrichtig aufmerksam sein muss. „Pass auf”, sagten die neuen Kollegen am Telefon, „da sind ein paar Blitzer versteckt.” Also nicht mit über 70 km/h ins Unheil stürzen, sondern brav „50” fahren. Durchquere Lütgendortmund, Bövinghausen (hier war ich wirklich noch nie), und dann ist’s soweit. Tataaaaa: „Castrop-Rauxel. Stadtteil Merklinde” steht schwarz auf gelb. Nicht weit dahinter: Ein Blitzer – gerade nochmal gut gegangen. Städtepartnerschaften hat Castrop-Rauxel, ich kann mir spontan nur das finnische Kuopio merken. Warum auch immer. . .
Links irgendwann in die Wittener Straße einbiegen. Da soll dann die Redaktion liegen. Die Punkrock-CD liegt inzwischen brav in der Hülle, höre nichts, nicht einmal Radio. Will nur noch ankommen, muss schließlich in zehn Minuten da sein. Am ersten Tag zu spät kommen – das will keiner. Abfahrt gefunden, Fußgängerzone in Sichtweite. „Parken am Brückenweg”, rieten die Kollegen. Rechts abbiegen, einparken, abschließen, Luft holen. Angekommen.
Hole noch einmal die Mail meines Bruders hervor. Ausgedruckt. Sibylle Berg hat noch etwas geschrieben. Über die Einwohner Castrop-Rauxels. Und das geht so: „Keiner will hier weg. Weder in eine Großstadt noch nach Amerika. (...) Auf einmal bin ich neidisch auf die Leute.” Ich werde versuchen, es in den nächsten Tagen herauszufinden.
Auf einem kleinen Türschild steht „WAZ-Redaktion”. Ich drücke auf den Klingelknopf.

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Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 2 - 13.7.2007
Meine erste Stadtrundfahrt

Wissen Sie, was eine meiner Lieblings-TV-Serien ist? Naja, blöde, weil rhetorische Frage. Die Antwort lautet „Scrubs”, ein schräger Comedy-Klamauk rund um junge Ärzte. In einer Folge beschäftigen sich alle Hauptdarsteller mit der zentralen Frage „Was war dein schönster Moment als Arzt?” Ich will das für meinen zweiten Tag in Castrop etwas umdeuten.

Was war mein schönster Moment des Tages?
Mein imaginärer Castrop-Rauxel-Kalender zeigt „2”. Day number two. Aufgalopp gestern, Stadtluft schnuppern heute. „Komm mit”, sagt der Fotograf und lädt mich in sein Auto. Der Auftrag lautet „Straßen-Umfrage” Bin gespannt.
Der schönste Moment des Tages. . . vielleicht mein erster richtig dicker Regenschauer in Castrop-Rauxel? Na gut, das allein ist kein tolles Erlebnis – aber: Das Angebot eines Passanten, mit unter seinen Schirm zu hüpfen – toll!

Sein Auto hat der Fotograf hinter dem Bahnhof „Castrop-Rauxel Süd” geparkt. Selbst für einen Mülheimer sieht der miniminimini aus. Hier hält wirklich ein RICHTIGER Zug?? Wo lassen sich außerhalb der Innenstadt am besten Castroper für eine Umfrage auftreiben? „Wir machen jetzt eine Stadtrundfahrt”, sagt der Fotograf. Los geht’s. Radio im Hintergrund, lässig gucken, fehlt nur noch die Sonnenbrille. Tja, das Wetter. . . ich spreche lieber nicht drüber.
„Da hinten, bei den Fahnen, da ist das Mannschaftshotel des VfL Bochum”, merkt der Fotograf an. Hurra, er weiß schon am zweiten Tag, dass ich zu den VfL-Fans gehöre. Wir fahren durch Schwerin bis zum dortigen Marktplatz. Hier eine Umfrage zu starten, wäre sehr schwierig. Ist niemand auf der Straße. Sommerferien eben. Danach weiter bis Habinghorst. Parken. Die Lange Straße am Nachmittag: Auch hier: wenig los. Siesta? Nur wenige Spaziergänger schauen in die – oft – leeren Schaufenster. Hier steht wohl auch einiges leer, das ist kein Mülheimer Problem.

Der schönste Moment des Tages. . . vielleicht die erste Sekunde meiner ersten Suche nach einem Snack? Quer durch die – zugegeben – sehr kleine Fußgängerzone ging meine Tour. Und doch registrierte ich hocherfreut: Hier werde ich in den nächsten Wochen den einen oder anderen Kaffee trinken!

Wo ist eigentlich der Hauptbahnhof? „Außerhalb”, ist die Antwort. Heißt: Ziemlich weit von der Redaktion am Münsterplatz und damit der Innenstadt entfernt. Wer hat das geplant? Dabei will ich in der nächsten Woche ‘mal mit der Bahn anreisen! Wir verlassen Habinghorst nach einem Bummel vorbei an Pizzeria, Dönerbude und Spielothek. Ab ins Auto. Quer durch Deininghausen schleichen wir mit 20 km/h. Der Fotograf verrät noch einige Kneipen zur Abendgestaltung. Dazu gibt es dann in den kommenden Tagen mehr. Es bleibt eine halbe Stadtrundfahrt. Denn die Redaktion verlangt die Rückkehr nach knapp einer Stunde. Schade.

Der schönste Moment des Tages. . . jetzt weiß ich es! Es ist der letzte Augenblick des Tages, nach Feierabend, beim Anlassen des Autos. Ich bin angekommen in Castrop-Rauxel. Am zweiten Tag! Und Sibylle Berg kann mich mal.

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WAZ Castrop-Rauxel - 19.7.2007
Raus ausse Kartoffeln

Die Hauptdarstellerin ist klein. Sie passt in jede Hand. Noch ist sie nicht hübsch. Nein, die Kartoffel aus dem Feld der Kirchhelles trägt ein erdiges Kleid. "Lass mich durch, lass mich durch", brüllt Felix. Er schiebt die anderen Kinder beiseite und schmeißt die Kartoffel beschwingt in einen Korb. Acht Kinder, ein riesiger Bauernhof, viele Tiere: Das war gestern der nächste Teil der WAZ-Sommeraktion.
Weit geht der Blick. Weit hinein in die Felder. Ein Traktor ist ein paar hundert Meter entfernt. Ein kräftiger Wind lässt die Haare im Wind flattern. Richtig romantisch. Im Mittelpunkt der Runde: Birgit Kirchhelle. "Wir sind mitten in der Ernte", sagt sie, blickt in die große, staunende Kinderrunde. Dann schnappt sie sich eine Forke, tritt das Werkzeug einmal ganz, ganz kräftig in den Boden, kippt eine Kartoffelpflanze um, und - tataa - zehn, zwölf, 14 Kartoffeln kullern auf den Boden. "Ich weiß, was man aus Kartoffeln machen kann: Einen Kartoffelkönig. Dazu braucht man gelbes Papier, in das man Zacken schneiden muss", weiß Felix. Lea meldet sich, will auch etwas beitragen. "Meine Kartoffel", sagt sie, "sieht aus wie ein Papageienkopf." Danach lacht sie. Und lacht und lacht.
Die Kinder verstehen sich gut, spazieren interessiert von Station zu Station. Es gibt mehr als Kartoffeln auf dem Feld der Kirchhelles, zum Beispiel Hafer. "Wollt ihr den Mähdrescher sehen oder Tiere?" Nein, der Mähdrescher ist out. Zu Fuß geht's zurück zum Hof. Putzig: Felix und Julia tragen zu zweit den Kartoffelkorb zurück. Arbeit getan?
Oh nein! Angekommen am Hof. "Erst trinken oder erst arbeiten?", fragt Birgit Kirchhelle. Trinken? Wozu? Widerspruchslos waschen die acht Kinder die Kartoffeln, an diesem Sommertag ist selbst Küchenarbeit spitze. Die vom Feld mitgebrachten Hafer- und Rapskörnchen liegen auf der großen grünen Wiese.
Die Kartoffeln sind sauber, da locken die Kaninchen. Doch nicht nur die. Das große Bauernhaus ist voll. Voller Tiere. Es ist laut, stickig, der Geruch ist streng. Eine fast morsche Holztreppe geht's hinauf in den ersten Stock. Psst. . . es läuft ein Riesen-Gackerkonzert des Hühner-Orchesters. Jan Kirchhelle, der Sohn des Hauses, sucht nach frisch gelegten Eiern - und präsentiert sie stolz. Jeden Morgen ab vier Uhr "quatschen" die 200 Hühner. "Da schlaft ihr noch", sagt Birgit Kirchhelle. Noch lauter, stickiger und strenger ist's im Schweinestall. Gerade war die große Fütterung. Die Tour endet bei den Gänsen. Die halten sich gerade im Freien auf.
Schluss? Noch nicht ganz. Die am Anfang geernteten Kartoffeln hat Birgit Kirchhelle klammheimlich in einen Topf auf den Herd gestellt. Nach absolvierter Arbeit und spannender Hoftour gibt's für Felix, Julia und Co. Getränke. Und Kartoffeln!

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Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 10 - 26.7.2007
Meine erste Stadtrundfahrt

Helft mir, heute wurde ich von der Polizei abgeholt… Keine Sorge, ich habe keine Bank überfallen. Es war eine abgesprochene Fahrt auf Castrop-Rauxeler Autobahngebiet.

... helft mir alle, ich bin heute von der Polizei abgeholt worden. Und saß hinten in diesem großen grünen Wagen. Und konnte nicht raus!!!
Neeein, keine Sorge. Ich habe keine Bank überfallen, nein, ich bin nicht als Kleindieb in der Altstadt aufgefallen, nein, ich habe mit meinem Auto keine Dummheiten angestellt. Es war alles ein “gewolltes” Polizei-Manöver.
Okay, der Reihe nach!
Schon gestern Abend erfuhr ich, dass ich heute einen etwas anderen Anfahrtsweg wählen muss. Nicht über die A 40 und die B 235 soll es gehen. Sondern über die nördliche Variante der Anfahrt. Über die A 2. An der Stadtgrenze zwischen meiner Heimatstadt Mülheim und Duisburg fahre ich also zu Beginn der Fahrt am Autobahnkreuz Kaiserberg auf die A 3. In Oberhausen teilt sie sich in A 2 und A 3. Ich nehme die “Zwei” und faaahre und faaaahre und faaaaahre. Es ist dreispurig und die Strecke ziiiiieht sich. Nacheinander fliegen die Ausfahrten an mir vorbei. “Oberhausen-Königshardt”, “Bottrop”, “Kreuz Bottrop”, “Gladbeck-Ellinghorst”, “Essen/Gladbeck”, “Gelsenkirchen-Buer” (hier geht’s doch zur Arena ab, zu einem Fußballverein, aber zu welchem? Mir fällt’s gerade nicht ein...), “Herten”, “Kreuz Recklinghausen”, “Recklinghausen-Süd”, “Recklinghausen-Ost” und dann ENDLICH folgt “Henrichenburg”.
Direkt an der Ausfahrt liegt ein Imbiss. Dort warten die Polizisten Christoph Becker und Uwe Senkel. Der eine - Becker - ist Verkehrssicherheitsberater des Polizeipräsidiums Münster, der andere - Senkel - arbeitet beim Verkehrsdienst der Autobahnpolizei. Die beiden liefern eine Live-Reportage. Sie fahren auf der A2 zwischen der Castrop-Rauxeler Auffahrt “Henrichenburg” und dem inzwischen stillgelegten Rastplatz “Hohenhorst” auf und auf der anderen Seite wieder ab und kontrollieren Reisebusse. Eine halbe Stunde stehen wir auf der A2 Richtung Duisburg zunächst am Fahrbahnrand in einer Einbuchtung. Weil kein Bus kommt. Eigentlich ungewöhnlich an einem Nachmittag kurz vor Ferienende. Becker und Senkel erklären das Konzept. “Man darf nicht vergessen, dass ein Bus ein sicheres Reisemittel ist”, sagt Becker. “Aber es gibt ein riesiges Gefahrenpotenzial.” Seit dem 1. Januar ist es Pflicht, einen Beckengurt anzulegen. Das wissen nur wenige. Bei den Kontrollen geben die Beiden nicht nur Tipps, sondern prüfen auch den Busfahrer, die Reifen und den allgemeinen Zustand.
Wir warten und warten und warten. Christoph Becker schaut immer wieder in seinen Außenspiegel. Nichts. Ich überlege, wie viele Autobahnen das Castroper Stadtgebiet eingrenzen. Im Norden die A 2, in der Mitte die A 42, im Süden die A 40. Das ist wirklich sehr übersichtlich und leicht zu merken. Ausfahrten mit dem Stadtnamen gibt es nur drei, alle an der A 42, nämlich “Castrop-Rauxel-Bladenhorst”, “Castrop-Rauxel” und “Kreuz Castrop-Rauxel-Ost”. Da hat wohl jede andere Ruhrgebiets-Stadt einen besseren Wert… Die B 235 verbindet jedenfalls alle Autobahnen und ist so etwas wie die Hauptschlagader der Stadt. Das habe ich jetzt geschnallt.
Wir sitzen immer noch im Polizeiwagen. Kommt jetzt endlich ein Bus?? Plötzlich tritt Christoph Becker auf das Gaspedal. “Da is’ einer”, sagt er. Becker überholt einen Bus aus “PE” (heißt Peine), drückt auf den Knopf, der das “Bitte folgen"-Schild auf dem Wagen blinken lässt. Es geht auf den Rastplatz. Busfahrer Gerd Förster öffnet die Tür. Becker ruft laut “Hallo zusammen” und beruhigt die Reisegruppe. Es ist eben “nur” eine ganz normale Kontrolle. Die Gruppe kommt aus Braunschweig und besteht aus 6- bis 12-jährigen Kindern, die den “Movie Park” in Bottrop-Kirchhellen sehen wollen. Christoph Becker redet ruhig und verteilt Flyer. “Wir wollen, dass Sie sicher reisen! Ihre Sicherheit liegt uns am Herzen!”, steht drin. Uwe Senkel befragt den Busfahrer, überprüft den Führerschein, die Scheibe mit den Angaben der Lenkzeiten und die Reifen. “Alles vorbildlich”, sagen beide nach ein paar Kontrollminuten. “Die Polizei ist sehr zufrieden.” Der Bus fährt weiter, die Kinder freuen sich nicht nur auf den Movie Park, sondern auch darüber, dass sie zu Hause in Braunschweig eine schöne Polizei-Geschichte erzählen können. Wir fahren wieder zurück zur Pommesbude, zu den dort geparkten Autos. “Wir wollen in die Köpfe der Leute rein”, sagt Christoph Becker. Vor allem die Anschnallpflicht ist ihm sehr wichtig. Und dass jeder Mitreisende vor der Abfahrt den Bus überprüft - auf Reifenprofil, Gesamtzustand, Alter. “Im Notfall die Polizei rufen”, ergänzt Uwe Senkel.
Ja, auch die Autobahnen zählen zur Stadt, und auch die dürfen bei meiner “Expedition durch Castrop-Rauxel” nicht fehlen. In Richtung Redaktion, also in die Altstadt, fahre ich natürlich über die B 235. Aber erstmals aus der anderen, also nördlichen, Richtung. Und jetzt begreife ich noch viel mehr über die Struktur der Stadt. Ich durchquere zunächst Henrichenburg, dann geht’s durch Habinghorst, vorbei an Industrie und Feldern. Schließlich weist ein Schild den Weg zum “Hauptbahnhof” - diese Tour steht mir noch bevor. Ein paar Ampeln später folgt dann die Altstadt. Rein in die Wittener Straße, wie immer parken am Brückenweg. In der Konferenz erzähle ich von meinem Vormittag. 26 Tage Volontär - und schon im Polizeiwagen…
Jetzt fahre ich nach Hause und gucke “Popstars”. Mit dem tanzenden Schüler Mehdi aus Castrop-Rauxel. Diese Stadt verfolgt mich sogar bis auf die Couch!

PS: Auch heute hörte ich wieder von einem Zitat über Castrop-Rauxel. Ein Kollege rief mich deshalb sogar an. Fips Asmussen, der immer so fuuuurchtbar schlechte und platte Dönekes von sich gibt, soll einmal gesagt haben: “Wenn du in Castrop-Rauxel einatmest, dann spuckst du Briketts aus.”
Noch so einer, der ein bisschen Nachhilfe nötig hat.

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WAZ Castrop-Rauxel - 30.7.2007
Pump my Rad

Es ist ein heißer Kampf, die Schweißperlen rinnen von der Stirn. Andres Martinez und Alexander Lücke pumpen, wie sie zuvor noch nie pumpten. Bei der deutschen Meisterschaft im Plattenflicken haben sie es ins Finale geschafft. Siegen kann nur einer. Lücke schraubt den Reifen als erster zu, reißt die Arme hoch. Martinez folgt Sekunden später. Die Entscheidung ist nur fünf Minuten entfernt. So lange muss die Luft im Reifen bleiben.
Andrea Friese von Zweirad Sümpelmann hatte die Idee zur deutschen Meisterschaft. Sie lud zu den Insel-Terrassen auf der Wartburginsel. "Das war ein Geistesblitz, als ich selbst einen Platten hatte", sagt Andrea Friese. Die 20 Teilnehmer kamen aus Castrop-Rauxel, Herne, Recklinghausen - etliche sind Mitglied beim Ruderverein Rauxel.
Zum Beispiel Alexander Lücke. Er ist der Trainer. Die fünf Minuten vergehen nur ganz langsam. Seine Schützlinge klopfen ihrem Coach auf die Schulter, sagen "Bravo". Doch noch ist's nicht geschafft. Verfolgt wird das Geschehen von zwei Fernsehteams und Moderator Jan Plonta. Große Sprüche entlockte der den Teilnehmern. Ein Vorrunden-Teilnehmer versprach am Mikro: "Ich werde die Anderen in Grund und Boden flicken." Doch der Flicken hielt nicht. Mike Selke, der trotz Bewölkung eine Sonnenbrille trug ("Das ist mein Doping"), sagte nach dem Finaleinzug: "Das war ein Quickie-Flick."
Die fünf Minuten sind rum. Alexander Lückes Reifen ist wieder platt. Das Aus. Andres Martinez reißt die Arme. Der 21-jährige Werkzeugmacher aus Habinghorst hat ein Mountain-Bike gewonnen. "Endlich ein neues Rad", sagt er. "Mein altes ist drei Jahre alt." Seine größten Fans sind seine Eltern und die zwei Geschwister. "Seitdem er klein ist, fährt er Fahrrad", sagt der stolze Papa Santiago. Mike Selke landet auf Platz zwei. Im Finale trug er die Brille nicht. "Mein Doping fehlte eben."
Martinez saust derweil mit seinem neuen Rad auf und davon. Von der Tour de France sprach an diesem Nachmittag niemand. Warum auch? In Castrop-Rauxel war alles echt und ehrlich.

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Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 12 - 30.7.2007
Mein Samstag

Pfffschschpffffschschpfff… okay, mein erstes Wort der Woche ist eigentlich kein Wort. Aber wer während einer Radtour wegen eines Plattens halten muss, der kennt dieses Geräusch zu genau. In Castrop-Rauxel fand die deutsche Meisterschaft im Plattenflicken statt. Und ich war mittendrin.

Heute ist Samstag.
Was könnte ich heute für herrliche Dinge unternehmen!? Mein VfL Bochum bestreitet heute ein Testspiel gegen Borussia Mönchengladbach (und wird gewinnen, natürlich!), der Simpsons-Film ist endlich, endlich in den Kinos, in meiner Heimatstadt Mülheim läuft ein Reggae-Festival und das Wetter erst… Wobei: So doll sieht’s gar nicht aus und deshalb steuere ich mein Auto gar nicht einmal so schlecht gelaunt durch die Bewölkung Richtung Autobahn.
Wie sieht es wohl in Castrop-Rauxel am Wochenende aus? Okay, sooo typisch ist das diesmal nicht, immerhin sind noch Ferien und die Innenstadt wird nach wie vor ausgestorben sein. Aber in der Innenstadt halte ich mich heute auch gar nicht auf. Der erste Termin, den ich mir notiert habe, lautet: “Deutsche Meisterschaft im Plattenflicken”.
Das Ganze soll stattfinden auf der Wartburginsel. Ein Redakteur hat mir am Freitag den Weg erklärt. Er stellte sich mit mir vor den Stadtplan und sagte: Da und da und da - und dann bist du da. Ich bin gespannt. Nach einer kurzen Fahrt über die A 2 lande ich auf der Henrichenburger Straße. Ja und dann? “I’m a Mülheim man in Castrooop”, trällere ich frei nach Sting - und bin froh, dass mich keiner hört. Ich biege ab in eine Querstraße und lande auf der Wartburgstraße. Kann ja so falsch nicht sein. Aber wohin jetzt? Ich fahre blind nach links und rechts und stehe schließlich auf einem riesigen, aber leeren Parkplatz vor einem großen Geschäft. Keiner steht mehr vor der Imbissbude und die Mitarbeiter packen schon zusammen. “Ähem”, setze ich an. “Wo isn hier die Wartburginsel?” “Oh, ganz einfach”, antwortet ein junger Mann. “Wieder zurück auf die Hauptstraße, dann rechts und kurze Zeit später wieder rechts. Einen ganz kleinen Weg hinunter. Du musst aufmerksam fahren.” Okay, dann fahre ich eben aufmerksam, obwohl ich vor lauter rechts und links kaum noch klar denken kann. Trotz allem: Straße und Weg finde ich in Rekordgeschwindigkeit. Ich parke mein Auto zwischen Stock und Stein.
Nach einer deutschen Meisterschaft sieht es hier wirklich nicht aus. Ist aber nicht schlimm. Denn Plattenflicken ist keine Trendsportart und nicht einmal auf dem Weg dorthin. Denn es ist eine Schöpfung von Andrea Friese aus dem Castrop-Rauxeler Fahrradgeschäft “Zweirad Sümpelmann”. Zweifellos eine gute Idee. Langsam nähere ich mich der “Wettkampfstätte” - das ist der Außenbereich der Gaststätte “Inselterrassen”. Scheinbar trainiert der Ruderverein Rauxel in der Nähe, denn die Ruderinnen und Ruderer sind deutlich in der Überzahl. 20 Teilnehmer, ein paar Fans und… sogar zwei Kamerateams! Kellnerinnen schleppen Teller mit Currywurst/Pommes/Majo und ein paar Bierchen. Moderator Jan Plonka beobachtet die ersten Flicker.
20 Teilnehmer - macht fünf Runden á vier Personen, die Sieger erreichen das Finale. So weit, so einfach. Doch: einfach? Jedem stehen ein paar Utensilien zur Verfügung. Das sind ein löchriger Schlauch, ein Eimer Wasser (um das Loch im Schlauch zu entdecken), Kleber, Flicken, eine Felge und natürlich eine Luftpumpe. Erste Aufgabe: flicken. Zweite Aufgabe: aufpumpen. Dritte Aufgabe: 5 Minuten warten. Runde eins geht vorbei. In Runde zwei versuchen Malte, Leonie, Mike und Oliver ihr Glück. Mikes bester Kumpel trägt ein großes Schild “Du schaffst es Mike”. Der trägt eine Sonnenbrille. “Mein Doping”, sagt Mike. Jan Plonka entgegnet: “Ich glaube, das ist die einzige dopingfreie Veranstaltung mit Fahrrädern.” Mike ist schnell fertig, erklärt seine schnelle Runde zu einem “Quickie-Flick”. Danach hilft er Leonie. “Da nutzt er die Chance”, sagt der Moderator, “zu einem kleinen Flirt.” Es ist eine sehr kurzweilige Veranstaltung. Wirklich! Zwischendurch erklärt Andrea Friese, wie sie auf den Geistesblitz kam: “Ich hatte selbst einen Platten.” In Runde fünf verspricht jemand, die anderen “in Grund und Boden zu flicken”. Doch nur zwei Minuten später muss der kleinlaut gestehen: “Kleber und Flicken wollen nicht halten.” Nach anderthalb Stunden ist’s geschafft. Die Finalteilnehmer stehen fest.
Das entscheidende Zeitfahren der Tour de France läuft parallel. Doch in der Pause zwischen Vorrunde und Endpump kommt niemand auf die Idee, zum TV-Gerät zu rennen. Warum das Gelbe Trikot, wenn es auch der Goldene Schlauch sein kann? Es wird ernst. Ein Fernsehteam hat Mike zum Favoriten erklärt und ihn verkabelt. Die Sonnenbrille trägt er nicht mehr. Es ist einfach zu bewölkt. Auf die Plätze, fertig, flick! Schiedsrichter Marcel Schwandt eröffnet das Finale mit einem Startklingeln. Mike ist schnell abgeschlagen. “Mein Doping fehlt”, sagt er. Um den Sieg pumpen Alexander Lücke, Trainer des Rudervereins, und Andres Martinez. Alexander Lücke hat Erfahrung mit Rädern. Am Streckenrand fährt er oft parallel zu seinen Schützlingen - und zu oft liegen Scherben im Weg. Andres Martinez ist “nur” Hobby-Mountain-Biker. Er ist mit geballter familiärer Unterstützung anwesend. Seine Eltern sowie seine zwei Geschwister drücken die Daumen. Ein Zweikampf bis zum letzten Lufthauch.
Alexander Lücke ist schneller. Er schraubt den Reifen zu, hebt die Hand, legt die Luftpumpe weg. Gewonnen. Die Ruderer jubeln, erster Preis ist nicht nur der Schlauch, sondern auch ein Mountain-Bike. “Jungs, ihr könnt stolz sein auf euren Trainer”, brüllt Jan Plonka. Der geschlagene Andres Martinez schaut etwas bedröppelt. Doch fünf Minuten sind’s noch. Noch vier, drei, zwei, eins. Und? Der Schiri muss die Ruderfraktion enttäuschen. Der Reifen ist wieder platt. Das Aus für Alexander. Andres hingegen hat ohne Fehl, Tadel und Doping geflickt. Erster Platz, Goldener Schlauch, neues Fahrrad. “Endlich”, sagt er, “mein altes war schon drei Jahre alt.” Papa Santiago klatscht begeistert in die Hände. 21 Jahre ist Andres alt und bald Werkzeugmacher. Als sich alles beruhigt hat, zieht Andrea Friese Bilanz. “Eine runde Sache”, sagt sie. Ob es 2008 eine zweite Auflage gibt, will sie in Ruhe entscheiden.

