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Auf vielfachen Wunsch habe ich das VfL-Tagebuch in drei Teile geteilt; damit die Fotos nicht mehr so lange brauchen !!!
Teil 1 steht HIER
!
Teil 3 steht HIER
!
Borussia Mönchengladbach - VfL Bochum 2:2 (23.11.2002)
Wenn ich es einem gönne, dann Peter Graulund
Grüße aus der Mottenkiste
Keine Ahnung, ob ich Euch
schon mal erzählt habe, dass ich eine VfL-Bochum-Trikotsammlung aufbaue!?!
Dank "Ebay" ist es möglich, auch die ältesten Schätzken
aus der Bochumer Bundesliga-Geschichte zu ersteigern, und so lagern in
etwa zehn bis fünfzehn Hemdchen zwischen Hosen, Jacken und Boxer-Shorts.
Da trägt man auf dem Überweisungsformular schon mal Zahlen bis
zu "50" vor dem Euro-Zeichen ein; so sind Fußballfans (ach, wie häufig
ich diese drei Worte in letzter Zeit aufgeschrieben habe). Einige Trikots
habe ich nicht ersteigert, sondern selbst käuflich erworben. Und eins
davon verbannte ich in den letzten Monaten in die Mottenkiste. Es war 2001,
genau zwei Wochen vor Beginn der Nordkapp-Tour,
als der VfL in der 2. Bundesliga Mainz 05 mit 2:1 besiegte. Doppel-Torschütze
war Peter Graulund, ein kleiner Däne, der teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte.
Wow, was für ein Typ dachte ich und bezahlte - damals - 99,95 Mark.
Leider war dies das einzige gute Spiel, das der Peter jemals für Bochum
gemacht hat, und so musste ich meinen Spaziergang mit Graulund-Trikot durch
Kopenhagen (sein alter Verein war Bröndby IF Kopenhagen) ausfallen
lassen - ich wäre schlichtweg ausgelacht worden. Der kleine Mann tat
mir in letzter Zeit richtig leid, so traurig schlenderte der über
den Platz. Aber ähnlich wie ich dachten alle VfL-Fans: Wie kann man
für so ne Bratwurst 2,8 Millionen Euro ausgeben?
Es geht nach Mönchengladbach;
zum Bökelberg. Das ist ein Stadion, mit dem ich ungewohnt viele Erlebnisse
verbinde. Zwei meiner drei höchsten Niederlagen mit dem VfL erlebte
ich hier - einmal 1:7, einmal 2:6. Die erste am vierten Spieltag der Gelsdorf´schen
Bundesliga-Abstiegssaison, bei der zweiten waren wir schon so gut wie sicher
im UEFA-Cup. Diese Tage waren schon wieder so peinlich, dass es tierisch
viel Spaß gemacht hat. Lust am Verlieren. Irre. Aber auch einige
Erlebnisse in der altehrwürdigen Gladbacher Nordkurve kann ich erzählen.
Es war die Saison 1993/1994, als mein damalige Mannschaftskollege René
Kautz in der Winterpause eine Borussia-Dauerkarte nachbestellte
- aber zwei geliefert bekam. Äußerst dankbar nahm ich
die Offerte an (Bochum spielte grad 2. Liga) und verfolgte die Highlight-Spiele
gegen Bayern München (mit Kaiser Franz auf der Bank) und Borussia
Dortmund. Das letzte Spiel, dass ich in diesem Stadion gesehen habe, war
das allererste von Bernard-Enatz "ich-hasse-den-Profifußball" Dietz
als VfL-Trainer - und, ich zitiere Achim Weber, den damligen Mittelstürmer:
"Bumms, haben wir das Ding 1:0 gewonnen". Am Ende stieg Bochum auf. Ich
liebe und hasse dieses Stadion. Für den normalen Fußball-Fan
ist es die Hölle. Weil die Kurven nicht überdacht sind, gibt
es NULL Akustik. Außerdem sind die Stehstufen so dünn und doch
supersteil, dass Dir bei jedem Torjubel ein Beinbruch droht. Aber dennoch
verbreitet der Bökelberg als einziges Stadion (neben dem Ruhrstadion
natürlich) diesen Charme des Fußballs vor dem Medienwahnsinn.
Genau hier erlebte die Borussia ihre goldenen Jahre, hier gibt es noch
genauso viele Steh- wie Sitzplätze, und genau hier spürt man
die gnadenlose Kommerzialisierung noch nicht bis in jeden Winkel. Nebenan
entsteht das Stadion im Nordpark. Überdacht. Groß. Schade. Auch
die Borussia beugt sich dem Zeitgeist.
Für alle, die sich
in NRW nicht so gut auskennen: Mit der Bahn dauert es von Mülheim
bis Mönchengladbach knapp über 60 Minuten. Umsteigen in Oberhausen,
in Düsseldorf, einen völlig zugeknallten Jamaikaner treffen,
der nur noch "motherfuckin´" und "d'you know what I mean?" rausbringt,
durch die Einkaufsstraße von Mönchengladbach laufen (Eickener
Straße heißt die), den Omnibusbahnhof bewundern (hat sich echt
verändert in den paar Jahren, die ich nicht mehr mit der Bahn dahin
gefahren bin). Nur eins ist noch gleich: Dieses Denkmal, das die gute alte
Zeit symbolisiert; mitten auf der Eickener Straße. Vogts, Netzer
und noch einer (Heynckes?), in Bronze gegossen. Heutzutage steckt Borussia
mitten im Abstiegskampf, obwohl sie einen ganz ansehnlichen Fußball
spielt. Der einzige Star ist der Trainer. Und beim Aufwärmen bekommt
Hans Meyer selbstverständlich den größten Applaus. Hans,
der schelmische, der witzige, der ironische - das Ziel eines jeden Sport-Journalisten
sollte es sein, einmal Hans Meyer interviewen zu dürfen. Wer weiß;
vielleicht komme ich auch mal in den Genuss. Etwa zweieinhalbtausend blau-weiße
sind mitgekommen, ich hab zwar Hunger, aber die "Borussen-Wurst"; nee...
muss doch nicht sein. Dirk von Gehlen aus München hat den Andi-SMS-Ticker
wieder fest gebucht. Die Vollidioten im Ultra-Umkreis schaffen es mal wieder
vortrefflich, den Zorn von fast allen VfL-Fans auf sich zu richten und
zwei Rauchbomben zu zünden; kurz vor dem Anpfiff. Ich weiß nicht,
was die damit bezwecken wollen. In irgendwelchen Hooligan-Kreisen gilt
man wahrscheinlich nur als cool, wenn man eine bestimmte Anzahl an Rauchbomben
auf seiner Strichliste eingetragen hat; in diversen Internetforen kommt
es dann zum verschriftlichten Ich-bin-toll-Orgasmus. Super, Jungs, echt
super. Ich beschließe, dass dies wohl oder übel zu einem Auswärtsspiel
dazu gehört - so richtig aufmerksam waren die Sicherheitskräfte
nur in Stuttgart. Vielleicht hätten sich die Polizisten nicht auf
der Eickener Straße (hab sie nicht gezählt), sondern im Stadion
aufhalten sollen (da habe ich keine gesehen). Aber ist ja auch völlig
egal; eigentlich wollte ich nicht über Polizisten reden an dieser
Stelle.
Eigentlich wollte ich auch
nie das Wort "typisch" in den Mund nehmen; aber jetzt muss ich es doch
einmal tun. Denn dieses Auswärtsspiel wird ein absolut "VfL-typisches".
Zumindest bis zur 85. Minute. Der Gastgeber - in diesem Fall Mönchengladbach
- bestimmt über weite Strecken das Spiel, liegt uneinholbar und verdient
in Führung und schaukelt das Spiel nach Hause. Genauso läuft
es: Okay, durch Christiansen zu Beginn der ersten und Buckley zu Anfang
der zweiten Halbzeit hätten wir jeweils in Führung gehen müssen,
aber sonst ist es ein gutes Spiel der Gladbacher. Das liegt nicht einmal
am bedauernswerten Christian Vander im Tor, der für Rein rein darf
(ein herrlicher Vorname für diverse Wortspiele). Der hält ganz
gut und zieht die "Vander-Vander"-Sprechchöre glatt auf sich. Aber
die Feldspieler? Delron Buckley verdient sich den Spitznamen "nimmdenraus".
Der spielt "wie eine Oma" (schönen Dank an dieser Stelle für
diesen Kommentar an den Typen, der hinter mir stand und geschätzte
100-mal die Worte "Wichser" und "Arschwichser" aufs Feld brüllte),
gewinnt keinen einzigen Zweikampf. Zum HEULEN. Meichelbeck hat auf links
Probleme mit Aidoo, unser Slawo kommt rechts offensiv gegen einen Amateur
namens Embers gar nicht zurecht. Ein ansehnliches Spiel ist es - wie ich
finde - trotzdem. Denn zwei Mannschaften mit etwa derselben Taktik (spielstark,
auf Konter, jeweils mit Viererkette und drei super-offensiven Spielern)
treffen aufeinander. Die Gladbacher machen ihre Aufgabe besser und erzielen
verdienterweise durch Igor Demo (57.) und Joris van Hout (59.) zwei blitzsaubere
Tore. Dazwischen vergibt van Hout eine weitere Riesenchance, so dass ich
- ganz im Gegensatz zum Stuttgart-Spiel - nicht den Kopf schüttle
und "unverdient" rufen will.
Nein, es geht total in Ordnung.
Ich überlege mir, dass ich diese 90 Minuten zum "schlechtesten Saisonspiel"
erheben werde, genau in diesem Text, und beneide die Leute, die sich schon
in der 70. Minute dazu entschließen, das Stadion zu verlassen. "Ihr
Aaaaaarschwichser" brüllt der Typ hinter mir - und verschwindet. Super,
wenigstens keinen Trommelfell-Riss heute Abend. Pidder Neururer wechselt
Reis, Hashemian und - ach Du liebe Zeit - Graulund ein, als ob das noch
was ändern würde. In der VfL-Kurve ist es sehr sehr sehr ruhig
geworden. Kein "Auswärtssieg"-Gebrülle, der Typ mit dem "Mein
Tipp - ihr steigt ab, wir: UEFA-Cup"-Schild hat dieses in 1000 Stücke
gerissen; aus Wut, Ärger, keine Ahnung. Torwart Vander tut mir leid.
Endlich mal wieder gehalten, und doch schon wieder verloren, als Hashemian
meine Depri-Stimmung durchbricht und das 1:2 erzielt. Okay, noch vier Minuten
zu spielen - aber nein, das würde doch gar nicht in mein VfL-Bild
passen. Das wäre doch kein typisches Auswärtsspiel. Aber was
ist schon typisch in dieser Saison? Unser Trainer Pidder erkennt die Chance
auf einen Auswärtspunkt und schickt die schwarze Wand Raymond nach
vorn, als Mittelstürmer. Alle Flanken fliegen auf den Schädel
des Schwarzeneggers der Innenverteidiger in der Bundesliga. Nur nicht in
der 92. Minute. Da passt Freier auf Colding, Colding auf - ja auf wen eigentlich
- und irgendwie flutscht die Kugel über die Linie. 2:2, ungeahnter
Torjubel, wie schon in Hannover
der erste Satz an die Gastgeber-Mannschaft: "Wie blöd muss man eigentlich
sein?" 85 Minuten gut gespielt, verdient 2:0 geführt, eine höhere
Führung verpasst - und dann das. Hihi.
Schnell noch ein paar Fotos
schießen, und die Frage nach dem Torschützen beantworten lassen.
Ja, es war Peter Graulund, der sympathische Däne. Hätte ich die
Augen zugemacht und mich gefragt: Wem würde ich dieses Tor am meisten
wünschen? Peter Graulund wäre meine Antwort gewesen. Es gibt
noch Märchen im Fußball. Auf dem Weg zurück zum Bahnhof
brüllen zwei Bochumer Fans "Ihr seid Scheiße wie der S´04".
Das findet ein zwei Meter vor mir laufender Gladbach-Hool gar nicht komisch
und verpasst einem einen Karate-Tritt. Den Polizisten einen Meter rechts
neben sich hatte er übersehen. "Wie blöd muss man eigentlich
sein?" lautet erneut meine Frage. Ich gönne Gladbach den Klassenerhalt.