So war das mit den Plattenflickern.
Danach ging mein Samstagmittag noch weiter. Aber für heute habe ich Euch schon genug Zeilen zugemutet.
Von Pöppinghausen erzähle ich Euch dann morgen.

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Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 13 - 31.7.2007
Mein Pöppinghausen

Pöppinghausen heißt wirklich so, hat 900 Einwohner und liegt seeeehr abgeschieden. Was das mit U2 zu tun hat, erfuhr ich im Nirgendwo.

Es soll ja auch einige Nicht-Castrop-Rauxeler geben, die meine Zeilen Tag für Tag lesen. Für diejenigen sind meine ersten Sätze des Tages: Es gibt selbst hier viele, viele Stadtteile. Etliche habe ich Euch schon vorgestellt, einige nicht. Da sind Henrichenburg (mit der Autobahnausfahrt der A2), Ickern (folgt morgen), Habinghorst (mit der Langen Straße, siehe “Meine erste Stadtrundfahrt"), Rauxel (mit dem Hauptbahnhof und der Europahalle, da war ich noch nicht), Bladenhorst (mit dem Schloss), Castrop (hier sind die Redaktion und die Altstadt), Schwerin (bin ich bisher nur durchgefahren), Frohlinde (wo isn das?) und Merklinde (an der B 235, grenzt an Dortmund-Bövinghausen).

Und dann ist da noch Pöppinghausen.

Lest Euch bitte zur Einstimmung noch einmal den gestrigen Blog-Eintrag durch. Plattenflicken. Deutsche Meisterschaft. Verfahren. Wartburginsel.
Seid Ihr wieder im Film? Gut!
Ich verlasse die Wartburginsel, biege ab auf die Wartburgstraße und folge einem Schild Richtung Pöppinghausen - ja, jetzt nicht so ungläubig auf den Bildschirm starren - der Stadtteil heißt wirklich so. Im Internet habe ich mich ausgiebig informiert. Und auch eifrig die erfahrenen Kollegen befragt. Ich fahre mitten durch die Natur und merke schnell: Pöppinghausen (ich schreib das so gern) liegt außerhalb. Es ist nicht mehr wirklich Castrop-Rauxel, aber auch noch nicht Herne. Der Stadtteil hat nur 900 Einwohner. Wirklich. Mehr dürfen es nicht werden, Pöppinghausen verfügt über keine Wohnbaulandreserven mehr. Auf dem Stadtplan nimmt Pöppinghausen kaum mehr als wenige Quadratzentimeter ein. Ich wechsle im Auto noch schnell die CD - mir steht der Sinn nach “Where the streets have no name” von U2 (warum wohl?) - und denke an meine Worldwideweb-Recherche vom Vormittag. Eine Internetseite des WDR verrät, dass ein Ahnherr namens Poppo dem Dorf zu seinem Namen verhalf. Na ob das wohl stimmt… Im Frühmittelalter soll er der Gründer oder Dorfälteste der Siedlung gewesen sein. Eine Siedlung, das ist Pöppinghausen bis heute. Der Redakteur erzählte erstaunliche Dinge: “Es gibt dort keine Einkaufsmöglichkeit.” Vor vielen Jahren schloss der letzte Supermarkt. Die Einwohner müssen nach Habinghorst fahren. Mit dem Bus ist Pöppinghausen sehr schwer zu erreichen. Eine Kneipe gibt es auch nicht mehr. Die letzte ging vor ein paar Jahren K.o. und ist inzwischen längst in eine Wohnung umfunktioniert. Selbst Kabelfernsehen gab es hier nicht. In Zeiten von Sat-TV und DVB-T ist wenigstens das kein Nachteil mehr.
Mittlerweile habe ich das Ortsschild erreicht und biege ab in den Ringelrodtweg. Ich suche einen kleinen Teich hinter dem Umspannwerk in der Nähe des Rhein-Herne-Kanals. Es bleibt noch ein wenig Zeit, über meine Recherchen nachzudenken. Auf der städtischen Homepage führt ein Link zu Gesprächen des “Zukunftsprojektes Castrop-Rauxel”. “Der dörfliche und ländliche Charakter des Ortsteils wird überstimmend als besondere Qualität benannt. Wald, Felder und die Lage am Kanal machen das Einzigartige aus. Die Abgeschiedenheit wird von vielen geschätzt, aber auch kritisch betrachtet. Weil der Ortsteil “am Ende der Welt” liegt und sehr klein ist, haben viele das Gefühl, dass ihr Ortsteil nur der Wurmfortsatz von Habinghorst sei und deshalb oft von der Politik nicht ernst genommen werde”, steht dort zum Beispiel. Am Ende der Welt also. Im WDR-Artikel heißt das Wort “Kuhkaff”.
Was gibt es denn nun in Pöppinghausen außer Umspannwerk und Wohnhäusern? Ein Jugendzentrum, einen eingruppigen Kindergarten (aufgefüllt mit Kindern aus Herne), eine Kirche (die aber nur noch für Hochzeiten genutzt wird) und den Sportplatz von SuS Pöppinghausen (Spitzen-Vereinsname). Der Platz ist in Sichtweite, als ich die maximal marode Wewelingstraße befahre und befürchte, dass mein Auto in irgendeinem Schlagloch versinkt.
Vor dem Sportplatz muss ich liiiiiiinks ganz scharf um die Kurve, wurde mir gestern so mitgeteilt. Gesagt, getan. Ich biege ab, mein Auto freut sich mit, durchquere eine Tor-Einfahrt und lande tatsächlich an einem Teich. Wahnsinn, das sieht hier wirklich unglaublich idyllisch aus. Es ist ein toller Ort, um Ruhrgebietsfeinde zu beruhigen. 22.000 Quadratmeter Wasser, große Bäume ringsum, dazu noch grüne Wiesen und vor allem: Ruhe. Grenzenlose, endlose Ruhe. Kein Auto stört. Keine Autobahn. Kein Fußgängerzonen-Gebrüll. Ein Anglerverein aus Recklinghausen, der sich Früh Auf 80 nennt, hat sich hier niedergelassen und fischt regelmäßig Hechte, Zander und Schleie aus dem ruhigen Wasser. “Der Teich ist bestimmt 4,30 Meter tief. Ich habe das noch nie getestet”, sagt Vorstandsmitglied Uwe Unger. Gemeinsam mit seinen Vereinskollegen hat er ein Insektenhotel gebaut und am Rand des Teichs auf einer großen Wiese aufgebaut. Ein Insektenhotel mit Holz, Ziegelsteinen und Ästen für Käfer, Spinnen und Fliegen. Ich trinke eine Cola, lasse mir ausgiebig das etwas andere Hotel-Konzept erklären (es gibt keine Sterne, keinen Portier, keinen Zimmerservice - und doch gefällt’s den “Touristen") und reise schließlich weiter.
Der Rhein-Herne-Kanal durchquert Pöppinghausen - und als ich daran denke, fällt mir etwas ein, was ich noch vergessen habe: Hier in diesem kleinen Vorörtchen gibt es einen gut frequentierten Yachthafen, wenigstens das. Bezeichnend: Dieser Hafen ist über die A42-Ausfahrt “Herne-Horsthausen” bestens zu erreichen. Hier ist nirgendwo. Where the streets have no name. Hier ist irgendwie Herne, aber auch Castrop-Rauxel und ein Klub aus Recklinghausen ist hier heimisch. Auf dem Rückweg befahre ich noch einmal nahezu alle Straßen des Stadtteils, kurve extra langsam mit 20 km/h herum. Wohnbebauung, sonst nichts. Spielt sich hier das wahre Leben in aller Abgeschiedenheit ab? Ist das hier die Chillout-Zone Castrop-Rauxels? Oder ist’s hier einfach nur öd und leer? Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.

Ende der Nachhilfestunde zu Pöppinghausen. Aber noch nicht Ende des Unterrichts.
Morgen geht’s nach Ickern in den Nordosten der Stadt.

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WAZ Castrop-Rauxel - 1.8.2007 - Serie: Melanie kommt in die Schule (Teil 2)
Time to say goodbye

Gar nicht schüchtern sitzt Melanie Piskorz auf dem Schoß ihrer Gruppenleiterin Annelie Knop. Selbstbewusst und laut rattert sie die Zahlen runter, die sie schon kennt. "Eins, zwei, drei, vier. . .", sagt sie, zählt bis 25, ohne dabei Luft zu holen. Melanie ist sechs Jahre alt. Zum letzten Mal läuft sie heute durch die Tageseinrichtung Villa Kunterbunt in Ickern. Nächste Woche kommt sie in die Schule.
Auf ihrem Kopf trägt sie ein selbst gebasteltes, rotes Stirnband. Ganz vorn steht "Melanie", angeklebt ist ein rotes Herz. "Heute Morgen", sagt Melanie, "habe ich Nudeln mitgebracht." Kochen zum Abschied. Spagetti morgens um 10.15 Uhr. Für insgesamt 26 von 76 Kindern der Villa Kunterbunt beginnt nächste Woche ein neues Leben. Und auch für zwei Erzieherinnen. Die gehen ebenfalls am 31. Juli. Puh, ganz oft "Tschüss" sagen an diesem Dienstag.
Mit dem Stirnband auf dem Kopf spaziert Melanie zurück in ihren Gruppenraum, lässt sich Geschichten erzählen. Villa-Leiterin Carmen Ziegler schaut ein wenig traurig hinterher. Bereits Melanies älteren Geschwister besuchten die Villa Kunterbunt. "Für uns", sagt Carmen Ziegler, "geht deshalb eine Ära zu Ende."
Bereits im letzten Jahr nahmen die "Schulkinder" an Projekten teil. "Die Angebotsstruktur ist natürlich ganz anders als für 3-Jährige", erklärt Ziegler. Jedes Schulkind bekam ein 3-jähriges Patenkind an die Hand. Außerdem ging es zum Beispiel für Melanie mit dem All-Projekt ins Planetarium. Und die Verkehrserzieher der Polizei kamen.
Mars, Venus, Saturn und Polizei sind diesmal kein Thema. Melanie zieht sich ihre kleinen Schuhe an, legt das Stirnband ab, zieht sich ihre Jacke über und stürmt nach draußen. Innerhalb von Sekunden stürmt sie die Kletterwand hinauf und sprintet weiter zur Rutsche. "Auf die Pause in der Grundschule freue ich mich besonders", sagt sie und tobt mit ihren Gruppenkameraden herum. Annelie Knop zählt zwischendurch immer wieder die Kinder - damit auch keins verloren geht.
Ein letztes Mal läuft Melanie zum Noah-Teich. Noah, weil ein Junge namens Noah der erste war, der ins knietiefe Wasser fiel. "Hier", sagt ihre Gruppenleiterin Annelie Knop, "du darfst sie noch einmal füttern." Melanie nimmt die große Packung Futter und schmeißt den Goldfischen und Kois ein paar Körner zu. Melanie und ihre Freunde halten ihre Finger ins Wasser. Brr. . . ist ganz schön kalt.
Es dauert nicht mehr lange bis zum großen Tag.

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Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 19 - 10.8.2007
Mein Weekend

I can’t wait for the weekend to begin. Ich kann nicht abwarten, bis das Wochenende beginnt. Und JETZT beginnt’s. Am Freitag lernte ich alle weiterführenden Schulen Castrop-Rauxels auswendig.

Es gibt da dieses eine Lied. Es kommt jeden Montag, jeden Morgen, gefühlt jedes Mal während des Frühstücks. Die Melodie geht etwa so: “Diiidippdippdidiiiiidippdippdidiii” undsoweiterundsoweiter. Und dann kommt dieser Refrain: “I can’t wait for the weekend to begin”. Ich kann nicht abwarten, bis das Wochenende beginnt. An einem stinknormalen Montagmorgen ist dieser Song selbstverständlich der blanke Horror. Du hast gerade einen wunderschönen Samstag hinter dir, in der Bundesliga hat der VfL Bochum triumphal gewonnen (leider kommt das viel zu selten vor). Am Sonntag folgen Treffen mit Freunden, die während der Woche viel zu kurz kommen, dann schaue ich mir meistens die Spiele des Mülheimer Fußball-Oberligisten VfB Speldorf an, herrlich. Und dann am Montagmorgen dieses Lied. Horror, ich sag’s ja.
Damit der Song nicht nur negativ konnotiert, also mit dem Wort “miiiies” verbunden ist, habe ich ihn mir auf eine CD gebrannt. Und höre es heute. Auf dem Weg zur Redaktion. Auf dem Weg in die Castrop-Rauxeler Altstadt. Immer und immer wieder. Na klar bin freue ich mich auf Samstag (Saisonstart! VfL Bochum gegen SV Werder Bremen) und Sonntag (Oberliga, Revierderby! VfB Speldorf gegen ETB Schwarz-Weiß Essen), aber heute ist Freitag - und für mich wird es endlich Zeit für eine weitere Nachhilfestunde in Sachen Castrop-Rauxel.
Die weiterführenden Schulen sind heute an der Reihe. Schon vorgestern (gestern nicht: REGEN!) ist’s mir aufgefallen. Vermehrt laufen junge, ganz junge Menschen mit Rucksäcken durch die Altstadt. Das heißt: Die Schule hat begonnen. Seit ich selbst das Abizeugnis in Mülheim in Empfang nahm, sausen die Ferienzeiten in Formel-1-Tempo an mir vorbei. Jedenfalls unterrichten die Lehrer wieder - und es wird Zeit für Schulthemen in unserer Lokalausgaben. Ich nutze die Gelegenheit, um herauszufinden, wie viele weiterführende Schulen es hier überhaupt gibt. Schnell gecheckt… und die richtige Zahl lautet: “8” - zwei jeder Schulform, alle sind nach berühmten Personen benannt. Soll ich alle aufzählen? Nein? Ätsch, ich mach’s trotzdem: Da wären das ASG (Adalbert-Stifter-Gymnasium), das Ernst-Barlach-Gymnasium, die Fridtjof-Nansen-Realschule, die 2005 eröffnete Johannes-Rau-Realschule, die Willy-Brandt-Gesamtschule, die Janusz-Korczak-Gesamtschule, die Franz-Hillebrand-Hauptschule und die Schillerschule. Puh, geschafft.
Seit Anfang der Woche - pünktlich zum Schulbeginn - wird darüber diskutiert, ob der Unterricht am Samstag wieder eingeführt werden soll. Im Moment ist’s ruhig auf den Schulhöfen in NRW am sechsten Tag der Woche, also auch in Castrop-Rauxel. Ändert sich das? Was denken die Beteiligten? Direkt in der Altstadt soll ein Gymnasium sein, komisch, das ist mir noch nie aufgefallen. Der Fotograf und ich ziehen los, und tatsächlich, kurz hinter dem Marktplatz, stehen die Gebäude des Adalbert-Stifter-Gymnasiums, kurz ASG. Ach daaaaas ist eine Schule. Wir kommen zu einer ungünstigen Zeit, im Moment ist keine Unterrichtspause. Dennoch begegnen wir vier Schülern der Jahrgangsstufe zwölf. Wir überraschen sie in einer Freistunde. Mathias mampft Nudeln aus einem Plastikteller. Er und seine Freunde Janis, Patrick und Tobias weisen die Idee der Schulministerin Barbara Sommer strikt zurück. “Ich brauche den Samstag zum Ausschlafen”, sagt der eine. “Wir können ruhig während der Woche länger machen. Das ist Gewohnheit. Da brauchen wir keine Entlastung”, meint der zweite. “Wir haben hier immer den Tag der offenen Tür am Samstag, drei Stunden lang. Das geht gaaaaar nicht”, erklärt der dritte der Gruppe. Matthias legt kurz die Gabel zur Seite und merkt ganz trocken an: “Sollen sie das ruhig einführen. Aber erst in zwei Jahren, denn da mache ich Abi.” Wo sind eigentlich die jungen Frauen der Stufe zwölf? “Bestimmt im Café Balzac am Markt”, sagt Mathias. Stimmt, darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Von unserem Café-Test meiner ersten Woche in Castrop-Rauxel sind mir die verschiedenen Möglichkeiten in der Altstadt noch gut bekannt. Hier gibt es verlockende Möglichkeiten, die Freistunde auszudehnen. Meine Ex-Schule in Mülheim steht auf einem Hügel, ziemlich weit von der City weg, überhaupt weit von jeglicher Art von Café entfernt.
Wir verlassen den Schulhof, lassen die Jungs weiter entspannen. Ich selbst hatte bis zur Jahrgangsstufe elf noch Unterricht am Samstag, alle zwei Wochen. Zwei Stunden Religion in der 3. und 4. Stunde, also bis 11.25 Uhr - und direkt danach ab zum VfL. Lustig war das nicht. Egal. Wir laufen durch die Altstadt zurück zur Redaktion, vorbei an zahlreichen Schülerinnen und Schülern (heute fallen die mir - komisch - ganz besonders auf). Mal schauen, was die übrigen Beteiligten in Castrop-Rauxel so glauben. Ich setze mich ans Telefon und führe Gespräche. Eins nach dem anderen. Mit Schulleitern, einer Elternvertreterin. Die Meinungen sind eindeutig: Niemand plädert für die Wiedereinführung einer Sechs-Tage-Woche. Ich nehme den Hörer ab, wähle eine Nummer, spreche, lege auf - und wieder von vorn. So geht das den ganzen restlichen Tag. Aber das macht nichts. Mit dem Wochenende am Horizont lässt sich’s doch viel leichter arbeiten, viel leichter eintippen.
I can’t wait for the weekend to begin.
Notiert meinen Tipp: VfL Bochum - SV Werder Bremen 2:1. Schließlich bereitet sich der VfL in der Nacht von Freitag auf Samstag in Castrop-Rauxel im “Hotel Goldschmieding” in Altstadt-Nähe vor. Und da ist’s ruhig, ich weiß es. Die Castroper Luft wird’s richten!
Jetzt habe ich “weekend”. Wochenende. Doch ich komme wieder, keine Frage!

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WAZ Castrop-Rauxel - 18.8.2007
Ja wo bleiben sie denn?

Verärgert blickt Jürgen Kahl auf den Messenkamp. Vor jedem Haus in seiner Straße stehen die Gelben Tonnen. Mittwoch schon hätten sie geleert werden müssen. Doch jetzt ist Freitagmittag. "Das passiert jetzt zum zweiten oder dritten Mal. Was machen wir, wenn es stürmt und die Tonnen kippen um? Dann liegt der Müll auf der Straße verteilt." Jürgen Kahl ist nicht der einzige mit einem Müll-Problem. Auch Bewohner der Viktoria- und Cottenburgstraße sowie des Bookenweg meldeten gestern noch volle Tonnen.
Viele Beschwerden gehen beim EUV ein. Doch die Stadtbetriebe sind für die Leerung der Gelben Tonne gar nicht zuständig - sondern seit dem 1. Januar 2007 die Firma Remondis. "Beschwerden gibt es aber bei uns immer wieder", sagt EUV-Mitarbeiter Thorsten Werth-von Kampen.
Die Firma Remondis bekam den Auftrag der Tonnen-Leerung von der Duales System Deutschland GmbH (DSD). Die ist für die Kommunen zuständig und schrieb den Auftrag zum 1. Januar neu aus. Unter den Bewerbern: Remondis, ein weltweit operierendes Unternehmen, und der EUV. Den Zuschlag bekam Remondis. "Mein Appell ist", sagt Daniel Molloisch (SPD) aus dem Umweltausschuss, "dass der DSD versuchen soll, es bei den Kommunen anzusiedeln. Die kennen den Ort." Sein Vater Holke, ehemaliger Vorsitzender des Umweltausschusses, zählt zu den betroffenen Bürgern. "Das ist ein Ausdruck des Privatisierungswahns und ein Todesurteil für die stadteigenen Betriebe." Die DSD GmbH erklärt die Auswahl der Firma nüchtern. "Wir stimmen uns mit den Kommunen ab. Entscheidend ist die Wirtschaftlichkeit", sagt Mitarbeiter Norbert Völl. "Von Beschwerden habe ich nichts gehört." Die landen eben beim EUV - nur sind sie dort völlig falsch.
Was sind die Gründe für die verspätete Leerung? Auch das Hotel Residenz in der Altstadt hat Probleme. "Uns wurde am Mittwoch an der Hotline mitgeteilt, dass es Fahrzeugschäden gab", sagt eine Mitarbeiterin. Nach mehrfacher Anfrage unserer Redaktion an zwei Tagen äußerte sich Jutta Kersting aus der Remondis-Kommunikationsabteilung gestern um 14.35 Uhr schriftlich: "Am 15.08. kam es urlaubsbedingt zu einer Nichtleerung der gelben Tonnen. Die Leerung wurde heute nachgeholt. Andere Störungen sind uns nicht bekannt."
Der Vertrag mit Remondis läuft noch bis Ende 2009. Dann wird neu verhandelt. Michael Werner, Vorstandsvorsitzender des EUV, will alle Beschwerden an den DSD weiterleiten. Er kann Remondis nicht verstehen: "Nach mindestens einem Quartal sollten doch die Probleme abgestellt sein."
Bürgern wie Jürgen Kahl sind die Hintergründe egal. Sie wollen einfach nur eine pünktliche Leerung.

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WAZ Castrop-Rauxel - 24.8.2007
Barockblauer Wasserritter

Einer der langen Flure im WLT: Kurz vor dem Ende, hinten im Eck, liegt Raum 51. "Fundus" steht ganz klein auf dem Türschild unter der Zahl "51". Kostümschneiderin Maud Herrlein schließt auf und deutet auf einen Ständer. "Diese Sachen", sagt sie, "werden wir verkaufen." Und zwar im Rahmen von "Bühne raus" auf dem Altstadtmarktplatz im Pavillon am Eingangsbereich (31. August bis 2. September).
Wuchtig schiebt Maud Herrlein die Kostüme hin und her. Wie viele es sind, kann sie nicht schätzen. Sie zeigt auf ein blau leuchtendes Kostüm. "Das hier gehörte zum Stück ,Der kleine Wassermann.' Da war ich selbst beteiligt." Sie schaut weiter und weiter, staunt selbst oft über die Angebote und murmelt dann: "Die hier sind wirklich ewig alt, die kann ich gar nicht mehr zuordnen." Sie entdeckt eine mühsam genähte Jacke aus dem Stück "Der kleine dicke Ritter". Maud Herrlein legt ihre Stirn in Falten. "Das war eine Mordsarbeit", sagt sie und hängt das kostbare Stück zurück auf den Ständer.
Die WLT-Mitarbeiterinnen Elena Peeva und Pia Krug kommen in Raum 51. Sie spielen die Models und probieren ein paar Kostüme an. Für kurze Zeit verwandelt sich Elena Peeva in einen kleinen dicken Ritter. Pia Krug trägt erst das Wassermann-Blaue und dann eins aus einem Jahrhundertwende-Stück. Welches genau? Herrlein zuckt mit den Schultern. Die Preise liegen zwischen fünf und 40 Euro.
Der Fundus ist riesengroß und völlig überfüllt. "Alles geben wir natürlich nicht weg", sagt Maud Herrlein. Sie zeigt auf verschiedenste Mäntel, Kleider, Westen, Anzüge und Fantasie-Kostüme aus allen Epochen. Dazu kommen Massen an Stiefeln und Schuhen. Ein Paar Motorradstiefel - genannt Bikerboots - kostete einst 300 Euro. Das bleibt in einem Fundusschrank.
Viele Interessierte haben sich schon angemeldet - denn der letzte Verkauf dieser Art fand vor etlichen Jahren statt. "Viele suchen nach Kostümen für Karneval, aber manche Frauen können einige Kleider auch bei einer Cocktailparty nutzen", erzählt Herrlein.
Einige WLT-Mitarbeiterinnen werden im Pavillon am Markt auf Wunsch die Kostüme und Kleider anprobieren. So wie Elena Peeva und Pia Krug. Und das alles für ein bisschen Platz im Fundus in Raum 51.

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WAZ Castrop-Rauxel - 19.9.2007
Schüttelklassiker und Altstadtstreit

Das sieht ja lecker aus. . . Backfisch oder Currywurst? Waffel am Stiel oder Zuckerwatte? Auto-Scooter oder Breakdance? Glaubensfragen auf kirmisch. Die Castroper Herbstkirmes - seit gestern zu Ende - hat so viel mit der Cranger Kirmes zu tun wie Dosenwerfen mit Playstation-Spielen. Sie ist klein. Aber auch fein? Wie lief sie 2007?
Schnell ein Crepe mit weißer Schokolade probieren: schön heiß, süß und lecker. Eine Umfrage unter den Schaustellern: Beim Pfeilewerfen steht niemand. "Hier", sagt der Verkäufer, "ist es nicht so gut gelaufen." Schräg gegenüber dröhnt das "New York Höllentaxi". Die Geräuschkulisse erinnert nicht an kleine, gelbe Autos, sondern an die New Yorker U-Bahn. Es klickt und klackt mit gefühlten 180 Dezibel, Unterhaltungen fallen schwer. Der Mann an der Kasse beantwortet die Bilanz-Frage mit den Fingern: Daumen hoch! Danach spielt er die Techno-Version von Nenas "99 Luftballons". Hast du etwas Zeit für mich?
Die Zeit verrinnt, zurück geht's Richtung Marktplatz, vorbei an allerlei leckeren Sachen und an einem Stand, der "Glücksreis - Ihr Name auf einem Reiskorn" heißt. Sachen gibt's. Der Schüttelklassiker "Breakdance No. 2" ist nach wie vor Treff- und Höhepunkt. "Es läuft besser als in den Vorjahren", sagt die Verkäuferin und nennt gleich ihre Vermutung: "Weil zwei Fahrgeschäfte weniger hier sind, verteilt sich das Geld auf die anderen." Diesen Grund nennt auch Dieter Krieger, der Organisator aus dem Ordnungsamt. Auch er drehte am letzten Tag eine Runde. "Mir haben die Händler gesagt, dass sie zufrieden sind", sagt er. "Samstag normal, Sonntag gut, Montag sehr gut." Die Meinungsverschiedenheiten mit dem Altstadt-Marketingverein Cityring sind nicht neu. "Ich glaube, dass der Cityring auch mit der Veranstaltung werben könnte. Die würde dadurch aufgewertet", sagt Krieger. Den Vorschlag des Cityring-Chefs Daniel Borgerding, die Kirmes in den Erin-Park zu verlegen, weist Krieger zurück. "Die Fläche ist nicht geeignet, es müsste erst eine Infrastruktur geschaffen werden. Außerdem ist die freie Fläche für Industrieansiedlung gedacht."
Altstadt oder nicht Altstadt - noch so eine Glaubensfrage auf kirmisch.