Wirklich. Aber werdet bitte ein bisschen cleverer. In der Bahn beschweren
sich die Zuschauer lauthals über den Schiedsrichter, der zwei Minuten
nachspielen ließ. Also an Herrn Fleischer lag es nun wirklich am
allerwenigsten. Beide Tore waren vollkommen korrekt erzielt. Scheckt doch
einfach, dass ihr VIIIIIIEL ZU BLÖD wart, um den Sieg bei Euch zu
behalten. Wenn Ihr keine drei Punkte wollt, nehmen wir halt einen mit.
Punkt.
Seit dem Spiel ist ein Tag
vergangen. Entgegen meinen ursprünglichen Gepflogenheiten habe ich
diesen Text erst am Tag "danach" verfasst. Doch bevor ich den Computer
anfasste, musste ich erst meinen Kleiderschrank durchwühlen. Die Mottenkiste
steht noch; und das Peter-Graulund-Trikot ist noch unversehrt. Ich werde
es mal wieder anziehen.
Tage wie dieser; diesmal
ohne Fotos
Dat kannze abhaken
Es war, als hätte Peter
Neururer der gesamten Mannschaft um 15.25 Uhr nicht den letzten motivierenden
Rat mit auf den Weg gegeben, sondern das Lied "Tage wie dieser" von den
Sportfreunden Stiller vorgespielt.
- tage wie diesen hier gibt
es wie sand am meer, nichts läuft wie ich es wollte. sie geben nicht
viel her, außer frust, keine lust auf nichts mehr, nichts klappt,
wie es sollte.
Es gibt solche Tage, all
ihr meine neugierigen Freunde, da spielt Fußball und der VfL selbst
für mich die zweite Geige (weshalb mich diese Niederlage auch nicht
sonderlich juckt, soviel sei vorweg erwähnt). Doch das gehört
nicht auf diese Homepage... interpretiert selbst... Wenn ich gewusst hätte,
dass ein Gespräch mit Mülheimer Fußball-Schiedsrichtern
auf dem Hinweg im Regionalexpress der spannendste Moment dieses Nachmittags
werden sollte, eines wetterbedingt auch noch verdammt trüben, womöglich
hätte ich mir die Premiere-Konferenz angeguckt. Aber neeeeeein, es
geht gegen Arminia Bielefeld, die an dieser Stelle schon viel gerühmten
"Ostwestfalen-Idioten"
(ich verweise an das denkwürdige Spiel im April), da ist doch
noch eine Rechnung offen von eben jenem 0:3. Bielefeld hat auswärts
noch nicht gewonnen, wir sind eigentlich noch recht gut drauf - eine klare
"1" bei Oddset und Betandwin; ein bissken Fußball gucken im guten
alten Ruhrstadion - und Du kannst vorher ja nicht wissen, wie scheiße
es eigentlich läuft.
Und es läuft scheiße.
Es ist nichts drin.
Schon während der ersten
Halbzeit stellt ein Rentner, der bestimmt noch Jupp Kaczor und Heinz-Werner
Eggeling in seinen ihren Tagen bewunderte:
- Dat kannze abhaken.
Heute kein Punkt. Und wieder
ein 0:3 gegen Arminia Bielefeld. Da lohnt es sich nicht einmal, ein Foto
auf diese Homepage zu stellen, für dieses beschissene Spiel.
Von Beginn an läuft
einfach alles schief. Das Mikrofon von Stadionsprecher Bernd Wolter hakt
ausgerechnet während der Mannschaftsaufstellung. Bereits in der 3.
Minute köpft Benjamin Lense (noch nie gehört) nach einer Standard
das 1:0 für Bielefeld. Dazu greift die "Bolzer-Truppe" (Zitat Rentner)
superfrüh an und bringt uns völlig aus dem Konzept. Nur eine
Chance steht in Halbzeit eins in einem bescheidenen Spiel zu Buche, doch
die verkloppt Christiansen.
2. Halbzeit, auf die eigene
Kurve; wird doch wohl besser laufen. Weit gefehlt. Keine sechs Minuten
sind um, da boxt sich der Vander das Ding ins eigene Tor, 0:2 ("Tage wie
dieser" halt). Der arme Kerl hat sowieso einen schweren Stand in der VfL-Kurve,
und solch ein krummes Ei erhöht sein Standing nicht grad. Schon jetzt
verabschieden sich einige mit den Worten "Den Scheiß guck ich mir
nicht mehr länger mit an" Richtung Ausgang. Doch diese verpassen noch
einige Torchancen, wie zum Beispiel einen Handelfmeter, den Thomas "ich-hätte-heute-drei-Stunden-spielen-können"
Christiansen verschießt. Hain hält zugegebenermaßen zweimal
riesig, vor allem der Nachschuss war eigentlich nicht mehr abzuwehren.
Drei Minuten später hat der Christiansen noch einmal das 1:2 auf dem
Schlappen - und nagelt die Kugel gnadenlos an den Querbalken. Wäre
das 1:2 gefallen, dann vielleicht... keine Konjunktive, Andi, keine Konjunktive.
Momo Diabang schließt einen Konter letztendlich zum 3:0 ab, und während
ich diesen Text schreibe, höre ich Werner Hansch resümieren:
"Das Ergebnis ist ein Witz, aber der Sieg für Bielefeld verdient."
Und es ist immer noch trübe draußen. Der Liga-Alltag hat mich
und uns wieder, nur noch auf Platz zehn. Olé olé!
All ihr Vanders, Christiansens,
Wosz', Freiers (Super-Spruch nach dem Spiel in SAT.1: "Das ganze Spiel
können wir total in die Tonne kloppen"), Kallas, Graulunds undundund,
setzt Euch zusammen, hört die Sportfreunde Stiller.
- tage wie diesen hier gibt
es wie sand am meer, nichts läuft wie ich es wollte. sie geben nicht
viel her, außer frust, keine lust auf nichts mehr, nichts klappt,
wie es sollte.
Hört es, vergesst dieses
Lied, und holt in Hamburg mal wieder ein paar Punkte. Auf Abstiegskampf
habe ich dieses Jahr keine Lust.
Cheerleader wofür? Die Stimmung machen wir!
Fröhliche Weihnachten
Liebe Leute; es ist an der
Zeit, melancholisch zu werden; mal wieder, mal wieder an dieser Stelle;
mal wieder und überhaupt. Zum letzten Mal im Jahr 2002 betrat ich
heute das Ruhrstadion; und von Sekunde zu Sekunde, von Minute zu Minute
kristallisierte sich heraus, dass das Jahr 2002 nach 1997 das zweitgeilste
in meinem VfL-Leben war. Aufstieg, sehr viele Tore, sehr viele Siege, sehr
viele Auswärtsfahrten; glücklicherweise gibt es mein VfL-Tagebuch;
das eignet sich zweifellos prima zur Selbstreflektion; Eigen-Psychoanalyse
- oh ja, war das spitze. Unvergessen die Momente beim Heimspiel Ende
April gegen Union Berlin, als Fränkie Fahrenhorst in der Nachspielzeit
das 2:1 köpfte; unvergessen das Aufstiegsspiel
im trüben Aachener Regen; ja, und nicht zuletzt die Traumwochen
als Tabellenführer nach den Spielen gegen Cottbus
und in Leverkusen... viel erlebt
2002; und alles fing doch in Oberhausen
so bitter an..... weiter im Text siiiiiiiehe...
... UNTEN ... und das
ist genau hier! Wo war ich stehen geblieben? Ach so, beim Jahresrückblick!
Hätte nur noch ein Knaller-Heimspiel zum Abschluss gefehlt, gegen
Bayern, Dortmund oder Schalke; und wer kommt dann? Der TSV München
1860, einer von den Vereinen, bei denen Du Dich Woche für Woche fragst,
was die eigentlich genau in der Bundesliga zu suchen haben. Oh ja, zu früheren
Zeiten, im Stadion Grünwalder Straße, da hatte der Verein noch
einen gewissen unverwechselbaren Charme. Aber seit dem Umzug ins Olympiastadion?
Wer ist schon achtzehnhundertsechzig? Unser Gegner heute; aber die erstmaligen
"Berlin, Berlin - WIR FAHREN NACH BERLIN"-Rufe und das von den Spielern
hochgehaltene Transparent "Danke für die Unterstützung 2002 -
FROHES FEST!" sorgen trotz 1860 für eine vorweihnachtliche Atmosphäre.
Jeder Fan, wirklich jeder, ist dankbar für das, was er mit dem VfL
in diesen zwölf Monaten erlebte.
Denn mal rein ins Geschehen,
denn heute gabs noch ein Erlebnis drauf...
... fängt an mit der
Deutschen Bahn AG, die irgendwie auch zu diesem Fußball-Jahr dazugehört;
so allmählich mache ich diesem Unternehmen keinen Vorwurf mehr über
Fehler in der Führungsetage; denn warum sollen diese Personen für
solch dumme Kunden schlaue Entscheidungen treffen? Da setzt die Bahn EXTRA
in der Vorweihnachtszeit Sonderzüge ein, die meinem geliebten Regionalexpress
zur Entlastung vorgeschaltet werden (und folglich auch schneller sind),
und keiner merkts. Der Schaffner lacht sich scheckig, und ich hab einen
Wagen für mich allein... aber über die Bahn wollt Ihr ja eigentlich
gar nichts hören, gell? Weiter im Text... damit Ihr ungefähr
wisst, wie ich grad aussehe bei gefühlten plusminusnull Grad... meine
blaue Fußball-Jeans an, dazu einen vergammelten Pullover (keine Jacke,
es steht ja kein Minuszeichen vor der Temperatur), ein blau-weißer
VfL-Schal und (Heimpremiere!) meine VfL-Pudelmütze...
sieht bestimmt ganz schön schäbig aus; aber is ja nur Fuppes!
Denn mal rein ins Geschehen;
und ach, alle meine lieben Schäfchen sind gekommen! Der Mirko-Typ!
Für heute habe ich mir ganz fest vorgenommen, ihn nach seinem Vornamen
zu fragen, und als er seine Dauerkarte ins Portmonee steckt, kann ich fast
lünkern, aber... yes, ich schaff es, mir auf die Zunge zu beißen
- er bleibt "nur" mein namenloser Stadionkumpel. So allmählich würd
ich die Leute, die um mich rum stehen, auch bei Edeka um die Ecke grüßen.
Keine Ahnung, wie ich das machen soll, wenn ich gegen Bayern mit 50 Freunden
im Stadion auflaufe; jeder hat doch seinen angestammten Platz!?! Eine Nikolausmütze
hier, eine Pudelmütze dort; die Spieler halten - siehe oben - das
Transparent hoch, und ab die Post!
- Mein Gott, sehen die Trikots
von denen scheiße aus
ruft einer von den Typen
neben mir, der geschätzte zweimal pro Spiel einen Schreikampf bekommt
und ganz im Alleingang ein lautes "V-f-L"-Stakkato anstimmt und fügt
hinzu:
- Ich dachte, solche Scheiß-Trikots
ziehen nur Torhüter an. Haben die elf Torhüter auf dem Platz?
Orange "Sweater"... wenigstens
eine 1860-Eigenheit!
Kein Thema, dass wir zweimal
hintereinander zu Hause "zu Null" verloren haben; kein Thema, dass Wosz,
van Duijnhoven, Buckley und Tapalovic fehlen; alles kein Thema; das ist
doch nur Sechzig. Kein Thema, auch nach dem 0:1 durch Benjamin Lauth in
der 15. Minute. Niederlage kein Thema, auch nachdem Kalla zweimal ganz
böse patzt ("Hilfe!", schallt es aus allen Seiten der Kurve; "für
den is datt wohl zu kalt"; help me, diese Vorurteile; "Gib dem Kalla mal
ne lange Hose!" - bitter...). Geht schon irgendwie gut. Naja, je länger
die erste Halbzeit dauert, desto trister wirds, kaum Stimmung. Wird das
geile Jahr 2002 so enden?