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Blog aus Castrop-Rauxel, Blog 28 - 20.9.2007
Meine Kirmes, Teil zwei

18 Tage nicht in Castrop-Rauxel - dann komm’ ich wieder und was sehe ich? Die Herbstkirmes in der Altstadt! Lecker, lecker, lecker!

Komisch. Es ist wie das Gefühl, nach einem dreiwöchigen Urlaub die heimische Wohnung zu betreten. Oder nach der Sommerpause das erste Bundesligaspiel des VfL Bochum zu besuchen. 18 Tage betrat ich nicht mehr Castrop-Rauxel. Mehr als die tägliche Lektüre der WAZ-Ausgabe bekam ich nicht mit vom Leben in der Stadt, die mir ans Herz gewachsen ist. Den Weg über die Autobahn finde ich noch, weiß sogar noch, wo die Blitzer stehen. Ich könnte zum Dichter werden und Verse unter dem Titel „Coming home” oder „Zu Hause” kreieren, Musik: Blues.
Was ist passiert in Castrop-Rauxel, was geschieht heute, wo darf ich hin? Diese Entscheidung fällt schnell: Herbstkirmes! Habe noch keinen Blick in die Altstadt gewagt am heutigen Tag. Dann wär’s mir sofort aufgefallen. Lese noch schnell meinen Blog-Eintrag über die Castroper Gastronomie-Familie Wachsmann auf der Cranger Kirmes. . . okaaaay, fertig! Und los. Ja jetzt bin ich aber richtig gespannt!
Laufe die Obere Münsterstraße entlang, sonst nur, um belegte Brötchen und Schoko-Croissants zu holen. Süß ist auch das, was sich jetzt hier abspielt. „Schlemmerhaus” heißt das erste Gebäude, das verdammt nach Kirmes aussieht. Wow, es geht also schon hier los. Ich dachte, dass sich die Kirmes auf den Marktplatz beschränkt. Könnte jetzt schon so viel in mich reinwuchten. Bratwurst, Zuckerwatte, Currywurst, Schokobanane, Backfisch. Hurra, eine Crepe-Bude. „Einmal mit weißer Schokolade bitte.” Zweifuffzig kostet der Spaß. Schmeckt. Gut.
Stehe mitten auf dem Marktplatz. Sonst parken hier Autos, jetzt blicke ich mich um, sehe viele Buden, aber mittags um drei noch nicht viele Besucher. Die meisten stehen – welch Wunder – am Breakdance No. 2, der Klassiker unter allen Mir-wird-übel-ich-hätte-gerade-doch-noch-nichts-essen-sollen-Geräten. „Der Renner, auch in diesem Jahr”, haben mich die Kollegen schon vorgewarnt. Mein Kirmesherz schlägt höher, auch wenn es natüürlich nur ein Rummel im Miniminiformat ist. Eine Formulierung fällt mir ein, ich hebe sie für den Zeitungstext auf. „Die Herbstkirmes hat so viel mit Crange zu tun wie. . .” Lest selbst nach!
Crepe zu Ende gegessen, der Losverkäufer langweilt sich, Auto-Scooter fahren will auch noch niemand. „Es läuft wie immer”, sagt der Verkäufer. Ach, was hat mir dieser Geräuschpegel gefehlt. Jugendliche flüstern, schreien und lachen an der einen Ecke, Familien werfen Dosen, die Breakdance-Gondeln sausen im Orkantempo vorbei – und überall der Kirmes-Techno, vornehmlich Pop-Schlager a´ la „Das rote Pferd” oder Techno a´ la Scooter. Scooter, immer wieder Scooter. Utzutzutzutz, gebrannte Mandeln kitzeln die Nase. Leeecker.
Marktplatz, war das etwa schon alles? Nein, in Richtung Stadtgarten stehen auch noch ein paar Buden. Die Herbstkirmes ist klein, aber größer, als ich dachte. 2007 fehlen – erfahre ich von einem Verkäufer – sogar noch zwei Fahrgeschäfte. „Glücksreis” nennt sich ein Stand. Auf einem Schild auf dem Tisch steht „Ihr Name auf einem Reiskorn”. Aha. Der Renner sind Simpsons-Plüschfiguren. Homer und Bart fürs Regal. Beim Dosenwerfen kosten drei Wurf zwei Euro. Teuer. Das letzte klassische Fahrgeschäft heißt „New York Höllentaxi” und klack-klackert wie eine U-Bahn. Nenas „99 Luftballons” dröhnen aus dem Lautsprecher. Hast Du etwas Zeit für mich, dann schreibe ich einen Text für Dich! Der Kirmes-Biergarten wirbt mit Altbierbowle, Berliner Weiße und Weißbier.
Ich zweifle, kämpfe, will zuschlagen – und doch kann mich keine Versuchung besiegen. Gemütlich schlendere ich zurück zur Redaktion, vorbei an Wiener Mandeln und frisch gehackten Kokosnüssen. Mir fallen viele Sachen ein, die fehlen, von der Achterbahn bis zum Riesenrad, dem Kirmesboxen und dem Kamelrennen. Erfahrene Cranger könnten die Liste wahllos ergänzen.
Sammeln. Und telefonieren. So richtig unumstritten ist die Herbstkirmes bei aller Tradition nicht. Die Einzelhändler der Altstadt sind strikt dagegen. Erzählen, dass der Umsatz sinkt, dass die Herbstkirmes keinen Stellenwert mehr hat. Die Kirmesbesucher wünschen sich mehr Geräte, halten sie aber für „besser als nichts”. Der Organisator der Stadt betrachtet die Kirmes als Erfolg, die Schausteller sind mehrheitlich zufrieden. Einen alternativen Standort gibt es laut Organisator nicht.
Alle prallen aufeinander. Die Texte werden schön. Kirmes schreibt sich wie von allein.

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WAZ Mülheim - 6.10.2007 (für das Thema der Woche "Mülheim gastronomisch")
Wo das Licht wärmer scheint

Anmerkung: Jaja, eigentlich bin ich weg aus Mülheim. Aber einen Text durfte ich dann doch noch schreiben...

Ein normaler Dienstagabend, kurz vor neun. Fußball läuft. Champions League, Stuttgart gegen Barcelona. Zu Hause gucken ist unmöglich, kommt nur im Pay-TV. Wird Zeit für einen Besuch in der Stammkneipe. Die Tür aufdrücken, ganz sanft. Hier ist es, das "Schräge Eck" an der Klopstockstraße, eine ganz normale Eckkneipe, wie sie immer seltener werden in Mülheim. Das Schräge Eck: Dat is Eppinghofen pur.
"Psst", sagt jemand, "Bazza greift an." Bazza heißt Barcelona. Warum richtig aussprechen, wenn's auch einfach geht!? In einer Kneipe leise: haha und drauf gepfiffen! Erst die Leute begrüßen. Die Stammgäste, die in den letzten Jahren zu Würfelfreunden geworden sind. Zu Dartkumpanen. Zu Billard-Kontrahenten. Der erste Weg führt zum Wirt, der im "Schrägen Eck" Zarko Pulic heißt. Manche sprechen ihn richtig aus, also "Dscharrko", manche einfach "Jacko". "Hallo Dscharrrko". Der antwortet stets: "Hallo mein lieber Freund." Das passende Getränk steht bereit. Er kennt seine Stammgäste.
Lust auf Fußball gucken, aber auch Lust auf Billard. Ein Euro gleich ein Spiel. "Hier wird nach Zarkos Regeln gespielt." "Ach so", sagt Micha, der Gegner. Hier ist die Vornamen-Welt. Nachnamen interessieren nicht. "Where everybody knows your name", heißt es im Titelsong der US-Serie "Cheers". Passt.
Micha erkundigt sich, wie Zarkos Regeln sind und stößt. Klick und Klack macht's auf dem Tisch. Dieser Geräuschpegel. . . Billardkugeln hier, die Dudelei des Dartautomaten dort, die Stimme des Kommentators im Hintergrund. Am Nebentisch wird gar nicht geredet. Doch, halt, jetzt ganz kurz. "Pik Solo", sagt Conny - keine Ahnung, wie sein richtiger Vorname lautet. Ach sooo, hier wird Skat gekloppt.
Halbzeit im Fußball, ein Billardspiel vorbei. An der Theke hocken Wanna und Bernd. "Wir", sagt Wanna jedem, der an der Theke vorbei zum Klo geht, "wir haben zusammen auf dem Schulhof gespielt." Dann deutet er auf Bernd. "Und heute hier nach zehn Jahren wiedergetroffen." Die Tür geht auf, jemand brüllt laut "TAXIIII!" Wanna steht auf, nimmt seine Jacke, bezahlt seinen Deckel und geht. "Tschüss Wanna, mein lieber Freund", sagt Zarko, der Wirt. Der Kommentator analysiert "Bazza spielt sehr, sehr provokant, sehr, sehr lässig." Dann fällt das erste Tor, das zweite, 2:0. Für Bazza. "Maaaan", heißt's laut. Eigentlich gibt es hier nur Gladbach-, Schalke-, BVB- und Bochum-Fans. Heute sind alle für Stuttgart. Vergeblich.
Das Spiel ist vorbei, eine Minute später betritt Kläusken den Raum. Zarko stellt den Fernsehton leise, erfüllt nun jeden Musikwunsch. "Another brick in the wall" von Pink Floyd ist der erste. Ja, das weckt Erinnerungen. Jede Altersgruppe ist vertreten, von 18 bis 70. Die Skatrunde kloppt weiter. "Jacko, machze 'ma noch n' Ründken", brüllt Conny quer durch den Raum. Und Jacko zapft vier Pils.
Die 70er sind angesagt, zum Beispiel "Bobby Brown" von Frank Zappa. Dann die 80er. "Sex Bomb" von Tom Jones. "Kläusken, sie spielen dein Lied", brüllt Micha aus dem Hintergrund. Gelächter an der Theke. Kläusken, 67, schmunzelt mit, flüstert dann aber lieber: "Spiel doch 'mal Musik für 'nen alten Mann." Zarko weiß genau, was sein Stammgast hören will und wenige Sekunden später ertönt "For the good times" von Kenny Rogers aus den Lautsprechern. Kläusken singt leise mit, haucht den Refrain "Lay your head on my pillow. . ." Er schließt seine Augen, zieht an einer Zigarette, pustet den Rauch in die Luft, nimmt einen Schluck aus seinem Bierglas und haucht weiter: "Hear the whisper of the raindrops, beating soft against the window." Alle lauschen andächtig. Kneipen-Romantik.
Kurz nach zwölf ist es inzwischen, wieder so ein Eckkneipen-Abend, der ruck, zuck vorbei geht. Kurz nach Mitternacht schmettert John Denver "All my bags are packed. . .", den Rest kennt jeder. "I'm leaaaaving on a jetplane", brüllen alle, ob 18 oder 70. Und Zarko mittendrin!
Auf die Uhr schauen. Ups, kurz vor eins. "Gute Nacht Freunde" in die Runde brüllen. Wie hat Reinhard Mey noch gedichtet: ". . . dass man von draußen meint, dass in euren Fenstern das Licht wärmer scheint." Sieben Euro auf dem Deckel, einmal Billard für einen Euro. Das ist doch billig.
Die einen schunkeln nach Hause. Treffen Lutz und Wilfried vor der Tür. Die kommen gerade. Um eins. Die Nacht in der Eckkneipe hat begonnen.

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WAZ Essen-Nord - 9.10.2007
Spitze statt Scherbenhaufen

Von Andreas Ernst

Schonnebeck obenauf: Kai Suelmann köpft den Ball aus der Gefahrenzone. Der SV Schonnebeck bezwang den FC Kray mit 2:0 und verteidigte die Tabellenspitze der Landesliga erfolgreich. Vor vier Jahren spielte der SV noch in der Kreisliga A. Fotos: Walter Fischer/wafi-Bild Von Andreas Ernst
Schonnebeck. Noch wenige Sekunden. Trainer Harry Kügler vom Fußball-Landesligisten SV Schonnebeck reckt beide Arme in die Höhe, fordert den Abpfiff. Dann ist Schluss. 2:0 gewonnen im Derby am Sonntag gegen den FC Kray, 700 Zuschauer applaudieren. Der SV bleibt Spitzenreiter.
Rückblick. Zwei Tage vorher. Auf dem Ascheplatz am Schetters Busch spielen ein paar Kinder, kein Zuschauer steht am Rand. Die "Macher" des SV Schonnebeck sind im Klubhaus versammelt, reden über den bisherigen Erfolg und das bevorstehende Derby. "Da ist bestimmt Emotion drin", sagt der Abteilungsleiter Jürgen Lohkamp. Jahrelang bewegte sich der SV im Niemandsland des Amateurfußballs. Oft Bezirksliga, zwischendurch Kreisliga A. Weit entfernt vom großen Fußball.
Nun sind die Kreisliga-A-Zeiten vorbei und der SV ist Tabellenführer der Landesliga. Rund um den Tisch sitzen die verantwortlichen Personen, die nacheinander zum Schetters Busch kamen. Jürgen Lohkamp und Stellvertreter Dieter Herche erlebten auch die bittere Zeit der jüngeren Vereinsgeschichte mit. Dann traf Herche, vor Jahrzehnten bei Rot-Weiß Essen tätig, seinen Ex-RWE-Schützling Michael Tönnies wieder. Genau der Tönnies, der beim MSV Duisburg zur Legende wurde. Der Tönnies, dem der schnellste Hattrick der Bundesligageschichte gelang.
Der sitzt jetzt mit am Tisch der "Macher". Den Abstieg in die Kreisliga A konnte Trainer Tönnies nicht verhindern. Der ganze Verein war zu dieser Zeit ein Scherbenhaufen. Die Lösung: Tönnies wurde Sportlicher Leiter, holte Uwe Poßberg zum Schetters Busch. Beide setzten auf den eigenen Nachwuchs. Der SV blieb 59 Spiele ohne Niederlage, schaffte den Durchmarsch bis in die Landesliga.
Jetzt ist der Trainer ein anderer. Seit Beginn der Saison hat Harry Kügler an der Seitenlinie das Sagen. Tönnies und Kügler spielten zusammen bei RWE, Kügler nennt seinen ehemaligen Teamkollegen "Charly": "Ein Spitzname, der von damals übriggeblieben ist. Den kennt kaum jemand." Michaels Bruder Dirk Tönnies ist nach vielen Jahren bei verschiedenen Oberliga-Klubs ebenfalls zu einem Heimatklub heimgekehrt - als Kapitän und Co-Trainer.
Das Ziel vor der Saison: sehr bescheiden "eine gute Saison" spielen. Aus einer guten Saison wurde der erste Platz nach acht Spieltagen. Sechs Siege, ein Unentschieden, eine Niederlage. "Alle Spieler kommen aus Essen, zwölf davon aus Schonnebeck", sagt Dieter Herche. Mit 300 Zuschauern im Schnitt liegt der SV laut Jürgen Lohkamp "ganz gut". 15 Jugendmannschaften teilen sich den Platz am Schetters Busch. "Die Mannschaft ist bei uns der Star", sagt Kügler. Millionär wird hier keiner. "Wir haben", sagt Tönnies, "alles in den Trainer gesteckt." Alle am Tisch blicken auf Kügler und lachen danach laut. Spaß beim Spitzenreiter!
Zwei Tage später: Das Klubhaus ist rappelvoll. Die Schonnebecker bejubeln den Sieg durch zwei Dirk-Tönnies-Tore. Der Vorstand und Trainer Kügler klopfen sich auf die Schulter. Weiter ganz oben!

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WAZ Essen-Nord - 23.10.2007
Familien unterm Turm fördern

Von Andreas Ernst

Katernberg. An der Wand hängen Bilder. Von früher. Aus dem Schalthaus Beisen der Zeche Zollverein während der Arbeitszeit. Und während der Ruinenzeit. Vor neun Jahren entstand im Zechengebäude dann eine Kindertagesstätte. Die darf sich seit dem 1. August sogar "Awo-Familienzentrum" nennen.
In der großen Eingangshalle hängt ein Basketballkorb. Yussuf kommt vorbei, trägt keinen Ball, sondern eine große Plastikschüssel in der Hand. "Für die Wäsche", sagt er und geht zu seinem Gruppenraum. Fünf Gruppen mit 100 Kindern besuchen das Schalthaus Beisen, davon 70 Prozent aus Migrantenfamilien. 15 festangestellte Mitarbeiter sowie etliche Honorarkräfte und Praktikanten kümmern sich um die kleinen Kinder, die bis zu sechs Jahre alt sind.
Am Computer in ihrem Arbeitszimmer sitzt Andrea Brieger, die stellvertretende Leiterin. Sprachförderung ist ein großes Thema. "Wir unterstützen die Eltern darin, die Kinder erst einmal in ihrer Muttersprache aufzubauen. Sonst entsteht eine beidseitige Halbsprachigkeit", sagt Brieger. Nachteil: Wenn die Kinder mit drei in die Kita kommen, sprechen sie kein Wort deutsch. Kinder aus zwölf Nationen müssen Andrea Brieger und ihre Mitarbeiter gemeinsam beschäftigen. "Bei den Kindern ist das kein Problem."
Doch bei den Familien? "Freundschaften entstehen fast nur innerhalb der Kulturgruppen. Aber alle tolerieren sich gegenseitig", erklärt Andrea Brieger. Damit die Akzeptanz noch besser wird, gibt es seit der Eröffnung der Kita das Konzept "Familienzentrum". "Von Anfang an haben wir die Eltern mit eingebunden", sagt sie. Zum Beispiel gibt es Deutschkurse für Mütter - mit sehr hohen Teilnehmerzahlen. Das gilt auch für das Elterncafe´ einmal pro Monat und die Elternbücherei. Brieger: "Hier kennen die Eltern das Umfeld, kennen die Mitarbeiter, da ist die Hemmschwelle deutlich niedriger." Weitere Projekte: Mutter/Kind-Gruppen für die ganz Kleinen bis zu drei Jahren und Sport mit Müttern - eine Zusammenarbeit besteht mit der Sportabteilung der DJK Katernberg.
Im vergangenen Jahr bewarb sich das Schalthaus Beisen um den Titel "Familienzentrum" - und bekam den Zuschlag. Damit verbunden ist eine Förderung in Höhe von 12 000 Euro. Mit dem Geld wollen die Mitarbeiter des Zentrums Familien aus Schonnebeck, Katernberg und Gelsenkirchen-Rotthausen ansprechen, deren Kinder nicht das Schalthaus Beisen besuchen. Ein Faltblatt mit etlichen Informationen ist in Planung und soll in der Nachbarschaft verteilt werden.
Am 30. August 2008 feiert das Team den zehnten Geburtstag. Doch schon zehn Monate gab es ein großes Fest. Mit einer Familienrallye feierten Eltern, Mitarbeiter und Kinder den neuen Titel. "Gemeinschaftlich haben wir den Stadtteil erkundet", erzählt Andrea Brieger. Rallye-Stationen waren unter anderem ein neuer Spielplatz, die Stadtteilbücherei, das Schwimmbad und der Förderturm der Zeche Zollverein.
Der liegt direkt neben dem Schalthaus Beisen. Ein Blick aus fast jedem Fenster bietet Ruhrgebiets-Industriekultur pur. Die wurde vor allem am Anfang auch in der Kita thematisiert - in Kohle-Kursen. Vereinzelt kommen auch heute Fragen. Andrea Brieger und ihre Mitarbeiterinnen beantworten jede einzelne ausführlich. Und verweisen stets auf die Bilder an der Wand.
Bilder von früher.

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WAZ (Mantel), Seite "Menschen" - 27.10.2007
Die Popbeauftragte

Von Andreas Ernst

Münster. Es klack, klack, klackt im Prinzipalsaal in Münster. In Schuhe mit hohen Absätzen hat Sarah Kuttner ihre kleinen Füße gepresst, die Zehennägel rot lackiert. In 45 Minuten wird sie hier aus ihrem aktuellen Buch "Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart" lesen. Sie setzt sich auf einen Stuhl auf der Bühne. "Ich hab' hier ganz viel Kram auf dem Tisch. Stört das? Bin ich auch zu sehen?" Ja, ja, ja. Lichtprobe für die Queen des Schnellsprechens, für eine der umstrittensten Figuren der Popkultur.
Noch 40 Minuten. Probe vorbei. Sie ist die Sarah, siezen unmöglich. Die Zeit bis zum Auftritt verbringt die 28-Jährige in einem kleinen Zimmer in der ersten Etage, mit Blick auf den Saal. Säfte, Wasser, eine Dose Red Bull stehen auf einem Tisch. Sarah setzt sich auf eine Couch, kramt eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Vor 80 000 moderierte sie im August in Rostock das "Deine Stimme gegen Armut"-Konzert. In Münster werden's 500, im Zimmer ist sie allein. Der Saal füllt sich, Sarahs Fans sind überwiegend unter 30. Ist sie, die 1,60 Meter kleine Plaudertasche, eine Leitfigur?
Sie zieht lang an ihrer Zigarette. "Ich hab' mir das nicht ausgesucht", sagt sie. Bei Viva und MTV bestimmte die Sarah zwischen 2001 und 2006 die Trends der alternativen Jugend mit. Doch jetzt? "Ich bewege mich in einem musikalischen Dämmerschlaf." Die Ballade "Hey there Delilah" von den Plain White T's hörte sie neulich im Radio, kaufte sich den Song im Internet. Und stellte erst dann fest, dass er seit Wochen in den Charts ganz oben steht. Sarah ist im Moment raus aus dem Geschäft. Im August 2006 lief ihre eigene Show bei MTV aus. Sie hält sich außerhalb des Bildschirms fit. Auf Bühnen.
Denn trotz ihrer TV-Abstinenz ist sie populär. Pop. "Ich bin so Pop, wie man Pop sein kann. Und weniger indie als alle glauben." Indie heißt Independent, das steht für kreative Ausdrucksformen aller Art. Sarah kann kreativ reden. Schlagfertig quatschen, labern. Labern und labern und sabbeln und immer schnell, schneller, am schnellsten. Ist die Kamera aus oder liegt eine Etage zwischen dem Publikum und Sarah, überlegt sie, was sie sagt. Zieht an der nächsten Zigarette vor der Antwort. "Ich mache erst wieder TV, wenn ich glaube, dass es gut wird - ich bin da pingelig", sagt sie. Sie taucht vergleichsweise selten auf. Zum Beispiel wenn es um ihr Buch geht.
Das ist kein Roman, sondern eine Kolumnensammlung. "Eine ganz gute S-Bahn- und Klo-Lektüre." Sagt Sarah selbst. Es geht um Mode, Musik, Menschen. Sie redet viel von Liebeskummer, von eigenen Erfahrungen - nennt aber keine Namen. Sie ist privat, aber nicht persönlich. Es bleibt oberflächlich, meist ohne Tiefsinn. Sie verstelle sich vor der Kamera nicht. Nur wenn es ihr persönlich schlecht ginge . . .
Schlecht kommt bei Sarah das Ruhrgebiet weg. "Liegt Mannheim dort? Mir ist das Ruhrgebiet egal." Am 30. Oktober liest sie in der Essener Zeche Carl und verschwindet schnell wieder. Zurück nach Berlin, in ihre Heimat. "Ich bin froh, dass wir die Loveparade abgegeben haben."
Wir heißt Berlin. Geboren ist die Tochter des Radioreporters Jürgen Kuttner 1979 im Osten Berlins, in einem "intellektuell-alternativen Elternhaus". Kolumnen über diese Zeit würde sie nicht hinbekommen. Weil sie sich nicht für eine Romanschreiberin hält. Und weil sie kaum noch Erinnerungen hat. Nur eine - an den Frühstückstisch einer Freundin. "Mir lief einmal", erzählt sie, "vom Toast der Honig runter. Da habe ich gesagt: Der läuft nach Hamburg." Der Vater ihrer Freundin schaute böse. "Höchstens nach Dresden", sagte er. - "Dabei haben die West-Fernsehen geguckt."
Zu sehen ist sie erst einmal nicht. Aber ab 9. November zu hören - mit ihrem Vater in der Radiosendung "Kuttner und Kuttner" im RBB. Die beiden reden übers Leben. Reden hat sie beliebt gemacht. Und unbeliebt. "50 Prozent finden mich top. Die andere Hälfte hasst mich aus Leidenschaft. Ich weiß nicht, was ich gemacht habe, habe es nie drauf angelegt. Ich bin nicht unanständig gekleidet, ich provoziere nicht bewusst."
Noch fünf Minuten. Sie drückt die letzte Zigarette aus, setzt ihre Sarah-Öffentlichkeits-Popmine auf, klackt Richtung Bühne. Der Prinzipalsaal ist pickepackevoll. Bis auf den letzten Platz.
Spot an.