Nein, natürlich nicht,
denn es gilt doch noch eine Idee von Werner Altegoer und seinem Vorstandsrest
zu bewundern; die "Stationettes". Also eine 45-köpfige (!!!) VfL-Cheerleader-Gruppe.
Solltet Ihr alle meine Texte gelesen haben, dann müsstet Ihr wissen,
wie ich zu sowas stehe: ablehnend! Über Maskottchen und Cheerleader
kann ich eigentlich nur lachen, alles reiner Merchandising-Scheiß,
der die nicht stimmungsgewaltige Fankurve übertünchen soll. Hui,
und jetzt gehts ab. Das ist die mit Abstand stimmungsvollste Halbzeitpause
meiner VfL-Karriere! Denn es scheint auch kluge Köpfe bei den "Ultras"
zu geben. Gegen Ende von Halbzeit eins verteilen sie schrille Pfeifen,
am Anfang der Pause rollen sie ein großes Transparent aus ("CHEERLEADER
WOFÜR? DIE STIMMUNG MACHEN WIR!"). Zuerst wollen es die Security-Typen
einrollen lassen, aber nein, sie lassen es hängen... die armen Mädels
laufen schließlich bei der Schweinekälte ein, tanzen in Richtung
Haupttribüne - und siehe da... die Stimmung ist total geteilt. Die
eine Hälfte klatscht, so auch der Schreihals neben mir, was ihm ein
schräges "Ey hör auf zu klatschen... Du willst doch nur wackelnde
Möpse sehen!" einbringt. Die andere Hälfte pfeift den ganzen
Auftritt sowas von in Grund und Boden, dass mein Trommelfell jetzt noch
schmerzt. Bin mir sehr sicher, dass davon nichts in der Presse stehen wird,
aber als die Ultras "FUSSBALL! FUSSBALL!" anstimmen, befürchte ich
kurzzeitig eine Massen-Schlägerei in der eigenen Kurve... ruckzuck
ist der Auftritt dann aber vorbei und sind die Mädels verschwunden;
und der "Steuersong"-Satz "Das ist ja das Geile an der Demokratie!" fällt
mir ein; denn die ach so geteilte Stimmung schlägt um in Versöhnung
und in gnadenlose Unterstützung für die eigene Mannschaft. Seit
dem Aachen-Spiel bin ich nicht mehr
so heiser; und "Mirko" und ich stellen schon früh fest: "Also wenn
die das verlieren, sind wir nicht schuld!" Klasse-Stimmung, und menschdumeinegüte,
zu einem Tor reicht es noch. Thomas Christiansen köpft das 1:1 in
der 76. Minute, aber mehr will nicht fallen. 23 Punkte nach dem Ende der
Hinrunde; nennt mir einen VfL-Fan (außer mir... *hüstel*), der
vor der Saison ernsthaft daran geglaubt hätte!?!
Denn mal raus...
aus dem Geschehen...
ein kurzes "Frohe Weihnachten
Jungs" in die Runde, letztmals 2002 die geliebte Phosphatstange-Pommes-Schranke
im City-Grill - letztmals für fünf Wochen über verpatzte
Tipps bei betandwin.de ärgern. Man sollte meinen, nach 213 Spielen
würde es leicht fallen, eine fünfwöchige Pause zu beginnen;
aber ich fange schon jetzt, keine drei Stunden nach dem Abpfiff, an, die
ganze Scheiße zu vermissen.
Darf ich mir noch was für
2003 wünschen? Bittebitte den Klassenerhalt so schnell wie möglich;
bittebitte das DFB-Pokalfinale in Berlin, da würd ich jeden Preis
für zahlen; und dann bitte die Teilnahme am UEFA-Cup! Oh ja, das wärs!
Dazu noch ein paar Auswärtsfahrten, viele Tore und warme Gedanken,
wenn "Bochum" kurz vor dem Anpfiff über die Lautsprecher ertönt!
Wünsche Euch allen
frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!
Auf ein gutes neues Jahr!
Der Fußball-Junkie kehrt zurück
Von ... einem Weltstar
Entzug ist eine schlimme
Sache. Ich habe keine Ahnung, was Alkoholkranke oder Drogenabhängige
für Höllenqualen durchleiden müssen - und dieser Vergleich
hinkt an dieser Stelle auch ein wenig; aber trotzdem, und in aller Deutlichkeit
sei noch einmal wiederholt: Entzug ist eine schlimme Sache. Zwischen dem
letzten Text aus dem Jahr 2002 und diesem hier liegt vielleicht eine Bildschirmlänge
- aber auch eine Zeitspanne von fast einer Dekade! Ein Monat und zehn Tage
Fußball-Pause - das ist doch wirklich zuviel verlangt von einem Fußball-Junkie.
Jaaaaa, ich sauge diese Spiele auf, jede einzelne Minute ist wie ein kleiner
Spritzer Drogen direkt in die Vene. Leute da draußen: Lasst die Finger
von dem Teufelszeug und kommt mit zum Fußball. Es ist ein Trip, ein
Höhenflug, den Du zuerst nur einmal kurz mitbekommst, und dann immer
wieder erleben willst. Und wenn der Spielplan Dich weihnachtspausenbedingt
auf die Zuschauer-Ersatzbank verbannt, dann fängt es an... dieses
unkontrollierte Entzugs-Zittern, die Depression, diese Traurigkeit. Doch
dann.... dann sind es nicht mehr viele Tage bis zum Comeback. Bis der Dealer
mit dem Stoff kommt, bis Du Dich bereit machst für den nächsten
Trip. Sag ja zum VfL!
Der Fußball-Junkie
ist zurück!
Meine Augen muss ich zusammenkneifen,
als die U-Bahnlinie 308 aus dem Schacht tuckert, das Ruhrstadion auf der
linken Seite erscheint, und der Bahnfahrer die Bremse schon ganz langsam
betätigt. Die Sonne scheint grell, und ach, hätte ich doch meine
Sonnenbrille eingepackt. Es ist der 25. Januar, aber ein sehr schöner
Wintertag, und ich bin wieder hier. Zu Hause. War nie wirklich weg. Wenn
diese verdammte Pause nicht wär. Mein Revier. Metropolenartig wie
in einem von Lachsen gefüllten Stromschnellenbach (also wenn das Bild
nicht schief ist...) zieht es Tausende in Richtung Stadion. Gesichter.
Viele Gesichter. Nimmst kein Geräusch mehr wahr. Dauerkarte abstempeln
lassen. Bitte sehr. Eine Bratwurst bitte. Danke sehr. V-F-L, V-F-L... die
Kurve... hat sich nix verändert, 14 Uhr, noch anderthalb Stunden,
huch, noch gar keiner da. Das ist der Vorteil am "Alleinreisen" - von keinem
abhängig sein, hinfahren, wann man will, schööön. Im
Zeitraffer ließe sich schön darstellen, wie sich das Stadion
füllt, dann schließlich läuft "Mein VfL", bis die drei
goldenen Worte ertönen: "Tief im Westeeen......" - und als hätte
Steven Spielberg persönlich Regie geführt, verschwindet die Sonne
hinter dem Flutlichtmasten und verdunkelt für einen Moment das Stadion.
Flutlicht-Finsternis. (Mensch,
schon so viele Zeilen geschrieben? Entschuldigt bitte, fällt mir auch
jetzt erst auf... aber das erste Spiel nach einer langen Pause ist für
jeden Fußballfan ein emotionales Top-Ereignis, in der Gefühlsskale
bei geschätzten 9,8 auf der Manolo-Skala!)
Flutlicht-Finsternis. Hach
wie schön...
... aber dennoch sollte
ich den Stundenzeiger noch einmal zwei Umdrehungen rückwärts
verfrachten, bei aller Fußball-im-Ruhrpott-Romantik! Der Weg zum
Bahnhof. Vibration in der Hosentasche. "Hallo Andi, Didi hier". "Ach Didi,
Junge (er ist zwischen 40 und 50 und ein Ex-Fußball-Trainer von
mir...), wie isset?" "Juut. Hömma bisse heute auch in Bochum?"
"Ja sicher..." "Hömma ich steh inne Nürnberger Fankurve. Willse
mitfahren?" "Nee, fahr mit der Bahn!" Hurraaa, Fußball, dann auch
noch so ein Knaller-Heimspiel gegen den 1.FC Nürnberg (ein todsicherer
Tip bei ODDSET, aber auf mich hört ja keiner), so ein Wochenende könnte
kein schöneres Highlight haben. Schal um. Regionalexpress. 308. Siehe
oben. Lachse im Stromschnellenbach.
Oh man, ich Romantiker schweife
wieder ab...
Schon oft habe ich Euch
an dieser Stelle um die Ohren gehauen, dass jedes Spiel seine Eigenheiten
hat. Manche ergeben sich während des Spiels, manche kennt der Fußball-Fan
schon vorher, bei manchen stellt er erst ein Jahr später fest, dass
es eine Eigenheit hatte. Was wird das wohl heute sein? Oh ja, richtig,
es gibt einen neuen Stadionsprecher. Mirko Heinze soll der heißen,
der wird bestimmt keine Scheiße bauen. Die paar Namen durchsagen
ist nicht so schwierig. Der Schindzielorz hat bekannt gegeben, dass er
am Saisonende den Verein verlässt. Ist er zwar selbst schuld (ich
hätte an seiner Stelle den Vertrag verlängert und in einem Jahr
ne Ausstiegsklausel einbauen lassen; in Bochum wächst schließlich
was, und er ist 100-prozentig Stammspieler und Leistungsträger, aber
bitte, wenn´s ihm um mehr Kohle geht!). Aber ich pfeife den nicht
aus. Die anderen auch nicht, soviel höre ich schon raus.
"Mein VfL", "Bochum" - hach,
zart wie ein Kuss aus dem Lautsprecher und so leise wie eine geflüsterte
Liebeserklärung (Lautsprecheranlage kaputt...). Aufstellung
Mit der Nummer viiiiiiier
... Suuuundayyyy
OOOOOOLISEEEEEEHHH!
Da wäre doch noch was!
Ein Weltstar in Bochum!
"So ein Weltklassemann hat
noch nie beim VfL gespielt", verkündete Peter Neururer in allen Interviews,
und für alle Blau-Weißen ist es doch sehr ungewohnt. Grazienhaft
stolziert er auf den Platz, joggt sofort in die Fankurve, klatscht in die
Hände. Artige "Sunday"-Rufe zurück. Die Weltspitze in Bochum.
Manmanman. "Sonntag ist ein geiler Vorname. Also ich rufe den nur Sonntag",
rufe ich meinem namenlosen Stadionkumpel zu. Der namenlose Stadionkumpel?
Erinnert Euch und blättert in den früheren Berichten auf dieser
Seite.... schaut vor allem bei den Heimspielen nach ...... zumeist tauchte
er unter dem Namen "Mirko" auf ...... und meist verband ich damit das Argument
"es gibt Leute, die trifft man nur im Stadion. Da weiß man nicht,
wie die heißen, was sie tun, einfach nur nebeneinander stehen und
fachsimpeln." Das gibt es auch wirklich noch, und er ist noch immer namenlos,
aber es ist soweit gekommen, dass er JETZT vermutlich genau DIESE Zeilen
lesen wird. Denn inzwischen weiß ich, dass er als Richter arbeitet
(sieht er wirklich nicht nach aus) und er kennt diese Homepage-Adresse.
Daher
ein paar persönliche Worte: N'abend! Ich hoffe, Du hast Dich schon
ein bisschen durchgewühlt durch die ganzen Tagebuch-Einträge,
denn relativ regelmäßig haben wir nebeneinander gestanden. Sei
nicht böse, dass ich Dich mal Mirko getauft habe. Irgendwie musste
ich Dich ja umschreiben. Beim nächsten Mal verrätst Du mir auch
Deinen Vornamen, damit Du nicht der namenlose Stadionkumpel bleibst!
Dies ist der Text, in dem
ich am meisten vom Fußball abgeschweift bin. Diesmal ist der "Fußball-als-Droge-Trip"
so schlimm, dass ich alle Regeln eines vernünftigen Tagebuch-Eintrags
breche.
Wo war ich stehen geblieben?
Mirko?
Fußball-Romantik?
Neeein, beim WELTSTAR!
Sunday Oliseh spielt wirklich
mit, läuft auf mit der Nummer vier. Und wer ist überhaupt der
Gegner? Ach der 1.FC Nürnberg spielt gar keine Rolle. Die Sprechchöre
zielen auch gar nicht wirklich auf den "Club" ab, vielmehr haben alle 20.000
Bochumer die drei Punkte schon fest gebucht. Aber so ein Weltstar in der
Mannschaft... das verleitet uns alle zum Zungeschnalzen. Nahezu jeder Ballkontakt
von Sonntag wird mit "Ein Weltstar-Pass", "Eine Weltstar-Grätsche"
oder "Kuck ma, ein Weltstar-Schuss" begleitet. Es ist doch etwas anderes,
ob so ein Typ beim BVB einer von vielen oder beim VfL DER EINE ist. Genauso,
als wenn Gerhard Schröder abgewählt und dann Oberbürgermeister
von Mülheim werden würde. Sunday guckt, läuft, grätscht,
und schießt. Ein Weltstar eben. Unser Held der Hinrunde, unsere kamerunische
Wand Raymond Kalla, ist fast schon ein wenig out, und bekommt kaum einen
Sprechchor ab. Ein Kerl hinter uns ruft stets "Kalla, heb die Hand" - das
ist wirklich zu einer Art Lieblingsbeschäftigung geworden. Vor lauter
Handheben (um damit einen Abseits- oder Foulpfiff zu fordern) vergisst
der gute Raymond auch schon mal das Fußball spielen. Und froh sind
wir alle, dass wieder ein RICHTIGER Torwart im Tor steht. Nix gegen den
Vander, aber das ist doch ein völlig anderes Gefühl, wenn der
van Duijnhoven zwischen den Pfosten steht.
Ein Weltstar schießt
... auf die Latte ... Gegenzug, ein Fahrenhorst wird zum (Zitat von ALLEN
Fernsehsendern) Ge-fahrenhorst, patzt, 0:1 durch Kakao (der heißt
so, wird aber etwas anders geschrieben, nämlich C A C A U). "Gerad
noch gelobt, jetzt schon wieder schlecht", sagt der Richter. Und aus der
Kurve schallts wie lang nicht: "Maaaaaaaaaan, der FAAAAAAHRENHORST!!!!"
Doch das macht unsere Jungs heiß. Zwei Minuten später. Ecke
Wosz, wunderschöner Kopfball Christiansen, 1:1. Zwölftes Saisontor.
Fünf Minuten später wird es so schön, dass ich heulen könnte
vor Fußball-Ästhetik. Der FCN in der Vorwärtsbewegung,
Sonntag grätscht, der Ball kommt zu Wosz, Konter läuft, langer
Pass auf Buckley, der läuft läuft läuft über die linke
Seite, flankt auf den langen Pfosten, da steht Slawo Freier, umkurvt Petkovic
und lupft das Leder über Kampa hinweg zum 2:1 ins Netz. Schulbuchmäßig.
Der Weltstar bittet zum Tanz. So macht Fußball Spaß. Nachlegen,
einer geht noch rein, oh wie ist das schön. Und den Schindzielorz
pfeift keiner aus. Auch nicht mehr wirklich die Cheerleader, die in der
Halbzeit den Rasen betreten. Übrigens erst drei Minuten vor Wiederbeginn
des Spiels, keine Ahnung, wer sich diesen Zeitplan ausgedacht hat. Übrigens
auch - um mal wieder einen für diesen Text typischen Gedankensprung
einzubauen - keinen Schimmer, wer auf die Idee mit dem vierten Schiedsrichter
gekommen ist. Der hat sich wirklich die ganze Zeit nur am Sack gespielt.
Das hätte ich auch
tun sollen in Halbzeit zwei. Denn da ist unser Spiel einfach nur noch Mist.
Nürnberg hat den Ball, nahezu pausenlos, und wir verlassen uns auf
unsere Deckung. Das ist eigentlich noch nie gut gegangen, aber heute. Puuh,
da wird tief durchgeatmet! 2:1 gewonnen, drei Punkte eingefahren, nett
unterhalten, am Ende gut gezittert, okay, es regnet jetzt, aber der City-Grill
und die Currywurst entschädigen. Der Fußball hat mich wieder.
Weltstars unter sich (um mal überheblich zu werden).
...
..
.
Die Wirkung der Droge lässt
nach.
Aber in anderthalb Wochen,
beim Pokalspiel gegen Kaiserslautern gibts den nächsten Trip.
Und beim Pokalfinale, wenn
wir´s erreichen, droht der "goldene Schuss"...
Mirko heißt Gerd und Sam war bei den Backstreet Boys
Es tut immer noch weh
- Es tut immer noch weh,
weil nichts mehr geht. Unser Pech: zuviel Glück stand uns im Weg.
Wenn es noch eines Beweises
bedurfte, dass Liebeslieder auch auf Fußballspiele anzuwenden sind,
wie dieses von Rosenstolz: Hier ist er.
Fünf Schüsse.
Fünf Schüsse entfernt vom großen weiten Fußball-Universum.
Fünf Schüsse noch. Und dann noch ein einziges weiteres Spiel
bis zum unvergesslichsten Moment meiner VfL-Karriere, dem Finale in Berlin.
Fünf Schüsse bis zum lautesten Jubelschrei ever heared. Fünf
Schüsse. Nur fünfmal eine runde, mit Luft gefüllte Leder-Kunststoffkugel
in ein 7,32 Meter breites und 2,44 Meter hohes Gehäuse bugsieren.
Irgendwie. Noch fünf Schüsse.
Es ist kalt, und schon 120
Minuten liegen hinter mir und noch 22.100 Volldeppen, die Mittwochabends
nichts Besseres zu tun haben als sich ein Fußballspiel zwischen dem
Tabellenachten und dem Tabellenletzten der Bundesliga anzuschauen. Eigentlich
ne Sache für ne Handvoll Fans auf nem Ascheplatz, aber das Etikett
DFB-Pokal verleiht dem Ganzen einen unvergleichlichen Charme. Sogar so
viel Charme, dass keine Sau erklären kann, warum das Fernsehen Bayern
gegen Köln gezeigt hat (spätestens nach dem 3:0 in der 10. Minute
haben bestimmt 75 Prozent der TV-Zuschauer umgeschaltet) und nicht VfL
gegen FCK. Viertelfinale. Bemühe die Statistik: Hab bisher vier Spiele
Bochum gegen Kaiserslautern gesehen. Alle vier hat Kaiserslautern gewonnen.
Ich sollte nicht hingehen.
Und mache es doch. Mit Person
Nummer 41, die mich zu einem VfL-Spiel in die Ostkurve begleitet: Mein
guter Freund Helmut Kantner kommt mit; eigentlich ein MSV-Fan (er hat sogar
den blau-weißen Zebra-Schal an, aber unter der Jacke fällt das
nicht auf). Aber da es an der Wedau weder ein schönes Stadion, noch
attraktive Spiele noch Erstliga-Fußball zu sehen gibt, packt ihn
die Lederball-Sehnsucht und das Ruhrstadion lockt. Für die fantastische
Bochumer Bratwurst kann ich ihn zwar nicht begeistern, aber mit den Jungs
im Block P, halbhoch hinter dem Tor, kann er sich direkt anfreunden. Da
sind sie alle versammelt, vor allem Gerd und Sam. Gerd? Noch nie gehört?
Oooooh doch, habt Ihr! Denn Mirko heißt jetzt Gerd. Schaut nach beim
Nürnberg-Spielbericht:
Der von mir Mirko getaufte namenlose Stadionkumpel blätterte tatsächlich
auf dieser Homepage - und offenbarte sich per e-Mail als Gerd! Nun
muss ich mir zwar einen neuen namenlosen Stadionkumpel suchen, aber es
ist wirklich sehr nett, nun den richtigen Namen zu kennen. Und Sam? Wer
ist Sam? Keine Ahnung, in welchem Spielbericht es genau war, aber irgendwann
erwähnte ich einen Afrikaner, der auch immer bei uns steht. Genau,
eben Sam. Allerdings ist er kein Afrikaner, sondern Amerikaner, und - HALTET
EUCH FEST - er war bei der 1997-er-Deutschland-Tour der Drummer der Backstreet
Boys.
- Hätte es selbst nicht
geglaubt, wenn ich es nicht gesehen hätte
erstaunt mich Gerd. Wahnsinn,
was für Leute man im Stadion kennengelernt. Nebeneinander ein Richter
(Gerd), ein Jurist, Amerikanologe und Drummer (alles Sam), ein Sportlehrer
(Helmut), ein Journalist (me) - ja und nicht zuletzt ein promovierender
Germanist (Thommy). Mein Bruderherz hat zwar mal wieder Verspätung,
trifft aber noch pünktlich zum Anpfiff ein. Gemeinsam harren wir der
Dinge, die da kommen mögen, im dicksten Proleten-Pulk. So viel Publikum
ist Helmut gar nicht mehr gewohnt... ist im Ruhrstadion eben doch ganz
anders und viel besser als zu Hause vor dem Fernsehschirm..
Pokal. Böse Erinnerungen.
Will mal nach Berlin. Hab mir den 31. Mai schon vorsorglich freigenommen.
Das würde die komplette deutsche Fußballszene konterkarieren.
Unser kleiner VfL Bochum im Pokalfinale. Vielleicht gegen die großen
Bayern. Ja und vielleicht noch ein Sieg. Sobald "The final countdown" läuft,
springe ich im Achteck, sobald "we are the champions" ertönt, ertappe
ich mich beim Pokalklau in der Bochumer Geschäftsstelle. Viertelfinale.
Der 1.FC Kaiserslautern kommt. Ein Trümmerhaufen-Verein, der so viele
Schulden hat, dass das Zahlensystem bald erweitert werden muss. Da sind
die "Finanzamt - o-ho - Finanzamt - o-ho-ho-ho"-Rufe aus unserer Kurve
nicht nur kreativ, sondern auch äußerst zutreffend. "Ein Freilos"
habe ich dieses Spiel getauft. Noch 90 Minuten bis zu einem überzeugenden
Sieg.
- Ich hab auf Bochum getippt,
verrät Helmut, warum sein Herz in diesem Spiel auch mal für die
richtige blau-weiße Mannschaft schlägt
- Ich hab ne Verabredung
nach dem Spiel. Darf also keine Verlängerung geben, ergänzt Thommy.
Na und die VfL-Jungs wollen
die beiden doch nicht enttäuschen. Fahrenhorst, 6. Minute, 1:0 für
uns. Gestern haben die Bayern den FC Köln mit 8:0 weggefegt, wär
doch geil, wenn uns das auch gelingen würde. NUR NOCH NEUN!!! Das
hat der Ultra-Typ mit dem Megaphon auch gescheckt (also die Jungs und ich
finden den Typen immer noch eher lächerlich) und stimmt "Lautern,
Lautern, zweiiiiite Liga"-Rufe an. Formsache.
Formsache? Hoppla. Lautern
kann Fußball spielen? Unsere Jungs nehmen das zu locker? AAAAAAAAAAAAccccccchtung,
der Lokvenc; ja schlafen die denn? 1:1 in der 18. Minute. HAAAAALLLOOO
WACH!!! Jungs, das ist DFB-Pokal! Nicht nur wir wollen den Pokal! Ihr doch
hoffentlich auch, oder? Nicht? Wieder Lokvenc, 22. Minute; 1:2!!!
1:2!!!
Kann alles nicht wahr sein.
So optimistisch gewesen. Und jetzt? Martinhatdengeilstenschussderwelt Meichelbeck
geht, Thomas Reis kommt. Gerd und ich wollten ja immer, dass der auf der
linken Seite in der Kette spielt (remember: die alten UEFA-Cup-Tage), aber
neeein, Pidder Neururer setzt lieber auf die defensivstärkere Variante.
Wenn er meint... aber der Reis ist vorn besser. Kaum ausgesprochen, schlägts
ein zum 2:2. Torschütze? Reis! Würden die Experten doch häufiger
mal die Ostkurve um ihre Meinung bitten. Dass es völlig unverdient
ist, weil die Lauterer aus irgendwelchen Gründen doch vor den Ball
zu treten imstande sind, wen juckt das schon?