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Infobox

Lesung am 30. Oktober in der Zeche Carl
Nach ihrem Abi am Berliner John-Lennon-Gymnasium 1999 absolvierte Sarah Kuttner mehrere Praktika bei Zeitungen und Radiostationen, bevor sie im November 2001 als Moderatorin zu VIVA ging. Von August 2004 bis August 2006 moderierte sie erst bei VIVA, dann bei MTV ihre eigene Show, organisierte zweimal die Musikshow "Kuttner on ice" in der Berliner Columbiahalle. Nebenbei verfasste Sarah Kuttner Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress, die in zwei Bücher gepackt wurden. Seit ihrem TV-Ausstieg tourt sie durch Deutschland - und macht am 30. Oktober in der Essener Zeche Carl Station.

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WAZ Essen-Stadtteile (Ausgaben Nord, Rüttenscheid, Ruhrhalbinsel, "Durchläufer") - Woche 2 im November 2007
Letzte Ausfahrt Spatzennest

Von Andreas Ernst

Kindernotaufnahme in Altenessen hat Tag und Nacht geöffnet und bietet 20 Kindern Platz. Die kommen überwiegend aus dem Essener Norden. „Im Süden sind die Mauern dicker”, glaubt Leiterin Martina Heuer
Altenessen. Beruhigend wirkt der gemalte Delfin, der von der Wand grüßt. Ein kleiner Jungesitzt an einem kleinen Tisch davor und erledigt seine Hausaufgaben. „Fertig”, sagt er, steht auf, geht zu seinem Schrank und präsentiert Poster von Kinofilmen. „Simpsons”, „Ratatouille”, eben die Hits des Spätsommers.
Eine Familien-Idylle!? Nein. Der kleine sechsjährige Junge hat schon viel erlebt. Zu viel. Seit einem Jahr schon verbringt er Tag für Tag im „Spatzennest”, der Kindernotaufnahmedes Kinderschutzbundes an der II. Schichtstraße in Altenessen. Im Erdgeschoss steht MartinaHeuer am Herd. Die Leiterin kocht höchstpersönlich. Spagetti stehen heute auf demSpeiseplan. Es ist sehr leise, eigentlich ungewohnt. Warum? Die meisten sind natürlich noch in der Schule. „Wir renovieren gerade”, sagt Heuer und überprüft die Wassertemperatur. Aus einem Bürowird gerade ein Schularbeitenraum.
Viel kann Martina Heuer erzählen.  Es kommen Kinder von Alkoholikern; Kinder, die bei einem schweren Verkehrsunfall Vater und Mutter verloren haben und Kinder, die sexuellmisshandelt wurden. „Jedes Mal”, verrät Martina Heuer, „ist es wieder schwer.” Oft werden Kinder von Amt und Polizei gebracht, manchmal klopfen sie auch selbst an. Tag und Nacht. Die meisten kommenaus dem Essener Norden, manchmal auch aus Borbeck oder Kray. Doch eine Tendenz muss das nicht sein. „Im Süden sind die Mauern dicker”, lautet Heuers mutige Behauptung. Sie schmeißt die Spagetti ins heiße Wasser und redet kurz mit dem Zivildienstleistenden. Der braucht ein bisschen Kleingeld für den Bauern, der Obst und Gemüse anliefert. „Wir versorgen uns hierselbst”, sagt Martina Heuer, bezahlt und bittet zu einem kleinen Rundgang.
Sie öffnet eine Tür und präsentiert den Spendenschrank mit Anziehsachen, Handtüchern, Tornistern, Spielzeug. Oft kommen die Kinder nur mit einer Plastiktüte in der Hand. „Leiderverwechseln uns die Leute oft mit einem Recyclinghof. Wir müssen viel wegschmeißen”,erzählt Martina Heuer. Vor allem Spielzeug wie Puzzle kann das Spatzennest-Team immergebrauchen. Manche Kinder seien aggressiv, sagt Heuer auf dem Weg in den kleinen Garten.„Sie gehen teilweise robust miteinander um. Zu Hause wurde ihnen viel abverlangt, manchmal nehmen sie uns Erwachsene als Stellvertreter. Sie spucken und schlagen.” Draußen schlagen nur Hasen. Und zwar Haken. Und sie blicken in die Herbstsonne.
Im Holzschuppen liegen Inliner. Sport ist sehr wichtig. Zwei der Jungen spielen Fußball bei einemAltenessener Verein. Noch sind die Spagetti nicht fertig. Im Obergeschoss befinden sich die Schlafräume der Kinder. „Manche bleiben eine Woche, manche länger.” Martina Heuer öffnet eine Zimmertür. Kontakte zu den Eltern sind durchaus vorhanden. „Die meisten Eltern sind einsichtigund Besuchskontakte deshalb möglich.” Aber nicht alle. Auch Freundschaften sollen bleiben: Wenn möglich besuchen die Kinder weiter ihren Kindergarten und ihre Grundschulklasse – ob in Kupferdreh oder Katernberg. Offiziell 5,2 Personen kümmern sich um den hilfsbedürftigen Nachwuchs – aufgeteilt auf viele halbe Stellen. „Nicht üppig”, sagt Martina Heuer.
Im Delfinraum sitzt der kleine Junge mit den beiden Postern und lacht. „Zu Weihnachten”, erzählt er begeistert, „kriege ich bestimmt einen Nintendo.” Im Erdgeschoss sind die Spagetti fertig. Gleich ist Schulschluss. Die Spatzennest- Kinder kommen nach Hause. Und haben Hunger.Das ist Alltag an einem nicht alltäglichen Ort.

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WAZ (Mantel), Seite "Kultur" - 19.11.2007
Punk im Anzug
37 500 Zuschauer sahen an drei Tagen "Die Ärzte" in der Dortmunder Westfalenhalle. Drei Rocker im Midlife-Crisis-Alter spielten im Rahmen der "Es wird eng"-Tour Songs aus 25 Jahren Bandgeschichte

Von Andreas Ernst

Dortmund. Ein riesiger schwarzer Vorhang verdeckt die Bühne. Ein weißes "a" mit drei Punkten kündigt "Die Ärzte" an. Dreimal füllte das Berliner Punkrock-Trio von Freitag bis Sonntag die Dortmunder Westfalenhalle, bespaßte insgesamt 37 500 Fans. 37 500! Die ersten Gitarrenklänge, die erste Zeile von "Himmelblau", Opener des aktuellen Albums. Nach einer Minute fällt der Vorhang, und Juuuubel im Rund. Sie sind da. Wieder da. Endlich da.
Schwarze Kleidung tragen die drei, aber himmelblau ist die Atmosphäre. "Jetzt stehst du hier und du hörst nicht auf zu lachen, die Welt gehört dir - und der Rest deines Lebens beginnt, yeah". YEAH! Farin Urlaub mit blond gefärbten Haaren wie vor 25 Jahren bedient die Gitarre. In der Mitte steht Bela B. am Schlagzeug, Rodrigo Gonzales am Bass platziert sich rechts. Im Anzug. Sie sind zwischen 39 und 44 Jahre alt, im reifen Rock-Alter. Von den Klassikern spielen sie die bekanntesten wie "Zu spät" und "Westerland", lassen aber auch einige wie "Elke" weg. Rocken ohne Unterbrechung?
Jedes Ärzte-Konzert besteht aus Verschnaufpausen. Zwölf der 16 Songs des aktuellen Albums "Jazz ist anders" spielt das Trio, doch nicht alle sind konzerttauglich. Die Klasse eines Ärzte-Konzertes lässt sich an der Länge der Band-Unterhaltungen zwischen den Songs ablesen. Diesmal reden Farin, Bela und Rod nicht viel. Vor "Nie wieder Krieg, nie wieder Las Vegas" sagt Farin: "Dieses Lied hätte Blixa Bargeld gern geschrieben." Diese Anmerkung hat noch Niveau. Nach einer Handy-La Ola - alle Fans halten ihre beleuchteten Displays in die Höhe - flüstert Farin aber: "Vielen Dank für die sinnlose Batterieverschwendung" und fügt hinzu: "Sollen wir noch stumpfer werden?" Die Fans brüllen: "JAAAA!"
Doch nicht alles ist Nonsens. In seltenen Momenten wird's politisch. Als Bela vor dem Song "Tu das nicht" laut die "Todesstrafe für illegale Downloader" verlangt, klatschen nur wenige aus der Generation Internet. Textsicher sind die Fans bei "Deine Schuld", grölen "Geht mal wieder auf die Straße, geht mal wieder demonstrieren!" Nach dem Anti-Nazi-Song "Schrei nach Liebe" fordert Farin Demos gegen NPD-Aufmärsche.
Doch der Höhepunkt ist das noch nicht. Nach fast zweieinhalb Stunden folgt Lied Nummer 30 auf der Setlist, "Junge", die aktuelle Single. Gänsehaut, laut, lauter, am lautesten. "Junge, warum hast du nichts gelernt?" Das können alle. Auch den Refrain: "Und wie du wieder aussiehst!" Das ist gut, fantastisch, Schweißperlen tropfen - doch . . . die letzte Strophe beginnt Farin mit dem falschen Text, bricht das Lied sofort ab und beginnt die Strophe von vorn. Hoch, runter, laut, leise, hüpfen, still stehen. Ein typischer Moment.
38 Songs in drei Stunden, davon zwölf Zugaben. Drei Männer im Midlife-Crisis-Alter erklären Dortmund für "rockbar". Die Fans schwitzen, gehen zufrieden heim.
Nicht nur am ersten Abend.

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WAZ Duisburg-Nord - 5.12.2007
"Peeeerfekt"

Von Andreas Ernst

Es ist die kniffligste Aufgabe des Vormittags. Am Obermeidericher Bahndamm, Höhe Dümpter Straße, riecht's verbrannt. Auf einer Länge von 50 Metern werden die Schäden des Schwelbrandes beseitigt. Und als Schutzmaßnahme Bäume gefällt. Jetzt muss ein Prachtexemplar dran glauben. "Der Baum darf weder auf die Oberleitung fallen - noch auf ein Haus", sagt der Brandschutzbeauftragte Jörg Kayser. Der Holzfäller Bernhard Landers betätigt die Motorsäge uuund. . . der Baum fällt zur Seite. "Peeerfekt", sagt Kayser.
Perfekt lief in den vergangenen drei Wochen wenig. Seit Anfang November brennt's am Bahndamm, durch den Wind der letzten Tage immer heftiger. "Gestern", sagt ein Nachbar, "stiegen die Rauchschwaden richtig hoch in die Luft." Qualm ist jetzt kaum noch zu erkennen. Trotzdem trägt der Nachbar eine Digitalkamera bei sich. Dieses Schauspiel will er sich nicht entgehen lassen. "Dass wir hier roden müssen", erzählt Jörg Kayser, "wussten wir schon vor drei Wochen. Nun müssen wir die Arbeiten eben vorziehen."
Solche Brand-Arbeiten bedeuten Gefahr. Jörg Kayser und die Mitarbeiter der Bahn tragen ein handygroßes Gerät. Dauernd piept es in kurzen Abständen. "Das bedeutet, dass wir die zulässige Höchstgrenze für Kohlenmonoxid-Werte überschreiten", sagt Jörg Kayser. Schnell fünf Meter zur Seite spazieren, schon schweigt das Messgerät.
Auch Züge schweigen, kommen hier an diesem Tag nicht vorbei. Der Güterverkehr wird über den Meidericher Bahnhof umgeleitet. "Das ist eine stark frequentierte Strecke", merkt ein Bahn-Mitarbeiter an. Die Männer mit dem roten "DB" auf ihren Ordnungswesten beobachten aufmerksam, wie Landers einen Baum nach dem anderen fällt. Zwischen 20 und 25 werden es. Keiner zählt die Bäume. Die Motorsäge wirkt bei Bernhard Landers wie ein dritter Arm, so spielerisch leicht zerlegt er das Holz.
Das wird morgen abgeholt, und die gerodeten Stellen vorerst mit Erde abgedeckt und später mit Baustoffinjektionen abgekühlt. Damit es nicht mehr stinkt - und der Güterverkehr geregelt fahren kann.

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WAZ Duisburg-Nord - 6.12.2007
Der erste Schritt

Von Andreas Ernst

Luftballons hängen an den Fenstern. Direkt neben den gelben Aufklebern mit der Aufschrift "B8". Dass die Straße hier so hieß, weiß jeder. Doch "B8" hat an der Wiesenstraße, Ecke Weseler Straße, in Marxloh seit gestern eine andere Bedeutung. Es ist der Name eines Übungskaufhauses der katholischen Jugendberufshilfe "Werkkiste", gedacht zur Berufsvorbereitung.
Freundlich ist die Begrüßung der junge Übungsverkäufer an der Tür. Alles sieht noch so neu aus. Ein kleines Regal trägt die Aufschrift "Kinder". Jacken kosten sechs Euro. Frauen-Oberbekleidung in allen Größen gibt es zwei Meter dahinter. An der Wand liegen in einem Riesenschrank blaue Jeans in allen Schnittmustern. Auf den Stehtischen: Plätzchen, Kekse.
Gebacken vom Hauswirtschaftskurs der Werkkiste, der am Eröffnungstag das Catering übernimmt. Wolfgang Hecht, pädagogischer Mitarbeiter der Werkkiste, schaut stolz auf das neueste Projekt seiner Gesellschaft. "Das hier ist eine außerbetriebliche Ausbildung für Jugendliche im Übergang von der Schule ins Berufsleben", sagt Hecht. Vor allem für Haupt- und Gesamtschulabsolventen. Gymnasiasten kommen nur selten. Wenn die Jugendlichen nicht wissen, welchen Beruf sie erlernen wollen, werden sie von der Arbeitsagentur in Qualifizierungsmaßnahmen geschickt - zum Beispiel bei der Duisburger Werkkiste.
Die achtet dann darauf, dass die Jugendlichen Ausbildung so viel wie möglich über das Berufsleben lernen - nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch, denn in der ersten Etage liegen Schulungsräume. Viele Gruppen mit unterschiedlichen Themen sind beteiligt. Es gibt eine Dekorationsgruppe, die das "B8" einrichtete. Die nächste Gruppe beschäftigt sich mit dem Zukauf der Waren, eine weitere ist für den Verkauf zuständig. Die Ziele sind erst einmal klein. "Wenn die Jugendlichen wissen, wie ihr nächster Schritt aussieht, ist unser Ziel erreicht. Am Ende soll dann natürlich ein fester Job stehen", sagt Hecht und ergänzt: "Wenn ich einen auf der Straße treffe und der sagt: Hömma Wolfgang, ich hab' einen Job, dann freue ich mich tierisch."
In diesem Job muss es dann nicht um Jeans gehen. "Jeans und Arbeitskleidung" ist nur der erste Oberbegriff. In Zukunft sind auch Ausstellungen geplant - dann können neue Gruppen das "B8" wieder umgestalten. Zurzeit sind 60 Jugendliche am Übungskaufhaus beteiligt - viele mit Migrationshintergrund. "Der Duisburger Norden bietet viel Zündstoff - aber ich mag die Leute hier", sagt Hecht. "Das hier ist ein tolles Miteinander der Kulturen." Noch so ein Vorteil des "B8".

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WAZ (Mantel), Seite "Kultur" - 8.12.2007
Eine Prise Saturday Night Fever, eine Prise Dirty Dancing

Von Andreas Ernst

Düsseldorf. What a feeling to get on your feet and dance with wild boys. Es glitzert grün und rot, es zappeln im hautengen Diskokostüm gekleidete Menschen mit Föhnfrisur. Wen interessieren Reagan und Kohl? Die 80er Jahre brachten auch Tanzfilme hervor. Das Düsseldorfer Capitol Theater hat das Musical "Miami Nights" aufgemotzt und neu aufgelegt. Bis zum 13. Januar feiert das Ensemble ein Heimspiel.
Doch aus Düsseldorf werden die Zuschauer schnell nach Florida entführt. Die juckt es gar nicht, dass die Story nach zwei Minuten vorhersehbar ist. Der Tänzer Jimmy (Felix Maximilian) verkracht sich mit seiner Partnerin Jessica (Matacza Soozie Boon). Für den "Miami Nights Dance Contest" braucht er eine Neue. Er findet sie - American Dream lässt grüßen - in Laura (Patricia Meeden), der kubanischen Popcorn-Verkäuferin.
Die Popkultur der 80er für die Ü30-Party-Generation. Es fällt nicht schwer, Elemente aus "Saturday Night Fever". "Flashdance" und "Dirty Dancing" zu erkennen. Die Choreographie ist - in einem Hip-Wort der 80er - "geil", die Tänze von Salsa bis Rumba oft zum Niederknien. Sogar einige Dialoge überraschen mit Zitaten aus 80er-Filmen.
Doch wen interessieren Gespräche? Wenn eine kubanische Gang zu "Wild Boys" über die Bühne fegt, Laura und Jimmy sich bei "Time after Time" näherkommen und sich Jessica zum "Material Girl" erklärt, ist das himmlisch. Doch Sprachästheten werden sich am deutschen Akzent von Felix Maximilian in seinen englischen Passagen stoßen. Und Ava Brennan, die Lauras Schwägerin Mercedes gibt, wäre die bessere Laura - mehr Feuer, mehr Erotik. Es knissssstert und das "Rhythm is gonna get you" aus ihrem Mund lässt das Publikum doppelt so heftig mitwippen.
Die Düsseldorfer Society belohnte das Ensemble um Regisseur Alex Balga trotzdem mit Standing Ovation. Selbst Hans Meiser und Harry Wijnvoord erhoben sich. What a Premierenfeeling!

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WAZ Duisburg-Nord, "Das Thema der Woche im Duisburger Norden" - 25.1.2008
Meiderichs zwei Gesichter

Von Andreas Ernst

Sieht die nicht schön aus, die Von-der-Mark-Straße in Meiderich? Eine aufpolierte Fußgängerzone, ein Citymanager kümmert sich um den Branchenmix, das ist schick, es herrscht eitel Sonnenschein. ...
... Doch am Horizont türmen sich dunkle Wolken: In Hagenshof - auch das gehört zu Meiderich - fühlen sich nach einer Umfrage 72,9 Prozent der Einwohner nicht sicher. Der Hagenshof: Eine vergessene Siedlung, die Probleme hat und Lösungen braucht.
Wie Meiderichs zwei Gesichter in der Politik behandelt werden, zeigte sich in der Sitzung der Bezirksvertretung am vergangenen Dienstag. Citymanager Jörg Frost legte seine Jahresbilanz vor, präsentierte per Powerpoint-Vortrag und Internet-Vorführung Ergebnisse und Ausblicke seiner Arbeit. Über eine Stunde dauerten Referat und Diskussion, am Ende klopften sich alle artig auf die Schulter.
Einen Tagesordnungspunkt später ging es um den Hagenshof. Um die Umfrage. Viele Bewohner fühlen sich dort nicht sicher, finden zudem die Siedlung dreckig. 30 Prozent würden am liebsten möglichst schnell wieder wegziehen. Horst Salmagne, Mitarbeiter des 2007 eingerichteten Stadtteilbüros, hörte sich die Redebeiträge der Bezirksvertreter an. Doch die dauerten nur fünf Minuten! Keine weiteren Ideen zu den in der Umfrage vorstellten Lösungsansätzen, keine Diskussion über die Zahlen.
Wozu über den Hagenshof reden, wenn's auch die Von-der-Mark-Straße gibt. Die Bezirksvertretung muss ihre Prioritäten überdenken.

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WAZ Duisburg-Nord - 1.2.2008
Das versunkene Dorf

Von Andreas Ernst

Unter dem Abfall von Thyssen liegt das Grab des kleinen Ortes Alsum, an das nicht mehr viel erinnert.Der "Alsumer Berg" ist dafür jetzt einen Ausflug wert. Tolle Aussicht auf die Rheinschiene und die neue Kokerei
Es ist verdammt diesig an diesem Vormittag. Ein Schild am Alsumer Steig weist den Weg. "1,3 Kilometer bis zur Aussichtsplattform" steht darauf. Links liegt der Alsumer Berg, rechts der Rhein. Geradeaus und im Rücken: Industrie. Rauchwolken, Hochöfen, es stinkt etwas. Nach was? Schwer zu sagen. Nach Arbeit. Alsum. Hier wohnten bis vor 43 Jahren Menschen?
Der Alsumer Berg ist ein Teil der "Route der Industriekultur" im Duisburger Norden. Der Landschaftspark Nord, das Museum der Binnenschifffahrt: klar! Aber Alsum. . . Und vor allem: Alsum, n i c h t Walsum! Was war denn hier? Eine Siedlung, so heißt es. Hoffentlich gibt es hier bald ein Schild.
Noch ist keins in Sicht. Ein langer, schier endloser Weg führt am Rhein entlang. An diesem grauen, kalten Wintertag traut sich kein Radfahrer den Schotterweg entlang, kein Fußgänger schaut sich die rauchenden Öfen an, niemand liegt auf den Wiesen. Augen schließen, an den Sommer denken: Dann ist es ein Paradies für Frischverliebte, Sportler, Fotografen.
Doch diesmal: Kapuze auf, Regenschirm. Nach 800 Metern folgt endlich das lang erwartete Schild mit den historischen Informationen. Einst stand an dieser Stelle das Schiffer- und Fischerdörfchen Alsum, das 1892 zu einem Kohlenverladeplatz wurde. Der Hafen versank jedoch 1925/26 im Rhein. Im Erdreich unter Alsum wurde Kohle abgebaut, deshalb sank der Stadtteil immer tiefer. Irgendwann zog man die Notbremse.
An diesem kalten Wintertag ist kein Hochwasser zu sehen. Noch 500 Meter sind es zum Gipfel. Es geht nun steil bergauf. Eigentlich wäre das perfekt für einen Berglauf von Fußballmannschaften. Zu Fuß wird's anstrengend. Schnell noch über die Fakten auf der Tafel nachdenken: 1965 verließen die letzten 155 Einwohner den Stadtteil. Die Stadt füllte das Gelände zu einer Schutthalde auf - und gestaltete sie schließlich zu einer Grünfläche um. Alsum, 1933 die Heimat von 3360 Menschen, ist nun als "Alsumer Berg" ein Teil der Industriekultur und Landschaftsschutzgebiet.
Angekommen auf dem Gipfel. Es ist kein besonders schöner Tag für eine tolle Aussicht. Aber doch schon beeindruckend genug. Thyssen-Krupp-Stahl liegt ganz, ganz nah, am Horizont sind schemenhaft Fabriken und Kraftwerke in Rheinberg, Walsum und Voerde zu erkennen. Ringsum Industrie. Hinsetzen, verweilen, nachdenken, das Ruhrgebiet genießen, einatmen.
Der Abstieg beginnt. Der Landschaftspark Nord ist schön. Aber der Ausblick vom Alsumer Berg auch.

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www.derwesten.de - Praktikum im Februar 2008
1) www.derwesten.de: "Holocaust mit Peng und Pong" (7. Februar)
2) www.derwesten.de: Rezension des Kinofilms "There Will Be Blood" (8. Februar)
3) www.derwesten.de: Rubrik "Sportgeschichte" über Georg Hackl (9. Februar)
4) http://www.derwesten.de/nachrichten/video/kultur/2008/2/29/news-27265969/detail.html
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WAZ (Mantel), Seite "Menschen" - 27.2.2008
Selig ist die Erinnerung

Von Andreas Ernst

Essen. Ein Konzert in Hamburg, Mitte der 90er. Rio Reiser spielt. Unter den Zuschauern: Jan Plewka. Mit seiner Band Selig rockt er gerade kreuz und quer durch die Republik. Plewka ist ganz oben. Nun bekommt er die Chance, sein Idol zu treffen. "Selig ist geil. Such dir was aus", sagt der Verkäufer am Merchandising-Stand. "Und jetzt gehen wir zu Rio, einen saufen." Plewka folgt dem Verkäufer, sieht Reiser an einem Tisch sitzen. Und läuft weg. "Das war zu viel für mich. Never meet your idols." Treffe niemals deine Idole. Rio Reiser ist tot, Selig gibt es nicht mehr, Jan Plewka ist von der großen Popkulturbühne verschwunden. Er tourt stattdessen mit seinem Programm "Plewka singt Reiser" durch Deutschland. Am 28. Februar ist er in Essen.
Er tritt nicht mehr in verrauchten Clubs und Hallen auf. Theater sind nun sein bevorzugtes Metier, in Essen das "Grillo". Mit einem Schifferklavier setzt er sich dann allein auf eine rote Couch und singt mit seiner intensiven, kratzigen, kräftigen und doch zärtlichen Stimme "Unten am Hafen". Spaziert mit seiner Band bei "Der Turm stürzt ein" unplugged durch die Sitzreihen, sammelt für ein Bier nach dem Konzert.
"Ich war ein glühender Fan", sagt er. "Durch Rio habe ich singen gelernt, der war authentisch und cool. Nicht die ganzen Schlagerheinis." Singen gelernt. Früher, in den 80ern, als er in Ahrensburg in Schleswig-Holstein aufwuchs. Mit seinen Freunden saß er am See, mit Gitarre in der Hand und Rio-Reiser-Titeln auf den Lippen. Wundervolle Songs wie "Übers Meer". Der beginnt mit der Zeile "Tag für Tag weht an uns vorbei".
Ab 1994 wehten die Tage nicht an Jan Plewka vorbei. Sie flogen. Mit 24 stürmten Plewka und seine Band Selig die Charts, veröffentlichten in kurzer Zeit drei Alben, zwei kamen bis auf Platz 15. Plewka schrieb Hits wie "Sie hat geschrien", "Wenn ich wollte", "Ist es wichtig" oder die Ballade "Ohne Dich". Kleine Klassiker. "Wir waren jung und haben vier Jahre einen Riesenkrawall gemacht. Wir haben so viel erlebt wie andere in 100 Jahren nicht."
Die jungen Rocker tauchten in Kurt Cobains Selbstmordjahr auf, in einer Zeit auf der Suche nach neuen Idolen. "Wir haben uns mehr in der Tradition von Jimi Hendrix und Led Zeppelin gesehen. Aber der Zeitgeist trällert mit - und dann waren wir eben German Grunge." Grunge, die Musikrichtung, die Cobains Band Nirvana groß machte. "Am Abend von Cobains Selbstmord hatten wir ein Konzert. Wir haben eine Ansprache gehalten. Einer im Publikum ist komplett ausgerastet, musste rausgetragen werden", sagt Plewka.
Cobain kam nicht mehr klar. Mit sich, seinem Leben, seiner Berühmtheit. Ein Leben, in das Plewka mit Anlauf hineinschlitterte. In Hoch-Zeiten von Viva und MTV produzierten Selig etliche tolle Musikvideos, zogen von Show zu Show, liefen im Radio rauf und runter. Doch nach vier Jahren auf der Überholspur stellten Plewka und seine Bandkollegen fest: Jetzt ist gut. "Als der Erfolg zum Alltag wurde, wurde es langweilig. Da kriegst du einige Macken mit. Wir waren kaputt, zerspielt. Ich war 24 Stunden Selig. Du weißt nicht mehr, ob du noch einen Freund hast. Das war Burn-out. Wir mussten einfach aufhören." Deutschlands Grunge-Hoffnung: Das Aus nach nur vier Jahren.
Aus und raus. Weg. Plewka ging 1998 nach Schweden, zog ein Jahr in eine Holzhütte, mit regelmäßigen Ausflügen in die Hauptstadt. "Stockholm wurde zu meiner Therapiestadt." Vom mit Selig verdienten Geld blieb nichts mehr übrig. "Das habe ich in Stockholm in Bier investiert", sagt Plewka und lacht. Er streifte sein Selig-Ich ab und wurde wieder zum kleinen Künstler aus Schleswig-Holstein, der am See mit seinen Freunden Rio-Reiser-Lieder singt.
Nach genau einem Jahr kehrte er aus Skandinavien zurück. Er nahm ein Solo-Album auf, eins mit seiner zweiten Band Zinoba und gründete 2004 Tempeau. Mit Freunden aus alten Ahrensburger Musik-am-See-Zeiten wie dem Schauspieler Marek Harloff. Die Freunde wohnen inzwischen wieder im Norden, Plewka hat drei Kinder zwischen zwei und zehn Jahren. Dass er immer noch als der "Ex von Selig" bezeichnet, geht ihm etwas auf den Zeiger. "Aber ich schäme mich nicht. Ich habe ja nicht bei ,Gute Zeiten, schlechte Zeiten' mitgespielt."
Jan Plewka, heute 37, hat zum Leben als Idol "Nein" gesagt. "Die Teenager standen in Selig-Zeiten vor unserer Wohnung, wollten uns Tagebücher schenken. Man selbst weiß, dass das verglüht." Bei MTV taucht er nicht mehr auf. Er singt Rio-Reiser-Lieder. "Die Leute haben ein irres Bedürfnis nach naiven Utopien." Bei "Keine Macht für niemand" und "Die letzte Schlacht gewinnen wir" brüllen die Zuschauer laut mit. Leise Gitarrenmusik vor ein paar hundert Zuschauern. Das reicht Jan Plewka. Heute.