- Hab alles richtig gemacht.
Gute Stimmung, ein tolles Spiel, viele Tore, frohlockt Helmut - und ich
stimme ihm zu.
Naja, so wirklich gut ist
das Spiel in den restlichen 55 Minuten aber nicht mehr. Unterbrochen von
einer cheerleadergefüllten Halbzeitpause (die Ostkurven-Stimmung bleibt
wohl so lange gespalten, bis die Mädels wieder vom Rasen verschwinden)
liegt die Unterhaltung in der Spannung, die Spannung in der Unterhaltung.
Ihr könnts Euch schon denken. Gerd. Sam. Backstreet Boys. Helmut.
Wetten. Thommy. Und zwischendurch:
V - F - L !!! V - F - L
!!!
Je näher das Ende rückt,
desto mehr zittert Helmut. Schiri Wack schaut auf die Uhr, pfeift...
... AB! 2:2, Verlängerung.
- Scheiße, Tipp im
Arsch! brüllt Helmut.
Und ich? Nochmal 30 Minuten
zittern. Packe meine nächste Statistik aus. Hab bislang zweimal ne
Verlängerung erlebt, zweimal gewann der VfL. Aber die üble Viertelfinal-
und FCK-Statistik überwiegt. Unsere Jungs scheinen k.o. zu sein. Da
geht nicht mehr viel. Herr Lokvenc meint diesen Eindruck auch noch bestätigen
zu müssen und netzt in der 101. Minute zum 3:2 für Lautern ein.
Das wars. Das Aus. Lähmendes Entsetzen in der Kurve. Keiner kriegt
mehr einen Ton raus. Die gute Stimmung ist wie weggeblasen, die Berlin-Reise
im Kopf schon storniert. Noch bleiben 16 Verlängerungs-Minuten. Auf
einmal ein Zupfer an Christiansen. HEEY!! Ein Pfiff, Elfmeter. Christiansen,
Tor - 3:3. Wie die Jungfrau zum Kind. 3:3, es bleibt dabei. Ein glückliches
Unentschieden für uns; Lautern war insgesamt besser und hatte die
Chancenmehrheit - aber ein toller Pokalfight geht zu Ende; und das Elfmeterschießen
muss entscheiden.
- Ich hab doch ne Verabredung!!!!!!
Und Deine Serie, Andi... sieht nicht gut aus, sagt Thommy.
Fünf Schüsse noch.
Ich würd prima als
Wackelpudding durchgehen. Ein einziger Stubser genügt, und mein ganzer
Körper vibriert. Es knistert vor Spannung. Die Luft bebt. Die Tribüne
wackelt. Keiner der 22.000 Zuschauer ist vorzeitig abgehauen. Keiner.
Fünf Schüsse noch.
Unsere fünf Helden
habe ich exakt vorhergesagt (hätte ich mal gewettet). Schindzielorz,
Reis, Colding, Gudjonsson, Christiansen. Sesi beginnt. Schuss und - GEHALTEN
!!! Thommy leih mir Deine Schulter. Und jetzt Harry Koch. Läuft an.
Reeeeeeeinnnnn - HÄLT! Fängt alles wieder von vorn an. Thomas
Reis. Hat geil gespielt. Sich in die Mannschaft. Und schießt sich
? Wieder raus? !!!! ?!?! Wieder gehalten! Immer noch 0:0. Dann Klose -
0:1. Colding - 1:1. Huuuuh, wir können doch Elfmeter verwandeln. Grammozis
- 1:2. Gudjonsson - 2:2. Lokvenc - 2:3, sein viertes Tor heute. Christiansen
- 3:3. Bjelica muss verwandeln, dann ist der FCK weiter. Läuft an.
Drin. 4:3, also 7:6 für Kaiserslautern. Der Letzte ist heute der Erste.
Und mein Traum? Platzt!
Fünf Schüsse waren
es bis zum Glück.
Vorbei.
Mit diesem Verein werde
ich wohl nie ein Happy-End erleben.
- Und tschüss Jungs!
Thommy und Mirko-Gerd habens eilig. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen
Händen. Weg. Einfach nur weg. Große Klappe gehabt, und jetzt?
Zum dritten Mal AUS im Viertelfinale. SMS von Björn: "WELTPREMIERE!
Das erste Mal ist eine Mannschaft mit einem "Freilos" ausgeschieden!" Alle
Sprüche werde ich in dreifacher Dosis wieder bekommen. Am 31. Mai
werde ich nun doch arbeiten gehen und den genommenen Urlaub zurücknehmen.
Dann muss der "goldene Schuss" warten, bis zum Sommer 2004! Aber dann,
ganz bestimmt, habe ich nicht nur eine Hand am Pott, sondern ... lasst
mich träumen.
Diese Niederlage tut richtig
weh.
Zum guten Schluss wieder
Rosenstolz.
- Doch Zeit kann grausam
sein.
Sie bricht Dein Herz.
Und wird es wieder heil´n!
-
DFB-Pokalsieger 2004? Maybe...
Von drei wichtigen Punkten und einem rausfliegenden Toppi
Flugzeuge im Bauch
Vielleicht habt Ihr Euch
mal gefragt, wie so ein Text an dieser Stelle zu Stande kommt. Fragen wie
"Meine Güte, wie merkt der sich das alles?" oder "Wie kommt der bloß
darauf?" schwirrten vermutlich das eine oder andere Mal in einem Schädel
durch die Gegend. Nicht, dass ich Euch darauf eine Antwort geben möchte
(ein Journalist bzw. Schriftsteller - so fühle ich mich hier manchmal
*husthust* - verrät sowas nicht), nur eins vielleicht: Im Ruhrstadion
stehe ich NICHT mit einem Block und notiere mir jede Kleinigkeit. Entweder
ich merks mir; oder eben nicht. Ach und eins mehr kann ich Euch erzählen.
Zum Beispiel, wie die Überschrift "Flugzeuge im Bauch" entstanden
ist. Manchmal nämlich weiß ich schon vor dem Spiel, wie die
Überschrift lautet, manchmal fällt sie mir erst beim Schreiben
ein. Diesmal war es punkt 14.25 Uhr, als durch den Lautsprecher "Flugzeuge
im Bauch" von Grönemeyer dröhnte - und ich meine Überschrift
hatte. Denn Flugzeuge im Bauch: Dieses Gefühl entsteht nicht nur bei
gescheiterten (oder gerade laufenden) Beziehungen, sondern auch während
eines Fußballspiels, sehr oft meistens sogar; und eins wusste ich
um eben punkt 14.25 Uhr: Heute, das ist so ein "Flugzeuge im Bauch"-Spiel.
Prima Jungs, lasst mich
ruhig alle allein. Thommy kurvt durch Mülheim, Deutschland, Europa,
was weiß ich. Und (Mirko-)Gerd hat sich per Mail entschuldigt: er
ist krank. Kein Wunder, nach dem Mittwochs-Erlebnis hätte ich auch
am liebsten ein paar Tage nur im Bett verbracht. Auch sonst hat niemand
wirklich Lust auf dieses Spiel, dabei kommt doch der amtierende Vize-Alles
ins Ruhrstadion. Wer aber jetzt denkt, bei "Alleinfahrten" sinke meine
Fußball-Motivation, der täuscht sich gewaltig. Fußballfan
bleibt Fußballfan, und VfL-Fan bleibt VfL-Fan, ob nun Freunde dabei
sind oder nicht. Zudem kann ich MEINEN Zeitplan mal exakt einhalten. 13.46
Uhr den Regionalexpress nehmen, 14.04 Uhr ankommen, kurz drauf die 308
Richtung Ruhrstadion, um genau 14.25 Uhr eine Bratwurst essen, und um 14.30
Uhr, genau eine Stunde vor dem Anpfiff, die Stehstufen betreten. Wie in
einer per Excel erstellten Tabelle.
Doch - oh Schreck - was
ist denn hier los? Das Gespenst der Lethargie schwebt über der Ostkurve.
Schon seit langem ist mir nicht mehr so eine Depression in meinem Stadion
begegnet. Es beruhigt mich, dass das Pokalspiel am Mittwoch
nicht nur mich sehr mitgenommen und mindestens zwei Tage ausgeknockt hat.
Auch den 20.000 anderen Bochumern geht es so. Als die Spieler auf den Rasen
kommen, ist die Stimmung nicht mitreißend; sondern allenfalls höflicher
Applaus ertönt. Einzelne Spieler werden nicht gefeiert, so wie sonst.
Dabei sind wir alle gar nicht sauer auf die Mannschaft, nein, das nicht,
vielmehr ist es die Tatsache, mal wieder eine riesige Chance verspielt
zu haben, die so schmerzt. Die erste Frage, die jeder, der die Kurve betritt
stellt, ist: "Und haste Mittwoch schon verdaut?" Die witzigste Antwort
war: "Hömma, ich hätte am Donnerstag noch Sauerkraut kochen können,
solche Eisbeine hatte ich!" Das hatte was, kam aber erst zwei Minuten vor
dem Anpfiff. Bis dahin war ein einziges Suhlen in Selbstmitleid angesagt.
Zu diesem Zeitpunkt war der Satz "Gerd und Thommy: Seid froh, dass Ihr
zu Hause geblieben seid. Hier ist´s wie auf dem Friedhof für
verloren gegangene DFB-Pokalträume" fest für mein Tagebuch formuliert.
Doch da zu einem Fußballspiel
auch ein Gegner gehört, sollte es - um soviel vorweg zu nehmen - nicht
die kompletten 90 Minuten so ruhig bleiben. Es heißt VfL Bochum gegen
Bayer Leverkusen oder Ziel Klassenerhalt gegen Ziel Champions League. Oder
graue Maus gegen Champions League Zwischenrunde. Oder Aufsteiger gegen
Nationalspieler wie Butt, Neuville, Schneider, Zivkovic, Berbatov. Oder
Peter gegen Toppi. Zum ersten Mal in einem Bundesligaspiel kehrt Klaus
Toppmöller ins Ruhrstadion zurück. Genau der Mann, dem der VfL
im allgemeinen und ich im speziellen die größten Erfolge der
Klubhistorie zu verdanken habe. Der für alle Ewigkeit die "Welche
Trainer ich erlebte"-Statistik auf dieser Seite anführen wird.
Doch wenn Toppi bei uns verliert, fliegt er raus. Mist, jetzt kommen zur
Lethargie auch noch zwiespältige Gefühle. Über Toppi lachen
("Toppi ist bald arbeitslos!", "Schade Toppi alles ist vorbei") oder einfach
aus Anstand schweigen?
Erste Halbzeit: nicht der
Rede wert. Ich bin mehr damit beschäftigt, Reiner Calmund auf der
Tribüne zu suchen (der muss doch mit bloßem Auge zu erkennen
sein, oder?), als die taktischen Raffinessen zu sezieren. Bei uns bilden
Frank Fahrenhorst und Anton Vriesde, unser 58-jähriges aus der Regionalliga
geholtes Abwehrtalent, die Innenverteidigung und ich finde es für
die Leverkusener höchstpeinlich, dass sie in 45 Minuten kein Tor gegen
die beiden erzielen - ja, und es ist noch peinlicher, dass Anton aus Tirol
sogar ein gutes Spiel macht. Irgendwie ist beiden Mannschaften und beiden
Fangruppen (übrigens waren am Mittwoch (!) mehr Lauterer Fans da als
am Samstag (!) aus Leverkusen (45 Zug-Minuten von Bochum entfernt) - soviel
zum Thema "Vereine, die nicht in die Bundesliga gehören") das Pokalspiel
noch anzumerken. Eine gewisse Feldüberlegenheit muss ich den Leverkusenern
attestieren, eine gute Leistung (wie immer) unserem Torwart, aber sonst?
Mattmattmattmattmatt, da können selbst die Hupfdohlen nichts dran
ändern.
0:0, schlechte Stimmung,
alles grau in grau.
Die Zeit will nicht vergehn.
Es kommen ja noch 45 Minuten.