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www.derwesten.de - Praktikum im Februar 2008
http://www.derwesten.de/nachrichten/video/kultur/2008/2/29/news-27265969/detail.html
Dort geht es zu einem Video in der Rubrik "Soundcheck", das ich am 28. Februar mit dem ehemaligen Selig-Sänger Jan Plewka führte. Sehr sehenswert - wie ich finde...
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Urlaub im Volo - 24. bis 27. März 2008
Erholung in Mailand. Naja, Erholung nicht ganz. Denn da gibt's ja noch einen Blog!
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www.jetzt.de in München - externes Praktikum im April 2008
http://www.jetzt.de/jetztpage/andreas-ernst (mit etlichen Textspielen)
Außerdem blogge ich zu meinem München-Aufenthalt HIER !
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www.derwesten.de - 5. Juni 2008

- An den "Sportgeschichten" bei derwesten.de beteilige ich mich auch nach Praktikumsende -

Es fing alles an mit diesen weißen T-Shirts. "Unabsteigbar" stand dort in blauer Schrift. Stück zehn Mark. Niemand kann den VfL Bochum aus der Bundesliga vertreiben. Dachten alle VfLer zu Beginn der Saison 92/93. Denkste. Der VfL stieg doch ab. Erstmals.
Hart hat sich der VfL diesen Ruf erarbeitet. "In Bochum wurde früher so geholzt, dass sogar der Ball eine Gefahrenzulage verlangt hat", sagte Trainer Max Merkel einst. Oswald, Tenhagen, Gerland, Woelk, Lameck. Die Trainer heißen Höher und Schafstall. Bochum, das ist erste Liga, das ist harte Arbeit.
Doch bleibt das auch so?
Der Abstieg ist ganz, ganz, ganz nah, als um 15.30 Uhr an diesem Schicksalssamstag das Lokalderby gegen die schon gerettete SG Wattenscheid 09 beginnt. Ausgerechnet auch noch gegen Wattenscheid absteigen. Wie bitter wäre das? "Nein, das kann nicht sein, das DARF nicht sein. Wir sind Bochum, wir steigen doch nicht ab", sagen die blau-weiß beschalten Fans. Nicht wenige tragen eben jenes verfluchte "Unabsteigbar"-Shirt. Die Bedingungen: Der VfL muss Wattenscheid besiegen und zeitgleich der 1. FC Nürnberg das Heimspiel gegen das bereits abgestiegene Schlusslicht 1. FC Saarbrücken verlieren. Eigentlich unmöglich.
(...)
Weiter geht's HIER !
(Falls der Link nicht klappt: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/5/news-52924652/detail.html)

Weitere Sportgeschichten - eine Auswahl -
19. März: "Das größte Spiel aller Zeiten" (HIER), oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/3/19/news-30416426/detail.html
über das Fußballspiel Bayer Uerdingen - Dynamo Dresden 7:3
23. April: "Die Mutter der Bundesligakonferenz" (HIER), oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/4/23/news-40256716/detail.html
über das erste Fußballspiel, das live im Radio übertragen wurde
18. Mai: "Weltmeisterliche Tränen" (HIER), oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/5/18/news-47164354/detail.html
über den ersten Abstieg des 1. FC Kaiserslautern nach dem 1:1 in Leverkusen
19. Mai: "Der Tag, an dem ganz Schalke weinte" (HIER), oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/5/19/news-47246653/detail.html
über die Vier-Minuten-Meisterschaft des FC Schalke 04
20. Mai: "Ballacks Bauchlandung" (HIER), oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/5/20/news-47906150/detail.html
über die verpasste Meisterschaft von Bayer Leverkusen - 0:2 in Unterhaching
1. Juni: "Tennis-Rentnerin mit 26" (HIER), oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/1/news-51478625/detail.html
über das Karriere-Ende von Justine Henin
12. Juni: "Eine Gladbacher Kultfigur" (HIER) oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/12/news-54998112/detail.html
über den Geburtstag von Uwe Kamps
14. Juni: "Loddars erstes Länderspiel" (HIER) oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/14/news-55444236/detail.html
über das erste Länderspiel von Lothar Matthäus
22. Juni: "Die Hand Gottes" (HIER) oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/22/news-57265869/detail.html
über das Hand-Tor von Diego Maradona
25. Juni: "Die Schande von Gijon" (HIER) oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/sport/sportgeschichte/2008/6/25/news-58013803/detail.html
über den 1:0-Sieg Deutschlands gegen Österreich bei der WM 1982

Anmerkung:
Der Text "Der Tag, an dem ganz Schalke weinte", wurde nach zwei Wochen knapp 7000-mal angeklickt. Für diese kleine Rubrik eine stolze Zahl... Und der Text "Eine Gladbacher Hauptfigur" hat nach drei Wochen knapp 9000 Klicks.

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WAZ (Mantel), Hauptsport - 5. und 6. Juni 2008

Seit Montag, 2. Juni, arbeite ich im "EM-Team" des Hauptsports. Erste Woche: Vorberichterstattung. Mit Tipps der kompletten Redaktion! Meiner: Frankreich! Und mein Superstar folglich: Ribery.

5. Juni:
Nie war es so leicht, Superstar und Sieger dieser EM vorherzusagen: Franck Ribery zeigt den Abwehrspielern Europas, wie Fußball funktioniert und wird Frankreich im Finale gegen Deutschland den Silberpokal allein sichern. Endstand 2:0, zwei Tore Ribery.
Es ist Turnier eins nach Zidane. Und auch nach Trezeguet. 20 Serie-A-Tore für Juventus Turin reichten "Trezegol" nicht für eine Nominierung. Da setzt Trainer Domenech lieber auf den nach einer schlechten Saison beim FC Barcelona mies gelaunten Thierry Henry. Und im defensiven Mittelfeld auf den angeschlagenen Patrick Vieira. Ob Zidane oder nicht, ob mies gelaunt oder angeschlagen: Wer Franck Ribery hat, braucht nur noch 22 andere, die den Kader auffüllen. Torschützenkönig wird Ribery nicht. In der Vorrunde beschränkt er sich auf Vorlagen.

6. Juni:
Eigentlich dachten wir vor der gerade abgelaufenen Saison, dass wir alles Schöne schon gesehen haben. Fallrückzieher, Übersteiger, Hackentricks, 30-Meter-Hammer in den Winkel - gäähn, da kommt nichts mehr.
Und dann wechselte Franck Ribery in die Bundesliga zum FC Bayern München.
Wie der die Außenlinie entlangfliegt - ein Traum. Wie er auf jedes Problem, auf jeden Gegenspieler mit einem neuen Fußball-Gag zu reagieren weiß - herrlich. Er schießt nur Tore des Monats, und wenn es Elfmeter sind, die er ganz gemein in die Tormitte zu schnippen pflegt. Bayer Leverkusens Manuel Friedrich fasst es so zusammen: "Ich meine, ihr könnt euch ja da mal hinstellen, wenn Ribery mit 180 vorbeigeflogen kommtz..."
In der Bundesliga spielte sich der kleine Franzose eine ganze Saison lang warm. In Österreich und der Schweiz wird jeder über diese neue Art des Fußballs staunen. Dann wird ganz Europa sagen: "Also so etwas, das haben wir noch nie gesehen!"

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WAZ (Mantel), Rhein-Ruhr / derwesten.de - 6. Juni 2008

In der ersten Woche im EM-Team ergab sich die Gelegenheit, eine Frage crossmedial zu bearbeiten.

Was ist Abseits?

Der Text auf der Seite "Rhein-Ruhr" (eine Umfrage), steht HIER (http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/2008/6/6/news-53502896/detail.html). Auszüge:

Nici Jung aus Essen: "Abseits. . . ist. . . wenn der Ball nicht mal innerhalb der eigenen Hälfte gespielt wird. . . Moment, ich muss noch mal überlegen. Ich bin mehr so die Saison-Fußball-Guckerin, habe keine Ahnung. Abseits. . . Von zehn meiner Freundinnen würde das nur eine wissen. Public Viewing finde ich aber wirklich nett. Abseits. . . Ich muss noch einmal überlegen. Abseits ist für mich, wenn der Ball am Tor vorbeifliegt, oder? Oder etwa nicht? Aber erklären muss ich das ja auch nicht. Mein Freund weiß das viel besser."
Christa Möller aus Essen: "Abseits ist was kompliziertes. Ich kann's auf jeden Fall nicht erkennen, auch wenn es mir schon 100-mal erklärt worden ist. Mindestens. Moment, ich probiere es aber trotzdem: Wenn einer vor dem anderen von Dingenskirchen steht. . . Oder? Nein, Abseits ist doch sehr kompliziert. Mit Fußball und der Europameisterschaft habe ich eigentlich wenig zu tun. Aber wenn mein Mann die Spiele guckt, dann gucke ich mit. Auch wenn ich Abseits vor dem Fernseher dann nicht erkennen und es dann sagen kann."
- Im Text folgen dann noch drei Interviewte -

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Im Internet auf www.derwesten.de wurde der Text mit ein paar Videos unterlegt. Das ist HIER zu finden.
Oder: http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/2008/6/6/news-53505395/detail.html

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WAZ (Mantel), Hauptsport - 20.6.2008
Der Imperator
Der türkische Trainer Fatih Terim hat mit seinem autoritären Führungsstil Erfolg. Im Viertelfinale gegen Kroatien muss er seine Mannschaft umbauen. Torwart-Oldie Rüstü Recber vertritt den gesperrten Volkan Demirel

Von Andreas Ernst

Essen. 3:2 nach 0:2: Das letzte Vorrundenspiel der Türkei gegen Tschechien war eins der spannendsten bei der EM. Im Viertelfinale trifft die Türkei auf Kroatien. Die fünf wichtigsten Fragen:

1. Welche Bedeutung hat Trainer Fatih Terim?
Bei den Spielern genießt der 54-Jährige hohe Wertschätzung, in der Öffentlichkeit ist er nicht unumstritten – zu holprig und einfallslos spielte die türkische „Milli Takim” in der EM-Qualifikation. Terims größter Erfolg war der Gewinn des Uefa-Pokals mit Galatasaray Istanbul 2000. Internationale Erfahrung sammelte er beim AC Mailand und beim AC Florenz als Trainer.

2. Wie motiviert Fatih Terim seine Spieler?
Terim schwört auf einen autoritären Führungsstil. Sein Spitzname: Imperator. Terims Motivationshilfe für das Viertelfinale ist dagegen fast niedlich. Sollte die Türkei ins Halbfinale einziehen, lässt Terim die Spielerfrauen einfliegen – bei der WM 2002 funktionierte das. Die Türkei erreichte den dritten Platz. „Wir haben einen großen Vorteil”, sagt Terim, „wir geben nie auf.” Seinen Star Nihat muss Terim gar nicht groß motivieren. „Die Kroaten sind uns in allen Belangen unterlegen”, sagt der.

3. Auf welche Spieler kommt es an?
Nihat ist nicht nur selbstbewusst, sondern auch Kapitän und Torjäger. Beim Spiel gegen Tschechien erzielte er die Tore zum 2:2 und 3:2. In der spanischen Primera Division traf er in der abgelaufenen Saison für den FC Villarreal 18-mal. Wichtig ist auch die Defensive – aber gerade dort hat Terim Probleme. „Unsere Abwehr funkt SOS”, schreibt die türkische Sportzeitung Fanatik. Innenverteidiger Emre Güngör ist verletzt, der defensive Mittelfeldspieler Mehmet Aurelio gesperrt. Die Abwehr zusammenhalten soll nun der knallharte Servet Cetin von Galatasaray. Aber: Servets Leiste zwickt. Impulse nach vorn erhofft sich Terim von Hamit Altintop (Bayern München), der mit drei Torvorlagen großen Anteil am Sieg im Spiel gegen Tschechien hatte.

4. Wer steht für den gesperrten Volkan Demirel im Tor?
In der Nachspielzeit des Tschechien-Spiels sah Torwart Volkan Demirel nach einem Schubser gegen Jan Koller Rot und ist für zwei Spiele gesperrt. Unverhofft kommt Oldie Rüstü Recber (Besiktas Istanbul) zum Comeback – das ist der Torwart, der meist mit Kriegsbemalung unter den Augen spielt. Er ist 35 Jahre alt und mit 116 Einsätzen türkischer Rekord-Nationalspieler – eigentlich also erfahren genug. Allerdings bestritt der verletzungsanfällige Keeper in den vergangenen drei Jahren nur 43 Pflichtspiele.

5. Was passiert nach dem Spiel?
Terim hat der Türkei zwar mit dem Triumph über Tschechien einen unvergesslichen Fußball-Abend beschert, aber der Einzug ins Viertelfinale galt vor der EM als Pflicht. Sollte die Türkei nun scheitern, werden sich Fans und Öffentlichkeit trotzdem mit Anlauf auf Terim stürzen. Schließlich hat er auf Halil Altintop (Schalke 04) und Yildiray Bastürk (VfB Stuttgart) verzichtet. Gewinnt die Türkei, gibt es in ganz Europa Autokorsos. Und Terim wird zum Trainer-Idol.

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WAZ (Mantel), Wochenende - 28.6.2008
Schnupper Landluft!
Was ein Tag auf dem Bauernhof bringen kann

Von Andreas Ernst

Das ist aber auch schwierig. Was zuerst machen? Augen schließen, Kopf in den Nacken, einatmen, ausatmen, riechen. Herrlich, Landluft an einem Sommertag auf dem Bauernhof. Zuerst geht's auf die Felder. Zwischenmahlzeiten nicht in den Regalen der Supermärkte suchen, sondern draußen in der Hitze. Dabei eine sanfte Brise spüren - die Forke in der einen, den Eimer in der anderen Hand. Kartoffeln selbst aus dem Boden heben, in den Eimer werfen. Manche sehen aus wie berühmte Menschen.
Entspannen, witzeln, weitergehen. Zwischendurch einen Schluck Wasser - so ein Tag ist anstrengend. Wohin nun mit den Kartoffeln? Zurück zum Bauernhof. An den Tieren vorbeispazieren. Pferde stehen auf den Wiesen, naschen Gras, im ersten Stall gackern die Hühner - und das schon seit vier Uhr am Morgen. Da gibt's zu den Kartoffeln noch Eier. Im nächsten Stall bei den Schweinen ist's vorbei mit der frischen Landluft - das gehört dazu.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Mineralwasser garantiert leer. Hinsetzen, ein bisschen ausruhen, Kopf in den Nacken, einatmen, ausatmen, das Hungergefühl spüren. Der Tag geht noch vorbei: Die Eier je nach Wunsch weiter "verarbeiten", die Kartoffeln putzen und ins heiße Wasserbad schmeißen. Eine sollte übrig bleiben. Denn die mit der besten Figur ergibt mit Papier, Schere und Kleber einen prächtigen Kartoffelkönig.

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WAZ Oberhausen (Sport) - 11.7.2008
Luzt auf Ruhrpott
Felix Luz ist der bekannteste Neue bei RWO. In seinen anderthalb Jahren beim FC St. Pauli wurde der Schwabe zum Held der Fankurve. Zuletzt in Augsburg saß er überwiegend auf der Bank.

Von Andreas Ernst

Das Training ist schon etwas länger zu Ende. Nach und nach verlassen die Spieler des Zweitliga-Neulings Rot-Weiß Oberhausen die Umkleide, schleichen zum Parkplatz, steigen in ihre Autos und fahren davon. „Der Felix kommt gleich”, ruft jemand. Als einer der letzten verlässt Felix die Kabine. Die Haare glatt gekämmt und nass, in der Mitte gescheitelt. Er trägt eine weiße Baseballkappe auf dem Kopf, Apfelschorle in der Hand. Felix Luz, 1,86 Meter groß. Er ist der Stürmer, der RWO zum Klassenerhalt schießen soll.
Oberhausen also.
Der Ruhrpott ist die fünfte Station in der Karriere des 26-Jährigen. Eine Karriere, in der er schon oft an Kreuzungen stand, sich aber nicht immer für den richtigen Weg entschied. Er spricht unüberhörbar einen schwäbischen Dialekt, ist auskunftsfreudig. Vor allem, wenn es um den VfB Stuttgart geht. Dort stand er in der Fankurve, zum VfB wechselte er 1997 in die B-Jugend. In eine hochtalentierte Mannschaft. Mit Markus Miller im Tor, dem heutigen KSC-Keeper. Außerdem mit Tobias Rathgeb, Michael Fink, Andreas Hinkel und. . . Kevin Kuranyi. Das Sturm-Duo hieß Kuranyi/Luz.
Oberhausen also. Der Ruhrpott.
Hier spielt auch Kuranyi, sein ehemaliger Sturmpartner. Der Kontakt brach nie ab, die Handy-Nummer des berühmten Schalker Nationalspielers hat er gespeichert. „Das Ruhrgebiet kenne ich von Besuchen bei Kevin, der ja auch hier spielt”, sagt Luz. Seit Juli 2005 treffen die Sturmpartner nicht mehr gemeinsam. Kuranyi zog nach Gelsenkirchen, Luz nach Hamburg. „St. Pauli war ein Glücksfall für mich. Der Verein hat mich geprägt”, sagt Luz.
Der richtige Weg.
So richtig durchsetzen konnte er sich beim VfB nie. Er saß in einem UEFA-Cup-Spiel auf der Bank, spielte beim damaligen Trainer Felix Magath vor – mehr nicht. Und am Millerntor? Der kampf- und kopfballstarke Stürmer ließ sich mitreißen von der ganz eigenen Stimmung an der Reeperbahn, erzielte in anderthalb Jahren in 49 Regionalligaspielen 13 Tore. Und in fünf DFB-Pokalspielen drei. St. Pauli zog ins Halbfinale ein, scheiterte erst mit 0:3 an den Bayern. Luz war wer.
Doch wohin des Weges?
Angebote hatte er viele. Am besten war das des 1. FC Köln. Doch St. Pauli ließ den erfolgreichen Stürmer nicht weg. „Natürlich war ich ein bisschen enttäuscht. Ich wollte unbedingt in den Profifußball”, sagt er. Und er wollte zu viel. Nach der Hinrunde der Saison 06/07 zog es ihn zum FC Augsburg in die 2. Bundesliga. Die Aufstiegschancen von St. Pauli waren zu gering – bei neun Punkten Rückstand.
Der richtige Weg?
St. Pauli stieg doch noch auf, Luz kam in Augsburg aber selten über die Rolle des Jokers hinaus. „Ein Fehler war's sicherlich nicht. Obwohl's nicht so lief, war es eine Erfahrung.” In St. Pauli war Luz der Held, in Augsburg einer von vielen. In St. Pauli ging es in der Kabine auch mal locker zu, in Augsburg wurde professionelles Verhalten verlangt. Immer.
Wohin des Weges jetzt?
Oberhausen also. Der Ruhrpott. Hier ist er angekommen, der einstige DFB-Pokalheld, dem Stuttgart und St. Pauli am Herzen liegen. Er will Oberhausen nicht als Karriere-Sprungbrett Richtung Bundesliga nutzen. Deshalb hat er einen Zwei-Jahres-Vertrag unterzeichnet. Er weiß, dass er der bekannteste Neue ist. Weiß, was die Fans erwarten. „Der Umgang in der Mannschaft ist locker, das ähnelt St. Pauli.” Er selbst ist bescheiden: „Ich will erst einmal ein Spiel machen und optimal wäre es natürlich, gleich Tore zu machen. Dann mir einen Stammplatz erarbeiten.”
Der richtige Weg?
Nach drei Testspielen hat Luz drei Tore auf seinem Konto. Es sind nur Tests, aber schon jetzt sehen die Fans: Wir haben nicht mehr nur Terranova und Kaya vorn. Sondern noch einen. Einen, der nicht den Helden spielt. Der über sich selbst sagt, dass er kein Selbstdarsteller sei. Darf er auch nicht sein. Hier in Oberhausen. Im Ruhrpott.

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Fußballturnier - 11. bis 13.7.2008
Mit Teamgeist aufs Siegertreppchen
Journalistenschüler des WAZ Mediengruppe kickten sich beim "J-Cup 2008" in Berlin auf den dritten Platz

JSR

Kein Zweifel: Dieses Wochenende wird eins der, vielleicht sogar DER, Höhepunkt(e) meines Volontariats. Zur Erklärung: Einmal im Jahr gibt's den "J-Cup", das ist die deutsche Fußball-Meisterschaft der Journalistenschulen. In diesem Jahr fand diese in Berlin statt und wurde vom Titelverteidiger ausgerichtet - der Axel-Springer-Akademie. Auch die JSR nahm mit einer Mannschaft teil, zu der auch ich gehören durfte. Wir wurden Dritter, wie Ihr der offiziellen Pressemitteilung (leider sehr sachlich) der WAZ Mediengruppe entnehmen könnt (die PM stammt übrigens von mir).

Mit viel Herz und Teamgeist erreichte die Fußballmannschaft der Journalistenschule Ruhr (JSR) der WAZ Mediengruppe beim „J-Cup 2008“ den dritten Platz. An der deutschen Meisterschaft der Journalistenschulen nahmen 13 Teams teil - von Hamburg bis München, von Köln bis Leipzig. Titelverteidiger war die Axel-Springer-Akademie, die das Turnier im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Bezirk Prenzlauer Berg ausrichtete.
Mit nur zwei Vereinsspielern im 13-köpfigen Kader und ohne gemeinsames Training reiste die JSR-Mannschaft nach Berlin. Fast alle Gegner verzichteten auf den Einsatz von Frauen - bei der JSR zählte Mareike Müller zur Stammmannschaft. Die vermeintlich besten Teams hatten erfahrene Torhüter - JSR-Keeper Timo Günther stand noch nie in einem Fußball-Meisterschaftsspiel zwischen den Pfosten, avancierte aber mit etlichen Paraden und zwei gehaltenen Neunmetern zum besten Torwart des Turniers.
Technisch und konditionell zählten die JSR-Volontäre nicht zu den besten Mannschaften des Tages. Aber niemand hatte mit dem Zusammenhalt der Spieler von drei WAZ-Titeln und dem Internetportal DerWesten gerechnet. Im ersten Spiel trotzten die kampfstarken Volos dem Titelverteidiger ein 1:1 ab. Die Vorrundengruppe mit sieben Teams beendete die JSR mit elf Punkten und 22:7 Toren auf dem zweiten Platz. Im Viertelfinale gelang der JSR ein 3:1-Triumph im Spiel gegen das IFP München. Zu stark war im Halbfinale die Journalistenschule Köln – doch nach dem 0:2 hielt sich die Enttäuschung in Grenzen. Durch einen 3:1 Sieg im Neunmeterschießen um den dritten Platz über die Berliner Journalistenschule sicherte sich die JSR den drittgrößten Pokal.
„Der dritte Platz berechtigt zu den schönsten Hoffnungen für Leipzig“, sagte Gabriele Bartelt-Kircher, Leiterin der Journalistenschule Ruhr, die ihre Mannschaft persönlich anfeuerte. Die Leipziger Journalistik-Studenten gewannen das Turnier und richten es im Jahr 2009 aus.

DAS VIDEO ZUM FUSSBALLTURNIER (unbedingt anschauen):
Bitte HIER klicken!

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www.derwesten.de (Sportgeschichte) - 21.7.2008
Im Herzen Ruhrstadion
Der offizielle Name ist anders, verpönt in der Fanszene des VfL Bochum. Sie nennen "ihre" Arena immer noch Ruhrstadion. Das "Schmuckkästchen" feiert heute seinen 29. Geburtstag. Und ist in der Bundesliga inzwischen ein grauer Klassiker.

Samstag, 15.27 Uhr, tief im Westen scheint die Sonne, sie knallt, im Sommer brennt sie vielleicht auch. "Bochum" ertönt aus den Lautsprechern, der Grönemeyer-Klassiker. "Herbert" nennen ihn alle in der Ostkurve. Egal, welche Musik privat im Auto oder zu Hause läuft: Hier ist Herbert Pflicht. Mist, Sonnenbrille vergessen.
Kleiner Tipp: Wer historische Fußball-Geschichten mag und beim oben genannten Szenario in der VfL-Fankurve befindet, sollte diese Frage stellen:
"Wer hat denn dieses Stadion geplant? Dass die eigenen Fans mitten in die Sonne schauen müssen und nix sehen!"
Wer in der passenden Umgebung steht (einfach auf ältere Gesichter achten), der bekommt sofort die komplette Historie des Ruhrstadions (in der Ostkurve heißt es immer noch Ruhrstadion und nicht... ähh... rewirpauer - oder wie schreibt man das noch gleich?) präsentiert. Mit Insider-Infos.
"Dat is doch", sagt dann der eine, "weil damals, als es noch Stadion an der Castroper Straße hieß, auch die VfL-Fans schon hier standen." Dann hakt der nächste ein: "Dat weiß ich noch. Da war ich ganz klein und hab mich immer reingeschlichen." Und wieder einer will mitreden: "Daaaamaaals, da bin ich doch von Castrop-Rauxel-Henrichenburg immer mitm Rad nach hier gefahren."
Beim allerersten Fußballspiel an der Castroper Straße, da lebten aber die wenigsten der Ostkurvengänger schon. Borussia Dortmund und der FC Schalke 04 zogen in ihrer Geschichte mindestens einmal um. Der VfL nie. Bereits 1911 pachtete einer der VfL-Vorgängervereine - Spiel und Sport Bochum - vom Bauern Dieckmann die Wiese. Außerhalb der Stadt übrigens und etwas abgeschieden, denn Bochum war noch nicht so weit gewachsen. Das erste Spiel fand am 8. Oktober 1911 vor 500 Zuschauern gegen den VfB Hamm statt. Aus einem kleinen Bolzplatz wurde innerhalb von wenigen Jahren eine 50.000-Mann-Arena. 50.000!
1922 verlegte der DFB das Länderspiel gegen Ungarn nach Bochum. Erst zum zweiten Mal fand ein Länderspiel im Ruhrgebiet statt. 0:0 ging's aus. Es folgte eine lange Flaute im Bochumer Fußball. Erst nachdem 1938 drei Vereine zum VfL Bochum fusionierten, ging's wieder bergauf mit Zuschauerzahlen (und sportlicher Qualität). Das Stadion ging an die Stadt und erhielt in den 50ern eine Sitzplatztribüne.
Zwanzig Jahre später stand die immer noch. 2700 Plätze, davon 1400 nicht einmal überdacht... Zeit für einen Neubau - eigentlich. Doch die traditionsreicheren Nachbarn Schalke und Dortmund erhielten den Zuschlag. Vor der WM 1974 entstanden in beiden Städten neue Stadien, mit Zuschüssen von Bund und Land. Allein das Westfalenstadion kostete 32 Millionen Mark, dabei spielte Borussia zu dieser Zeit in der Regionalliga. Der VfL musste ein paar Jahre länger auf eine Modernisierung warten. Doch einen Neubau gab es nicht. Und einen Umbau innerhalb weniger Monate schon gar nicht. Über drei Jahre wurde von 1976 bis 1979 Tribüne für Tribüne neu errichtet. Oft spielte der VfL in dieser Baustelle und zwischenzeitlich sogar für ein sechs Spiele im Herner "Schloss Strünkede", eigentlich Heimat der Westfalia - und gewann fünf davon.
Kolportiert wird in Bochum ein Satz des damaligen Präsidenten Ottokar Wüst: "Bauen Sie mir ein neues Stadion und ich baue ihnen eine große Mannschaft", soll er zu Stadt-Oberen gesagt haben. Besonders bei einem 0:2- oder 0:3-Rückstand ist die Stimmung mit diesem Zitat immer wieder wenigstens ein bisschen zu bessern. "Keine Titel und Trophäen, trotzdem wird es weitergehen", singen die VfL-Fans gern. Große Mannschaft...
Dann der 21. Juli 1979. Max Merkel, der einst "In Bochum wurde früher so geholzt, dass sogar der Ball eine Gefahrenzulage verlangt hat" sagte, meinte jetzt: "Mit seinem neuen Stadion braucht Bochum nicht mehr zurückzustehen hinter Dortmund, Schalke und Duisburg. Für mich ist der VfL jetzt der Favorit." Irgendjemand zählte 49.522 Plätze im grauen Viereck. Zur Premiere kamen 35.000 - und der Oberbürgermeister Eickelbeck sogar mit dem Hubschrauber. Gotthilf Fischer sang mit der Fankurve das "Bochumer Jungenlied". Das erste Spiel im fertigen Stadion gewann der VfL mit 3:0 gegen Wattenscheid 09. Ein ungleiches Kräftemessen. Elf Tage später kam dann Manchester United und holte ein 1:1.
Jahrelang hatte der VfL eines der wenigen reinen, komplett überdachten Fußballstadien in Deutschland. Doch großen oder gar internationalen Fußball spielte der VfL nicht. Im Gegenteil: Der VfL blieb der ewige Abstiegskandidat. Wenigstens die drei Länderspiele gegen Finnland (1981), Jugoslawien (1986) und Ghana (1993) brachten etwas internationales Flair. Nachdem die Bochumer aber trotz des 6:1-Erfolges gegen Ghana den Kopf von Trainer Vogts forderten und "Berti raus" brüllten, vergab der DFB nie wieder ein Länderspiel in den tiefen Westen. Das Stadion erhielt einige Korrekturen, aber nicht mehr. Die Kapazität beträgt inzwischen nur noch 31.328 Zuschauer. Aus der Westkurve - 1979 Stehplatzblock - wurde nahezu komplett ein Sitzplatzblock. Hinter der Haupttribüne entstand im August 2003 das fünfstöckige Stadioncenter, in den Stadionecken gibt es seit Juli 2004 Videowände.
Und die Ostkurve kann auch mit Sitzplätzen ausgestattet werden. Verankerungen in den Stehstufen erinnern an das UEFA-Cup-Spiel gegen Standard Lüttich am 30. September 2004. An das 1:1 in der allerletzten Sekunde, als der VfL ausschied. Zum einzigen Mal war das Stadion an diesem Tag komplett "besitzplatzt". "Sieger waren mir aber immer schon langweiliger als jene, die interessant zu scheitern wissen", schrieb der Journalist und Autor Christoph Biermann über seine VfL-Leidenschaft. Es kann als ein Motto für die sportliche Geschichte des Ruhrstadions gelten. Fünfmal stieg der VfL hier aus der Bundesliga ab, fünfmal wieder auf. Vier UEFA-Cup-Heimspiele bestritt der VfL hier, jedes einzelne ist Kult geworden in der Ostkurve. Wer erinnert sich bei Schalke und Dortmund noch an irgendein Erstrunden-Spiel 1994?
Konzerte gab es in den vergangenen Jahren nur von Herbert Grönemeyer. Von wem auch sonst? "Ohne Bochum gehn wir nicht nach Haus" , singt die Menge, die meisten mit VfL-Fans. Und fast immer singt Herbert zweimal einen seiner größten Klassiker. 2006 wurde Grönemeyer sogar Mitglied beim VfL. Vor dem Spiel gegen Werder Bremen unterschrieb er seinen Aufnahmeantrag. 90 Fußball-Minuten später stand es 0:6. Wieder einmal interessant gescheitert, einer der vielen "magischen" Tage im Ruhrstadion.
Das Ruhrstadion: 1979 das, was heute die topmodernen Arenen in Gelsenkirchen, Hamburg, Frankfurt und sonstwo sind. 1979 topmodern. Und heute der klassische, graue Gegenentwurf zu den Stadien 2.0. Und obwohl der Luxus fehlen mag: Es ist immer noch eins der schönsten Stadien der Ligen. Sagen nicht nur die älteren Fans in der Ostkurve, die erzählen können wie's war, damals. Sondern auch die gegnerischen Fans.
Denn in Bochum lässt sich nicht nur aus toller Sicht Fußball gucken. Die Punkte gibt's oft noch obendrauf. Für die VfL-Fans in der Kurve ist es das einzig wahre Stadion. "Schmuckkästchen" sagen sie. Zurecht.

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WAZ Oberhausen (Sport) - 25.7.2008
Sympathischer Strahlemann
Benjamin Schüßler ist der erfahrenste Spieler im RWO-Kader. Doch das fällt kaum auf. Die Stimmung beim Zweitliga-Neuling könnte kaum harmonischer sein.

Während er so redet, über seine Karriere, über die Zeit an der Bremer Brücke beim VfL Osnabrück („Da musst du an einem Freitagabend unbedingt mal gewesen sein.”), kommen Benjamin Schüßlers neue Teamkollegen aus der Kabine. Markus Kaya dreht sich kurz um, grinst und sagt dann: „Erzähl bloß keinen Scheiß. . .” So ist es in diesen Tagen bei Rot-Weiß Oberhausen. Harmonisch. Sonnig. Gut.
Sonnig sieht Schüßler aus an diesem Donnerstagmittag. Nach dem 10-Uhr-Training hat er geduscht, wartet auf ein offizielles Team-Fotoshooting. Er trägt T-Shirt, 'ne lockere Sommerhose und Flip-Flops. Sieht aus wie ein A-Jugendspieler, der mal bei den Großen mittrainieren durfte. Dabei ist er der Große in dieser Mannschaft. „Wir haben eine willige junge Truppe.”
Er ist der Erfahrenste. Obwohl er sich nicht so gibt. Obwohl er nicht danach aussieht. 27 ist er erst, kann aber schon 115 Zweitligaspiele vorweisen. Er hat viele Trainingslager mitgemacht – mit RWO sein erstes vor einer Woche in Bitburg. „Es gibt auch Trainingslager, da redet man nicht so viel. Bei uns war gute Stimmung”, sagt er.
So richtig gute Laune hatte Schüßler allerdings nicht, als er – aus Magdeburg kommend – im Jahr 2000 bei Borussia Mönchengladbach seinen ersten Profivertrag unterzeichnete. Zu Beginn war er verletzt und fand danach nie den Anschluss. Ergebnis: Einsätze in der Oberliga-Mannschaft und 2002 ein Wechsel zum Regionalligisten VfL Osnabrück. Der Aufstieg gelang – mit sechs Schüßler-Toren in 14 Spielen. Doch der VfL riss die Aufstiegsmannschaft auseinander. Holte mit Frank Pagelsdorf einen neuen Trainer. Doch nicht nur das.
„Anders als hier hat Osnabrück nach dem Aufstieg viele neue Spieler geholt”, sagt er, blickt auf seine Flip-Flops. Seine Stimme ist fester. Das Oberhausener Konzept findet er richtiger. Sagt's zwar nicht, aber die Betonung macht's. Der VfL stieg wieder ab und Schüßler sattelte um. Ein paar Kilometer weiter nach Ostwestfalen. Nächste Station: der SC Paderborn 07.
Dort wiederholte sich die Geschichte: Aufstieg von der Regionalliga in die 2. Bundesliga – aber diesmal gelang der Klassenerhalt. Schüßler zählte immer zu den Stammspielern. „Ich hatte drei gute Zweitligajahre”, sagt er und übt leise, sogar ganz leise Kritik am Paderborner Vorstand: „Es gab unglückliche Trainerwechsel... Aus verschiedenen Gründen... So ist das in Paderborn.”
Jetzt ist er nicht mehr in Ostwestfalen. Sondern im Ruhrgebiet. In den zahlreichen Sonderheften, die in diesen Tagen an den Kiosken landen, stehen hinter seinem Namen die meisten Zweitligaspiele. „Die Fans können sich auf einen einsatzfreudigen, lauffreudigen, dribbelstarken Spieler freuen”, sagt er.
Doch an der Schüssel hat Schüßler nichts. Selbstkritisch ist er: „Ich muss an meiner Torquote arbeiten. Das weiß ich.” Er weiß auch, dass von ihm besonders viel erwartet wird. Zum Beispiel, dass er die jungen Spieler führt. Wird klappen. Denn Schüßler ist keiner, der „Scheiß erzählt”.

7 Fakten über den neuen RWO-Mittelfeldspieler
1. Geburtsdatum: 4. Mai 1981.
2. Ruhrgebiets-Erfahrungen: Obwohl er zuletzt in Osnabrück und Paderborn spielte und seine Jugendzeit in Magdeburg verbrachte, kennt er das Ruhrgebiet gut. „Von Gladbach ist's nicht weit.”
3. Wohnort: Außerdem wohnt er in Gelsenkirchen. . .
4. Spieler-Freundschaften: Ein ehemaliger Paderborner Kollege steht beim MSV Duisburg im Tor: Tom Starke. Die beiden verstehen sich außerhalb des Platzes gut.
5. Lieblingsspiel: 3:2 gegen Karlsruhe in der Saison 05/06. Schüßlers Bilanz: ein Tor, eine Vorlage.
6. Fairness: In vier Zweitligajahren sah Schüßler nur 17-mal Gelb. . .
7. Tore. . .: und schoss zehn Tore.

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VORBEMERKUNG:
In der ersten August-Woche verstärkte ich das WAZ-Team "Velbert-Mitte" (Erklärung: Im Velberter Produkt erscheinen - im Schnitt - drei Seiten "Mitte", je eine Seite "Langenberg", "Neviges" und "Sport" mit je einem Redakteur und noch zwei Seiten Heiligenhaus). Danach arbeitete ich alleine mitten in Langenberg. Diese kleine Redaktion ist anders als alles sonst bei der WAZ. Es ist ein Ein-Mann-Büro mitten in Langenberg. Das ist klassischer Dorf-Journalismus - und dieses Wort ist nicht böse gemeint, ganz im Gegenteil. Hier findet der Leser-/Redakteurskontakt direkt statt, ohne Mails, ohne Fax, ohne Briefe. Sondern einfach so am Fenster. Zentrum des Ortes ist die Pommesbude (die Inhaberin ist Vorsitzende der Werbevereinigung) und irgendwie scheint die Zeit dort stehengeblieben. Nach Monaten im hektischen Haupthaus, in Essen, Oberhausen, Duisburg, Recklinghausen und München ist diese Zeit eine Wohltat.
Die bearbeiteten Themen sind dementsprechend auch etwas anders als in den anderen Städten!

WAZ Velbert (Langenberg) - 14.8.2008
Blick ins Grüne
WAZ-AKTION SCHÖNER SITZEN: Edwin und Hildegard Oster drehen regelmäßig eine Runde im Senderwald. Am schönsten Aussichtspunkt würden sie sich gern setzen. Geht aber nicht, weil eine Bank fehlt

Anmerkung: Noch vor meiner Velberter Zeit - also im Juli - entstand die WAZ-Aktion "Schöner Sitzen". Heißt: Leser sollen uns "ihre" Geschichten rund um ihre Lieblingsbank schildern. Klassisches Sommerthema.

Jeans, kurzes Hemd, Wanderschuhe. Festen Schrittes kommt Edwin Oster aus seinem Haus an der Hüserstraße. "Meine Frau", sagt er, "ist mit dem Hund schon vorgegangen. Von hier sind es 20 Minuten zu Fuß bis zu dem Platz."
Dem Platz.
Dort sind Edwin und seine Frau Hildegard ganz besonders gern. Im Sommer, Winter, egal bei welchem Wetter. Und würden sich gern hinsetzen, ausruhen und auf Oberbonsfeld schauen. Würden.
Dass das nicht klappt, will Oster zeigen. Es geht bergauf, an der Grundschule vorbei, dann links Richtung Meyberg. Edwin Oster setzt einen Fuß vor den anderen, wird fitter von Schritt zu Schritt. Kein Wunder, er ist Lehrer an der Heinz-Nixdorf-Berufsschule und unterrichtet Elektrotechnik und Sport. "Das ist hier eine geniale Ruhe. Diese Runde drehen wir jeden Tag, manchmal bis zum Bergerhof", sagt der 54-Jährige. Seit 20 Jahren wohnt der gebürtige Koblenzer in Langenberg. Und fühlt sich längst zu Hause. "Als ich damals kam, sagten mir die Kollegen, ich solle mir im Essener Süden was suchen", erzählt er. Oster schaute sich alle Orte in der Umgebung an und entschied sich für Langenberg.
Hier wuchsen seine zwei Kinder auf. Hier wandern Edwin, Hildegard und Dackel Tammy am liebsten. "Da hinten", sagt Edwin Oster und deutet auf einen kleinen Feldweg, "müssen wir links". Es geht noch immer bergauf, Häuser sind nur noch klein am Horizont zu erkennen, der Blick ins Tal ist schon zu erahnen. Kurz vor dem Ziel holt Oster seine Frau und den Hund ein, Tammy kennt hier jeden Stein, jeden Strauch, jede Wiese, jeden Baum. "Der hier", sagt Oster und deutet auf ein großes Exemplar, "ist ein Schwarznussbaum. Ganz selten!" Die biologische Nachhilfestunde dauert nicht lang. Denn hinter dem Schwarznussbaum folgt eine Lichtung. Der Orkan Kyrill hat im Wald ganz besonders gewütet und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Folgen sind bis heute zu sehen. Tammy, Hildegard und Edwin legen die letzten Meter auf dem Weg Richtung Gipfel zurück. Kein geteerter Weg, sondern über Stock und Stein geht's.
"Da hinten!"
Sagt Edwin Oster, läuft noch zehn Schritte und schaut vergnügt. "Hier mache ich jeden Sonntag meine Fitnessübungen", sagt er. Andere Hundebesitzer kommen entgegen, der Weg an der tollen Aussicht im Senderwald ist scheinbar ein Geheimtipp. Der Blick geht auf Oberbonsfeld. Aber nicht nur. "Da ist die Grundschule, in etwas weiterer Entfernung die Kirche." Wenn sich die Osters und alle anderen Spaziergänger setzen wollen, dient nur ein schmuckloser, nasser Holzklotz als Platz.
Das soll nicht so bleiben. "Eine Bank wäre so schön", sagt er. Am Geld soll's nicht scheitern. Edwin Oster würde 20 Euro spenden.

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WAZ (Mantel), Rhein-Ruhr - 20.9.2008
Das ist mein Freund
Sie spielen Basketball, springen vom Hochbett auf die Matratze, sind nur beim Fechten Gegner, stehen auf Schalke. Und machen einfach alles gemeinsam!

Schwer zu zeigen ist auf dieser meiner Seite dieser viel beachtete Text, der auf der Seite "Rhein-Ruhr" stand. Ihr findet einen Auszug daraus unter:
http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/rhein-ruhr/2008/9/19/news-77881981/detail.html
*** Das Thema: Am 20. September ist Weltkindertag. Wir beschlossen, das Thema "Freundschaften unter Kindern" näher zu beleuchten. Dazu interviewte ich fünf "Kinderpaare" - zwei in Mülheim, jeweils eins in Herten, Witten und Essen. Dazu kam ein Interview mit einem Kinderpsychologen. Schöne Bilder, auf der Titelseite der WAZ angekündigt - 'ne runde Sache! ***

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WAZ (Mantel), Hauptsport - 22.9.2008
So wie es Frontzeck mag
Mit Sicherheitsfußball und viel Glück schafft Arminia Bielefeld gegen schwache Kölner den ersten Saisonsieg

...mein erstes Bundesligaspiel als Berichterstatter...

Von Andreas Ernst

Bielefeld. Als der Mannschaftsbus des 1. FC Köln schon zur Abfahrt bereit stand, saß Arminia Bielefelds Trainer Michael Frontzeck noch im Presseraum. Er lehnte sich zurück, nippte an seiner Kaffeetasse und verfolgte mit großer Freude den Spielbericht im Fernsehen. 2:0 gewonnen, erster Saisonsieg, das gefiel den Fans draußen und dem Coach drinnen. "Ob glücklich oder nicht", philosophierte Frontzeck, "spielt keine Rolle."
Zweimal hatte die Arminia in dieser Saison bereits daheim gespielt. Beim 2:2 gegen Bremen und dem 2:4 gegen den HSV klatschten die Zuschauer zwar auch - aber wegen der ungeahnten Offensivstärke ihres Teams. Für Frontzeck waren diese Heimspiele zwei Argumente für einen taktischen Rückschritt. "Das heutige Spiel ist unsere Stärke", sagte er am Samstag. Und da müssten eigentlich alle Arminen entsetzt zucken. Denn Frontzeck mag unansehnlichen Abwehrschlacht-Fußball.
Fehlpässe und Querschläger verzeiht der Coach schnell. Auf "Kompaktheit, gutes Zweikampfverhalten und Vertrauen in sich selbst" komme es an. Frontzecks Ansprache vor dem Spiel - sagt er - "war kurz und knackig". Kein Wunder, eine solche Taktik muss ein Trainer nicht ausführlich erklären. Tore schießt die Arminia im Frontzeck'schen Sicherheitssystem nur mit viel Glück oder nach Standardsituationen. Am Samstag klappte vor 24 400 Zuschauern beides - gegen eine Kölner Mannschaft, die alles versuchte, um die Bielefelder Arena als Verlierer zu verlassen.
Und das auch schaffte. Vorn ließen die Kölner ihre mageren drei Chancen ungenutzt. Und die Abwehr? Vor dem 0:1 in der 75. Minute sprang Linksverteidiger Pierre Wome dem Bielefelder Oliver Kirch an der Strafraumgrenze in den Rücken, als wolle er für den Pogo beim nächsten Metallica-Konzert üben. Den Freistoß von Jonas Kamper fälschte Marvin Matip unhaltbar ab. "Wir haben ein Foul an den Tag gelegt, das nicht notwendig war", sagte Kölns Trainer Christoph Daum. Drei Minuten später wurde es noch lachhafter für den FC. Nach einem Befreiungsschlag von Innenverteidiger Kucera stürmte Torwart Mondragon aus seinem Tor und aus dem Strafraum - warum auch immer. Bielefelds Torjäger Wichniarek hob den Ball über Mondragon aufs Tor. Wenn Kevin McKenna nicht gewesen wäre, hätte Wichniarek trotzdem nicht sein fünftes Saisontor erzielt. Doch McKenna bugsierte die Kugel selbst über die Linie. 0:2 - zwei Gegentore mit Hohn-und-Spott-Faktor zehn in einem Spiel, das eigentlich 0:0 hätte ausgehen müssen. Langweilig, höhepunktarm, spielerisch schwach. Abstiegskampf eben.
Aber so unrecht war das Michael Frontzeck nicht. Er sagte das auch noch, als sich der Kölner Bus schon auf der Autobahn befand. Nachdem er den Kaffee ausgetrunken hatte, ergänzte Frontzeck noch einen Satz: "Für die Zuschauer ist das nicht wunderbar." Wenigstens weiß er das. Doch für den Klassenerhalt akzeptieren die Bielefelder alles.

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WAZ (Mantel), Hören & Sehen - 26.9.2008
Die kämpfende Kranführerin

Von Andreas Ernst

Eine grauhaarige berockte Oma mit großer Brille spaziert durch die Danziger Werft, zückt ein Taschentuch und wischt sich die Tränen ab. Doch "Wer ist Anna Walentynowicz?" (22.40 Uhr, Arte). Sylke Rene Meyer klärt diese Frage höchst eindrucksvoll in einer 60-minütigen Dokumentation. Denn die Oma - Anna Walentynowicz - ist die Mutter der Gewerkschaft "Solidarnosc". Und die hatte 1989 erheblichen Anteil an der Wende.
Weil die Kranführerin Walentynowicz im August 1980 entlassen wurde, streikten die Arbeiter der Danziger Leninwerft. Erst aus diesem Streik ging Lech Walesa als bekannter Gewerkschafter hervor. "Ohne Anna gäbe es Solidarnosc nicht. Ohne Lech vielleicht schon", lässt Meyer den Sprecher sagen. Warum die heute 79-Jährige in Vergessenheit geriet, klärt Meyer, indem sie Walentynowicz' Lebenslauf detailliert darstellt - und sie selbst über Trauer, Verhaftungen, Kampf und ihr Zerwürfnis mit Walesa reden lässt. Volker Schlöndorff verfilmte Annas Leben unter dem Titel "Strajk - Die Heldin von Danzig". Den Film sendet Arte um 21 Uhr, direkt vor der Doku.