Zum Beispiel Spielminute 55: Als Thoddi Gudjonsson dem Slawo Freier das
1:0 für uns verbaselt, indem er sich kallamäßig in den
Schuss schmeißt, da geht dann doch endlich sowas wie ein herzogscher
Ruck durch die Fans. Jetzt endlich, kommen die lauten V-F-L---V-F-L-Rufe,
die sogar die Tribünen mitreißen. Hat aber auch gedauert. Der
Vriesde spielt immer noch gut, und der Hubschrauber hebt ab - Minute 68,
zum Jubeln. Ein Supertor, ein Geniestreich von Vahid Hashemian, und schade
Toppi, jetzt ist wirklich alles vorbei. Naja, zwischendurch durfte die
graue Locke nochmal aufatmen, beim Babic-Ausgleich zehn Minuten vor Schluss,
doch unser Hashemian ist einfach zu gut heute. 2:1 in der 84. Minute. K.o.
für Bayer. Kurz drauf ruft Thommy an. Hey - er ist in Mülheim
und sitzt vor dem Videotext.
- Hier brennt nix mehr an.
Die Leverkusener sind tot.
Dirk gratuliert aus München.
So gaaaanz allein bin ich eben doch beim VfL nie.
Merke: Auch ein noch so
lethargischer Fußball-Nachmittag, an dem eigentlich alle schlecht
gelaunt sind und an dem Dich keiner begleitet, um dein Gejammere zu ertragen,
kann gut ausgehen. Wie heute zum Beispiel, denn die drei Punkte sind enorm
wichtig. Für den Verein, denn der Klassenerhalt ist nun schon bedrohlich
nahe. Und nicht zuletzt für mein geschundenes VfL-Seelenleben. Leid
tuts mir nur um den Toppi. Der ausgerechnet in Bochum... aber wie wird
es in den Interviews heißen? "So hart ist das Geschäft." Der
"Trainer des Jahres 2002" hat im Jahr 2003 ganze vier Spiele ausgehalten.
Flugzeuge im Bauch wird
Toppi vermutlich morgen haben. Aber nicht, weil er Fußball-Fan ist.
Sondern aus Schmerz über eine Trennung.
Jede Wette.
Fünf Mark in die Schlechte-Wortspiele-Kasse
Das tote Pferd
Indianer waren es, die achtzehnhundertpiependeckel
den Spruch "Wenn Du merkst, dass Du auf einem toten Pferd reitest, dann
steig ab" formulierten. Irgendwann schnappte ich es auf, vorvorgestern,
vorgestern, heut morgen, ist ja auch schnuppe. Keine Ahnung, warum mir
dabei ausgerechnet meine Situation vor Auswärtsspielen in Dortmund
vors innere Auge flog. Jedes Mal bin ich mit meinem langjährigen Freund
Björn - Vorsitzender eines BVB-Fanklubs; und der gehört trotzdem
zu meinem allerallerengsten Freundeskreis (bin ich nicht tolerant?) - hingefahren,
und jedes Mal hatte der Grinsekopp das Happy-End für sich, und ich
musste den fairen Verlierer mimen. Und diesmal? Lasst uns ein Blick auf
die Voraussetzungen werfen: Dortmund ist amtierender Deutscher Meister,
steht in der Champions-League-Zwischenrunde, hat einen Zuschauerschnitt
von 66.000, bald ein Stadion für 80.000, Spieler wie Rosicky oder
Koller kriegen wahrscheinlich genauso viel wie unsere ganze Mannschaft.
Einer von uns - unser Weltstar Sonntag Oliseh - wird sogar vom BVB weiterbezahlt.
Das ist alles zwei bis drei Nummern zu überdimensioniert und um Längen
größer als unser kleiner bescheidener VfL. Also wenn das kein
totes Pferd ist...
... *brrrrrrrrr* ist das
kalt... ist das verdaaaaaaaammmmt kaaaalt....
- Post, warum fährt
denn diese verdammte Scheiß-Bahn nicht? Sags mir, sags mir!
18.05 Uhr. Das Spiel ist
lange vorbei. Hunderte von Menschen, Tausende von Handschuhen und Zehntausende
von abgefrorenen Fingern hüpfen am U-Bahnhof "Westfalenstadion" auf
der Stelle; freuen sich bei gefühlten Nordpoltemperaturen über
die fröhliche Stimme, die etwas von "Oberleitungsschaden" über
die Lautsprecher bekanntgibt. Um wenigstens die Fäuste wieder warm
zu kriegen, findet alle fünf Minuten in irgendeiner Gleisecke eine
Schlägerei statt. Mittendrin im Gewühl zwei Chaostypen; einer
davon ist Käpt´n Post, ein Schalke-Fan, der mangels Dauerkarte
häufiger den VfL sieht als den S04. Wir waren mal in einer Klasse,
zu guten alten Bundesliga-Manager-Zeiten Anfang der 90-er, und gehen heute
oft in den T-Club, donnerstags (Geübte Andi-Ernst-Homepageleser
wissen das bereits, aber für die Neulinge sei´s nochmal erwähnt).
18.10 Uhr. Telefon bimmelt.
Nee, falsch, vibriert in der Hosentasche.
- Haaalllooo? Björn?
- Andi? Wo bisse?
- An der Bahnhaltestelle!
Kommt nix!
- Wir sind an der Bushaltestelle!
Kommt doch runter!
- Sind gleich da.
Oder doch nicht? Die Bahn
fährt ein, hurra, schnell rein, und nach 30 Sekunden wieder raus.
"Aufgrund einer Massenschlägerei am Remydamm verzögert sich die
Abfahrt". Denen war wohl kalt. Also doch zum Bus!
18.15 Uhr. Björn und
die Jungs und Mädels vom Fanklub sind in Sichtweite.
- Björn, alter Junge,
danke für das schöne Spiel. Hab doch gesacht, dat in Spielen
mit unserer Beteiligung immer viele Tore fallen. Lach nich so schäbig,
Vollidiot!
- Erzähl Andi, wie
ist es Dir ergangen?
- Boaaaah ist das kalt *brrrr*
gibts doch gar nicht. Ja was soll ich sagen? Erstmal habe ich eigentlich
fast gar nichts vom Spiel gesehen, denn unsere Stehplätze waren einfach
NUR BESCHISSEN, oder Post? (Post nickt) Ich kann Dir mal auf meiner
kleinen Digi-Cam das Bild vom Elfmeter zum 3:1 zeigen (siehe unter
der Überschrift). Kannst Du da irgendwo den Schützen
erkennen?
(Björn grinst). Ja, Niederlage ist verdient, keine
Frage. War ein schönes Spiel, und wenigstens konnten wir Euch diesmal
ne halbe Stunde ärgern und nicht nur zwei Minuten wie vor zwei Jahren.
- Jooooo, wusste gar nicht
mehr, dass beim 5:0 damals der Billy Reina zwei Tore geschossen hat.
- War total klasse. Fand
ich total riesig, dass die alle fünf Tore vor dem Anpfiff nochmal
auf der Anzeigetafel gezeigt haben. Musste das wirklich sein? Egal. Mal
weiter im Text. Boaaah scheiße ist das immer noch kalt *brrrr* wann
kommt denn endlich dieser Scheiß-Bus? Kriegen wir den Regionalexpress
noch? Du weißt ja, vorher war mir das Spiel relativ, sagen wir, egal.
Na nicht egal, aber das Ergebnis war Nebensache. Aber wenn Du dann die
Stehstufen betrittst, obwohl Du quasi gar nichts sehen kannst, und die
Jungs rauskommen, dann würdest Du schon gern als Sieger vom Platz
gehen. Und als dann der Buckley nach acht Minuten die Kugel auch noch zum
1:0 reingehauen hat - ey, der Buckley, der macht sonst nieeee ein Tor -
war schon geil. Hätt gern Dein Gesicht gesehen und auch von allen
anderen aus dem Fanklub.
- Manmanman, der Evanilson.
Der hat nur gesacht: Buckley, mach ma!
18.25 Uhr. Bus am Horizont.
- Aber dann... bis zur 30.
Minute hab ich mich dann nur noch totgelacht. Als dann aufleuchtete: "Eckballstatistik
8:0" und "Torschuss-Statistik 23:7"... naja, da wusste selbst ich, dass
die Führung nicht wirklich verdient ist.
- Boah der Ewerthon. Riesig
den Ball vorgelegt, aber wie konnte der den noch vorbeischießen?
- Das Genick haben uns die
beiden Tore unmittelbar vor der Halbzeit gebrochen. Unser armer Torwart.
Beim 1:1 in der 30. stand der Billy-Abstauber Reina ziemlich blank, nachdem
der Rein riesig pariert hatte. Und dann? Beim 1:2 von Koller hätte
ich mich an seiner Stelle auswechseln lassen oder in der Halbzeit jedem
Spieler tierisch einen in die Fresse gedonnert. Stell Dir das mal vor:
Da läuft der Rosicky allein auf Dich zu. Du hältst riesig. Dann
verstümpert Deine Abwehr wieder den Ball, der Rosicky läuft nochmal
allein auf Dich zu, Du hältst wieder riesig. Doch der Koller steht
frei am Sechzehner und braucht den Abpraller nur reinzuschießen.
Was für eine Abwehr (Björn lacht) !
- Und die Elfmeter?
- War schon ein bisschen
komisch. Wusste gar nicht, dass der Frings gleich zweimal so sicher verwandeln
kann. Naja, ich denke, dass beide von der Sorte "kann man geben, muss man
aber nicht" waren. Auch die Verteilung der gelben Karten war seltsam, aber
am Schiedsrichter will ich es echt nicht aufziehen. Wenn die beiden Tore
nicht durch diese beschissenen Elfmeter gefallen wären, hätte
die halt ein anderer gemacht. Wir haben zu oft wie FC Traben-Trarbach gespielt.
Meine Fresse, hattet Ihr Platz!!!
18.30 Uhr. Drin im Bus.
Kutscher gib Gas. Zug Richtung Mülheim kommt gleich.
- Man Andi. Mir gings auch
schonmal besser. Gestern ein bisschen Whisky getrunken. Dann sehr wenig
geschlafen (Björn grinst) Aber Spiel war gut.
- Ihr habt echt gut gespielt.
Wenigstens durften wir in der zweiten Halbzeit zeigen, dass wir auch was
an der Kugel können. Ein bisschen Hacke hier, ein paar schöne
Spielzüge dort, aber das wars auch. Im großen und ganzen waren
wir doch chancenlos (Kollege Post schweigt immer noch)
- Und die Stimmung?
- Genau. Dann schon lieber
über die Stimmung reden. Ein bisschen langweilig waren sie schon,
diese dauernden "Dortmunder Hurensöhne"-Rufe. Echt blöd. Naja.
Meine Highlights waren die Anzeigen zwischen der 60. und 70. Minute, als
die Bayern alle fünf Tore gegen 1860 geschossen haben. Und dass Leverkusen
gegen Rostock verloren hat und der Toppi endgültig fliegt.
- Stimmt Andi. Und in der
zweiten Halbzeit habe ich ROT für van Duijnhoven gefordert, obwohl
der den eigenen Mann umgewimmst hat. Der Fahrenhorst wars glaub ich. Echt
volles Rohr getroffen. Der Sunday hat übrigens lang durchgehalten
(lacht)
- Komm. Als der Sunday rausgehumpelt
ist, stand es noch 1:0 für uns!!!
- Hast recht. Übrigens
hab ich sowas hier noch nie erlebt. Also dass keine Bahn fährt, Oberleitungsschaden
und so.
- Na prima. Da bin ich alle
zwei Jahre mal hier. Und dann sowas. Halt ein typischer VfL-Auswärts-Nachmittag.
Hinfahren mit dem Zug; Leute treffen, und lass es nur einen Fanklub des
Gegners sein. Ein Auswärtsspiel gucken, haushoch verlieren, über
die schlechte-Wortspiele-Kasse lachen, den Post beschimpfen. Hömma,
Du Depp als Unternehmens-Berater! Dass ich nicht lache!!! Während
des Spiels rumprollen und sich in der Flachwitzeskala nach unten arbeiten!