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www.derwesten.de - 30.9.2008
Bochums bitterster Moment
Sportgeschichte - 30. September - vor vier Jahren

Es ist dieser eine verfluchte Moment, der nicht verschwinden will aus dem Gedächtnis der Fans des VfL Bochum. Auch nicht vier Jahre danach. Ein Pass in den Strafraum, Edu sääääbelt über den Ball, Standard Lüttich gleicht zum 1:1 aus. In der Nachspielzeit. Das Aus im UEFA-Cup. In Runde eins.
Nicht nur irgendein Donnerstagabend im Herbst 2004. Nein, der Donnerstagabend. "Wir haben sieben Jahre auf diesen Tag gewartet", sagt Trainer Peter Neururer. Erst zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte startet der VfL Bochum im UEFA-Cup, hat vor der Saison 04/05 kräftig investiert, hat teure Spieler wie Knavs, Lokvenc, Preuß, Maltritz und Bechmann verpflichtet. Das Hinspiel in Lüttich endete 0:0, in der Bundesliga ist der VfL mittelmäßig gestartet (ein Sieg, vier Unentschieden, eine Niederlage). Doch das ist vergessen, wenn der VfL Lüttich knapp schlägt. Und in die Gruppenphase des UEFA-Cups einzieht. Das würde dem chronisch klammen VfL vier Millionen Euro bringen. Vier Millionen! Keine Schulden mehr! Dauerhaft konkurrenzfähig! Es ist wirklich nicht irgendein Donnerstagabend.
Die Sonne verstaubt tatsächlich an diesem Abend, und als das ZDF seine Live-Übertragung beginnt, merken Millionen, wie schön es ist, wenn die VfL-Fans Grönemeyers "Bochum" singen. Und nicht nur die Fans im Stadion. Egal, wo die Zuschauer sitzen, ob drinnen oder in der Arena, sie sehen ein spannendes, hart umkämpftes, großartiges Fußballspiel. Beide Teams versuchen's mit herrlichem Offensivfußball, beide überbrücken das Mittelfeld schnell. Erste Chancen gibt es schnell: Wosz und Bechmann vergeben für den VfL, Tchite und Geraerts für Lüttich. Kurz vor dem Pausenpfiff gibt Schiedsrichter Kaznaferis Freistoß für Bochum. Dariusz Wosz, an diesem Abend überragender Antreiber des VfL, schlenzt den Ball in den Strafraum, dort steht Marcel Maltritz frei und nickt ein: 1:0, vier Millionen Euro in Sichtweite. Bochum ist weiter. In diesem Moment.
Zweite Halbzeit. In der eigens zur Sitzplatztribüne umfunktionierten Ostkurve liegen die Nerven blank. Die Spannung ist kaum auszuhalten. Einen Schuss von Onyewu lenkt VfL-Torwart van Duijnhoven an den Innenpfosten. Puh, Glück gehabt. Lüttich drängt, der VfL kontert. Standard-Kapitän Deflandre foult VfL-Kapitän Wosz im Strafraum - Schiedsrichter Kaznaferis pfeift nicht. Kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit streckt Deflandre den eingewechselten Edu mit einem Ellenbogencheck nieder. Deflandre sieht nur Gelb. Es bleibt beim 1:0 für den VfL. Ein Herzinfarkt-Spiel. 90 Minuten sind um - Nachspielzeit. Immer noch 1:0. Ein letzter Angriff der Lütticher. Sergio Conceicao bekommt auf der linken Seite den Ball, Höhe Eckfahne. Er passt die Kugel schlampig in den Strafraum, der Bochumer Edu muss den Ball nur noch auf die Castroper Straße jagen.
Aber Edu trifft den Ball nicht.
Ein Lütticher Spieler namens Jorge Winston Curbelo nutzt das. Er zirkelt die "Kirsche" ins Eck, unhaltbar für van Duijnhoven. 1:1. Aus. Vorbei. Das Auswärtstor bringt Lüttich in die Gruppenphase. Der VfL ist raus. Ungeschlagen. Torwart Rein van Duijnhoven sagt: "Unglaublich, dass das Tor noch gefallen ist, einfach unfassbar. In der Kabine wird jetzt wahrscheinlich Todesstimmung sein. Das ist mein bitterster Moment." Trainer Peter Neururer ergänzt: "Das Ergebnis ist nach dem Spielverlauf natürlich enttäuschend. Es ist sogar fußballerisch tragisch. Wir müssen jetzt den Kopf hochnehmen und uns auf die Bundesliga konzentrieren. Es ist fantastisch, unsere Entwicklung und das, was hier in Bochum wächst, zu sehen."
Doch in Bochum wächst nach diesem Gegentor, nach diesem Spiel nichts mehr. Der völlig geschockte VfL verliert die nächsten drei Bundesligaspiele (2:3 beim FC Schalke 04, 0:1 gegen Hansa Rostock, 0:3 beim VfL Wolfsburg) und stürzt auf Platz 17. Bis zum Saisonende verlassen die Bochumer nur noch an drei Spieltagen die Abstiegsplätze. Von Woche zu Woche werden die Fehler des Trainerstabs deutlicher: Erst spät merkt Neururer, dass Marcel Maltritz in der Innenverteidigung viel besser aufgehoben ist als im defensiven Mittelfeld und dass Edu eigentlich ein Stürmer ist. Knavs, Lokvenc und Preuß sind glatte Fehleinkäufe. 35 Punkte holt der VfL Bochum in der Saison 04/05 - zu wenig für den Klassenerhalt. Zum fünften Mal geht der Fahrstuhl in die zweite Liga.
Dabei sollte doch alles anders werden. Heute erinnern nur noch die Sitzplatz-Verankerungen in der Ostkurve an diesen Tag.

Aufstellungen

VfL Bochum - Standard Lüttich 1:1 (1:0)

VfL: Van Duijnhoven - Colding, Kalla, Knavs, Bönig - Maltritz, Zdebel - Bechmann (83. Edu), Wosz (85. Misimovic), Preuß - Lokvenc. Trainer: Neururer.
Lüttich: Runje - Deflandre, Onyewu, Dragutinovic, Leonard - Walasiak (76. J. Niemi), J. R. Curbelo, Geraerts (85. J. W. Curbelo), van Dooren (81. Mumlek) - Sergio Conceicao, Tchite. Trainer: D'Onofrio.
Tore: 1:0 Maltritz (45., Vorlage Wosz), 1:1 J. W. Curbelo (90.+2, Vorlage Conceicao/Edu)
Gelbe Karten: Kalla - Leoard, J. R. Curbelo, Deflandre
Schiedsrichter: Georgios Kaznaferis (Griechenland)
Zuschauer: 23.356 (ausverkauft)

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WAZ-Korrespondentenbüro Berlin - externes Praktikum im Oktober 2008
Alles über meinen zweiwöchigen Aufenthalt in Berlin steht HIER - auch Textbeispiele
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Informationsreise der JSR nach Istanbul - 20. bis 24. Oktober 2008
Touristische Infos und Fotos aus Istanbul stehen HIER

Frühstück
Blick aus unserem Frühstücks"raum"

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WAZ (Mantel), Wochenende - 14.11.2008
Umstrittene Ökokiste
Im Ausland gibt es immer häufiger umweltbewusste Beerdigungen - mit Särgen ohne Lacke und Urnen aus Bambus. Deutsche Bestatter wittern eine Marketingstrategie.

Von Andreas Ernst

Das Modell heißt "Message to heaven". Es sieht aus, als sei es eilig mit Brettern aus dem Baumarkt zusammengezimmert worden. Die Botschaft dieser Kiste lautet: Es gibt auch Ökosärge - ein Trend aus den Niederlanden.
Eine Firma, die ihren Särgen das Etikett "Öko" verpasst hat, ist "Janssen Uitvaartkisten" aus Sevenum in der Provinz Limburg. Auf der Internetseite der Firma gibt es 16 verschiedene Varianten eines umweltverträglichen letzten Aufenthaltsortes. "Diese Särge sind nicht belastet", sagt Theo van Encaevord, Mitarbeiter bei Janssen. Heißt: ohne Lacke, ohne Metallgriffe, mit Baumwolle ausgelegt. 25 Prozent des Firmenumsatzes geht allein auf Ökosärge zurück. Auf der Homepage stehen die niederländischen "Eco-Kisten" deshalb ganz oben im Angebot. Sie sind vor allem für die Kunden gedacht, die ökologisch bewusst leben. "Öko" versprechen auch Bestatter aus anderen Ländern: In England zum Beispiel verrotten Urnen aus Bambus kurz nach der Beisetzung, auch auf Einbalsamierung mit umweltschädigenden Chemikalien wird zuweilen verzichtet.
Das alles macht Kerstin Gernig vom Bundesverband deutscher Bestatter skeptisch. Der Trend geht ohnehin Richtung Feuerbestattung. Und möglichst billig soll es sein. Hinter dem Konzept "Ökosärge" wittert Gernig deshalb nur eine große Marketingstrategie. Eine Nachfrage in Deutschland gibt es bislang nicht. "Auch für Bestatter existiert schon längst eine DIN-Norm. Welche Materialien verwendet werden dürfen, ist genau festgelegt", sagt sie und ergänzt: "Ein Sarg ist deshalb immer nach genauen ökologisch Maßstäben angefertigt." Theoretisch sei es sogar möglich, dass sich jeder seinen eigenen Sarg baut. "Wenn sich der Erbauer an die Richtlinien hält, geht das", erklärt Gernig.
Jede Bestattung ist für Gernig ein ökologischer Prozess: "Was sind Friedhöfe anderes als eine natürliche Bestattungsform?" Jeder Friedhof sei eine Parkanlage, zudem gebe es Friedwälder. Die gehören zu den alternativen Bestattungsformen. In solchen Friedwäldern wird die Asche der Verstorbenen direkt an den Wurzeln eines Baumes beigesetzt. Die Grabpflege übernimmt die Natur. In Deutschland gibt es 26 Friedwälder, Greenpeace lobt das Konzept.
Trotz aller Gegenrede des Bundesverbands: Aus der "Message to heaven" ist eine "Message to Germany" geworden. Denn die Deutschen fahren immer häufiger über die Grenze und steuern Sevenum an. "Viele Unternehmer glauben wohl immer noch: Es muss immer Eiche sein - und sie denken an keine andere Form", vermutet Theo van Encaevord. Und deshalb gebe es wohl kaum schlichte Holzkisten in Deutschland.
Deshalb freut sich van Encaevord über das gute Geschäft mit dem Ökosarg. Der Bundesverband deutscher Bestatter hat derweil einen Marketingwettbewerb ausgerufen. Das Motto lautet: "Wer nicht wirbt, stirbt!"

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WAZ (Mantel), Kultur - 22.11.2008
Urlaub im Krachgarten
Ärzte-Gitarrist Farin startet seine Solo-Tour in der Düsseldorfer Philipshalle. Mit elf Musikern und verstärktem Ska-Sound begeistert er 5500 Fans.

Von Andreas Ernst

Düsseldorf. Ganz in Schwarz steht er auf der Bühne der Philipshalle, die Gitarre um den Hals. „Die Welt macht dich rasend”, stimmt Ärzte-Gitarrist Farin Urlaub an, die Menge tobt, jubelt, trampelt, klatscht, ist textsicher bei „Nichimgriff”, der ersten Single aus Urlaubs drittem Solo-Album.
Neben Urlaub stehen nicht seine Ärzte-Begleiter Bela B. und Rodrigo Gonzales, sondern elf andere Musiker. Elf! 5500 Zuschauer wissen das. Sie begeben sich in den „Krachgarten”, so heißt Urlaubs dritte Solo-Tour mit dem FURT – Farin Urlaub Racing Team. In Düsseldorf geht die Tour los. Hier ist er nicht Farin Urlaub, sondern eher Jan Vetter, wie er eigentlich heißt. Der Jan Vetter, der sein Privatleben abschottet, der immer etwas geheimnisvoll geblieben ist, der Farin Urlaub für sich als Kunstfigur definiert. Vor Vetter/Urlaub steht eine Tasse Tee, nach jedem dritten Song nippt der bekennende Anti-Alkoholiker daran. Egal wie laut es gerade ist.
Hier steht einer auf der Bühne, der seine Band als sein „Baby” betracht. Konzerte der Ärzte leben vom verbalen, albernen Schlagabtausch zwischen Farin, Schlagzeuger Bela und Bassist Rodrigo. In der Philipshalle ist der Spot nur auf den großen Blonden gerichtet. Er redet nicht viel. Geht zwischendurch zur Technik, weil er mit „dem Gitarrensound nicht einverstanden ist”, wie er mitteilt. Die Fans verzeihen das, vertreiben sich zwei Minuten mit „La Ola” die Zeit. Urlaub beschränkt sich auf wenige Witze, lässt so manchen Spaßtext wie „Ich gehöre nicht dazu” und „1000 Jahre schlechten Sex” für sich sprechen – was das Konzert nicht schlechter macht. Ganz im Gegenteil.
Denn obwohl er wie bei den vorherigen Touren mit dem Racing-Team komplett auf Ärzte-Songs verzichtet, muss er die Menge nicht von seinen Solo-Qualitäten überzeugen. Nicht jeder Song ist wie bei den Ärzten entweder eine komplette Hüpfnummer oder eine Schwenkt-das-Feuerzeug-Ballade. Der Ska-Sound, der Urlaubs Solosongs einen komplett eigenen Anstrich verpasst, animiert zu manchem Hüftschwung. Sogar von Urlaub selbst, was bei Ärzte-Konzerten höchst selten passiert. Der Einsatz der vier Bläser mit Posaune, Trompete und zwei Saxofonen ist zum Beispiel bei „Ich gehöre nicht dazu” und „Am Strand” fein abgestimmt, die vier Background-Sängerinnen geben allen Liedern mehr Tiefe. Höhepunkte des Abends sind „Ok”, die laute Hymne für alle Verlassenen. Doch nicht nur die brüllen: „Ja es geht mir beschissen, ja es ist wegen dir.” Der Song geht einfach verdammt ins Ohr. Und dann noch „Zehn”, das Urlaubsche Live-Erlebnis, bei dem 5500 auf Kommando springen.
Bei den politischen Songs muss Urlaub keine Kommandos geben. Er ist ein Linker. Einer, der die kritischen Zeilen in „Krieg” und „Der ziemlich okaye Popsong” betont. Einer, der die Menge beim naiv-zynischen „Lieber Staat” Zeilen wie „Ohne Mist, bleib genau so, wie du bist, ich tätowier mir deine Flagge ins Gesicht, ich bin so schrecklich stolz auf dich” mitgrölen lässt. Der zuschaut, wie sich Fans jeden Alters beim Pogo anspringen – und der dann sein blitzeblankes Lächeln auspackt und einen Schluck Tee genießt.
Kann er auch. Am Schluss fragt Urlaub „Hat es euch gefallen?” Und die Menge tobt, jubelt, trampelt, klatscht nach genau zwei Stunden und 28 Songs ein letztes Mal. Farin hätte nicht fragen müssen.

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WAZ (Mantel), Hauptsport - 22.11.2008
BVB weiter auf Höhenflug
Mohamed Zidan sicherte den 1:0-Sieg beim Karlsruher SC. Dortmund kletterte damit in der Tabelle vorübergehend auf den vierten Platz. Der KSC bleibt weiterhin im freien Fall und die Kritik an Trainer "Ede" Becker wird immer lauter.

Anmerkung:
Dieser Text musste pünktlich zum Abpfiff fertig sein - 120 Zeilen. Nicht so leicht bei einem so knappen Spiel. Und bevor Ihr fragt: JA, ich war in Karlsruhe und saß bei minus acht Millionen Grad auf der Pressetribüne.

Von Andreas Ernst

Karlsruhe. Mit einer wenig beeindruckenden Leistung ist Borussia Dortmund in die Spitzengruppe der Bundesliga zurückgekehrt - wenigstens für eine Nacht. Beim abstiegsbedrohten Karlsruher SC gewann der BVB vor 29.657 Zuschauern mit 1:0 (1:0) und kletterte auf den vierten Platz.
Beim KSC steht Dauer-Trainer "Ede" Becker in der Kritik. Von den vergangenen sieben Spielen hatte der KSC sechs verloren. Das Resultat: Abstiegsgefahr. Aber unter Flutlicht sollte sich alles ändern. Erstmals in dieser Saison beorderte Becker den von den Fans geforderten Edmond Kapllani in die Startformation. Doch nicht nur Kapllani machte zunächst mächtig Dampf. Hätte Godfried Adoube in der 9. Minute per Kopf das 1:0 erzielt, wäre das nicht einmal unverdient gewesen. Doch Roman Weidenfeller kratzte die Kugel noch von der Linie. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp tanzte mit strahlend weißer Baseballmütze schon in der Anfangsphase an der Seitenlinie entlang.
Auch Dortmunds Spielmacher Tamas Hajnal trabte erst einmal genauso nebenher wie seine Teamkollegen. Es schien, als würden die Pfiffe den kleinen Techniker doch beeindrucken. In der 21. Minute tauchte Hajnal erstmals richtig auf - und schon fiel ein Tor. Nach Hajnals Flanke kam Mohamed Zidan eher an den Ball als KSC-Torwart Markus Miller und spitzelte ihn ins Tor. Es war die erste Chance der Dortmunder.
Das brachte die Seele der Karlsruher Spieler komplett durcheinander. Die Fans im Wildpark spürten die Verunsicherung, riefen das langgezogene "Kaaaarlsruhe", doch es brachte nichts. Hajnal-Nachfolger Antonio da Silva verzettelte sich immer und immer wieder, den KSC-Abwehrspielern fiel selten besseres ein als weite Pässe nach vorn, die das BVB-Innenverteidiger-Gespann Hummels/Subotic problemlos aus der Luft fischte. Nach dem unzähligsten Fehlpass platzte selbst den geduldigen Zuschauern der Kragen. Sie pfiffen so laut sie konnten. Dabei spielte der BVB nicht einmal richtig gut. Zu oft tauchte Hajnal zwischendurch ab, zu selten schalteten sich die Außenverteidiger Owomoyela und Lee ins Offensivspiel ein.
Dennoch war die spielerische und taktische Überlegenheit der Dortmunder so offensichtlich, dass die drei Punkte schon zur Pause kaum noch in Gefahr schienen. Auch in Halbzeit zwei mühte sich der KSC, doch mehr als Fernschüsse von Michael Mutzel und Antonio da Silva kam nicht mehr. Ganz anders die Borussia: Jakub Blaszczykowski rannte der offenen Karlsruher Abwehr gleich dreimal davon. Dreimal! Doch immer suchte "Kuba" den besser postierten Nebenmann und zögerte viel zu lang.
Es blieb beim 0:1. Immer länger und immer länger. "Wir wollen Euch kämpfen sehen", riefen die KSC-Fans eine Viertelstunde vor Schluss. Ihre Mannschaft hatte so munter begonnen - und nun das. Als Hajnal-Nachfolger da Silva in der 81. Minute ausgetauscht wurde, gab es nicht nur Beifall - sondern vielmehr ganz laute Pfiffe. Für da Silva kam Joshua Kennedy ins Spiel. Doch auch der australische Stürmer - noch ohne Saisontor - konnte die Dortmunder Abwehr nicht knacken.
Als der gute Schiedsrichter Gagelmann abpfiff, riefen die mitgereisten BVB-Fans: "Die Nummer eins im Pott sind wir." Stimmt. Und das bleiben die Dortmunder auf jeden Fall länger als eine Nacht.

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WAZ (Mantel), Wochenende - 29.11.2008
Let's talk about Sex
Rebecca Martin betrachtet "Frühling und so" nicht als Trittbrettbuch zu "Feuchtgebiete", eine verkehrsberuhigte Zone ist es aber nicht gerade. Die 17-jährige Raquel schläft in Martins Erstlingswerk mit einem Dutzend Männer.

Wieder ein Roman, in dem es um Sex geht. Doch das Erstlingswerk "Frühling und so" von Rebecca Martin hat einen anderen Hintergrund als Charlotte Roches "Feuchtgebiete". Es erzählt von einem Jahr im Leben eines Teenagers - mit viel Sex, aber auch mit Schule, Freunden, Clubs, Joints, Alkohol. Mit der Autorin sprach Andreas Ernst.

Sie sind 18, die Hauptperson Raquel wird es im letzten Kapitel. Raquel wohnt wie Sie in Berlin, geht zur Schule wie Sie und jobbt als Schauspielerin wie Sie. Klingt nach Autobiographie.
Martin: Was Raquel erlebt, ist an das angelegt, was ich mache, aber ich habe mich ab einem gewissen Punkt von Raquel entfernt. Irgendwann habe ich angefangen rumzuspinnen.

Wissen Sie, mit wie vielen Männern Raquel im Buch schläft?
Martin: 12 oder 13?

Ich habe bei 10 aufgehört zu zählen.
Martin: Das ist nicht so wichtig. Sex ist ein zentrales Thema in diesem Buch. Sex wird in die Alltagsthemen eingebunden und nicht seitenweise referiert. Ich habe nicht gedacht: Sex, hohoo, das ist eine Provokation. Es sind konkrete Erlebnisse, da fiel es mir sogar besonders leicht, es zu schreiben.

Ist 12 oder 13 eine realistische Zahl an Männern für eine 17-Jährige?
Martin: Auf jeden Fall - das trifft aber natürlich nicht auf alle zu.

Sind Sie auf den "Feuchtgebiete"-Zug gesprungen?
Martin: Ich kenne dieses Argument. Aber eigentlich stoße ich mich daran nicht. Diejenigen, die das behaupten, haben "Feuchtgebiete" überhaupt nicht gelesen, denn zwischen beiden Büchern kann man keine Parallelen herstellen. Als sich der Verlag und ich zum ersten Mal getroffen haben, war "Feuchtgebiete" noch gar nicht draußen.

Gibt es noch Tabus in dieser Gesellschaft?
Martin: Eine so große Frage, so schnell gestellt. (überlegt) Ja, auf jeden Fall. (überlegt) Charlotte Roche hat mit "Feuchtgebiete" einen wunden Punkt getroffen. Ich hatte mit meinem Buch aber nie die Absicht, irgendein Tabu zu brechen oder zu provozieren.

Ihr Buch erinnert an Benjamin Leberts "Crazy", der das Internatsleben eines Jungen seines Alters beschreibt. Lebert selbst ging auch auf ein solches Internat. Haben Sie sich daran orientiert?
Martin: Als ich wusste, dass ich das Buch schreiben werde, habe ich schon Sachen von Leuten gelesen, die in meinem Alter Bücher geschrieben haben. Benjamin Lebert hat da eine Rolle gespielt. Ich finde seinen Sprachstil sehr bewundernswert. Poetisch und doch schlicht.

Leberts "Crazy" wurde verfilmt.
Martin: Ich versuche generell, die Erwartungen niedrig zu halten. Wie ich gehört habe, gibt es schon Anfragen von Produktionsfirmen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie man das Buch verfilmen kann.

Für wen ist das Buch - für Eltern oder für gleichaltrige Teenager?
Martin: Ich habe letztens gelesen, dass ein Mädchen meinte, dass Raquel sehr stark ihre eigenen Gedanken widerspiegelt. Sowas ist schön zu hören.

Und die Eltern?
Martin: Vielleicht kann man voneinander lernen.

Sie nennen im Buch sehr oft spezielle Orte in Berlin. Bars und Clubs, die es wirklich gibt, U-Bahnlinien, Straßen. Warum spielt der Roman in Berlin - und nicht, zum Beispiel, im Ruhrgebiet?
Martin: Weil ich in Berlin wohne, mich hier am besten auskenne. Es war gar nicht anders möglich.

Ihr erstes Buch ist ein großer Erfolg. Wie geht's mit Ihnen weiter?
Martin: Ich weiß nicht, was ich machen will. Ich versuche erst einmal, bis Juni meine Abitursachen hinter mich zu bringen. Im Moment bin ich noch total mitgerissen von den Buchsachen. So etwas wie Medienarbeit muss ich erst einmal kennenlernen.

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WAZ (Mantel), Menschen - 2.12.2008
Der ausgeflippte Bayer
Ausgeflippt, bayerisch, ein bisschen Comedy, ein bisschen Kabarett: Michael Mittermeier tourt zurzeit mit „Safari” (Dienstag, 20.15 Uhr, Pro7). Mit Andreas Ernst sprach der Comedian über Reich-Ranicki, Mario Barth und seine Tochter.

Von Andreas Ernst

Marcel Reich-Ranicki hat bei seiner legendären Fernsehpreis-Rede vieles im Fernsehen als „Blödsinn“ bezeichnet. „Safari“ läuft am Dienstag im Fernsehen.
Michael Mittermeier: In puncto Fernsehen hat Reich-Ranicki nichts mitzureden. Da soll er heimgehen und Tauben füttern – weil er davon nichts versteht. Ich werde mich auch nicht aufspielen als Literaturkritiker. Und ich glaube, die ganze Diskussion ist zu hoch gehängt worden. Mein Gott, der hatte seine fünf Minuten, wo er sein Ego befriedigen konnte. Ich hätte auch vieles da nicht ertragen in dieser Veranstaltung. Auf der anderen Seite saßen da auch einige sehr, sehr tolle Schauspieler und Drehbuchautoren, die tolle Dinge gemacht haben im Fernsehen. Ich glaube nicht, dass man den Wert von Fernsehen generell immer niedriger ansiedeln muss als den eines Schriftstellers, der ein Buch schreibt, wo du nach zehn Seiten einschläfst.

Was sind Ihrer Meinung nach die besten TV-Formate zurzeit?
Mittermeier: Im Comedybereich kann man immer „Stromberg“ gucken, kann man immer Pastewka gucken. Im Moment kann man „Switch Reloaded“ gucken. Und ansonsten? „Germanys Next Topmodel“ – ich sehe das wirklich. Wenn ich sowas auf der Bühne sage, dann sehe ich auch jede Folge. Ich bin da kein Lügner.

Dieter Hildebrandt hat über Sie gesagt, dass Sie ihr Talent nutzen müssten, um sich jenen Problemen zu nähern, die Menschen miteinander haben statt alberne Mann-Frau-Pointen zu verzappeln. Fühlen Sie sich falsch verstanden?
Mittermeier: Mit den „Mann/Frau“-Pointen hat mich Dieter Hildebrandt mit Mario Barth verwechselt. Er findet mich gut als Künstler. Aber ich mache nicht immer das, was sein Geschmack ist. Ich finde schon toll, dass er nicht sagt: Mittermeier, das ist Comedy, blöd. Es gibt ja viele, die auch zumachen. Es gibt Kritiker, die gehen 'rein zu Dir, die sagen: Comedy ist scheiße und dann schreiben die 'ne Scheißkritik, egal was ich auf der Bühne mache. Da ist Dieter nicht so. Das ist gut, da fühle ich mich geehrt.

Aber ein reines Kabarettprogramm – drei Stunden, knallhart. Das könnten Sie.
Mittermeier: Natürlich kann ich das. Aber ich bin immer einer, der mischt. Meine Herausforderung ist nicht: Ich muss die Tageszeitung durchhecheln. Ich bin ein Entertainer, ich bin ein Künstler, ich versuche mit verschiedenen Programmen in verschiedene "Kosmosse" zu tauchen. Bei „Safari“ ist auch Politik drin. Ich will’s aber nicht überstrapazieren, weil mir jemand sagt, du musst soundsoviel Politik machen, dann hast du die Quote erfüllt. Das ist ja Bullshit.

Gehen Sie in „Safari“ auf die Finanzkrise ein?
Mittermeier: Das Programm wird schon immer aktualisiert. Bei mir gehen die Gedankenströme weiter, ich sehe eher die schrägen, die bildlichen Dinge. Als Beispiel Barack Obama: Der Mann strahlt was aus. Der strahlt aus: Yes, we can! Wir können nach vorn gehen. Und wenn Frau Merkel das sagt, hast du das Gefühl, sie würde dir hinten einen 'reinstecken. Das sind die Dinge, die mir auffallen. Was macht Pro7 in der Finanzkrise? Schickt Uri Geller auf Sendung und lässt ihn mit Außerirdischen telefonieren. Das finde ich interessant. Das ist ein Ansatz. Wenn’s einer lösen könnte, dann sind’s die Aliens vom Pluto.

In „Safari“ erzählen Sie viel von ihren Reisen – und dass Sie mit Ihrer Frau unterwegs waren, seit 18 Jahren mit ihr zusammen sind. So privat werden nicht viele Comedians.
Mittermeier: Ich sehe das nicht als privat – wenn ich Geschichten erzähle, wo meine Frau mit dabei war... Mir wäre es zu blöd, mir Storys einfallen zu lassen über die ominöse Freundin. Ich mache gern Reality-Comedy, erzähle 1:1-Geschichten.

Mario Barth ist der bekannteste, der über Freundinnen redet.
Mittermeier: Ich kenne seine persönliche Situation nicht, kann sie nicht beurteilen.

Seit Anfang des Jahres sind Sie Vater einer Tochter. Ist das eine zu private Information?
Mittermeier: Rauskommen tut’s eh, man kann es ja gar nicht geheim halten. Schon ein paar Tage nach der Geburt gab’s ein Leck und schon standen Infos irgendwo im Netz, dann haben’s alle geschrieben. Da kannste nix machen. Aber ich zeige keine Fotos.

Hat die Geburt noch etwas am Programm „Safari“ geändert?
Mittermeier: Ich bin ganz froh, dass der „Safarikosmos“ ein geschlossener ist. Wenn ich da acht Kindernummern einbaue, dann bricht mir das Programm. Irgendwann in einem neuen Programm wird’s dann Kindergeschichten geben, aber das ist halt in der Zukunft.

Läuft dann auch Rolf Zuckowski im Autoradio oder ihre Lieblingsband U2?
Mittermeier: Nein, mit Zuckowski wird meine Tochter nicht in Berührung kommen. Sie mag gern Randy Newman, das beruhigt sie. Oder ruhige Liedermacher. Nick Drake zum Beispiel, einer aus den 60ern oder 70ern.

Wenn Sie eine Safari ins Ruhrgebiet führt: Was können wir von Bayern lernen?
Mittermeier: Deutsch sicher nicht. Da sind wir beide schlecht. Was kann man von uns Bayern lernen? Wir machen guten Leberkäs. Das ist doch was. Wenn ich auf Tour bin, und die Gummilaugenirgendwas sehe, die dann da liegen und als Brezn verkauft werden: Da würdest du in Bayern verhaftet.

Ruhrgebiet, das ist auch Fußball. Gemeinsam mit Dortmunds Trainer Jürgen Klopp würden Sie ein gutes Freestyle-Duo auf der Bühne abgeben.
Mittermeier: Klopp wäre mein Trainer für den FC Bayern gewesen – ja gut, aber wir mussten den Schwaben kriegen. Wieso Poldi hergeben, wir können auch Klinsmann hergeben.

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WAZ (Mantel), Kultur - 10.12.2008
Alter Punk
NRW-Tour-Auftakt in Dortmund - und die Toten Hosen zeigen, dass sie auch im 26. Bandjahr noch richtig rocken können. Noch im Dezember folgen Auftritte in Köln und Oberhausen

Von Andreas Ernst

Dortmund. Sein Dress ist zu Beginn noch sauber. Trocken. Wie im Sport. Campino hat sich für ein Hemd der 2005-Tour "Im Auftrag des Herrn" entschieden, joggt in flotter Jeans auf die Bühne. Die Toten Hosen sind in der Westfalenhalle - und aus trocken wir verschwitzt, aus joggen wird springen, aus flott wird rockig - gleich mit dem ersten Takt des Openers "Strom".
1000-Volt-Campino ist eine schillernde Figur der Branche. Einer, der durch Talkshows tingelt, der als massenkompatibler Alternativer durchgeht, der gerade in "Palermo Shooting" sein Filmdebüt gab. Doch an diesen zwei Abenden vor je 11.500 Fans in der Westfalenhalle zählt das nicht. Hier ist "auffem Platz", wie der Fußballfan Campino sagen würde.
Er verpasst den Fans die volle Rock-Dröhnung. "Du lebst nur einmal", "All die ganzen Jahre", "Auswärtsspiel", "Liebeslied" - schon in der ersten halben Stunde hauen die Hosen Songs aus 22 Jahren Bandgeschichte raus. Campino sprintet von rechts nach links, von links nach rechts. Nach 35 Minuten hat er genug vom Hemd - drunter trägt er nur noch ein Muscleshirt.
So würde Campino nie in Talkshows gehen. Doch an diesem Abend ist er im Herzen Punk, der eine Dose Bier öffnet, daran nippt, sie in die Menge wirft und "Einen Schluck nehmen und dann weiterreichen" fordert. Campino braucht nur vier Worte, um eine ganze Halle zur Ekstase zu bringen. "Es kommt die Zeeeit", brüllt er ins Mikro, die Menge antwortet "OHOOO" und weiter geht's mit "Wünsch dir was". Das ist Bauchkribbeln, das ist hüpfen, hüpfen, hüpfen.
Und Springpausen gibt's nur wenige. Balladiges Material haben die Hosen genug produziert. Diesmal beschränken sie sich auf ganz wenige langsame Stücke wie "Nur zu Besuch". Campino mag ruhiger und melancholischer geworden sein. Auf der Bühne zeigt er's nicht. Er mag draußen intellektuell sein, hier drinnen singt er Sauflieder wie "10 kleine Jägermeister". Und die Klassiker aus dem alten Jahrtausend wie "Wort zum Sonntag" und "Hier kommt Alex". Experimentell wird's selten, zu "Ertrinken" gibt es Unterstützung von Cello und Keyboard - wie einst im Burgtheater-Livekonzert in Wien. Gute Idee.
Genau so gut ist es, dass die Musik spricht und nur selten eine Hose. Die Werbung für "Pro Asyl" ist nicht zu übersehen, "Nazis raus" brüllen die Fans selbst nach dem Song "Madeleine", erst in den Zugaben erwähnt Campino den Film "Palermo Shooting" - ein verzeihlicher Ausrutscher, zumal danach "Eisgekühlter Bommerlunder" folgt, wieder so ein Grölsong.
Auf einen der bekanntesten dieser Sorte müssen die Fans bis zur 140. Konzertminute warten. In einer der "schönsten Hallen Europas" (sagt Campino) wollen die Hosen- und Fußballfans das Anti-FC-Bayern-Lied "Bayern" hören. Die Hosen enttäuschen auch diesmal nicht. Wer jetzt noch nicht heiser ist: selbst schuld. Campino läuft längst oberkörperfrei herum...
Im Fußball gäb`s dafür Gelb. Doch nicht in der Westfalenhalle. 11.500 rufen "Hosen! Hosen! Hosen!" Auch, als die Lichter wieder angehen.

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WAZ (Mantel), Sport - 22.12.2008
Rasseln im Regen am Rhein
Düsseldorf. Im siebten Jahr in Folge starteten am Wochenende Weltklasse-Skilangläufer beim Weltcup in Düsseldorf. Josef Wenzl, Überraschungssieger der vergangenen Saison, erreichte den fünften Platz.

Anmerkung: Arbeitsauftrag war kein klassischer Rennbericht, sondern etwas "Reportiges"

Von Andreas Ernst

Düsseldorf. U-Bahnhaltestelle „Heinrich-Heine-Allee”, Ausstieg in Fahrtrichtung links. Zur „Kö” geht's hier, an diesem Samstag womöglich zum abschließenden Weihnachtseinkauf. Oder in die Altstadt, den Beginn der Ferien oder des Urlaubs begießen.
Doch was machen denn die Menschen mit den Rasseln da? Sie weisen den Weg quer durch die Altstadt bis zum Rheinufer. „Josef Wenzl”, hallt es dort aus einem Lautsprecher, „ist im Halbfinale!” Rasseln in Düsseldorf heißt an diesem Tag: Weltcup im Skilanglauf-Sprint.
Im siebten Jahr in Folge tauschen die Weltklasse-Sprinter für ein Wochenende die Berge mit dem Rhein. Am Horizont sind keine Skilifte auf weiß bedeckten Gipfeln zu sehen. Hier fahren Containerschiffe auf dem Rhein entlang und in der Entfernung leuchtet nur der Rheinturm. Hier fällt kein Schnee – hier regnet's. Hier sprechen die Zuschauer nicht bayerisch. Sondern ganz klassischen rheinischen Dialekt. Im Bierglas ist nicht Weizen. Sondern Alt.
Neu hätte eigentlich der Schnee sein sollen. Doch weil es den in Düsseldorf nicht gab, karrten Mitarbeiter der Neusser Skihalle über Nacht 3000 Kubikmeter Kunstschnee an und walzten sie zu einem 800-Meter-Rundkurs zusammen. Und dann das: Es regnet, regnet, regnet. Die Piste hält das aus, die Zuschauer auch – und die Läufer? Sowieso. Josef Wenzl aus Zwiesel ist einer davon. Vor einem Jahr hat er hier den Stadt-Weltcup am Rhein gewonnen – und jetzt ist er nach verpatztem Saisonstart gefordert. Zur Weltmeisterschaft will er. Aber der Weg zur Skilanglauf-WM führt über Düsseldorf. Das weiß auch der Mann am Mikro, der Josef Wenzl zuvor ins Halbfinale gebrüllt hat: Hans-Reinhard Scheu heißt der, war einst bekannter ARD-Moderator und moderiert nun hier für die Ski-Laien, die extra gekommen sind oder einfach nur am Rhein spazieren gehen wollten. Als der Amerikaner Andrew Newell vor einem Halbfinallauf seine Mütze abnimmt, sagt Scheu: „Ist ja auch nicht kalt hier.” Die Zuschauer, nass bis auf die Haut und halb erfroren, wedeln wild mit den Schirmen. Wen sie anfeuern sollen, verrät Scheu gern – so richtig auseinanderhalten können die Zuschauer die Läufer nicht. Bei den Frauen soll es Claudia Küntzel-Nystad sein – die erreicht am Ende Platz acht. Ordentlich. Petra Majdic aus Slowenien gewinnt – zum dritten Mal in der noch jungen Saison.
Bleibt noch die Herren-Hoffnung Josef Wenzl. Im Vorjahr Überraschungssieger am Rhein, hat er sich dank einer klugen Taktik im Halbfinale bis ins Finale vorgekämpft. Schafft es Wenzl erneut? Es regnet immer stärker, doch jeder Zuschauer hält es aus, will wissen, wie der Mann mit der Nummer „10” die zwei letzten Runden des Tages bewältigt, will sehen, wie der 24-Jährige spielend leicht an den fünf Gegnern vorbeifliegt. Doch schon nach der ersten Runde wenden sich alle ab. Das wird nichts. Als Fünfter stolpert Wenzl ins Ziel, der Norweger Ola Vigen Hattestad siegt. Auch zum dritten Mal in dieser Saison. Wenzl freut sich trotzdem. Denn er darf zur Weltmeisterschaft fahren und sagt: „Ich bin total erleichtert.”
Die Zuschauer auch. Sie rasseln ein letztes Mal und haben sich nach zwei Stunden Langlauf-Sprint das Aprés-Ski verdient. Sie schlendern vorbei an Ständen, die neben den üblichen Heißgetränken auch Röstitaler gefüllt mit Appenzeller Käse bieten. An den Lautsprechern, aus denen Popschlager dudeln – von Olaf Henning bis Michael Wendler und zurück. Vor der Siegerehrung kommt Nic auf die Bühne am Burgplatz. Das ist der, der „Ein Stern, der deinen Namen trägt” singt. Bis zur Ehrung selbst halten es dann aber auch nur noch knapp 500 aus. Denn wozu hier beim Aprés-Ski weilen, wenn zehn Meter weiter die Altstadt beginnt.

Essen. Längst verklären Fans die US-Actionserie „24” zum Mythos: Obwohl die siebte Staffel zurzeit nur bei Premiere zu sehen ist, rechnet sich das Agenten-Abenteuer in Deutschland: durch den DVD-Verkauf.

Die Hektik der Welt in eine Fernsehserie gepackt: Wer sich auf die Actionserie „24” einlässt, der will mehr. Gerade läuft die siebte Staffel. Die bekommen aber nur zahlende Kunden zu sehen: Denn sie läuft montags bei Premiere.
 

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WAZ (Mantel), Wochenende - 27.12.2008
In meiner Zeit in der WAZ-Redaktion Wochenende war ich zuständig für den achtseitigen "Jahresrückblick" der WAZ, der bis zum 23. Dezember produziert werden musste - hat auch geklappt. Eine äußerst ehrenvolle Aufgabe, wie mir gesagt wurde. Textproben sind äußerst schwierig, aber sobald ich kann, werde ich Fotos (besser als nichts) nachreichen...
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WAZ (Mantel), CvD / Newsdesk - Januar 2009
In diesem Ressort lernen Volos das journalistische Leben an einem Newsdesk kennen - inklusive aller Konferenzen und Absprachen am Tag. Dazu gibt's Layout-Kniffe, jeder muss alle Seiten ausgiebig lesen und gegebenenfalls korrigieren. Dazu muss jeder "CvD-Volo" diverse kleinere inhaltliche Aufgaben (z. B. Wetterspruch des Tages, Zitat des Tages, Zahl des Tages) erledigen. Textproben aus diesem Monat gibt es nicht - denn dieser Job ist nahezu komplett "administrativ".
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WAZ (Mantel), Rhein-Ruhr - 11.2.2009
Zu viele Wildschweine in NRW
Nabu-Sprecher Bernd Fuhs wirft Jägern eine übermäßige Fütterung vor. Jäger und Landwirtschaft besprechen das Problem am Donnerstag in Münster.

Von Andreas Ernst

Essen. Noch tauchen Wildschweine nicht vermehrt in den Städten auf. Aber die Population in den Wäldern des Ruhrgebiets steigt – ob im Oberhausener Norden, in Dortmund, in der Haard oder der Hohen Mark. Über die Ursache streiten der Naturschutzbund (Nabu) NRW und der Landesjagdverband.
„Es gibt nicht zu viele Wildschweine trotz, sondern wegen der Jagd”, sagt Nabu-Sprecher Bernd Fuhs. „Die Jäger haben in der Vergangenheit versucht, die Wildschweine durch üppige Futtergaben anzulocken.” Das weist Andreas Schneider vom Landesjagdverband zurück. „Die Aussage des Nabu entbehrt jeder Grundlage. Wenn der Nabu dafür Beweise hat, soll er das zur Anzeige bringen. Es gibt eine Fütterungsverordnung, die seitens der Jäger eingehalten wird.”
Das bezweifelt Fuhs und fordert stärkere Kontrollen. Einig sind sich beide, dass der Klimawandel auf jeden Fall ein Grund für die schweinische Vermehrung ist. Durch die milden Winter gibt es mehr Nahrung in den Wäldern.
Dass die Zahlen steigen, belegen Jagdstatistiken. In der Saison 2007/2008 schossen die Jäger in NRW 30.469 Wildschweine – 06/07 waren es „nur” 16.697. Die gestiegene Population ist nicht das einzige Wildschwein-Problem. Denn die Tiere sind auch Träger des Schweinepest-Virus. „Sollte sich das verbreiten”, so Schneider, „könnte es starke wirtschaftliche Folgen haben.”Am Donnerstag ab 19 Uhr arbeiten die Jäger gemeinsam mit der Landwirtschaft in Münster an einem Konzept – beim Schwarzwild-Symposium.
Damit die Wildschweine nicht in den eigenen Garten kommen, sollten laut Schneider Hobbygärtner keine verwertbaren Nahrungsmittel auf den Komposthaufen legen. Und steht doch ein Wildschwein vor der Tür, ist das Tier nur dann gefährlich, wenn es sich um eine Bache mit Frischlingen oder ein verletztes Tier handelt. Dann gilt: Das Weite suchen oder – zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall – den Förster anrufen.

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WAZ (Mantel), Hören & Sehen - 12.2.2009
Jack Bauer gibt's nur für Bares
Längst verklären Fans die US-Actionserie „24” zum Mythos: Obwohl die siebte Staffel zurzeit nur bei Premiere zu sehen ist, rechnet sich das Agenten-Abenteuer in Deutschland: durch den DVD-Verkauf.

Von Andreas Ernst

Essen. Die Hektik der Welt in eine Fernsehserie gepackt: Wer sich auf die Actionserie „24” einlässt, der will mehr. Gerade läuft die siebte Staffel. Die bekommen aber nur zahlende Kunden zu sehen: Denn sie läuft montags bei Premiere.
Diejenigen, die nicht bereit sind, 19,99 Euro im Monat zu bezahlen, um einmal pro Woche eine Folge zu sehen, verpassen eigentlich nicht viel Neues. Agent Jack Bauer alias Kiefer Sutherland muss die USA wieder vor Terror bewahren. Diesmal sind es nicht chinesische, russische oder islamistische Feinde. Ein afrikanischer Rebellenführer arbeitet mit Mitarbeitern in der US-Regierung zusammen. Wieder hat Jack Bauer nur 24 Stunden, das ist exakt der Takt, den auch die TV-Dramaturgie vorgibt. Am Ende wird Jack Bauer auch diesmal überleben. Staffel acht ist schon in Planung.
Die Serie mixt auch diesmal dieselben Zutaten: Jack Bauer und sein attraktiv-hartes Team decken mysteriöse Verschwörungen auf, verfolgen schmierige Verräter in Regierung und Geheimdiensten und jagen gemeine Schurken. Es ist die Panik, die fesselt. Es ist die Digitaluhr, die den Zuschauer vor den Bildschirm zwingt. Es sind die vielen Handlungsstränge, die den Zuschauer in die eigene 24-Serien-Welt entführen und mit der Splitscreen-Methode oft in mehreren Fenstern auf einem Bildschirm erscheinen.
Und es ist die politische Aktualität, die „24” Brisanz verleiht. Regelmäßig folterte Jack Bauer in „24” Verdächtige, um Informationen zu bekommen. Das kritisierten in den USA amerikanische Armeevertreter und Menschenrechtsaktivisten. Die Serienerfinder Joel Surnow und Robert Cochran reagierten: Die siebte Staffel beginnt mit einer Anhörung. Jack Bauer sitzt in Washington auf der Anklagebank und muss sich für seine Verhörmethoden verteidigen. Er verzichtet auf einen Anwalt. Er ist sich keiner Schuld bewusst.
„Wir sind sehr, sehr zufrieden”, sagt Premiere-Sprecher Tobias Tringali über die bereits gelaufenen sechs Folgen, die Premiere parallel zur Ausstrahlung in den USA zeigt. Einschaltquoten gibt der Pay-TV-Sender allerdings nicht bekannt. Jack Bauers jüngstes Adrenalin-Abenteuer fesselte in den USA in der ersten Folge 12,5 Millionen Zuschauer – zu Beginn von Staffel sechs waren es 15,7 Millionen. Bei Pro7 verfolgten im Schnitt 630 000 Zuschauer eine Folge – mäßig für eine mit 17 Emmys ausgezeichnete Serie.
Dass die Serie nicht vor dem Aus steht, liegt am DVD-Verkauf. Die ersten sechs Staffeln verkauften sich in den USA insgesamt vier Millionen Mal. In Deutschland gingen 600 000 Boxen über die Ladentheke. Auf DVD stört keine Tütensuppen-Werbung zwischen Schießereien und Atombomben-Abwurf.
Doch wer weder für Premiere noch für DVDs bezahlen will, muss warten. Pro7 wird zwar die siebte Staffel zeigen. Wann? Im Gegensatz zum immer guten Ende einer 24-Staffel ist das – sagt eine Sprecherin – „völlig offen”.

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WAZ (Mantel), Kultur - 16.3.2009
Indie-Rock in Stadiongröße

Zum Text über das Konzert der Band "The Killers" in der Düsseldorfer Philipshalle bitte HIER klicken.

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WAZ (Mantel), Kultur - 19.3.2009
"Eine selige Zeit"
Die Trennung liegt zehn Jahre zurück. „Ohne dich”, „Wenn ich wollte”, „Sie hat geschrien” – die Rockband Selig hinterließ kleine Klassiker. Am 20. März erscheint das Comeback-Album „Und endlich unendlich”. Mit Selig-Sänger Jan Plewka sprach Andreas Ernst über das Innenleben einer Band.

Andreas Ernst

Selig ist wieder da. Wieder die Reunion einer Band „von damals”. Braucht ihr Geld?
Jan Plewka: Ich würde das auch denken, ganz im Ernst. Ich dachte ja auch bei „The Police”: Die reunionieren jetzt, Sting braucht Geld. Aber wenn du die Platte hörst oder uns beim Konzert siehst, dann bestätigt sich, dass es nicht so ist. Die Leute freuen sich doch. Unsere Tour war ausverkauft, bevor wir überhaupt ein Plakat hängen hatten. Für uns ist gerade eine kuriose, selige Zeit.

Wann habt Ihr angefangen, Selig-Songs zu schreiben und zu planen?
Plewka: Vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, dass es Selig nie wieder geben wird. Dann saßen der Drummer Stoppel und ich in Stoppels Küche und er meinte: „Mit Selig, das ist zehn Jahre her. Wollen wir mal anrufen?” Und dann haben wir uns ein Herz genommen und alle angerufen. Alle waren sehr erstaunt über die Frage, ob man sich mal trifft. Zum Essen oder so. Und dann saßen wir im September 2007 außerhalb von Hamburg in einem Restaurant. Da waren wir zum ersten Mal seit zehn Jahren alle unter einem Dach.

Und dann habt ihr gesagt: Wir machen wieder Selig.
Plewka: Nein. Da war extrem viel Misstrauen. Wir hatten lange nicht miteinander geredet, hatten uns gedisst. Dann haben wir geredet und geredet. Haben bis Mai 2008 geredet. Am Telefon, in 2000 Mails.

Es gab wirklich keinen Kontakt in zehn Jahren?
Plewka: Obwohl Headhunter immer wieder unterwegs waren: nein. Die haben jeden einzelnen von uns angesprochen, ob wir wieder Selig machen wollen. Wir wussten, dass uns ein Plattenvertrag sicher war.

Wann kam die Musik dazu?
Plewka: Wir waren in Christians Studio in Berlin, alle mit den Instrumenten um den Bauch. Dann meinte Stoppel: Lass uns doch mal ein altes Riff spielen. Und dann haben wir ein altes Riff gespielt. Das war, als hätten wir einen Monat nicht geprobt – und nicht zehn Jahre. Das war ein supertolles Erlebnis. Man hat die anderen gesehen, den Sound gehört. Wir wussten auf einmal, warum die Menschen damals so durchgedreht sind. Seit dem Moment sind wir wieder Selig.

Alle haben in den zehn Jahren Soloprojekte verfolgt. Ergibt sich daraus ein neuer Sound?
Plewka: Wir haben uns musikalisch überhaupt nicht weiterentwickelt. Das hört sich komisch an, aber warum auch? Wir sind halt 'ne Rockband. Es ist Rockmusik, die Lieder sind simpel strukturiert, aber das ist das, was wir können. Es ist die positivste von allen unseren Platten geworden – in jedem zweiten Ton hört man den Frieden, die Freundschaft, den Respekt, die Vergebung voneinander.

Warum der Albumtitel „Und endlich unendlich”?
Plewka: Ein Kreis ist unendlich. Und wir sind endlich wieder ein Kreis. Endlich unendlich. Das ist ein Ausruf!

Gab es eine Sehnsucht nach großen Bühnen?
Plewka: Da krachen fünf Riesen-Egos aufeinander. Die können nicht in kleine Clubs.

Selig war eine Band für Teenies und Studenten. Sind die Fans älter geworden?
Plewka: Wir haben die Platte für kein Publikum gemacht. Wir haben nicht versucht, das neue „Ohne dich” zu schreiben. Wenn jetzt die Leute durchdrehen und man wieder einen Fanstatus erreicht, kann man diesmal besser damit umgehen. Gereifter. Damals war man sehr jung, da hat man nicht wirklich verstanden, was da los ist.

Gereifter. Was heißt das?
Plewka: Wir haben Regeln aufgestellt für uns, damit wir besser miteinander klarkommen. Dazu gehört, dass man Pause voneinander machen muss. Das Wochenende ist heilig, da ist man bei den Familien. Im Studio haben wir uns morgens um neun getroffen und sind abends um elf rausgegangen. Früher war das so, dass man bis in die Morgenstunden im Studio war. Außerdem hat jeder sein Nebenprojekt. Bei mir sind es die Rio-Shows, Stoppel spielt bei James Last. Jeder hat sein eigenes Reich, außerhalb von Selig. Das gab es damals nicht. Das war auch unser Fehler. Deshalb sind wir auch ausein-ander gegangen.

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Diese Seite wurde erstellt am 4.4.2009
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