Dann auf dem Heimweg ein paar Schlägereien beobachten - in Bochum
sind die selten bis gar nicht vorhanden - und zu Hause diskutieren und
Sprüche kloppen. So lieb ichs. Wenns nicht so verdammt kalt wäre.
18.45 Uhr.
Regionalexpress Richtung
Mülheim.
Wärmer ist mir immer
noch nicht geworden. Ein Königreich für Taschen-Handkissen. Zwei
für jede Hand. Jeweils für die Füße, die Arme. "Wenn
wir ernst machen, wird das zweistellig", unkt-frohlockt Björns Bruder
per SMS. Na das ist doch wahnsinnig beruhigend. Also ich find, von 0:5
im April 2001 auf 1:4 im Februar 2003 ist eine ziemliche Steigerung und
kann deshalb auch lächeln, als es "bitte lächeln für ein
Homepage-Bild" (siehe oben) heißt. Und doch weiß
ich genau: In keinem anderen Stadion Deutschlands habe ich eine so miese
Bilanz. Viermal hingefahren, viermal verloren, und dreimal gabs richtig
was auf die Nase. Es ist so verdammt nochmal frustrierend, diese schwarz-gelben
Köppe nachher grinsen zu sehen, und eingestehen zu müssen, dass
man sich eigentlich sowieso nichts ausgerechnet hatte.
Egal. Augen zu und durch.
Und nächste Woche nach Rostock fahren. Fahrenhorst, Oliseh verletzt.
Freier, Wosz gesperrt. Bin ich eigentlich bescheuert?
Das könnte wieder ein
totes Pferd werden.
Und ich reite trotzdem drauf!
Schöne Grüße aus dem Land der Muschelschubser - Danke Judith!
Windstille in Warnemünde
Wem immer ich in den Tagen
vor diesem 22. Februar 2003 von meiner Tagesbeschäftigung erzählte,
der zog kopfschüttelnd und denscheibenwischerzeigend davon. Alle,
wirklich ALLE, die noch einen letzten Funken Vernunft in mir vermuteten,
sprachen mir diesen spätestens ab, als in ihren Lauscherchen die Sätze
"Ich begleite den VfL nach Rostock" angekommen waren.
Rostock also. Stadt im Land
der Muschelschubser.
Ich gebe zu, ein wenig zweifelte
ich selbst an diesem Unternehmen, denn wirklich viele Gründe, warum
ich diesen Tagesausflug nicht nur an-kündigen, sondern tatsächlich
auch an-treten sollte, gab es nicht. Beispielsweise aus sportlicher Sicht:
Wir haben die letzten sechs Spiele gegen Hansa verloren, zudem fehlen gleich
fünf Stammspieler, und mit Oliseh, Kalla, Schindzielorz, Wosz und
Freier beileibe nicht die unwichtigsten. Beispielsweise aus finanzieller
Sicht. 68 Euro plus Eintritt ausgeben, und das für zwei Stunden Fußball
und zwei Stunden Aufenthalt? Beispielsweise aus privater Sicht: Björn
(remember Dortmund) feiert heute die Einweihungsparty
seiner Wohnung in Essen, mit zig Leuten, die ich jahre-, quatsch jahrzehnte-,
quatsch jahrhundertelang nicht gesehen habe. Ich kenne seine neue Freundin
noch nicht, und er wird mir mein Leben lang vorhalten, dass ich nicht da
war. Dirk aus München sms-formuliert es noch mit einem positiven Unterton:
"Du Wahnsinniger fährst nicht wirklich zur Hansa-Kogge?" Irgendeiner,
ich weiß gar nicht mehr wer, ist da schon drastischer:
- Andi, Du hast schon viele
sinnlose Dinge in Deinem Leben getan. Aber das ist wirklich das Sinnloseste!
Sinnlos, dass ich also um
7.45 Uhr mit frisch geduschten und ungekämmten Haaren am Mülheimer
Hauptbahnhof auf den Regionalexpress warte. Sinnlos also, dass ich um 7.59
Uhr in den Intercity Richtung Rostock umsteige. Jetzt ists zu spät,
ich bin drin, pflanze mich auf den reservierten Platz, neben ein Mädel,
dass bis Hamburg drinbleibt, von den drei Stunden 2:59 Stunden schläft
(und schnarcht) - und somit für schlechtes Gewissen bei jedem Umblättern
sorgt (bin ein rücksichtsvoller Mensch, aber bei dem Zuglärm
hat die sowieso nicht geschlafen). Der Mond versinkt hinter den Hinterhöfen
des Ruhrgebiets, die Sonne strahlt die letzten Schneereste in Niedersachsen
an wie ein Scheinwerfer die Bands auf der Bühne. *brummbrummbrumm*
es vibriert auf dem Tisch vor mir (es=Handy):
- Ich krieg nen Kollaps
vor Freude. Hier scheint die Sonne. Vielleicht erlebst Du heute das Meer
im letzten Dämmerlicht.
Judith kennt Ihr noch nicht.
Ich auch noch nicht. Und
doch irgendwie. Seit zwei Jahren schreiben wir uns sporadisch Mails, und
- wie es der Zufall so will - wohnt sie in Rostock, und hat mir versprochen,
das Meer in Warnemünde zu zeigen. In der Tat: Am Himmel keine Wolke.
Die reflektierten Ozeane verwandeln den Himmel in ein tiefes Blau. Die
Red Hot Chili Peppers ("Under the bridge" - immer wieder, immer wieder,
immer wieder), Oasis ("Whatever" - in den Pausen zwischen "Under the bridge")
und "Room with a view" (von der Kuschelrock 3, keine Ahnung, von wem das
nochmal war) begleiten mich. Für Unterhaltung sorgt Peter-Jürgen
Boock, ein Ex-RAF-Terrorist, mit seiner dokumentarischen Fiktion über
die Schleyer-Entführung 1977. Mir fällt auf, dass ich diese Zeit
mit dem Mutterkuchen im Innern meiner Mum mitbekommen habe... bis zu meiner
Geburt dauerte es im Oktober 1977 nur noch fünf Monate. Die letzten
Zeilen des 200-Seiten-Schmökers verschlinge ich punktgenau im Bahnhof
von Bad Kleinen. Da war doch was.. vor drei Jahren... GSG 9... RAF... Wolfgang
Grams... oder? Hach, ist das stressig im Zug: das Handy vibriert in einer
Tour, für Dirk habe ich meinen Namen ("Andi") in "Vriesde-Fanklub"
(unser 58-jähriges Abwehrtalent) umgetauft. Das Buch will gelesen,
meine CD´s gehört und der Kakao getrunken werden. Aber schön
ists. Die Sonne blendet. Hoffentlich vergesse ich nicht meine Jacke, wie
auf dem Weg nach Stuttgart.
Ich vergesse sie nicht.
Es ist soweit, ich lande in Rostock, keine Spur vom in der Nacht verpassten
Schlaf (fünf Stunden sind für meine sonstigen Gewohnheiten extrem
niedrig), Appetit auf Fußball, Appetit auf Ostsee, Appetit auf Meer,
Strand. Das Wetter macht süchtig.
Nicht ganz ohne Vorurteile
spaziere ich über den Asphalt Rostocks. Nachwirkungen von Lichtenhagen.
Hintergedanken bei jeder Glatze. "War der wohl dabei?" Inneres Gelächter
bei jedem Vokuhila-Oliba (vorne kurz hinten lang mit Oberlippenbart). Ein
Sprung ins Ostseestadion - ein schönes Ding. Der rote Feuerball verwandelt
die eine Hälfte des Stadions in ein Sonnenstudio, wenn es hier oben
im Norden MeckPomms bloß nur nicht zehn Grad kälter wäre
als im Rest der Republik. Ich spür nach zehn Minuten in der Kurve
meine Füße kaum noch, wie soll ich mich erst in drei Stunden
fühlen... *bibber* und ich dachte, Dortmund letzte Woche sei nicht
mehr zu toppen. Einen 100.000 Grad heißen Kaffee kippe ich runter
wie ein Glas kaltes Wasser nach einem 10-Kilometer-Marsch durch die Wüste.
Außer mir haben sich noch 200 Deppen auf nach Rostock gemacht, die
wohl auch nix Besseres zu tun haben. Darunter selbstverständlich die
"Ultras". Okay. Gehört wohl dazu. Sind zum Glück per Bus, und
nicht mit der Bahn unterwegs.
15.04 Uhr, die Spieler betreten
zum Aufwärmen (oh ja, das ist wirklich nötig, würde am liebsten
mitjoggen, ganz freiwillig) den Rasen. Obwohl ich schon eine halbe Stunde
meinen Platz eingenommen habe (es ist komischerweise seeehr übersichtlich
um mich rum...), sortiere ich noch immer meine Klamotten. Bei Auswärtsspielen
fühle ich mich stets wie ein Schwerverbrecher, diesmal wollte ein
Eingangssecuritygorilla sogar den Inhalt meines Portmonees sehen (und ich
sehe nicht einmal schnieke aus). Irgendwie frage ich mich jetzt doch: warum
bin ich eigentlich hier? Aufgrund des Spiels wohl kaum. Unsere Aufstellung...
Anton Vriesde in der Innenverteidigung, Filip Tapalovic nach monatelanger
Verletzung von Anfang an, dazu Marcus-bitte-wer-ist-das-denn Fischer vornedrin.
Hüüüüüüüülllfffee!
AC/DC besingen den "Highway
to hell", als Millionen Konfettis aus 14.800 Händen auf den Rasen
fliegen, und 22 Spieler kurz vor dem Anpfiff ins Publikum winken. Und mein
ganz persönlicher Weg zur Hölle scheint dieses Spiel zu werden.
Kalt. Saukalt ists. Und schlecht. Sauschlecht spielen wir. Das Spiel scheint
abgeschenkt, eine Niederlage in Kauf genommen. Wir haben 29 Punkte, das
reicht erstmal, Fans sind sowieso kaum da (nur der Ernst, und der hat laut
seiner supertollen Statistik schon Siege
genug gesehen), und die besten Leute fehlen. Ich nehm die Leistung echt
persönlich, und muss Judith per sms gestehen, dass sie mit ihrem Tipp
(2:0 für Hansa) gar nicht so falsch liegen könnte. Di Salvo schießt
in der 29. Minute zum ersten Mal ein. Unser fliegende Holländer im
Tor muss zweimal ein weiteres Gegentor in höchster Not verhindern
(und ich sag noch: er ist zurzeit der Beste in der Liga), und di Salvo
schießt ein Abseitstor, das völlig korrekt war. Will jetzt schon
zum Meer.
Tja, leider spielt nicht
mal die Rostocker Bratwurst um die Meisterschaft mit (wie in "1000 Tipps
für Auswärtsspiele" vollmundig angekündigt). Glaubt diesem
eigentlich tollen Buch nicht alles!!! Und es sind noch 45 Minuten in dieser
Scheiß-Kälte. Zweite Halbzeit. Christiansen noch immer auf der
Bank. NIMM DEN BEMBEN RAUS!!! NIMM DEN BEMBEN RAUS!!! Mein ganz persönlicher
Freund (und damit Fahrenhorst-Nachfolger; warum brauchen Fußballfans
immer einen, den sie nicht besonders mögen?) spielt wirklich eine
Scheiße zusammen wie Frank Heinemann Mitte der 90-er in seinen besten
Tagen. Dann endlich... Bemben raus, Christiansen rein, zwei Minuten später
Hashemian 1:1. Und "verdient" muss ich hinzufügen. Denn auch unsere
Notelf kann gegen die Kugel treten, sie hübsch laufen und die Rostocker
alt aussehen lassen. Mit den alten VfL-Abstiegskampf-Tugenden (Ball nehmen
und auf die Tribüne kloppen, und das zweimal pro Minute; naja, ganz
so schlimm wars nicht) retten wir den Punkt ins Ziel, und ich grinse überglücklich
wie ein Lotto-Gewinner bei der Scheckeinlösung. Nicht verloren. Gibts
doch gar nicht.
Die Sonne versinkt allmählich
am Horizont, nach einem zehnminütigen Fußmarsch ums Stadion
herum bis zur Bushaltestelle (nicht sehr gastfreundlich!) und einer Verabredung
mit Judith für 18 Uhr raffe ich erstmal, wo ich überhaupt bin.
So weit weg von zu Hause. Dirks sms ist gespeichert: "Du Wahnsinniger!"
Manchmal glaub ich wirklich dran, dass bei mir ne Schraube fehlt. Es gongt
18 Uhr, die Sprüche der Rostocker Fans, was sie mit einem VfL-Fan
machen würden, wenn ihnen einer über den Weg läuft, überhöre
ich geflissentlich. Am Rostocker ZOB lehnt Judith auf ihrem Fahrrad an
einem Straßenschild. Es ist, als würde ich eine ganz alte Freundin
treffen. Es geht in die S-Bahn Richtung Warnemünde, Richtung Strand,
sie hält ihr Versprechen. In unserem Waggon drei Bochum-Fans, die
den ganzen Zug unterhalten. Einer davon ist Jurist, und ruft mir zu: "Du
hast bestimmt auch schon gegen das BTM verstoßen!" BTM? Betäubungsmittelgesetz!
Seh ich echt so aus? Ein anderer hält Judith und mich - glaub ich
- für ein Paar. Dafür, dass ich sie erst seit 30 Minuten Auge
in Auge kenne, nicht schlecht, oder? Die drei sind voll wie Eulen, aber
so witzig, dass mir die Tränen kommen. Sie verbringen die Nacht im
Hotel in Warnemünde, und ich beneide sie dafür.
Es ist so windstill.
Und sooo schön am Strand,
den Sand rund um die Socken spüren (meine Schuhe sind kaputt), kalte
Wassertropfen an den Fingern, am Meer entlang sprinten. Ich bereue nichts.
Und die sitzen jetzt in Essen, hauen sich bei ner Party den Arsch voll
und hören laut Musik. Es ist so windstill. Danke Judith!
Zurück im Zug. 45 Minuten
in Hamburg. Frodo und Sam schmeißen den Ring in den Schicksalsberg,
Aragorn wird König, die Hobbits kehren ins Auenland zurück, die
"Metal Ballads Platinum" verzaubern mein Ohr.
Kennt Ihr das Gefühl,
wenn alles, was man sich morgens beim Aufstehen für den optimalen
Tagesablauf wünscht, auch wirklich zutrifft? Ich habe mich den ganzen
Tag einfach nur sauwohl gefühlt!
Und da sag noch einer, dieser
Ausflug wäre ein sinnloser gewesen.
Weitere Impressionen von
der Tour nach Rostock gibt es HIER
!
Ein fester Vorsatz zwei Monate nach Neujahr: Nie wieder Karneval zum Fußball! Jawollja!
Von der Ruhe des Augenblicks
Es ist drei Tage her, dass
die ganze Schönheit des Seins (hurra, wie pathetisch) eine Viertelstunde
lang meine Sinne betörte. Eigentlich war ich nur unterwegs, um eine
Eintrittskarte für das Auswärtsspiel in Bremen zu kaufen, als
ich die Sonne hinter den Dämmerungswolken verschwinden sah, und zeitgleich
bemerkte, dass am Ruhrstadion eine Tür geöffnet war. Also drehte
ich mich verbrecherartig erst nach links um, dann nach rechts, und verschwand
in den Block P, rechts, und setzte mich auf "meinen" Stehplatz. Keine 30.000
Zuschauer im Stadion, sondern nur einer. Keine Musik im Lautsprecher, sondern
nur Wind. Und doch eine leise Melodie im Hinterkopf: "Tief im Westeeeen,
wo die Sonne verstaubt, ist es besseeeer..." Wunderbar. Diese unglaubliche
Ruhe des Augenblicks. Diese unglaubliche Ruhe.
Drei Tage später *gäääähn*
good morning sunshine... die Augen blinzeln in die winterlich-frühlingshafte
Welt, und ein Wort zerstört die März-Gefühle im Nu: KARNEVAL!
Im übermüdeten Spaziergang ins Bad schießen mir die Erinnerungen
an die letzten beiden Karnevalsspiele ins Hirn; und - all meine Freunde
an den Computern der Welt - es sind wahrhaft keine schönen Erinnerungen.
Karneval 2001 beispielsweise, Rolf Schafstall ist Trainer des VfL, wir
sind mit Abstand aussichtsloser Tabellenletzter. Heimspiel gegen Stuttgart,
die ihrerseits erstmals mit Magath auf der Bank. Mein Zustand ist nach
vier Karnevalssonntags-Stunden in Düsseldorf doch sehr bedenklich,
und mehr tot als lebendig treffe ich meinen Bruder im Regionalexpress von
Düsseldorf bis Bochum (Thommy, erinnerst Du Dich?). In der Kurve ist
zwei Quadratmeter um mich rum nix los, so sehr taumele ich durch die Weltgeschichte.
Dass das Spiel 0:0 ausgeht, erfahre ich am Tag drauf aus der Zeitung. Und
Karneval 2002? Ich möchte auch an dieser Stelle nur weiterleiten,
an einen Bericht aus dem letztjährigen Tagebuch. Ich sage nur Oberhausen,
1:6! Karneval und VfL... neenee, das passt nicht.
*gääähn*
mein Kumpel Domi aus Hannover (remember: Hinspiel)
hat seinem Spitznamen "Pilsmann" jedenfalls gestern alle Ehre gemacht -
und somit muss der Gegenbesuch im Ruhrstadion ausfallen. Er bleibt bei
seiner Schwester in Karneval-Düsseldorf. Das Radio springt von allein
an, und eine Stimme verrät etwas von "Streik in NRW" und "Deutscher
Bahn". War klar. Heute sitzen in den Zügen ja auch nur Fußballfans
aus Bochum, Hannover (VfL-96), Dortmund, Rostock (BVB-Hansa), Mönchengladbach,
Gelsenkirchen (Gladbach-Schalke) und Essen (RWE spielt in Münster),
dazu noch die diversen Karnevalspartys in Köln und Düsseldorf;
hurra, so macht sich die Deutsche Bahn eine Menge Freunde. Oh Wunder, mein
Zug ist pünktlich, und inmitten von blauen, roten, weißen und
schwarz-gelben Fans bahne ich mir den Weg in den Regionalexpress und sinniere
immer noch über meine Karneval-und-Fußball-Erfahrungen. Soll
ich nicht doch lieber nach Hause fahren?
Ach quark, ist doch so schönes
Wetter draußen, und ich muss meinem Kumpel Gerd doch noch die Geschichten
aus Dortmund und Rostock erzählen, und die Stadion-Bratwurst, und
die Sonne. Ach, in der "308" vom Hauptbahnhof zum Ruhrstadion wird es immer
nerviger. Dass pro Heimspiel ca. 1 Million Leute in einer Straßenbahn
für 120 Personen sitzen, das ist nicht neu. Vielmehr stört dieser
ewig alte und total abgegriffene Scherz, den irgendeiner garantiert immer
zum Besten gibt, nämlich das laut gegrölte "Die Fahrkarten bitte!"
Also ich lach da lange nicht mehr drüber. Aus Hannover sind viele
Fans mitgekommen, und hey, nicht nur Gerd, auch Sam ist da - und ich freu
mich tierisch. Auf das Spiel, auf einen Sieg, und die miese Karnevalsserie
ist kein Thema.
Jedenfalls für kurze
Zeit. Denn das, was unsere Jungs in der ersten Halbzeit abziehen, ist mit
den Worten "Unverschämtheit" und "Arbeitsverweigerung" nicht einmal
ansatzweise treffend zusammengefasst. Schon bevor das Spiel anfängt,
scheint es 0:1 zu stehen; denn wirklich lange war bei dem Tor von Vinicius
noch nicht gespielt. Es erinnert fatal an das Bielefeld-Heimspiel,
vor allem die Entstehung des Gegentores. Ein Querschläger von Reis
- Ecke. Ein Querschläger von Hashemian nach derselben - Gegentor.
Ich glaub es geht schon wieder los. Alle zwei Minuten ruft einer aus unserem
Trio "Ich könnt kotzen", und es klappt nichts. Fehlpässe, dumme
Fouls, verlorene Zweikämpfe. Siehe oben. Unverschämtheit. Bobic
nickt zum 0:2 ein, in der 35. oder so, und diese Hütte ist die Frechheit
überhaupt. Mal wieder vergeblich auf Abseits gespielt, und dann bequemt
sich keiner unserer Jungs, den Bobic auch nur ansatzweise zu stören.
Das macht auch in der 44. Minute keiner, doch da köpft Fredi an den
Pfosten. Gibts nicht. 0:2 stehts, 0:3, gar ein 0:4 wäre verdient gewesen.
So ein Pfeifkonzert ist mir sehr selten in meiner 219 Spiele langen VfL-Zeit
untergekommen - da sind (Achtung!) die Cheerleader in der Pause die Attraktion
des Nachmittags, und ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals
schreiben muss. Auch unser Trainer Pidder hat ein Einsehen und staucht
unsere Jungs nicht in der Kabine, sondern auf dem Platz zusammen. Auch
noch nicht erlebt.
Dass ich diese erste Halbzeit
doch noch einigermaßen positiv in Erinnerung behalte, liegt an den
Jungs. Irgendwie - keine Ahnung warum - stehen wir einige Meter versetzt
von unserem Stammplatz, und extrem nah im Ultra-Geschehen. Die Stimmung
ist noch einen Tick aufgeheizter, vor allem in der Pause, als eine Schlägerei
droht. Sam, der dunkelhäutige Amerikaner, brüllt laut: "Kaum
fehlt ein Neger in der Abwehr, schon läufts nicht!" Desweiteren erzählt
er von einem Job-Angebot des Securitydienstes vor dem Anpfiff (hab bis
jetzt nicht gescheckt, ob der uns nur verarscht hat oder nicht), Gerd erzählt,
dass Dariusz Wosz auf dem Platz eine höhere Intelligenz besitzt als
im realen Leben, wir lachen über Sams spontane Idee, den "Ultras"
beizutreten und regen uns darüber auf, dass ein Ultra-Typ von insgesamt
90 Minuten bestimmt 85 seine blöde blau-weiße Fahne direkt vor
unsere Fressen weht. Kopfschütteln. 0:2 zurück. Gegen Hannover.
Die sind doch ein Abstiegskandidat und dennoch in allen Belangen überlegen.
Pidders Ansprache wirkt.
Die zweite Halbzeit beginnt und die Lawine rollt. Ein Angriff nach dem
nächsten peitscht dem 96-Tor entgegen. V-F-L, V-F-L, V-F-L schallts
durchs weite Rund. Hinten gehts Mann gegen Mann, mit Vriesde, Tapalovic
und Colding; Fahrenhorst und Reis rücken ins defensive Mittelfeld;
alle werden ballsicherer, und Christiansen trifft zum 1:2. Noch 27 Minuten.
Doch vergebens ist alle Müh. Christiansen-Kopfball vorbei. Fahrenhorst-Schuss
vorbei. Eine Ecke nach der nächsten. Hashemian-Kopfball, Tremmel hält.
1:2 verloren. Wir bleiben bei 30 Punkten und auf Platz neun. Aber bis zum
Letzten sinds nur noch acht Punkte. Und jetzt hintereinander Bremen und
Bayern. Abstiegskampf? Tschüss Gerd. Er fährt nach Hause, irgendwo
beim Platz von Vorwärts Kornharpen. Ja, ich glaub selbst die hätten
in der ersten Halbzeit 2:0 gegen uns geführt. Was war nur los?
Solche Spiele können
passieren. Solche Spiele ziehen an Dir vorbei wie eine Gewitterfront. Während
der Blitze und des Donnersgrolls verfolgst Du teilnahmslos das Geschehen,
danach bist Du erstmal froh, dass es vorbei ist - um zwei Stunden später
zu registrieren, was für ein Ausmaß der Schaden hat. Solche
Spiele können passieren. Und doch schmerzen sie wie ein Wadenkrampf.
Ich glaub, Karneval 2004
gehe ich nicht ins Stadion.
Aber die Ruhe des Augenblicks:
Die will ich bald nochmal
erleben!
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